Das arktische Amerika umfaßt in der Hauptsache die Eskimo und einige nordamerikanische Indianerstämme, die sich ihnen in ihrer Kultur zum Teil angeschlossen haben.
Die Eskimo oder, wie sie sich in ihrem Selbstbewußtsein nennen, die Innuit, das heißt Menschen, stellen in ihrem Äußeren einen ganz bestimmten Typus (Abb. 155) dar. Sie sind von mittlerer Körpergröße (Männer etwa hundertsiebenundfünfzig, Frauen hundertneunundvierzig Zentimeter) und von kräftigem Bau, der ihnen ungeheure Stärke und Ausdauer verleiht. Die unteren Gliedmaßen sind kurz, Hände und Füße recht klein, aber gut gebildet. Ihre Hautfarbe ist ein helles Braungelb, die unbedeckten Körperstellen weisen einen dunkleren Ton auf. Die üppigen Kopfhaare sind dick, grob, straff, von schwarzer Farbe. Der Bart der Männer ist meistens recht spärlich und beginnt erst in verhältnismäßig späten Jahren zu sprossen. Der Schädel ist ziemlich hoch, das Gesicht rund und breit, die Nase sehr flach mit breiten Flügeln. Der Unterkiefer zeichnet sich durch eine besonders mächtige Entwicklung seiner Masse, wenig vortretendes Kinn und sehr breite Äste aus. Die Wangenbeine springen weit vor; die dunklen Augen sind mongolenähnlich geschlitzt. In dieser ihrer äußeren Erscheinung lassen die Eskimo deutliche Beziehungen zu den nordamerikanischen Indianern, anderseits auch, und zwar noch augenfälliger, zu gewissen nordasiatischen Völkern erkennen; in kultureller Hinsicht zeigen sie einen ganz ausgesprochenen Zusammenhang mit ersteren. Auf Grund dieser Tatsache hat Boas die Behauptung vertreten, daß als ihre Heimat die Gebiete östlich der Beringstraße, anscheinend die Gegend zwischen Hudsonbai und Südalaska, anzusehen seien, von wo aus sie sich nach Westen, Osten und Norden verbreitet hätten. Bei Aufstellung dieser Vermutung hat man aber zu wenig der körperlichen Eigenart Rechnung getragen, die frühere Forscher veranlaßte, die Eskimo zu den sibirischen Völkern in Beziehung zu setzen. Vielleicht lassen sich beide Ansichten miteinander vereinigen, wenn man annimmt, daß die Entstehung der Eskimo überhaupt in den Gebieten um den Nordpol vor sich gegangen ist und daß sie möglicherweise die Überreste einer Urrasse vorstellen, die in dieser Gegend entstand und vielleicht auch der gelben Rasse den Ursprung gegeben hat. Diese Annahme schließt nicht aus, daß vor einigen Jahrhunderten ein neuer Nachschub von Amerikaeskimo nach Nordasien erfolgte, was geschichtlich festzustehen scheint.
Phot. Dr. S. K. Hutton.
Abb. 154. Eine Schneewohnung der Eskimo zur Winterszeit.
Die Eskimo bewohnen heute die südlichen Teile der Ostküste und die ganze Westküste von Grönland, das nördliche Labrador, die südlichen Inseln des Archipels, die ganze Nord- und Nordwestküste von der Hudsonbai an bis nach Südalaska, die nördlichen Inseln der Beringstraße und das Kap Tschukotskoj auf dem asiatischen Festlande. Sie führen ein umherschweifendes Dasein längs der Meeresküsten, da sich ihre Hauptbeschäftigung auf Jagd und Fischfang beschränkt. Im Sommer hausen sie daher in Zelten (Abb. 153), die aus Seehund- oder Renntierfellen zusammengenäht sind und durch Ruder oder gewöhnliche Stangen gestützt werden; ein größeres, aus Seehunddarm hergestelltes Stück Zeug dient als Türverschluß. Im Winter dagegen beziehen sie feste Wohnungen, die sie sich im Erdboden aushöhlen und mit Moos oder Erde über einem aus Holz- oder Walfischrippengerüst hergestellten Dach bedecken, oder Schneehäuser (Abb. 154). Ein kurzer, niedriger Gang, in dem man sich meistens nur kriechend fortbewegen kann, führt nach dem einzigen Innenraum, an dessen Wänden sich eine hölzerne Pritsche als Schlafgelegenheit für die ganze Familie hinzieht. In diesen Gebäuden leben Männer, Frauen und Kinder verschiedener Familien dicht zusammengedrängt; in ihnen werden Menschen geboren, werden Menschen krank und sterben Menschen; aus ihnen trägt man sie auch zu Grabe.
