Das übrige Nordamerika.

Die nordamerikanischen Indianer bilden eine auffallend gleichmäßige Völkermasse im Vergleich zu den verschiedenen Völkern von ähnlich großer Ausdehnung in der Alten Welt. Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Nachkommen von Vertretern einer Verschmelzung aufeinander folgender Einwanderungswellen, die in sicherlich sehr weit zurückliegender Zeit teils von Asien, teils von Europa her auf früher in größerer Ausdehnung vorhandenen Verbindungsbrücken — in der Miozän- und Pliozänzeit stand Nordamerika mit beiden Erdteilen noch in festem Zusammenhang — dorthin gelangten. Diese Einwanderung muß schon stattgefunden haben, bevor der Mensch die Metalle bearbeiten gelernt hatte; dies ergibt sich daraus, daß, als Kolumbus ankam, die meisten Stämme noch im Steinzeitalter lebten, nur ein paar von den weiter fortgeschrittenen, wie die Mexikaner und Peruaner, es bis zur Verwendung von Bronze gebracht hatten. Auch hatte der Mensch zur Zeit jener Einwanderung noch nicht viel auf dem Gebiete der Tierzähmung getan, da die Nachfolger des Kolumbus in Nordamerika einzig den Hund als Haustier antrafen; schließlich konnte der Mensch damals auch noch nicht angefangen haben, Ackerbau zu treiben, da feststeht, daß jene Einwanderer noch keine Kulturpflanzen aus der Alten Welt mitbrachten, sondern erst später eine einheimische Pflanze, den Mais (aus Zentralamerika), für ihr tägliches Brot zu bauen begannen. Dementsprechend können die ersten Ankömmlinge in Amerika sich erst auf der Stufe der paläolithischen Jäger und Fischer der Eisperiode befunden, möglicherweise einer der Zwischeneiszeiten angehört haben. Die bisherigen Ausgrabungen stehen im Einklang mit dieser Annahme: sie haben ergeben, daß das Vorhandensein des Menschen in Nordamerika bis in die warme Interglazialzeit zurückreicht, die anscheinend mit dem gleichen Zeitraum in Europa zusammengefallen ist. Für die Tertiärzeit ist der Mensch in Amerika noch nicht nachgewiesen. Als er hier erschien, müssen sich die Sprachen noch in einem so wandelbaren Zustande befunden haben, daß sie sich leicht spalten konnten. Der Ethnograph J. W. Powel hat allein nördlich von Mexiko achtundfünfzig getrennte Sprachgruppen unterschieden, die sich wiederum in unzählige verschiedene Dialekte teilen. — Für Südamerika weisen verschiedene Anzeichen darauf hin, daß hier auch noch von der Südsee her eine Einwanderung erfolgt sein muß. Die Forschungen hierüber befinden sich noch ganz im Anfangstadium.

Abb. 167. Ein Indianerhäuptling mit seinem charakteristischen Federkopfputz.

Aus diesen europäischen und asiatischen Einwanderern hat sich im Laufe der Zeiten unter dem Einfluß der veränderten Umgebung und der Abgeschlossenheit ein besonderer Menschenschlag entwickelt, den wir als Indianer oder (wegen der roten Körperbemalung) als Rothäute bezeichnen. Er ist in seinen Grundzügen, wie schon gesagt, ganz einheitlich, zeigt aber in einigen Einzelheiten, im besonderen in der Körpergröße und der Schädelform, große Mannigfaltigkeit. Entsprechend ihrer verschiedenen Zusammensetzung erinnert der Typus der Indianer sehr an den der Mongolen, unterscheidet sich von ihm aber auch wieder durch die größere und kräftig vorspringende Nase, das größere Auge mit nur schwacher oder gänzlich fehlender Schrägstellung der Lidspalte und das braune Haar. Auf der anderen Seite aber lassen sich auch wieder Anklänge an den europäischen Typus nicht ableugnen, wie die Gesichtsbildung, im besonderen die kräftig gebogene Adlernase, die Körpergröße und manches andere. Die Indianer (Abb. 167 und 168) sind im allgemeinen von übermittelgroßer, kräftiger, ebenmäßiger Gestalt, die hier und da wohl sehr niedrig (Pueblos), aber auch wieder ausnehmend hoch (Irokesen, Patagonier) ausfallen kann. Ihre Hautfarbe ist kein Rot, wie Laien fälschlich annehmen, sondern ein rötliches ober gelbliches Braun; es kommen dabei alle Schattierungen von Schwarzbraun bis zum Hellbraun vor. Das Kopfhaar ist grob, straff, schwarz mit bräunlichem Glanze, oft sehr lang (auch beim männlichen Geschlecht). Am übrigen Körper wie auch im Gesicht ist das Haarsystem spärlich entwickelt; der Bart wird übrigens meistens entfernt (Abb. 169). Die Schädelform ist im allgemeinen kurzköpfig, es kommen aber auch langköpfige Stämme vor. Die Stirn ist gut gewölbt, das Gesicht breit, oval oder rund. Die Augen sind stets schwarz und liegen tief. Die Nase ist durchweg groß und vortretend, ihr Rücken gerade oder gebogen (Adlernase).

Die nordamerikanischen Indianer lassen sich in wirtschaftlicher Hinsicht in drei Gruppen unterscheiden. Die meisten von ihnen stehen auf der Stufe der Hackbauern, sind daher seßhaft und besitzen wohlangelegte Häuser. Eine zweite Gruppe, die Prärieindianer — die bekanntesten die Sioux —, liegen hauptsächlich der Jagd (auf Büffel, Elch, Biber und Hirsch) ob, sind daher stets auf der Wanderschaft begriffen und führen ihre Behausung in Form eines zerlegbaren Zeltes aus Fellen mit sich (Abb. 170 und 171). Die dritte Gruppe endlich bilden die Indianer Kaliforniens und Oregons; sie stehen alle noch auf recht niedriger Stufe. Sie verfügen zum Teil wohl schon über feste Häuser (Rundbauten), zum Teil nur über Windschirme. Ihre Nahrung beziehen sie durch Einsammeln von Pflanzen und Früchten (im besonderen Eicheln). Unter den Prärieindianern stand früher die Lederbereitung in Blüte; dementsprechend bestand auch ihre Kleidung ausschließlich aus diesem Stoffe, den bekannten Leggins (Beinfutteralen), den Mokassins (Schuhen), einem Ärmelwams und einem großen Mantel aus Büffelfell (Abb. 172). Die meisten Indianer kleiden sich heute bereits nach Europäerart.

Phot. Reinhold & Thiele.

Abb. 168. Ein Tschimschianhäuptling vom Skeenariver (Britisch-Kolumbien) in Festtracht.

Die große Maske zu seiner Linken stellt Lthwogie, den Räuber unartiger Kinder, dar.

Die Pueblos weisen eine ganz besondere Kultur auf, für die unter anderem die Bauart ihrer Siedelungen bezeichnend ist. Es sind dies die sogenannten Dorfhäuser auf isolierten Plateaus (Abbildung 173) oder auch in der Ebene, die einen ganzen Stamm beherbergen (deswegen Pueblos genannt) und daher aus zahlreichen einzelnen Zellen sich terrassenartig und gleichzeitig reihenweise über-, neben- und untereinander aufbauen; der Zugang zu ihnen ist nur auf Leitern möglich. Die Pueblos betreiben Ackerbau; einige Stämme verfügen über eine hochentwickelte Fertigkeit auf dem Gebiete der Flechtkunst, Weberei und Keramik (Hopi) (Abb. 174 und 175). Eigenartig ist das Verfahren der Puebloindianerinnen beim Frisieren des Haares (Abbildung 176 und 177).

Die nordamerikanischen Indianer glauben, sofern sie nicht zum Christentum übergetreten sind (Abb. 178 und 179), an eine Welt von Geistern, die der durch die fünf Sinne sich offenbarenden materiellen Welt nach ihrer Meinung übergeordnet ist. Die Geister (Abb. 180) befinden sich überall: in der Erde, in der Luft, im Feuer und im Wasser, wie überhaupt in allem, was von diesen vier Elementen umschlossen ist. Townshend führt hierfür eine interessante Beobachtung an. Er versuchte einmal einem Navajo einen neuen Bogen, den dieser sich selbst angefertigt und bereits zu einem glücklichen Schuß auf einen Hirsch benutzt hatte, abzukaufen, erhielt aber eine abschlägige Antwort. Der Indianer wollte ihn auf keinen Fall abgeben, denn, wie er sagte, besitze sein neuer Bogen, obwohl seiner Hände Werk, jetzt einen eigenen Geist, und der erste Schuß habe ihm bewiesen, daß dieser ihm freundlich gesinnt sei; daher getraue er sich nicht, sich von dem Bogen zu trennen. Dieser Mann erkannte wohl die guten Eigenschaften des Bogens, wie seine gelungene Form, die Straffheit seiner Sehne und die Dehnbarkeit an, dachte sich aber dahinter in dem Bogen ein Wesen mit einem, seinem eigenen ähnlichen Empfinden, das imstande und auch gewillt sei, ihm auf der Jagd zu helfen und unter Umständen zu schaden. In ähnlicher Weise denken sich die Indianer die ganze Welt um sich her von unzähligen Geistern bevölkert, deren Verhalten gegen sie von ganz unberechenbarer Bedeutung sei.

Phot. Dr. W. R. Shufeldt.

Abb. 169. Paul Showeway, Häuptling der Cayusen.

Die Cayusen sind ein kleiner, aber tapferer Stamm der Oregonindianer, der jetzt größtenteils in die Nez Percés und Wallawallas aufgegangen ist.

Phot. Wm. Rau, Philadelphia.

Abb. 170. Indianisches Zeltlager.

Zum Fortschaffen der Lasten dient eine eigenartige Vorrichtung: zwei sich vor dem Sattel des Pferdes kreuzende lange Stangen laufen an den Seiten des Tieres entlang und sind an ihrem hinteren Ende mit einer aus Querhölzern gebildeten Trage versehen.

Phot. The Exclusive News Agency.

Abb. 171. Zelte der Schwarzfußindianer.

Sie wurden früher aus Büffelfellen, jetzt aus Stoff hergestellt; die Spitzen der Zelte sind von dem aus ihnen aufsteigenden Rauch geschwärzt. Auf dem Bilde bewegt sich zwischen den Zelten hindurch ein Trauerzug.