Aus: Transactions Department of Archaeology University of Pennsylvania.
Abb. 155. Eskimo von King Island (Alaska) mit Tabakpfeife.
Persönliche Sauberkeit ist keine Tugend der Eskimo. Die ursprünglichen Stämme sind in ihrem Äußeren und in ihren Gewohnheiten unbeschreiblich schmutzig, und es hält sogar schwer, den Eskimo, die bereits unter europäischem Einfluß angesiedelt worden sind, die einfachsten Begriffe von Reinlichkeit beizubringen. Es mag dies wohl auch daher rühren, daß Wasser eine schwer zu beschaffende Sache ist, denn es muß aus Schnee oder Eis mit Hilfe von kostbaren, weil ebenfalls schwer zu beschaffenden, Brennstoffen durch Schmelzen gewonnen werden und findet daher zu wichtigeren Zwecken als zum Waschen Verwendung. Unter diesen Umständen waschen sich die Eskimo nicht selten mit ihrem eigenen Urin.
Den hauptsächlichsten Lebensunterhalt liefert den Eskimo die Jagd (Abb. 156 und 157) auf Robben, Walfische und andere Seesäugetiere, auch auf Landtiere, wie Moschusochsen, Renntiere und Vögel, sowie der Fischfang (Abb. 158) (Lachse, Forellen und so weiter). Sie sind ein Seevolk, das sich selten von der Küste entfernt. In ihrem harten Kampfe ums Dasein sind sie in erster Linie vom Seehund abhängig, der ihnen Nahrung und Kleidung liefert und sie auch mit Licht und Feuerung versorgt. Sie sind echte Fleischesser. Im Sommer wagen sie sich in ihren Kajaks auf das weite Meer hinaus oder jagen hinter Moschusochsen und Renntieren her. Der Kajak ist ein aus Treibholz hergestelltes Einmannsboot, das mit einem strammsitzenden Überzug aus Seehundshaut versehen ist; in diesem ist nur eine kreisrunde Öffnung gelassen, in die der auf dem Boden des Bootes sitzende Mann vollständig hineinpaßt. Es wird daher von dem Erbauer dem Besteller wie ein Kleidungstück angemessen, und der Mann bildet mit seinem Boot gleichsam ein Ganzes. Zur Ausrüstung eines Kajaks gehören ein sogenannter Vogelpfeil, eine Harpune, eine Lanze und eine Fangblase aus Seehundleder, die hinter dem Ruderer liegt. Zur Fortbewegung bedient sich der Eskimo eines Doppelruders, dessen Handhabung besondere Geschicklichkeit erfordert. Eine andere Art Boote sind die Umiaks oder Frauenboote, so genannt, weil sie früher ausschließlich von Frauen gelenkt wurden; es sind dies offene Boote von der üblichen Form, ebenfalls aus einem Holzgerippe bestehend, das mit Fell überzogen ist.
Während des langen arktischen Winters leben die Eskimo eingepfercht in dem einzigen Raum ihrer Hütten, essen, trinken, schlafen, lieben und sind vergnügt. Niemals scheint es zu Unzuträglichkeiten zwischen ihnen zu kommen; Duldsamkeit und Liebenswürdigkeit sind die hervorstechenden Charaktereigenschaften der Eskimo; ja sie sollen nicht einmal ein Wort besitzen, mit dem Schelten ausgedrückt wird, auch keine Bezeichnung für Krieg. Überhaupt gehen sie sparsam mit ihren Worten um; ihre Sprache ist so wortarm, daß ein einziges Wort vielerlei ausdrückt, wofür andere Sprachen verschiedene Bezeichnungen haben. Entstehen Streitigkeiten unter den Eskimo, so pflegen sie sie auf ganz gelungene Art zu schlichten. Wer sich gekränkt fühlt, bringt seine Klage in einem Liede zum Ausdruck; hat er es beendet, so wird sein Gegner aufgefordert, zu erscheinen und das Lied anzuhören. Dabei entwickelt sich eine allgemeine gesellige Unterhaltung, zu der sich die Freunde beider Parteien einfinden. Der Beleidigte trägt sein Lied unter Trommelbegleitung vor; findet es Beifall, so wird dies als ein Sieg des Sängers angesehen, und seine Klagen werden als berechtigt anerkannt; drückt die Versammlung aber Unzufriedenheit mit seinem Liede aus, so gilt dies als Strafe. Bei solchen Zusammenkünften pflegt man auch noch zu tanzen, was die allgemeine Stimmung erhöht. — Die Eskimo sind auch außerordentlich gastfrei, besonders wenn ein Stamm einen anderen besucht. Dabei sind ein höchst merkwürdiges Vorkommnis sogenannte Grußduelle, bei denen die einander Begrüßenden mit Ohrfeigen einen richtigen Zweikampf ausfechten, anscheinend ein Überrest der ursprünglichen Abneigung gegen Fremde.
Phot. Dr. Arnold Heim.
Abb. 156. Eskimo beim Zerlegen einer Robbe.
Der Robbenfang bildet eines der wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben. Im Hintergrunde links ein Kajak.
Die Kleidung der Eskimo ist für beide Geschlechter ziemlich dieselbe. Sie besteht aus einem Ober- und Untergewand; jedes dieser beiden ist aus einer Ärmeljacke, die aber nur eine Öffnung zum Hineinschlüpfen besitzt und daher über den Kopf gezogen werden muß, und Hosen zusammengesetzt. Diese sind beim weiblichen Geschlecht kürzer, gleichen sozusagen Badehosen. Die Männer Südgrönlands tragen an ihrer Jacke noch eine Kapuze, die Frauen (Abb. 159) einen hohen Kragen aus schwarzem Seehundsfell, über ihm ein buntes, breites Halsgeschmeide aus Perlen. Dazu kommen noch die Kamils, Strumpf und Stiefel in einem Stück, die bei den Frauen wegen ihrer kurzen Hosen weiter hinaufragen. Sie bestehen aus einer inneren Socke von Seehundsfell, dessen Haar nach innen gewendet ist, und einem äußeren Schuh aus haarlosem, wasserdichtem Fell. Die Eskimo lieben es, ihre Gewänder mit farbenprächtigen Lederstreifen zu benähen. Diese werden mit dem Weibermesser (Ulo) in Form geometrischer Muster (Kreise, Rauten, Quadrate) zurechtgeschnitten, bunt gefärbt und in geschmackvoller Anordnung auf die Kleider aufgenäht. Hierin bekunden die Frauen eine ganz besondere Geschicklichkeit und guten Geschmack. Auf diese Weise hergestellte Gürtel bilden sogar einen Gegenstand lebhafter Ausfuhr.
Phot. Dr. S. K. Hutton.
Abb. 157. Eskimo beim Robbenfang von schwimmenden Eisschollen aus.
Bisweilen treiben diese Schollen vom Lande ab und in die See hinaus; ihre Besatzung muß dann eines langsamen, qualvollen Todes sterben.
Das Haar der Eskimo läßt sich wegen seiner Straffheit nicht leicht geschmackvoll anordnen; dessenungeachtet verstehen die Frauen es doch hier und da, sich ein nettes Aussehen zu geben. Die Männer lassen ihr Haar meistens wachsen, wie es will, und schneiden es sogar vielfach überhaupt nicht; aus dem Gesicht wird es mit einem Band oder Riemen zurückgehalten. Die Frauen dagegen vereinigen ihr Haar in einem Knoten oben auf dem Scheitel und fassen es hier durch ein Band zusammen. Dieser Haarknoten ist Gegenstand großen Stolzes; das Hauptbestreben seiner Trägerin geht dahin, den Knoten so steif wie möglich in die Höhe ragen zu lassen. Interessant ist die verschiedene Farbe des Bandes, das den Schopf zusammenhält. Jungfrauen tragen es rot, uneheliche Mütter grün, verheiratete Frauen blau und Witwen schwarz oder im Alter weiß. Von Körperverzierungen kommen vor Tatauierung (Abb. 160), Unterlippenpflöcke, Backenknöpfe und Ohrgehänge.
Phot. Dr. S. K. Hutton.
Abb. 158. Eskimofrau beim Fischen.
Die Brille dient als Schutz gegen die Schneestrahlung.