Die Algonkinsprache besitzt ein Wort manito oder manitou, das man oft als eine verallgemeinernde Bezeichnung anwendet, um damit die Summe der geheimnisvollen Mächte hinter der sinnlichen Welt auszudrücken. Kitchi Manitou oder großer Geist faßt man dann gleichsam als gleichbedeutend mit Gott auf. Inwieweit dieser Gedanke an einen großen Geist, der alle übrigen in sich einschließt, auf christliche Lehren, die die Missionare im Lauf der Jahrhunderte übermittelten, zurückzuführen ist, läßt sich schwer sagen. Die Vorstellung von einem großen Geist ist aber zweifellos unter den Indianern weitverbreitet, und je höher ein Stamm entwickelt ist, um so deutlicher tritt sie in die Erscheinung. Doch gilt dieser große Geist nicht immer für so gütig, wie er mächtig ist. Die Sioux- und Foxindianer schildern Kitchi Manitou in ihrer großartigen Schöpfungssage als ein Wesen, das seine Kinder erschlagen ließ aus Furcht vor ihrer Rivalität und zur Strafe dafür in eine Indianerhütte an der Küste des Weißen Stromes am Firmament (unsere Milchstraße) verbannt wurde. Sein ihn überlebender Sohn Wi-sa-kae machte die üblichen Abenteuer eines Kultheros durch: er versuchte auf den Flügeln des Bussards, der damals so bunte Farben wie ein Papagei trug, zu seinem ihm befreundeten Ahn, der Sonne, aufzufliegen. Der hinterlistige Bussard glitt aber unter ihm weg, und der Held fiel auf die Erde, wobei er nur mit knapper Not der Gefahr entging, in Stücke zerschlagen zu werden. Zur Strafe wurde das ganze Bussardvolk dazu verurteilt, Erdarbeiten zu verrichten, um die Erde für die Menschen, die Wi-sa-kae zu erschaffen gedachte, vorzubereiten. Auch haben von der Zeit an die Bussarde ihre prächtigen Farben verloren und sind dem Haß und der Verachtung der Menschen preisgegeben. Darauf schuf Wi-sa-kae aus roter Erde die Menschheit, lehrte sie allerlei Künste und Tänze und machte sie mit der Jagd und dem Maisbau bekannt, überhaupt mit allem, was zu ihrem Glück nötig war. Als er dies alles getan hatte, sagte er den Menschen lebewohl und teilte ihnen zugleich mit, daß er nach dem Norden gehe und in Eis und Schnee sich eine Hütte bauen wolle; er werde sie aber alljährlich beim ersten Schneefall wieder besuchen und eines Tages in seiner eigenen Gestalt, doch in Jugend und Schönheit, wieder vor ihnen erscheinen, um die Menschen dann in das glückliche Land im Westen zu führen, wo sein Bruder über die Geister ihrer Ahnen regiere; darauf werde er selbst wieder umkehren und die Welt, aus der er sie fortgeleitet hätte, zerstören. Diese Erwartung der Wiederkunft des Helden besteht bei den Indianerstämmen fast durchweg. Wie man in Europa während des Mittelalters von der Wiederkehr des Königs Artus, Karls des Großen und Barbarossas träumte, so erhofft der Indianer Nordamerikas fast täglich das Wiedererscheinen des Wi-sa-kae. Townshend beobachtete, wie die Pueblos jeden Morgen, in ihre Decken gehüllt, auf den flachen Dächern ihrer Häuser standen und Ausguck nach Osten hielten, von wo sie den Messias, der von ihnen gegangen, zurückerwarteten. Von Peru, Yukatan und Mexiko an bis zu den Jagdgründen des weiten Nordens warten die Indianer auf die Wiederkehr ihres halbgöttlichen Heros, der sie die Künste des Friedens und des Krieges lehrte. Nicht immer aber wird dieser Held für so wohlwollend und gerecht gehalten, wie die Sioux den ihrigen hinstellen; die Indianer schufen sich eben ihre Götter nach ihrem eigenen Ebenbild, und so war ihr Held nur zu oft mit denselben Tugenden und Lastern ausgestattet wie die Indianer selbst.

Nach einem Gemälde von F. Seth.

Die Flötenzeremonie oder Lenya der Hopi-Indianer.

Diese ganz verwickelte heilige Handlung nimmt neun Tage in Anspruch, deren letzter Tihune heißt, und wird in Walpi sowie in vier anderen Bezirken der Hopi begangen.

Phot. M. A. Owen.

Abb. 172. Sioux auf dem Wege zum Sonnentanz, der im Frühjahr stattfindet.

Bei dieser Gelegenheit werden die Gelübde erfüllt, die die Männer zu Kriegszeiten, die Weiber in Krankheitsfällen getan haben. Die Friedenspfeife macht die Runde, die Häuptlinge geben weise Ratschläge, und Medizinweiber fasten und beten für das Gemeinwohl.

Phot. R. B. Townshend.

Abb. 173. Walpi, der Ort des Schlangentanzes der Hopi,

am Ende einer schmalen Sandsteinklippe, die sich 600 Fuß über die Ebene erhebt.

Selbstverständlich hat kein Stamm seine Überlieferungen unverändert zu erhalten vermocht; da sie von Geschlecht zu Geschlecht sich vererbten, ist manches vergessen oder falsch verstanden worden, und da auch die Lebensweise der Menschen sich manchmal änderte, so hielten die übernatürlichen Wesen damit Schritt und paßten sich den neuen Forderungen an, indem auch sie sich änderten. Die Navajo zum Beispiel, ein unstetes Hirtenvolk, haben keinen Oberhäuptling und denken sich ihre Geisterwelt ebenso demokratisch, wie sie selbst es sind. Sie glauben daher an viele mächtige Geister, die von ihnen versöhnt werden müssen, kennen aber kein höheres Wesen, das die übrigen beherrscht. Interessant ist es, daß der bedeutendste dieser Geister, Estsanatlehi, das heißt „die Frau, die jung ist“, als weiblichen Geschlechtes gilt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß man diese Vorstellung der Natur entnommen hat, die gegen Ende des Jahres alt wird und sich in jedem Frühjahr verjüngt. Dieser Geist, der auch unter dem Namen Whailahay bekannt ist, gilt für das höchste Wesen in der Welt der Abgeschiedenen, wo es die Flußübergänge bewacht, die überschritten werden müssen, um zu den glücklichen Jagdgründen oder Weideplätzen der Geister zu gelangen. Whailahay nimmt sich ihres Geschlechtes sehr an: ein Navajo, der bei Lebzeiten seine Frau mißhandelt hat, findet schwerlich Gnade vor ihr, wenn er den Fluß, der zum Paradies seines Stammes führt, überschreiten will. So kommt es, daß die Frauen der Navajo ganz im Gegensatz zu denjenigen anderer Stämme, die gewissermaßen nichts sind als geduldige Arbeitstiere, sich in hohem Grade am öffentlichen Leben beteiligen.

Welcher Art oder welchen Geschlechtes die Geister auch sein mögen, um deren Gunst sich die Indianer bemühen, alle müssen von ihnen in erster Linie durch besondere feierliche Handlungen, vor allem Tänze (Abb. 182), besänftigt werden. Vor einem solchen Zeremonialtanz unterziehen sie sich gewöhnlich einer Läuterung, entweder durch längeren Aufenthalt in einem Schwitzhaus oder durch Fasten; danach erscheinen sie entkleidet und bemalt, mit Masken und Perlen geschmückt, sowie mit Fuchsschwänzen und grünen Girlanden behängt, tanzen in langsamem, feierlichem Reigen und rufen die Geister an, daß sie ihnen Sonnenschein oder Regen, Fruchtbarkeit oder erfolgreiche Jagd gewähren. Die Pueblos und unter ihnen namentlich die Hopi pflegen Tänze, meist Maskentänze (Abb. 181, 183, 184, 185 und 188 sowie die farbige Kunstbeilage) aufzuführen, um sich die Hilfe ihrer Stammesahnen zu sichern; Maismehl oder Blütenstaub wird verstreut, wenn es sich darum handelt, die Erntegeister anzugehen. Menschenopfer werden wohl nur noch äußerst selten dargebracht. Von den Pawnees wird berichtet, daß sie vier Tage und ebensoviel Nächte tanzten, bevor sie ihrem höchsten Geist, Triava, Menschen opferten, um Kriegsglück und eine gute Ernte von ihm zu erlangen.

Phot. George Wharton James.

Abb. 174. Inneres eines Pueblohauses.

Es birgt Körbe mit Feldfrüchten, schön verzierte Wasserkrüge sowie eine Kornmühle, an der die Frau im Hintergrunde gerade beschäftigt ist. An der Wand hängt ein hausgewebter Sack mit symbolischen Zeichnungen.

Tänze sind indessen nicht die einzigen religiösen Handlungen, mit denen die Indianer sich ihren höheren Mächten nähern. Die Navajo zum Beispiel tanzen wenig, sie lassen dafür ihre Priester Gebete an die Götter richten und fromme Lieder dazu singen, auch ihnen Perlen- oder Federschmuck sowie Zigaretten opfern, die sie mit feststehenden Mustern bemalen. Ihre eigenartigste Anbetung besteht jedoch in der Herstellung heiliger Bilder im Sande, den sie auf dem Boden ihrer Medizinhütten ausbreiten. In ihm stellen sie Götterbildnisse nach überlieferten Mustern dar, indem sie Pulver verschiedener Färbung auf den glatten Sand streuen. Außerdem wird als Opfergabe noch Blütenstaub oder Maismehl über diese Figuren gestreut. In Krankheitsfällen werden Prisen des heiligen Sandes als Medizin verabreicht, bei einem lahmen Fuß zum Beispiel etwas von dem die Füße bildenden Sande, bei Kopfschmerz Sand vom Haupte des Gottesbildes und so weiter. Was dann von dem Bilde noch übrig bleibt, wird hinausgefegt.

Die Puebloindianer blasen bei ihren gottesdienstlichen Handlungen Daunenbläschen in die Luft, damit diese zusammen mit ihren Gebeten in die Höhe steigen.

Phot. C. C. Pierce.

Abb. 175. Puebloindianerin.

Sie trägt eine Olla auf dem Kopfe, ein etwa vierzig Pfund schweres poröses Wassergefäß einheimischer Herkunft; der wollene Rock und die Mokassins aus Buckskin sind gleichfalls einheimische Arbeit, während die baumwollene Bluse und das Kopftuch Industrieerzeugnisse sind.

Phot. George Wharton James.

Abb. 176. Ein Hopimädchen, kenntlich an den runden Haarwülsten,

den Abzeichen der Jungfräulichkeit, zu beiden Seiten des Kopfes, mit ihrer Mutter, die als verheiratete Frau das Kopfhaar in langen Flechten trägt.

Die Hopi führen einen besonders interessanten Tanz auf, den Schlangentanz. Er findet im August statt und dauert jedesmal neun Tage; die Hauptstätte dafür ist Walpi (Abb. 173 und 186). Seine Teilnehmer sind Mitglieder der Brüderschaften der Schlange und der Antilope, die offenbar aus früheren Familientclans hervorgegangen sind und sich zu diesen umfangreichen Gemeinschaften entwickelt haben. Die Priester werden in den Kiwas oder heiligen Kammern zu der ihnen zufallenden Arbeit geweiht; es sind dies Räume, die aus dem Sandsteinfelsen herausgehauen wurden und nur von oben her, mit Hilfe einer Falltür oder Leiter (Abb. 187), Zutritt gestatten. Adlerfedern, Wiesel- und Stinktierfelle schmücken die oberste Sprosse der Leiter. Man schafft bunten Sand in die Kiwas, der, ähnlich wie bei den Navajo, in einem kunstvollen Mosaik von überlieferten Mustern und religiöser Bedeutung zu Altären und Bildnissen verarbeitet wird (Abb. 189). Um die derart errichteten Altäre werden heilige Abzeichen und Fetische aufgestellt. Ferner wird ein Zaubertrank aus Kräutern, Honig und Kornblütenstaub zurechtgebraut und eine geweihte Pfeife mit großer Feierlichkeit nach den sechs Himmelsrichtungen zu geraucht. Die Hopi zählen deren nämlich sechs: Nordwesten, Südwesten, Südosten, Nordosten, Zenith und Nadir; jeder dieser Richtungen ist eine besondere Farbe und Gottheit zugeteilt. Die Festlichkeiten (Abb. 190 und 191) werden mit der Jagd auf Schlangen eingeleitet. Bei ihrem Beginn treten die Schlangenpriester, nur mit einem Lendenschurz und Mokassins bekleidet, mit aufgelöstem Kopfhaar hervor; sie sind mit einem Schlangenbüschel (Abb. 166), das aus einer oder zwei Adlerfedern an einem Griffe besteht, einem langen Stock zum Graben oder einer Hacke und einem Lederbeutel ausgerüstet. Jede Schlange, ausgenommen Wasserschlangen, wird von ihnen aufgestöbert. Treffen sie auf eine giftige, dann fahren sie mit dem Schlangenbüschel über sie hin; dies scheint eine Art hypnotischer Wirkung auf das Tier auszuüben, denn es verhält sich daraufhin ruhig. Nun ergreifen sie mit der einen Hand die Schlange beim Genick, oder, falls dies nicht möglich ist, beim Schwanz, lassen die andere Hand rasch bis zum Halse gleiten und stecken sie in den Beutel. Sind die Beutel gefüllt, dann bringen die Priester sie nach der Kiwa, wo geschickte Hände die Schlangen in große irdene Gefäße legen. Hier verbleiben sie für den Rest der Festtage; sie werden von den Priestern in einem heiligen Wasser gebadet, in heiligem Maismehl gerollt und zusammen mit den Fetischen in dem Sandmosaik des Altars gewälzt. Eine große Rolle spielen bei den Feierlichkeiten noch die Bahos oder Gebetstäbchen. Es sind dies lebhaft gefärbte, befiederte Stäbchen oder Brettchen von verschiedener Länge (wenige Zentimeter bis zu einem halben Meter, je nach ihrer Aufgabe), die man allenthalben, vielfach in Gruppen zusammengestellt, bald in der Nähe der Dörfer, bald auf freiem Felde, in Felsspalten oder im Triebsande antrifft; die Bahos sind von großer Bedeutung im Leben der Pueblos. Am häufigsten trifft man sie in nächster Nähe der Niederlassungen an, wo sie auf einem bis zu etwa einem Meter hohen Aufbau, einer Art Altar, neben Opfern der üblichen Art, darunter Flußgeröll, absonderlich geformte Steinknollen, Bruchstücke versteinerten Holzes sowie abgenutzte und zerschlagene Steingeräte, liegen. In weiterer Entfernung von den Dörfern finden sich die Bahos in Felsnischen aufgestellt. Die Bahos sind, wie gesagt, aus bestimmten Holzarten hergestellte Stäbchen oder Brettchen, die man mit bunten Farben anmalt und mit gewissen Kräutern, Vogelfedern, Baumwolle und mit einem mit Mehl oder Honig zur Nahrung des Baho angefüllten Maisblattsäckchen besteckt. Die Anfertigung geht unter bestimmten Förmlichkeiten (Rauchen vor und nach der Herstellung, Sprechen von Gebeten) vor sich. Diese Gebetstäbchen sollen eine Vereinigung von Symbolen darstellen, deren Deutung im einzelnen vielfach unsicher ist, und, nachdem sie geweiht sind, vermittelnd zwischen Gläubigen und Göttern wirken. Das Wesen des Baho ist einmal eine Bekräftigung oder Verkörperung des mündlichen Gebets, weiter aber auch ein symbolisches Gebet und schließlich noch eine Huldigung für die Götter beziehungsweise ein Opfer für sie. Oft werden zwei Bahos aneinander gebunden, sie sind dann das Sinnbild von Mann und Frau.

Während des Schlangentanzes der Hopiindianer nun werden solche Gebetstöcke auf dem Altar aufgestellt und hierauf während der ganzen neun Tage beständig Gebete gesprochen und andere feierliche Handlungen vorgenommen. Priester und Schlangen leben Tag und Nacht in der Kiwa zusammen. Am sechsten Tage wird in der Kiwa der Antilopengemeinde ein Mysterium über den Ursprung der Schlangenbrüderschaft aufgeführt. Zu diesem Zwecke werden ein junger Mann der Schlangen- und eine junge Frau der Antilopenbrüderschaft auserwählt und besonders ausgeputzt; der letzteren wird ein geweihtes Kornabzeichen in die Hand gegeben. Beide stellen sich vor dem Altar auf. Der Antilopenhäuptling eröffnet die feierliche Handlung mit einem Gebet, in dem er um reichlichen Regen für die Saat und um eine gute Ernte fleht. Hierauf werden sechzehn überlieferte Gesänge vorgetragen, die zum Thema die Legende von der Entstehung des Schlangenclans haben. Dieser zufolge ging vorzeiten eines Tages ein Hopijüngling mit Namen Tiyo bis an den Rand des Grand Cañon und sah dort die brausenden Gewässer des großen Koloradoflusses. Er baute sich eine Arche und fuhr den Fluß hinab, bis er zum Salzsee kam und in diesem auf einer Insel landete. Hier begegnete ihm die Spinnenfrau (die gleichzeitig auch die Erdgöttin ist); sie war sehr freundlich zu ihm und führte ihn auf einer Regenbogenbrücke über den See in ein anderes Land und hier wieder in eine Schlangenkiwa. Dort hingen Schlangenhäute an der Wand, und die Menschen waren ganz ebenso wie Tiyo selbst Rothäute. Als er dann aber aufgefordert wurde, sich umzusehen, da waren diese Menschen auf einmal mit den Schlangenhäuten angetan und glichen Schlangen. Die Spinnenfrau war unserem Helden nun behilflich, diesen Schlangen ein Mädchen namens Teuamana als Braut für ihn abzugewinnen und beiden die Heimkehr zu erleichtern. Aber erst nach vielen Abenteuern kam das Paar wohlbehalten in der Heimat des Hopijünglings an. Diesem Paar nun ist der Schlangenclan der Hopi entsprungen, und darum können die Leute ohne Furcht mit den wilden Schlangen als mit ihren Brüdern umgehen und sie dazu bewegen, ihre Gebete um Regen in die Geisterwelt zu tragen.

Phot. Dr. N. Leon.

Abb. 177. Zapotekenfrau.

Die Zapoteken bildeten vor der Zeit des Kolumbus ein mächtiges Volk von hoher Kultur; heutzutage kommen sie noch ziemlich zahlreich in Oaxaca vor. Beachtenswert sind die mit den Haaren verflochtenen Stoffbänder, die den Kopfputz der Frau bilden.

Phot. George Wharton James.

Abb. 178. Verteilung von Opfergaben an das Volk zu Acoma (Neumexiko).

Am Stephanstage bringen die christianisierten Indianer von Acoma ihren Schutzheiligen allerlei Gaben dar, wie zum Beispiel Pfirsiche, Melonen, Getreidekörner, Chilipfeffer, Brot. Im Lauf des Tages werden diese Gaben nach und nach unter die versammelte Menge verteilt.

Zahlreiche andere Förmlichkeiten werden von den verschiedensten Indianerstämmen vorgenommen, um ihren Feldern Fruchtbarkeit zu verschaffen. Für gewöhnlich aber sind es Maskentänze, mit denen sie diesen Zweck verfolgen. Die Irokesen führen solche im Januar als sogenannte Neujahrstänze auf. Die Masken (Abb. 193), die sie dabei tragen, sind meistens aus Holz angefertigt und sollen bisweilen schon zwanzig bis hundert Jahre in Gebrauch sein. Sie verlangen Tabak als Opfergabe und sind böse, wenn nicht mit ihnen getanzt wird. Sie gleichen menschlichen Gesichtern mit weitgeöffnetem, breitem oder trichterförmigem Munde, sind meistens aus Holz angefertigt und tragen eine Perücke aus Haaren vom Pferdeschwanz, einen Streifen Büffelhaut, ein Geflecht von Maiskolbenhülsen und anderes derart. Ohne Zweifel sollen sie Vegetationsdämonen vorstellen. Die mit ihnen bekleideten Tänzer stecken in Anzügen aus zerrissenen Kleidern oder Maishülsen und haben darunter allerlei umfangreiche Gegenstände angebracht, so daß sie Krüppeln oder Mißgestalteten ähnlich sehen; sie tragen ferner eine Rassel und Keulen in den Händen. Ein derartiger Maskentanz wird von einem Augenzeugen folgendermaßen geschildert: Die Tänzer erschienen vor dem Beratungshause, wo sich die Männer versammelt hatten, und schlugen mit ihren Rasseln und Knütteln unter seltsam grunzenden Ausrufen an die Wände des Hauses. Die Schläge wurden immer heftiger, der Lärm immer ohrenbetäubender. Plötzlich flog die Tür auf und die Tänzer erschienen; sie krochen aber auf allen vieren herein, wanden sich dabei wie Krüppel und schüttelten ihre Rasseln und Stöcke über den Boden hin. Erst in der Mitte des Raumes richteten sie sich auf. Der Tanz dauerte nur kurze Zeit, worauf die Tänzer nach ihrem Gefallen im Beratungshause umhergingen und durch ihre Masken die Frauen anstierten und den Kindern Furcht einflößten. Gelegentlich rief der Leiter der Festlichkeit diesen und jenen von ihnen herbei, gab ihnen etwas Tabak, nachdem er solchen schon vor Beginn des Tanzes an alle Teilnehmer wohl als Opfergabe verteilt hatte, und forderte sie auf, noch auf eine bestimmte Art zu tanzen, verschiedene Tiere nachzuahmen oder auch Schlittschuhläufer, Lokomotiven und dergleichen. Dabei kam es zu ziemlich platten und schlüpfrigen Spässen.

Phot. George Wharton James.

Abb. 179. Johannistag bei den Taos-Pueblos (Neumexiko),

der durch Umzüge festlich begangen wird.