Die Eskimo sind große Freunde von Gesang und Tanz unter Begleitung moderner Musikwerkzeuge. Auch ihre heutigen Tänze gleichen den europäischen. Erwachsene wie Kinder erfreuen sich auch an Spielen (Abb. 162 und 165), zum Beispiel an einer Art Fußball mit der Fangblase oder an einem Peitschenspiel, bei dem es darauf ankommt, auf einer glatten Fläche (fest gefrorenem Schnee oder Eis) einen Knochen durch Peitschenhiebe nach einem bestimmten Ziel zu bringen. Alt und jung sind sehr sangesfroh und pflegen nicht selten ganz alltägliche Begebenheiten in Musik zu setzen.
Die Religion der Eskimo besteht in Geisterglauben. Der von ihnen am meisten gefürchtete Geist ist der des Todes, Torngak genannt. Er wohnt angeblich in einer Höhle im einsamen Gebirge. Da man annimmt, daß in seiner Hand Leben und Glück der Menschen liegen, so werden die verschiedensten Vorkehrungen getroffen, um ihn zu versöhnen. Vermittler zwischen ihm und dem Volke ist der Schamane oder Angekok. Der Schamane ist auch der Hüter und Herr der Familiengeister; davon rührt seine große Macht her. Wenn ein junger Eskimo mannbar geworden ist, dann kauft er sich seinen Familiengeist vom Angekok. Sehr drastisch schildert Stefansson einen solchen Einkauf. Ein junger Eskimo hatte erfahren, daß ein alter Schamane sein Geschäft allmählich aufgeben und ein paar gute Geister billig abgeben wollte. „Ich brauche sie nicht länger,“ sagte der Alte, „und dir werden sie nützlich sein. Möchtest du vielleicht meinen Polarbärengeist haben?“ „Am liebsten würde ich den Stromzerbrechergeist besitzen,“ erwiderte der andere. „Nein, den brauche ich bis zuletzt,“ gab der Alte zur Antwort. „Aber du sollst meinen Rabengeist haben. Das ist ein zuverlässiger und wirksamer Geist. An ihm wirst du gewiß deine Freude erleben.“ Daraufhin erstand der junge Eskimo den Rabengeist für ein neues Boot, zwanzig frische Häute, zwei Krüge mit Robbentran und einige andere nützliche Dinge. Entfaltet ein auf diese Weise erworbener Geist die versprochene Wirksamkeit nicht, so wird der Schamane als Ausrede sagen: „Ich kann dir nicht helfen; ich habe ihn dir in guter Absicht übertragen, und wenn du zu jenen gehörst, von denen die Geister nichts wissen wollen, dann kannst du mir leid tun.“ — Ein anderes Beispiel dafür, auf wie vertrautem Fuße die Schamanen vorgeblich mit den Geistern stehen, erzählt uns ebenfalls Stefansson. Eine der üblichsten Unterhaltungen während der langen Winternacht bildet bei den Eskimo die Reise des Schamanen nach dem Monde. Das ganze Dorf versammelt sich in der Hütte, Männer, Frauen und Kinder; sie sitzen auf den Bänken unten, während der Schamane oben am Dach in der Nähe des einzigen vorhandenen Fensters hockt. Einige Männer binden ihn hier mit Stricken ganz fest; darauf wird der Raum völlig verdunkelt. Außerdem müssen alle Teilnehmer die Augen schließen, den Kindern werden sie von den älteren Leuten zugehalten. Der Schamane hat ein Seil, an das ein fester Gegenstand, ein Hammer oder ein Stein, gebunden ist, in der Hand und läßt diesen umherschwirren; gleichzeitig stimmt er einen Gesang an. „Ich fühle mich nicht so schwer wie sonst,“ beginnt er, „mir ist, als säße ich nicht fest auf der Erde. Nun werde ich leicht wie eine Feder.“ Darauf fährt er mit verstellter Stimme, wie wenn sie aus der Höhe komme, fort: „Jetzt erhebe ich mich, nun fliege ich schon, und schneller und immer schneller ...“ schließlich: „jetzt schwebe ich hoch über euren Köpfen, jetzt fliege ich durch das Fenster“ und so fort. Die Stimme verschwimmt dabei immer mehr, und zuletzt flüstert der Schamane nur noch wie aus unendlicher Ferne. Darauf erlebt er alles mögliche auf dem Monde, unterhält sich mit dem Mann im Monde und mit dessen Frau über Jagdaussichten, wobei die Versammlung in tiefstem Dunkel und Schweigen verharrt. Schließlich, nach etwa einer halben Stunde, wird seine Stimme wieder lauter, und zuletzt hört man den Schamanen wieder deutlich rufen: „Jetzt schwebe ich wieder durchs Fenster zurück und komme auf den Boden. Nun öffnet die Augen und zündet die Lampen an.“ Er muß dann von seinen Erlebnissen auf dem Monde erzählen, wobei er seiner Phantasie nach Möglichkeit die Zügel schießen läßt, und alles hört andächtig zu. Das ist der Höhepunkt der Feier. Ebenso wie mit dem Monde versteht der Schamane mit allen möglichen Geistern zu verkehren, sei es, daß sie tief im Meere oder an geheimen Orten auf dem Lande hausen. — Bei den religiösen Festen trägt man groteske Holzmasken.