Eine eigenartige Regenzeremonie (Abb. 194) kennen die Zuñi, die von einer besonderen Priestergenossenschaft, den zehn Koy-e-á-ma-shi, um die Sommersonnenwende in der Gestalt von Dämonen, zum Teil mit tierähnlichen Masken, ausgeführt wird. Sie stellen sich dabei in einer Reihe auf, wobei sie die Worte Du-mi-chim-chi, Du-mi-chim-chi-a-a singen, und bewegen sich halb gehend, halb trabend unter den Dachtraufen der Häuser hin durch alle Gassen und um die Außenmauern des Dorfes herum. Jeder läßt dabei seine Hände auf den Hüften seines Vordermannes ruhen, der Führer des Zuges hat die seinigen auf die Knie gestützt; die Leute gehen also leicht nach vorn gebeugt und sind, abgesehen von einem groben und rauhen dunkelblauen Tuch um die Lenden, nackt. Während dieser drollige Zug sich unter den vorspringenden Dächern der Häuser fortbewegt, stehen oben die Frauen mit Krügen voll Wasser, das teilweise nicht gerade von reinster Beschaffenheit ist, und gießen es auf die Köpfe und Leiber der Männer aus. Bisweilen wird vor Ankunft des Zuges, während die Frauen auf ihn warten, mit der Hand ein wenig Wasser aus dem Kruge geschöpft und ausgeschüttet, nach der Annahme von Fewkes, dem wir diese Schilderung verdanken, wohl eine Art Opfergabe. Die Mitglieder der Prozession suchen auf jede Weise möglichst naß zu werden und scheinen um so befriedigter zu sein, je mehr sie bei der Begießung eingeweicht werden. Während des ganzen Vorgangs werden nur die oben wiedergegebenen Worte wiederholt. Es handelt sich hierbei offenbar um Vegetationsdämonen, die die Feldfrüchte vertreten und an deren Stelle das befruchtende Naß empfangen. Die Zuñipriester der Koy-e-á-ma-shi beteiligen sich auch an den heiligen Tänzen, den Korkokshitänzen, die gleichfalls den Zweck verfolgen, Regen und gute Ernte zu erzielen. Sie betreten zusammen mit den Koko, den Haupttänzern, das Dorf und treiben allerlei Späße meist schlüpfriger Natur, die unter den Zuschauern sichtlich großes Vergnügen hervorrufen. Obgleich diese unanständigen Vorführungen mit dem eigentlichen Zweck der Feierlichkeit nichts zu tun haben, so geht ihnen sicherlich eine tiefere Bedeutung nicht ab; die beischlafähnlichen Bewegungen, die dabei meistens vollführt werden, sollen die Befruchtung andeuten. Auch die Moki, ein anderer Pueblostamm, kennen ähnliche religiöse Tänze zum Gedeihen des Pflanzenwuchses: die Anakatschina, bei denen die Ausführenden maskiert auftreten. Einer dieser Tänzer, der den Vegetationsdämon Kokopeli darstellt, ist mit einem ungeheuren Phallus und einem vogelartigen Schnabel ausgestattet.

Phot. R. B. Townshend.

Abb. 180. Indianischer Teufel.

Holzfigur mit beweglichen Gelenken. (Skeenariver, Britisch-Kolumbien.)

Die kurze Skizze, die im vorstehenden von den religiösen Ansichten der nordamerikanischen Indianer entworfen wurde, gibt bei weitem keine erschöpfende Darstellung dieser Verhältnisse; sie sind viel zu verwickelt und zu verschieden, als daß man sie auf wenigen Seiten abtun könnte. Aber sie dürfte genügen, um einen ungefähren Überblick zu gewähren. Im Anschluß hieran seien dem Totem- und Clanwesen der nordwestlichen Jäger- und Fischerindianer noch einige Worte gewidmet. Bei ihnen zerfällt jeder Stamm in eine Reihe von matriarchalischen Clans oder Sippen mit je einem festen Totem. Unter einem Totem wird ein bestimmtes Tier (viel seltener eine Pflanze) verstanden, zu dem sein Besitzer in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu stehen glaubt, insofern er es für seinen Ahnherrn hält. Die Bilder des Totems, meistens ein Bär, Wolf, Adler, Rabe, Biber oder Walfisch, werden auf allen möglichen Gebrauchsgegenständen, Werkzeugen, Booten, Häusern und so weiter entweder in Malerei oder in erhabener Arbeit angebracht, ja selbst auf dem Körper eintatauiert. Vor den Häusern der Häuptlinge werden mächtige, bis zu zwanzig und mehr Meter hohe, längsgeteilte Stämme aus Zedernholz errichtet, die auf ihrer Rundseite mit allerhand Tieren in erhabener Darstellung bedeckt sind, sogenannte Totem- oder Wappenpfähle (Abb. 192). Diese Darstellungen beziehen sich auf den mutmaßlichen Ahnherrn und die verschiedensten Totemtiere aus der Sage des Clans; das oberste Bild gibt das Totemtier des Besitzers, das darunter befindliche das seiner Frau wieder. Die Sage des Clans kommt übrigens auch in dramatischen Veranstaltungen der Stämme zum Ausdruck. Clans, die dasselbe Totem besitzen, gelten als unter sich verwandt, selbst wenn sie verschiedenen Stämmen angehören; ihre Mitglieder dürfen nicht untereinander heiraten, sondern sich nur mit Angehörigen fremder Clans verbinden. Das Kind gehört dem Geschlecht der Mutter an (Matriarchat).

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 181. Ein Hopipriester in der Tracht eines Katschinatänzers.

Der Katschinatanz wird zu Ehren der Ahnen ausgeführt. Die Maske mit dem hohen Aufsatz ist diesem Tanz eigentümlich; der Lendenschurz hat symbolische Bedeutung. Zu der Rechten trägt der Tänzer eine Kürbisrassel.

Phot. Dr. N. Leon.

Abb. 182. Szene aus einem Zeremonialtanz der Totonaken

aus dem Papantladistrikt (im Staate Veracruz, Ostmexiko). In den religiösen Gebräuchen dieses Volkes nimmt der Symbolismus einen breiten Raum ein.

Außer seinem Wappentier besitzt jeder Clan noch eine Reihe persönlicher Schutzgottheiten oder Dämonen, die seinen Mitgliedern, sofern sie in die Geheimnisse eingeweiht sind, bestimmte Gaben oder Fertigkeiten verleihen, wie zum Beispiel unverwundbar zu sein, Menschenfleisch essen zu können und dergleichen. Diese Personen bilden Geheimbünde und führen, besonders zur Winterszeit, Maskentänze auf, in denen in dramatischer Weise die Gewinnung des Dämons und die durch ihn erlangten Fähigkeiten zur Darstellung gebracht werden. Die Religion hat mit diesen Geheimbünden wenig zu schaffen, denn eine eigentliche Verehrung der Schutzdämonen besteht nicht. Der vornehmste der zahlreichen Geheimbünde ist der der Hametzen (Hamatsa heißt Menschenfresser), deren Mitglieder in der Tat noch dem Kannibalismus huldigen. Gleich bei der Aufnahme muß der Kandidat den ersten besten Menschen, der ihm entgegenkommt, in den Arm beißen und Blut aus der Wunde saugen. In früheren Zeiten aßen die Hametzen Sklaven, heute verspeisen sie eingetrocknete Leichen, die ein bis zwei Jahre lang in Holzkisten auf Bäumen ausgesetzt waren. Ihr Fleisch wird in Wasser aufgeweicht, von den Knochen abgeschält und dann verzehrt.

Phot. George Wharton James.

Abb. 183. Vorbereitungen zur Flötenzeremonie an einem Altar.

Einer der Teilnehmer trägt ein Sinnbild der Sonne. Am unteren Ende der Stufen ist ein Elternpaar damit beschäftigt, seine Tochter zu schmücken, wobei ein unbekleidetes kleineres Kind zuschaut.

Wir können die Beschreibung der barbarischen Bräuche unter den nordamerikanischen Indianern nicht schließen, ohne noch des Skalpierens zu gedenken, des Abziehens der Kopfhaut erschlagener Feinde als Siegeszeichen, einer Unsitte, mit der die Europäer zum ersten Male im Jahre 1520 unter Francesco de Garay während seines unglücklichen Zuges nach Panuco bekannt wurden. Das Skalpieren — der Name ist der englischen Sprache entnommen; Skalp bezeichnet ursprünglich Schale, Hirnschale — ist sowohl bei zahlreichen nordamerikanischen Stämmen, wenngleich nicht bei allen, als auch bei einzelnen südamerikanischen Indianerstämmen (im Chaco und in Guyana) Brauch gewesen; er scheint von den Gebieten um den Golf von Mexiko (Florida) seinen Ausgang genommen zu haben. Die Europäer haben seit der Entdeckung des neuen Erdteils nicht wenig zu seiner Verbreitung beigetragen, indem sie, wie Friederici festgestellt hat, durch ihre Feuerwaffen, die die Kriege viel verlustreicher gestalteten, durch ihre Stahlmesser, die das Skalpieren bedeutend erleichterten, und durch Aussetzen von Belohnungen auf die Herbeischaffung von Skalpen, wodurch das Verlangen nach Erbeutung solcher bedeutend gesteigert wurde, einen ungeheuren Aufschwung der betreffenden Jagden herbeiführten. Friederici hat ferner nachgewiesen, daß das Skalpieren aus den Kopfjagden, die früher sehr gepflegt wurden, hervorgegangen ist; die ursprüngliche Schädeltrophäe verwandelte sich in eine Skalptrophäe, weil die durch die leichtere Gelegenheit und größere Nachfrage stark vermehrte Zahl der erbeuteten Köpfe ihre Beförderung auf beschwerlichen Wegen und große Entfernungen sehr schwierig machte. Deshalb verfiel man auf den Gedanken, sich mit der abgezogenen Kopfhaut zu begnügen, denn nach der Ansicht der Indianer, wie der Naturvölker überhaupt, sind nicht nur Teile des Körpers gleichbedeutend mit ihm in seiner Gesamtheit, sondern auch Teile vom Teil mit dem vollständigen Teil. Die Gründe, die zu den Skalpjagden Veranlassung gaben, waren mannigfacher Natur; es sind ziemlich dieselben, wie wir sie bereits an anderer Stelle bezüglich der Kopfjägerei kennen gelernt haben, nämlich das Verlangen nach Ruhm und Ehre durch Beibringung dieses Zeichens der Tapferkeit, der Glaube an geheime Kräfte, die man sich durch die Erbeutung des Kopfes oder der Kopfhaut seines Feindes anzueignen hoffte, schließlich auch die Rachsucht. Der Vorgang beim Abziehen des Skalps war verschieden, je nach der Art, wie das Opfer das Haar trug. Friederici hat trotz der zahlreichen Haartrachten der Indianer doch zwei Hauptformen festgestellt: bei der einen lag die Skalplocke in der Mitte des Kopfes, hier gab es nur einen Skalp; bei der anderen war das Kopfhaar durch Scheitel oder zwei und mehr geflochtene Zöpfe in mehrere Teile geteilt, was zur Zerlegung der Kopfhaut in mehrere Skalpe führte. Um sich seiner Siegestrophäe zu bemächtigen, setzte der Indianer im ersten Falle seinem am Boden liegenden Opfer einen Fuß oder ein Knie auf Brust, Nacken oder Rücken, ergriff mit der linken Hand die Haare und zog sie fest an, während seine Rechte mit dem Messer oberhalb oder unterhalb der Ohren einen Kreis um den Kopf zog. Das ganze Abziehen, bei dem manchmal die Zähne, ein Strick oder die Bogensehne mithalfen, wurde bei einiger Geschicklichkeit in kaum einer bis zwei Minuten ausgeführt. Ein auf diese Weise gewonnener Skalp war verhältnismäßig groß und mußte, um echt zu sein, die Krone des Scheitels aufweisen. War der Haarschopf geteilt, so wurde eine Handvoll Haare oder einer der Zöpfe erfaßt, die Haut emporgehoben und mit dem Messer darunter durchgefahren; auf diese Weise wurden mehrere Skalpe beziehungsweise ein mehrteiliger Skalp gewonnen. Die blutige Trophäe pflegte der Sieger unter lautem Geheul in die Höhe zu halten und dann an seinem Gürtel zu befestigen. Die Indianer waren in so hohem Grade auf die Erlangung von Skalpen erpicht, daß sie keine Anstrengung und keine Entfernung scheuten, um in den Besitz des kostbaren Gutes zu gelangen.

Während der Schwangerschaft bestehen auch für die Indianerin, wie wohl überall bei den Naturvölkern, gewisse Vorschriften, die sie befolgen muß, damit das Kind keinen Schaden nehme, indessen scheinen diese bei den nordamerikanischen Stämmen nicht mehr so streng zu sein wie bei den südamerikanischen. Die Indianerinnen Kanadas essen während ihrer Schwangerschaft überhaupt wenig, und die Utah-Indianerinnen fasten geradezu in den letzten Wochen vor ihrer Niederkunft. — Bei den Ten’a-Indianern Alaskas muß die Schwangere vom dritten Monat an jede Nacht zwei- bis dreimal für etwa eine halbe Stunde ihren Schlaf unterbrechen und diese Zeit über sitzend auf ihrem Lager zubringen, auch am Tage sich körperlich viel betätigen, im besonderen Holz klein machen, wodurch die Geburt einen leichteren Verlauf nehmen soll. Wenn die Kreißende während des Geburtsvorgangs Stuhl oder Wasser unter sich läßt, dann wird dies als eine üble Vorbedeutung für das Kind angesehen. Man zieht in diesem Falle vor, das Neugeborene sogleich zu töten, indem man es unter der Nachgeburt erstickt. Die Ten’a-Indianer pflegen diese in ein Bündel einzuwickeln, zu trocknen und im Walde an einen Baum zu hängen, wo sie ihrem Schicksal überlassen bleibt. Nur wenn eine Frau fernerhin kein Kind mehr bekommen will, vergräbt sie den Mutterkuchen in der Erde und läßt ihn hier verfaulen; noch besser soll dies Mittel wirken, wenn sie ihn zuvor in etwa ein Dutzend Stücke zerreißt. Etwa vorhandenes Kindspech wird an den Handflächen des Kindes gelassen, da man glaubt, daß dies seine Nahrung im Mutterleibe gewesen sei und daß bei Befolgung dieser Vorschrift das Kind in seinem späteren Leben immer reichlich zu essen haben werde. Ist das Erstgeborene ein Mädchen, so halten die Ten’a dies für ein böses Vorzeichen. Nach der Geburt haben sich beide Eltern zwei bis drei Tage lang davor zu hüten, mit einem scharfen Werkzeug, Axt, Messer, Säge und dergleichen zu hantieren; man befürchtet nämlich, daß sie dadurch zufällig den vermeintlichen Lebensfaden des Kindes durchschneiden könnten. Darum holen in dieser Zeit Nachbarinnen und gute Freunde für die Eltern Holz aus dem Walde und zersägen und spalten es auch.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 184. Maske für den Katschinatanz der Hopi.

Dieser Tanz wird zwischen Januar und Juli zu Ehren der Ahnengeister und der Gottheiten von minderer Bedeutung abgehalten. Man glaubt, daß die Geister nach dieser Feier den Ort verlassen und an ihre Wohnsitze in Shipapu zurückkehren.

Phot. R. B. Townshend.

Abb. 185. Maske, die das Gesicht einer Zauberin wiedergeben soll.

Die Größe des Pflocks in der Unterlippe zeigt an, daß sie viele Kinder hatte.

Der Nabelstrang wird vielfach einfach abgebissen, aber auch durchgeschnitten; früher benutzte man dazu ausschließlich Steinmesser. Die Tscheroki vergraben den Nabelstrang der Mädchen unter einem Kornmörser, damit das Kind eine tüchtige Brotzubereiterin werde, den der Knaben aber hängen sie im Walde an einem Baume auf, damit sie sich zu guten Jägern entwickeln. Die Kaiowäh nähen die Nabelschnur der Mädchen in kleine Perlensäckchen ein, die später von diesen am Gürtel getragen und nach ihrem Tode an einem Stock auf ihr Grab gesteckt werden. Die Scheyenne schließen die sorgfältig zusammengelegte Nabelschnur in einen Kasten oder Sack, der außerdem noch Kleidungstücke und Schmuck enthält, und behaupten, daß das Kind nicht eher Ruhe finde, als bis es darin seine Nabelschnur aufgestöbert habe.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 186. Ein etwa 15 Fuß hoher Sandsteinfelsen zu Walpi,

um den die Hopi bei der Zeremonie des Schlangentanzes, Schlangen im Munde tragend, herumziehen.

Das Neugeborene wird bei vielen nordamerikanischen Indianerstämmen sogleich in kaltes Wasser getaucht, selbst bei strengster Kälte, was ihm im allgemeinen auch gut bekommt, darauf verschiedentlich mit Öl, Butter und Farbe eingerieben. Dadurch soll die Haut widerstandsfähiger gegen die Witterung gemacht werden. — Zwillinge werden verschiedentlich für glückbringend angesehen. Die Dakota halten sie für übernatürliche Wesen, die aus einer anderen Welt, dem Zwillingslande, stammen, und behandeln sie daher mit besonderer Sorgfalt. Die Nootka-Indianer Vancouvers setzen Zwillinge zu den Lachsen in Beziehung und sehen eine Zwillingsgeburt als günstiges Vorzeichen für ein reiches Lachsjahr an. Die Eltern errichten abseits vom Dorfe an einem Fluß im Walde eine kleine Hütte und stellen um sie herum hölzerne Bildnisse und Masken auf, die Vögel und Fische darstellen; in ihr müssen sie zwei Jahre lang fern von ihren Stammesgenossen verweilen. Der Vater muß sich ein ganzes Jahr lang durch Baden reinigen und sein Gesicht rot färben. Beim Baden muß er bestimmte Lieder singen, die nur für diesen Zweck in Gebrauch sind und ein Lob der Lachse sowie die Aufforderung enthalten, sich einzufinden, um die Zwillinge zu sehen. Wenn die Tiere diesen Gesang vernehmen und die zahlreichen Masken erblicken, dann kommen sie in großen Scharen an. Daher wird aus der Geburt von Zwillingen auf ein gutes Lachsjahr geschlossen. Nun kommt es allerdings auch vor, daß die ersehnten Lachsscharen ausbleiben; dann erblickt man darin eine Mahnung, die Zwillinge zu töten. Zwillingen ist es verboten, Lachse zu fangen; auch dürfen sie frische Lachse weder essen noch auch nur berühren. Ebenso dürfen die Eltern während der Zeit ihrer Absonderung weder Lachse essen noch anfassen. Zwillingen werden besondere Kräfte zugeschrieben, zum Beispiel die Fähigkeit, gutes und schlechtes Wetter zu machen. Um Regen zu erzeugen, füllen sie einen kleinen Korb mit Wasser und spritzen dieses in die Luft; um gutes Wetter zu machen, schwingen sie ein Stück Holz, das mit einer Schnur an einem Stock befestigt ist, und um Sturm hervorzubringen, streuen sie von einem Baume die Sprossen der Zweige herab. Solange Zwillinge noch Kinder sind, vermag die Mutter an ihrem Spiel zu erkennen, ob ihr Gatte erfolgreich von seiner Jagd zurückkehren wird oder nicht. Hauen oder beißen sie sich bei ihrem Spiel, dann wird der Mann bei seinem Ausflug von Glück begünstigt sein; verhalten sie sich aber ruhig, dann wird er mit leeren Händen zurückkehren. Ähnlichen Vorstellungen von der Bedeutung der Zwillinge begegnen wir noch bei anderen nordamerikanischen Indianerstämmen.

Phot. George Wharton James.

Abb. 187. Szene aus dem Schlangentanz zu Walpi.

Der Priester steigt auf einer Leiter in die Schlangenkiwa. Von einem über ihr errichteten Gerüst hängen Adlerfedern sowie Felle von Wiesel und Stinktier herab. Vorn liegen Hacken und Grabstöcke, die nicht nur zum Ackerbau, sondern auch zum Schlangenfang benützt werden.

Fruchtabtreibung ist unter den Indianern ziemlich verbreitet, was zur Folge gehabt hat, daß viele Stämme dem Aussterben nahe sind. Die Gründe, die dazu führen, die Schwangerschaft durch künstliche Mittel zu unterbrechen, sind ziemlich dieselben, die wir schon anderwärts verschiedentlich kennen gelernt haben, wie Furcht vor Überbürdung und Mehrarbeit bei einer zahlreichen Familie, Nahrungssorgen, Besorgnis der Frauen, ihre Schönheit durch zu viele Kinder zu verlieren und frühzeitig zu altern, das verschiedentlich bestehende Gebot, jeglichen geschlechtlichen Verkehr während des Stillgeschäftes, das unter Umständen recht lange dauert, zu meiden, bei unverheirateten Mädchen auch die Furcht vor der Schande und anderes mehr. Auf eigenartige Weise wird die Abtreibung bei den Krähen- und Assiniboin-Indianerinnen vorgenommen. Die Schwangere läßt sich den Bauch kräftig kneten oder wälzt sich auf einem kleinen in der Erde steckenden Pfahl umher; auch streckt sie sich auf dem Boden aus, legt sich ein Brett auf den Bauch und läßt ihre Freundinnen auf dasselbe herauf- und hinunterspringen, bis die Frucht abgeht. Auch das Aussetzen neugeborener Kinder aus Mangel an Nahrungsmitteln ist bei einer Reihe Indianerstämme üblich. — Die Indianerin pflegt ihre Kinder ziemlich lange zu säugen, meistens zwei bis drei Jahre lang, aber auch Zeiträume von sechs bis sieben Jahren sind keine Seltenheit.

Die Odschibwä und andere nordamerikanische Stämme veranstalten bei der Geburt eines Kindes eine besondere Feierlichkeit religiösen Charakters. Kind, Eltern und Verwandte kommen mit den Medizinmännern im Tempelwigwam zusammen; letztere tanzen umher und machen mit ihren Trommeln und Kalabassen großen Lärm, während das Kind in der Mitte des Raumes liegt. Nach Beendigung dieser Feierlichkeit geben sie dem Vater Zaubermittel und Amulette, die für das Gedeihen des Kindes von Wert sein, im besonderen Schutz gegen Krankheit gewähren sollen.