Aus: Transactions Department of Archaeology University of Pennsylvania.
Abb. 159. Ein Eskimoweib von Nunivagmut (Nunivakinseln, Alaska).
Die heidnischen Gebräuche sind mehr und mehr im Abnehmen begriffen, denn die Eskimo sind dem Einflusse der Missionare sehr zugänglich gewesen, und viele von ihnen haben ohne Zögern das Christentum angenommen. Überhaupt bekunden die Eskimo eine große Neigung, sich die europäische Kultur anzueignen, da sie überzeugt sind, daß sie dabei besser fahren.
Phot. Roald Amundsen.
Abb. 160. Eskimofrau mit Armtatauierung.
Tatauierungen kommen nur bei einem Teil der Eskimo vor.
Hochzeitsgebräuche kennen die Eskimo nicht; die Ehe ist bei ihnen eine ganz nüchterne Sache. Braucht ein Mann eine Frau, so holt er sich einfach eine, die nun ihm gegenüber die eheliche Pflicht erfüllt; besondere Förmlichkeiten finden nicht statt. Wenn der Mann mit seiner Frau nicht zufrieden ist, so schickt er sie wieder nach Hause und versucht es mit einer anderen, oder er behält sie wohl auch bei sich, nimmt aber neben ihr eine zweite Frau. In diesem Falle erhält die zweite die Stellung einer Konkubine, rückt aber, falls die erste Frau sterben sollte, an deren Platz. — Polygamie ist nichts Ungewöhnliches. Auch ein Austausch von Frauen kommt vor. Als genügende Mitgift gilt es, wenn die Frau ihre Kleidung, eine Lampe und ein Messer mitbringt. Trotz der geschilderten leichten Art, Ehebündnisse zu schließen, legen die Eskimo großen Wert auf Verwandtschaft. — Das Los der Eskimofrau ist kein freudevolles, denn in ihrer häuslichen Beschäftigung steckt recht viel Arbeit. So muß sie die Felle zubereiten, um daraus Kleider zu machen. Die abgezogenen Seehundsfelle werden zu diesem Zweck zunächst mit dem Weibermesser und Schabern bearbeitet, gegerbt, gewalkt und geschmeidig gemacht, wobei die Frauen sie nicht selten mit den Zähnen kauen. Behandeln die Frauen das schwer zu bearbeitende Material, wie es oft vorkommt, andauernd auf diese Weise, so werden die Zähne vielfach bis auf das Zahnfleisch abgenutzt. Darauf werden die Felle zu Kleidern zurechtgeschnitten, und diese mit Knochennadeln und Seehunddarmstreifen zusammengenäht.
Mit Erl. der Mährischen Mission.
Abb. 161. Ein einsames Grabmal.
Der bescheidene Besitz des Toten wird neben das Grab gelegt.
Phot. Underwood & Underwood.
Abb. 162. Sportbetrieb bei den Eskimo.
Die Eskimo sind große Freunde von allerhand Sport, wie Ringen, Springen, Speerwerfen.
Jeder verheiratete Eskimo hat den Wunsch, männliche Nachkommenschaft zu erhalten. Für ihre Kinder haben die Eltern sehr viel übrig; sie behandeln sie mit einer solchen Sorgfalt und Liebe, wie man es unter den obwaltenden ungünstigen Verhältnissen nicht erwarten sollte. Von der Wiege bis zum Grabe muß der Eskimo um sein Dasein kämpfen, und dennoch tut er für seine Kinder, was er nur irgend kann. Ja vielfach beschränkt er sich nicht auf die eigenen Kinder, sondern nimmt auch bereitwillig Waisen an, selbst wenn er schon eine Anzahl Kinder zu versorgen hat. Diese angenommenen Kinder behandelt er dann mit derselben Güte und Gewissenhaftigkeit wie seine eigenen. — Die kleinen Kinder werden allgemein rücklings über den Schultern in einer Art Tasche, einer Erweiterung des Oberkleides, getragen, die mit Seehund- oder Renntierfell ausgefüttert ist und den Kleinen einen behaglichen, warmen und gesicherten Unterschlupf gewährt. Dadurch wird die Mutter nicht an der Ausführung ihrer Arbeit und sonstigen Pflichten gehindert.