Phot. George Wharton James.

Abb. 188. Flötentanz der Hopi,

der jährlich mit dem Schlangentanz abwechselt. Er dauert neun Tage und soll die Götter für die Ernte günstig stimmen. Ein Priester führt einen Zug Weiber zu einem Schrein.

Für gewöhnlich pflegen die Indianer ihren Kindern sogleich nach der Geburt oder doch nur kurze Zeit danach einen Namen zu geben, manchmal allerdings erst bei der Entwöhnung. Auch wird der ursprüngliche Name gelegentlich geändert, zum Beispiel bei Eintritt der Mannbarkeit oder eines ungewöhnlichen Ereignisses oder infolge besonders hervorragender Eigenschaften des Betreffenden. Maßgebend für den dem Kinde beizulegenden Namen sind entweder feste Regeln (in bestimmter Aufeinanderfolge) oder die Namen gewisser Tiere beziehungsweise von Teilen solcher und ihren Eigenschaften, wie roter Fuchs, weißer Marder und so weiter. Die Foxindianer legen ihren Kindern Namen bei, die zu dem Stamme des Vaters in Beziehung stehen; ist ein Stamm zum Beispiel dem Adler zugeordnet, so erhalten die Kinder Namen wie „Grauer Adler“, „Habicht“, „Große Feder“, „Großer Schnabel“ und so fort.

Phot. George Wharton James.

Abb. 189. Antilopenaltar in einer Antilopenkiwa zu Walpi.

Er besteht aus Figuren, die in feierlicher Weise aus braunem, rotem, weißem, gelbem, grünem und schwarzem Sand zusammengesetzt werden. Die Zickzacklinien stellen den regenbringenden Blitz dar. Um den Altar her stehen Sinnbilder, Fetische, Bahos (zwei durch ein Federbündel miteinander verbundene Gebetstöcke), Gefäße mit geweihtem Mehl, Klappern und ähnliche Gegenstände.

Sehr verbreitet ist unter den nordamerikanischen Indianern die Unsitte der Schädelverunstaltung bei Kindern. Allerdings ist diese oft genug nicht beabsichtigt, sondern rührt von der eigentümlichen Form der Wiegen her, in denen die Frauen ihre Kleinen unterbringen und beständig belassen. Meistens sind diese Wiegen trogartig ausgehöhlte Brettchen, auf denen das Kind in ausgestreckter Haltung mit Riemen oder Bindfäden festgeschnürt wird. Einer dieser Querriemen pflegt auch über die Stirn beziehungsweise über ein auf ihr ruhendes Polster geführt zu werden, ein Kissen von Gras oder auch ein dreieckiger Klotz mit aufgerichteter Kante als Stützpunkt für den Nacken des Kindes zu dienen. Die Mutter führt ihr in solcher Wiege fest verschnürtes Kind gewöhnlich mit sich, wobei sie es an einem um ihre eigene Stirn gehenden Riemen oder an Achselbändern auf dem Rücken trägt; bei der Arbeit stellt sie die Wiege mit dem Kinde neben sich oder hängt sie am nächsten Baume auf. Zu Hause stellt sie sie an dem Pfosten der Hütte hin. Auf jeden Fall wird das Kind beständig in senkrechter Stellung gehalten und, damit es nicht rutscht, festgebunden; die Mutter pflegt es nur für kurze Zeit aus seiner Umschnürung herauszunehmen. Es leuchtet ein, daß durch eine derartige Vorrichtung auch die Form des kindlichen Kopfes beeinflußt werden muß, zumal wenn dieser als Schirm gegen die Sonnenstrahlen noch ein hartes Schutzdach erhält, das dem Schädel ebenfalls fest angepreßt wird. Die so entstehende Form läßt den Kopf von vorn nach hinten zusammengedrückt, abgeflacht und nach oben zu keilartig verlängert erscheinen. Zum Teil hilft man sogar einer derartigen Verunstaltung noch absichtlich nach, wenigstens wird von einer Reihe nordamerikanischer Stämme (zum Beispiel den Tschinuk, Natchez, Creeks, Maskoki, Athacapenen und anderen) berichtet, daß sie die Binden um den Kopf von Zeit zu Zeit immer fester anziehen. Ein Stamm der Selisch, bei dem die Schädelverunstaltung ganz besonders auffiel, wurde früher von den Europäern deswegen die Flatheads oder Flachköpfe genannt.

Phot. George Wharton James.

Abb. 190. Szene aus dem Schlangentanz der Hopi.

Er neigt sich dem Ende zu. Die „Sammler“ mit Schlangenbündeln in den Händen sind im Begriff, sich zum Tanzfelsen zu begeben. Die Zuschauer bestehen aus Navajos und Weißen.

Die Indianer behandeln ihre Kinder im allgemeinen freundlich, teils weil sie an sich recht gutmütig zu sein pflegen, teils mit Überlegung, um zu verhüten, daß das Gemüt der zukünftigen Krieger eingeschüchtert, ihre Willenskraft gebrochen werde. Daher sind die Indianerkinder sehr frühzeitig selbständig, mutwillig und ungehorsam gegen ihre Eltern. Wie unsere Kinder treiben auch sie Spiele. Die Mädchen mögen Puppen gern — schon in den vorgeschichtlichen Mounds hat man solche gefunden —, die sie wie unsere Mädchen versorgen und in Wiegen schaukeln; die Knaben spielen mit Bällen und Kreiseln, Pfeil und Bogen, handhaben die Schleuder und so fort. Es reizt sie wie alle Kinder, die Hantierungen der Erwachsenen nachzuahmen; vielfach werden sie zu solcher Beschäftigung auch schon frühzeitig von Vater und Mutter angehalten, die Mädchen zum Kochen, Feueranzünden, zum Besorgen von Zelt oder Wigwam, die Knaben zum Gebrauch der Waffen, zum Jagen und Reiten — bei den Krähenindianern wird ihnen dieses, wie Irving sah, schon im dritten Lebensjahre beigebracht —, zur Verfolgung von Fährten und zum Viehhüten. Auch Bewegungspiele im Freien sind sehr beliebt. Bei den Choctaw war früher ein gemeinsames Spiel der Männer und Knaben sehr in Gebrauch, mit verbundenen Augen durch einen breiten Fluß zu schwimmen und an einem bestimmten Ziel zu landen, oder in Felle und Decken eingewickelt einen Hügel hinabzurollen; wer zuerst am festgesetzten Mal anlangte, war Sieger. Eines der Lieblingspiele der Omahakinder besteht darin, daß sie sich, etwa zehn bis zwanzig Kinder hintereinander, in einer Reihe aufstellen, die Knaben unter acht Jahren nackend bis auf eine Schnur, die um ihren geschmeidigen kleinen Körper gebunden ist, die Mädchen mit einem kurzen Rock angetan, und daß nun jedes Kind den Gürtel des vor ihm stehenden erfaßt und alle watschelnd im Gänsemarsch davontraben, im Takt eines im Kauderwelsch gesungenen Liedes. Während des Zuges, der um Bäume herum- und zwischen Zelten hindurchführt, wird allerlei kleiner Unfug verübt. So passen sie zum Beispiel die Gelegenheit ab, einer alten Frau, die gerade mit Maisstampfen beschäftigt ist, eine Rispe fortzureißen; versucht diese nun der Kinder habhaft zu werden und sie zu bestrafen, dann rennen sie auseinander, um Deckung in irgendeinem Versteck zu finden. Ein unter den Tschippewäindianern sehr beliebtes Spiel ist ein Schlagball, wobei sie aber nicht mit einem Scheit Holz, sondern mit einem aus ledernen Riemen geflochtenen Netz von der doppelten Größe des Balles den im vollen Lauf befindlichen Ball auffangen und über die Köpfe der Spielenden zurückschleudern; der Gegner hat dabei die Aufgabe, dem Ball möglichst schnell eine andere Richtung zu geben. Manchmal bilden die Kinder auch einen Kreis um das Herdfeuer in der Hütte, und Großvater erzählt ihnen dann Geschichten aus alter Zeit oder singt ihnen Lieder vor, zu denen sie tanzen.

Phot. George Wharton James.

Abb. 191. Szene aus dem Schlangentanz der Hopi.

Der vorderste Mann trägt eine Schlange im Munde und hält die Augen geschlossen; sein Nachbar führt ihn, indem er ihm die Hand um den Nacken legt. Der hinter beiden Schreitende ist der Schlangensammler mit der Schlangenpeitsche aus Adlerfedern. Die nächste Gruppe ist ebenso zusammengesetzt.

Die angehenden Jünglinge der Indianer sind oder waren wenigstens früher Mutproben unterworfen, wenn sie in den Kreis der Krieger aufgenommen werden wollten; zu diesem Zweck hatten sie entweder strenge Entbehrungen, selbst Martern zu ertragen (mußten sich mit Ruten oder Dornen, ohne einen Seufzer auszustoßen, peitschen lassen, längere Zeit fasten, viel umherstreifen, ohne sich ausruhen zu dürfen, sich dem Sonnenbrand oder der bitteren Kälte aussetzen) oder sie mußten ihre Gewandtheit und Ausdauer im Bändigen junger Füllen, im Pfeilschießen und Schleudern darlegen. Bestanden sie diese Mutproben, dann wurden sie öffentlich zu Kriegern erklärt. Meist waren damit noch andere feierliche Bräuche verbunden; so mußten die Novizen die ganze Nacht hindurch Tänze aufführen, die ihnen von älteren Männern vorher beigebracht worden waren. Natürlich pflegte ein Mahl die Feierlichkeit zu beschließen. Wie schwer es den jungen Männern gemacht wurde, in den Stand der Krieger Aufnahme zu finden, dafür hier einige Beispiele. Besonders grauenerregend waren die Quälereien bei den Mandan. Nachdem der Jüngling vier Tage lang gefastet und die Nächte schlaflos zugebracht hatte, stießen ihm zwei als Masken verkleidete Männer ein spitzes Messer mit ausgezackter Klinge an verschiedenen Stellen des Körpers ins Fleisch und schoben spitze Holzpflöcke von der Dicke eines Fingers in die Wunde. An diese Pflöcke wurden dann Stricke befestigt und an ihnen der Gemarterte, der überdies noch durch Anhängen von Medizinbeuteln, eines Schildes und mehrerer Büffelköpfe beschwert ward, so weit in die Höhe gezogen, daß er die Erde nicht mit den Füßen berühren konnte. Nun drehte man den Aufgehißten um sich selbst, anfänglich langsam, dann immer schneller, bis er das Bewußtsein verlor. Nach fünfzehn bis zwanzig Minuten nahm man ihn herab und entfernte einen Teil der Pflöcke aus Brust und Schultern, während man andere im Körper stecken ließ. Damit waren die Martern aber noch nicht erschöpft. Zunächst wurde dem Jüngling zu Ehren des großen Geistes der kleine Finger, manchmal auch noch der Zeigefinger abgehackt, und dann schleppte man ihn ohne Schonung in wildem Lauf um die Medizinhütte herum, wobei er noch alle obengenannten Anhängsel mit sich führen mußte; endlich riß man ihm diese nebst den Pflöcken ab. Sobald das Bewußtsein wiedergekehrt war, erhob sich der Unglückliche und kroch nach seinem Wigwam zurück, wo ihm seine Wunden verbunden wurden. Bei den Scheyennen war die Folter kaum geringer. Dem Knaben wurden ebenfalls Einschnitte unter die Haut gemacht; durch diese zog man Riemen, mit denen das Opfer an einen Pfosten außerhalb des Dorfes gebunden wurde. Hier überließ man es seinem Schicksal. Seine Aufgabe bestand nun darin, sich von den Riemen zu befreien, die unter der Haut durchgezogen waren. Die meisten Knaben harrten einige Tage aus, bis infolge der Eiterung die Haut so weit gelockert war, daß die Hautbrücken mit Leichtigkeit durchrissen. Wer aber besonders mutig war, ergriff entschlossen mit beiden Händen die Riemen und führte sägende Bewegungen aus, bis er sich nach Verlauf einiger Stunden befreit hatte. Ein Knabe, der sich seiner Fesseln auf diese Weise entledigt hatte, erntete das Lob aller Männer und wurde als mutmaßlicher späterer Anführer auf dem Kriegspfade angesehen. Sobald ein Knabe losgekommen war, wurde er unter großer Ehrenbezeigung in das Lager zurückbegleitet und hier mit aller Sorgfalt gepflegt. Solange er an der Stange befestigt gewesen war, hatte er in der Hitze großen Durst ertragen müssen; die Frauen kamen mit ihren Wasserkannen wohl ganz in seine Nähe, aber keine bot ihm Wasser an, um seinen rasenden Durst zu löschen. Allerdings stand es ihm völlig frei, sich Wasser zu fordern, und ebenso, sich die Riemen durchschneiden zu lassen. Man hätte ihm willfahrt; aber dann hätte er die Folgen seines feigen Verhaltens auf sich nehmen müssen: er wäre nicht für einen Mann, sondern für eine Squaw (Weib) angesehen worden, hätte Frauenarbeit verrichten und Frauenkleider tragen müssen; anderseits hätte er keine Waffen tragen, nicht jagen, nicht in den Krieg ziehen dürfen; eine weitere Folge wäre gewesen, daß es jedes Mädchen abgelehnt hätte, einen solchen Weichling zum Manne zu nehmen. Diese entehrenden Folgen genügten fast immer, die jungen Leute die grausame Marter mit spartanischer Seelengröße ertragen zu lassen. Townshend schätzte seinerzeit, vor etwa vierzig Jahren, die Zahl dieser männlichen Squaws auf kaum mehr als zwei bis drei innerhalb des ganzen Stammes.

Auch die Indianermädchen haben sich bei Eintritt der Reife gewissen Förmlichkeiten zu unterziehen; meistens haben sie sich während der ersten Regel in eine besondere Hütte abseits des Dorfes zurückzuziehen und hier vollständig abgesondert zu leben. Nur die Mutter oder eine alte Frau dürfen sie besuchen; manchmal gehört Enthaltung von Speise und Trank mit zur Vorbereitung. Bei einigen Stämmen wird dem Mädchen auch das Gesicht angeschwärzt und ihm ein alter Hut mit großer Krempe aufgesetzt (damit es nicht durch seinen Blick den Himmel verunreinige) oder ein ganzer eigener Anzug angelegt. Nach Ablauf dieser Einschließung, die bei den Koluschen und Tinklit früher beinahe ein Jahr dauerte, pflegt man das Mädchen zu waschen, neu zu kleiden, bei den soeben genannten Stämmen ihm die Unterlippe zu durchbohren und als Zeichen der Reife einen Stift oder Pflock in die Öffnung zu stecken. Gewöhnlich finden zu Ehren des Mädchens auch Feste statt, bei denen tüchtig gegessen wird. Bei den Maskoki zum Beispiel gehört zu einem solchen Festmahl folgendes: gerösteter Hund, eine Suppe aus Truthahn, Hühner-, Rind- und Schweinefleisch, Bohnen, Kartoffeln und Mais, ferner Kuchen aus Kirschen, gemahlenen Kirschkernen und Talg, Ahornzucker, Weizen- und Maisbrot, gedörrte Pflaumen und eine Mischung von Ochsengalle und Zuckerwasser. Vielfach begegnen wir zur Feier des Ereignisses auch Tänzen, zu denen ebenso wie zum Festmahl die ganze Nachbarschaft eingeladen wird. Von den Hupa wird dieser Tanz Kin-Alktha oder Jungferntanz genannt; er wird von den Männern mit dem Mädchen getanzt, während die Frauen sich nur durch begleitenden Gesang daran beteiligen. Neun Abende lang tanzen die Männer ohne jenes, das sich vor ihnen versteckt halten muß. In der zehnten Nacht kommen dann zwei junge Männer und zwei alte Weiber der Verwandtschaft nach der Hütte, um die Jungfrau zu suchen und herauszuholen. Die jungen Burschen stülpen ihr eine Maske aus Leder und Schilf über den Kopf, die an einen Seelöwen erinnert, und nehmen das Mädchen in die Mitte; rechts und links davon stellen sich die alten Weiber auf. So begeben sich alle fünf zu den versammelten Männern und Frauen. Das Mädchen schreitet zehnmal vorwärts und rückwärts, hebt die Hände in Schulterhöhe und stimmt ein Lied an; beim letzten Male macht es einen Hochsprung. Zum Schluß wird es von der Versammlung mit lauten Zurufen begrüßt. Bei den Wintun muß die Jungfrau, nachdem sie sich würdig vorbereitet und unter anderem eine besonders zubereitete heilige Suppe gegessen hat, jedesmal, wenn neue Gäste von auswärts kommen, sinnliche Liebeslieder singend, den Hügel, auf dem sie erscheinen, hinunter- und um den Lagerplatz herumtanzen. Sobald sich alle Teilnehmer des Festes versammelt haben, was zwei bis drei Tage dauern kann, vereinigen sie sich zu einem großen Tanze, der eigentlich weniger ein Tanz ist als ein von Chorgesängen begleiteter Rundgang um das Dorf. Zum Schluß der ganzen Feier nimmt der Häuptling das Mädchen bei der Hand und tanzt mit ihm die ganze Reihe der Festgenossen entlang, wobei diese aus dem Stegreif Gesänge anstimmen. Diese Lieder sind manchmal recht schlüpfrig.

Phot. Thurrill & Miller.

Abb. 192. Totempfähle der Indianer von Britisch-Kolumbien.

Diese Abzeichen, die vor den Hütten errichtet werden, sind mit fein ausgearbeiteten und prächtig angemalten Schnitzereien verziert, die das Totem ihres Besitzers darstellen und die mythologischen Erzählungen seines Volksstammes illustrieren.

Die sittlichen Vorstellungen der nordamerikanischen Indianer scheinen im allgemeinen nicht hoch zu stehen, wenigstens nicht mehr zur gegenwärtigen Zeit. Von einigen Stämmen wird berichtet, daß sie früher auf keusches und tugendhaftes Leben der unverheirateten Mädchen hielten, so von den Mandan, Tschippewä, Pueblos und Pimas, von anderen aber wird wieder erzählt, daß sie bereits in ganz jungen Jahren sich einem ausschweifenden Leben hingaben und daß vorehelicher Verkehr der Mädchen nicht als Schande angesehen wurde, wohl aber seine etwaigen Folgen; man verstand aber, solchen vorzubeugen. Ja verschiedentlich soll es Sitte gewesen sein (Athapasken, Neheawayen, Oregon-Indianer), daß Bruder und Schwester, sowie Vater und Tochter geschlechtlich miteinander verkehrten. Bei den Nadowessiern, einem Siouxstamm, gaben sich die jungen Mädchen gelegentlich des „Reisfestes“ den Männern willig hin, ja sie setzten ihren Stolz darein, an diesem Tage mit möglichst vielen verkehrt zu haben. Bei einigen Indianerstämmen galt es als Freundschaftsdienst, die Ehefrauen miteinander auszutauschen.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 193. Indianische Holzmasken.

Wir erwähnten bereits die Tatsache, daß bei den Scheyennen Jünglinge, die sich bei Ablegung der Reifeprobe als feige herausstellten, in Weiberkleidung gesteckt und auch als Weiber behandelt wurden. Solche „Mannweiber“ sind eine keineswegs seltene Erscheinung unter den Indianerstämmen; schon Schriftsteller des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts berichteten von ihnen und fügen hinzu, daß sie vielfach zur sexuellen Befriedigung der Männer gedient haben und unter Umständen für diesen Beruf geradezu erzogen wurden. Die neueren Forschungsreisenden haben solche Personen wohl bei allen nordamerikanischen Stämmen kennen gelernt. Sie sollen sich öfter schon durch einen eigenen Typus auszeichnen, der wenig Männlichkeit verrät; dazu kommt, daß sie Weiberkleider tragen, weibliches Gebaren annehmen — manche putzen sich geradezu als Stutzer heraus — und weibliche Arbeiten ausführen, männliche Beschäftigungen dagegen gänzlich meiden: so gehen sie niemals auf die Jagd oder auf den Kriegspfad. Manche von ihnen sollen große Geschicklichkeit in der Verrichtung weiblicher Obliegenheiten bekunden. Von den Tschippewä wird erzählt, daß diese „Agoqwas“ in aller Form mit Männern verheiratet wurden; Ähnliches wird von den Acagehemen Kaliforniens berichtet. Es hat den Anschein, als ob es sich bei diesen Mannweibern vielfach um pervers veranlagte junge Leute handle. Ihr regelwidriges geschlechtliches Empfinden mag ihnen teilweise angeboren, teilweise auch anerzogen worden sein; eine Reihe Stämme bilden gewisse junge Leute zu solchen pervers-geschlechtlichen Zwecken geradezu aus. Ganz eigenartig ist die Art, wie die Pueblos Neu-Mexikos die Betreffenden „zu Weibern machen“. Zu einem „Mujerado“ wird der kräftigste Mann des Dorfes ausgewählt und an ihm täglich wiederholt Masturbation vorgenommen, um große geschlechtliche Reizbarkeit zu erzeugen, die mit der Zeit infolge der allzu häufigen Samenentleerungen zu einem Schwund der Keimdrüsen führt; jede Erektionsfähigkeit ist bei einem solchen Menschen schließlich erloschen. Mit dieser künstlichen Entmannung gehen gleichzeitig Veränderungen im Gemütsleben einher; der Mujerado verliert die Lust an seinen früheren Beschäftigungen und entäußert sich in körperlicher und geistiger Beziehung mehr und mehr aller Männlichkeit. Er kleidet sich nach Weiberart, meidet anfänglich die Männer und sucht die Frauen auf, gibt sich aber schließlich doch jenen zu homosexuellen Zwecken hin.