Mit Erl. der Mährischen Mission.
Abb. 163. Ein geöffnetes Eskimograb.
Sehr oft werden die Gräber durch umherschweifende Hunde oder gewaltige Stürme freigelegt.
Phot. Dr. S. K. Hutton.
Abb. 164. Der Komatik oder Hundeschlitten,
das Beförderungsmittel der Eskimo zu Lande. Die Zughunde werden mit außerordentlich langen Peitschen gelenkt.
Die Eskimo sind dem Untergang geweiht. Sie erreichen in der Regel kein hohes Alter, da ihr harter Kampf ums Dasein und im besonderen die oft unzureichende Nahrung manches Opfer unter ihnen fordert. Die Schwindsucht hat schon viele dahingerafft. — Die Leichen werden entweder in die Erde begraben oder in die See geworfen. Die Habe des Verstorbenen wird entweder auf dem Strande niedergelegt oder auf seinem Grabe (Abb. 161); man tut dies einmal, um nicht mehr an den Toten erinnert zu werden, und zum anderen, weil man annimmt, daß er sein Eigentum in der Geisterwelt gebrauchen könne. In früheren Zeiten wurde die Leiche in Häute eingewickelt und auf kahle Felsen gelegt; die Kleider und die einfachen Gegenstände, die der Tote bei Lebzeiten benutzt hatte, wurden ihm mitgegeben. Bei manchen Stämmen ist dies noch heute Sitte. Unter den mehr zivilisierten Stämmen werden Holzkisten, die man sich von Händlern beschafft, zu Särgen verwendet. Das Holz ist bei den Eskimo sehr rar und daher sehr gesucht; die wichtigste Quelle bildet das Treibholz von untergegangenen Schiffen. Die auf die angegebene Art beschafften Särge werden nur wenig tief in die Erde begraben, so daß es nicht selten vorkommt, daß die Hunde der Eskimo sie ausgraben und bei ihrer Gefräßigkeit die Leichen auffressen (Abb. 163), zumal es ihnen ohne Schwierigkeit gelingt, die in Ermangelung haltbarer Särge als Notbehelf dienenden schwachen Kisten zu erbrechen. Die Gewohnheit des Umherziehens bringt es mit sich, daß die Eskimo den Ort, an dem ein Begräbnis stattgefunden hat, nach kurzer Zeit verlassen, so daß die Hunde dann bald an ihre Arbeit gehen können. Diese Tiere, halb Wolf, halb Hund, sind sehr gefährlich und heimtückisch und fallen gelegentlich auch Menschen an. Ganze Menschenalter hindurch waren sie Freunde und Genossen der Eskimo in Labrador und wurden hauptsächlich als Vorspann der Schlitten verwendet (Abb. 164), sie werden aber neuerdings mehr und mehr durch das Renntier verdrängt, das von der Regierung in das Land eingeführt wurde. Der Vorteil des Renntiers besteht darin, daß es sich nicht nur als Zugtier bei den häufigen Reisen der Eskimo bewährt hat, sondern ihnen durch sein Fleisch auch eine willkommene Abwechslung in der Ernährung bietet.
Phot. Dr. S. K. Hutton.
Abb. 165. Eskimokinder beim Schlittenfahren.
Die dem ganzen Volke eigene Heiterkeit kommt dabei recht zur Geltung.
Phot. George Wharton James.
Abb. 166. Die Teilnehmer an einem Schlangentanz bei den Hopi (Schlangen- und Antilopenmänner).
Sie haben Schlangenpeitschen aus Adlerfedern und Gebetstöcke (Bahos) in der Hand; am Knie tragen sie Rasseln aus Tierhufen oder Schildkrötenschalen. Die Zeichen, mit denen sie auf dem Körper bemalt sind, haben ebenso wie die Muster des Schurzes symbolische Bedeutung.