Phot. George Wharton James.

Abb. 194. Regentanz der Zuni-Indianer, bei dem sie Masken tragen.

Im Hintergrunde erblickt man ihre terrassenförmig sich aufbauenden Häuser aus Stein oder an der Sonne getrockneten Ziegeln.

Kinderverlobungen sind unter den nordamerikanischen Indianerstämmen nicht gerade eine Seltenheit; man pflegt aber nicht immer gleichaltrige Kinder miteinander zu versprechen, sondern mit Vorliebe junge, zehn- bis zwölfjährige Mädchen mit Männern, die bereits voll erwachsen und imstande sind, eine Familie zu ernähren. — Von Werbungen der jungen Männer um ihre Mädchen ist wenig bekannt. Bei den Schwarzfüßen sorgen die Eltern für das Zustandekommen der Heirat, da es unter ihnen nicht Sitte ist, daß unverheiratete Mädchen mit Männern zusammenkommen. Sobald die Eltern des Mädchens sich einen Schwiegersohn ausgesucht haben, halten sie in der Weise um ihn an, daß der Vater ihm den Vorschlag macht, seine Tochter solle dem jungen Manne das Essen in seine Hütte bringen. Geht dieser darauf ein, dann tut dies das Mädchen einen ganzen Monat lang; währenddessen unterweist der Vater sie in den Pflichten, die sie als Ehefrau zu erfüllen hat. Nach Ablauf dieser Zeit findet eine Festlichkeit in der Hütte des jungen Mannes statt, zu der nur die Angehörigen eingeladen werden. Mutter und Tochter bringen das Essen bis an die Tür, die Braut tritt allein in das Zelt und setzt sich, ohne ein Wort zu sprechen, an die rechte Seite ihres Zukünftigen; darauf verteilt sie gestickte Mokassins an alle Gäste. Nach dieser Festlichkeit werden weitere Geschenke ausgetauscht. Die Mutter des Mädchens baut für die jungen Leute eine neue Hütte und schenkt dem Schwiegersohn einen neuen Buckskinanzug und für ihre Tochter wollene Decken, Gewänder aus Büffelhaut und ebenfalls ein Buckskinkleid. Bei den Schwarzfüßen tritt das Mädchen aus dem elterlichen Clan aus; auch die Kinder werden der Familie des Mannes zugezählt. — Es gehört zum guten Ton, daß die Schwiegermutter ihre Tochter nur in Anwesenheit von deren Manne besucht, da es jener sehr peinlich sein würde, wenn dieser etwa unerwartet auftauchte; sollte der Schwiegersohn gegen diese Sitte verstoßen, dann wäre dies nur dadurch gutzumachen, daß er seiner Schwiegermutter ein Pferd verehrt. Wo es dem Mädchen ausnahmsweise gestattet ist, sich den Mann zu wählen, besteht eine hübsche Art der Werbung. Die jungen heiratslustigen Krieger warten in Decken gehüllt vor ihrem Wigwam, bis ein Mädchen kommt. Wer es gern haben möchte, wirft ihm den Zipfel seiner Decke über den Kopf; ist das Mädchen mit dem Bewerber nicht einverstanden, so schreit es auf und wird sofort freigelassen, worauf ein anderer sein Glück versucht. Wer vor den Augen der jungen Schönen Gnade findet, dem erlaubt sie, seine Decke vollständig über sie zu ziehen, worauf beide zusammen abgehen.

Die Hauptzeremonie bei der Hochzeit besteht in der Darbringung von Geschenken. Der junge Ehemann beschenkt stets die Eltern der Braut (Abb. 197), und er sowie seine eigenen Eltern erhalten von diesen im allgemeinen Gegengeschenke; doch unterbleibt dies vielfach auch. Dort, wo die Sitte besteht, daß Geschenke nur von seiten des Bräutigams gegeben werden, artet die Ehe leicht zu einem einfachen Kauf- und Verkaufgeschäft aus. Wenn ein junges Paar durchgeht, so bringt dies der Familie zunächst Schande, bis die Sache durch nachträgliche Geschenke wieder gutgemacht ist.

Bedingung ist wohl bei allen nordamerikanischen Indianerstämmen, daß der Mann außerhalb seines Clans, gewöhnlich auch außerhalb seines Stammes heiratet; es kommt sogar vor, daß Ehen außerhalb des eigenen Volkes geschlossen werden. Polygamie ist sehr verbreitet. Durch die vielen Kriege, die die Indianer im Laufe der Zeiten geführt haben, büßten viele junge Männer ihr Leben ein; dies hatte zur Folge, daß die Zahl der Frauen unter ihnen überwiegt. So ist Vielweiberei vielfach zu einer sozialen Notwendigkeit geworden.

Unter den Tschippewä besteht eine Ordensbrüderschaft, deren Mitglieder, sobald sie die vierte Stufe des Ordens erreicht haben, imstande sein sollen, ein Pulver herzustellen, das als kräftiger Liebeszauber wirkt. Es besteht aus roter Farbe, gepulverter Schlangenwurzel, etwas Blut von einem Mädchen, das zum ersten Male menstruiert hat, und einem gepulverten Stück Ginseng, das aber gerade der Stelle der Wurzel entnommen worden sein muß, wo sie sich in zwei Äste teilt (wohl ein Anklang an den Unterleib des Menschen mit den beiden Beinen). Mit der Mischung dieser Bestandteile allein ist aber das Liebespulver noch nicht wirksam; dazu gehört noch ein Opfer aus Tabak an den Kitshi Manido, das von Gesang und dem Schall einer Zauberrassel begleitet sein muß. Will man nun das Mittel erfolgreich anwenden, muß man es der geliebten Person unter ihr Lager bringen.

Phot. H. J. Shepstone.

Abb. 195.
Indianergrab auf einem Baum.

Die Vorstellungen der nordamerikanischen Indianer von Krankheit und Heilung sind eng mit ihrer Religion verknüpft, und zwar in so hohem Grade, daß „Medizin“ das hergebrachte Wort für geistige Macht und der „Medizinmann“ weit mehr Priester als Arzt ist. Seine Wirksamkeit hängt von der Fähigkeit ab, den bösen Geist, der eine Krankheit verursacht hat, auszutreiben und zugleich die Hilfe der guten Geister anzurufen, die den Kranken, wenn sie wollen, wieder gesund machen können. Obwohl die Medizinmänner, um den Glauben an ihre Kunst zu stützen, nach außen hin mit allerlei Mummenschanz arbeiten, sind sie doch meistens schlau genug, auch wirkliche Heilmittel anzuwenden, da ihr Amt recht verantwortlich ist, unter Umständen ihnen wohl auch von seiten der Verwandten des Kranken Gefahr bringt. Zwar werden sie selten unterlassen, beim Mißglücken ihres Heilverfahrens einen der zahlreichen dem Volke einleuchtenden Gründe für den Tod des Betreffenden anzugeben; immerhin kommt es vor, daß die Angehörigen dem Medizinmann die Schuld beimessen und ihn mit seiner Familie zur Strafe abschlachten.

Sobald der Tod Einzug gehalten hat, glauben die Indianer, daß die abgeschiedene Seele des Verstorbenen in die Geisterwelt eingegangen sei, die sie überall umgibt. Darüber, wo dieses Jenseits zu suchen ist und welches Schicksal den Toten dort erwartet, herrschen zahlreiche Auffassungen. Ganz allgemein gesprochen, denkt man sich das zukünftige Leben ähnlich dem auf der Erde, nur unter glücklicheren Bedingungen. Die Hauptrolle spielen dabei reichliche Jagdgründe und ein friedfertiges Verhalten der Stämme untereinander. Wie sich die Navajo das Jenseits ausmalen, davon war schon oben die Rede. — Eine Begräbnisfeier der Zuñi schildert uns Cushing wie folgt. Sobald der Tote den letzten Atemzug getan hatte, wurde er von den Frauen seines eigenen Clans gebadet und ein Gefäß mit Wasser neben ihm zerbrochen; damit gab man ihn der Sonne zurück. Darauf trugen vier Männer die in Decken gehüllte Leiche unter dem Wehklagen der Frauen nach dem alten Begräbnisplatze und senkten sie ins Grab, während einer von ihnen, das Gesicht gegen Osten gewandt, ein Gebet sprach und Mehl, Speise und andere Gaben darüber streute. Vier Tage später brachten die Leidtragenden unter flehenden Bitten im Namen des Toten wunderschöne, mit Papageifedern geschmückte Gebetstöcke, die im religiösen Leben bei ihnen eine große Rolle spielen, als Opfer dar. Die Totenfeier wurde damit fortgesetzt, daß fünfzig Zuñimänner unter Anführung eines bemalten und geschmückten Priesters, dem der fackeltragende Feuergott folgte, sich gegen Westen auf eine Pilgerfahrt begaben, wie man sagte, „in die Stadt Ka-ka und in das Heim unserer verlorenen anderen“. Nach vier Tagen kehrten sie zurück und führten Körbe lebender Schildkröten in weiche Decken eingehüllt mit sich. Ein müder Mann brachte dem Gouverneur eine Schildkröte ins Haus und stellte sie auf die Erde, wobei er besonders zärtlich mit ihr umging; sie suchte sich aber so schnell wie möglich aus dem Staube zu machen. Die Angehörigen des Mannes gingen dem Tier in alle Ecken und Winkel nach, beteten und bestreuten es mit Maismehl. Als Cushing nun fragte, warum man das Tier nicht laufen lasse oder ihm nicht wenigstens etwas Wasser zum Trinken gebe, damit es nicht sterbe, wandte der Mann ihm langsam seinen Blick zu, wobei sich gleichzeitig Schmerz, Empörung und Mitleid auf seinem Gesichte ausprägten, und antwortete: „Ich sage dir, es kann nicht sterben; es wird morgen nur seine Wohnung wechseln und in das Heim seiner Brüder zurückgehen.“ Darauf wandte er sich wieder an die Schildkröte und rief ihr mit schmeichelnden Worten zu: „Ach, mein armes, teures, verlorenes Kind, Vater oder Mutter, meine Schwester oder mein Bruder, der du warst!“ Dabei begann er aufs rührendste zu weinen, seine Stimme vor Schluchzen zu beben; die anwesenden Frauen und Kinder fielen in das Heulen ein. Am nächsten Tage wurde die arme Schildkröte unter Gebet und Opfergaben schonend getötet; ihr Fleisch und ihre Knochen wurden dem kleinen Flusse in der Nähe übergeben, damit sie zum ewigen Leben im dunklen See der Toten zurückkehrten, und aus ihrer Schale wurde eine heilige Klapper angefertigt. Dieser eigenartige Brauch findet seine Erklärung in der Sage, daß, als die Menschen zuerst in dieses Land kamen, sie über einen großen Fluß mußten, bei dessen Überschreitung viele Frauen ihre Kinder einbüßten, indem sie ihnen vom Rücken glitten und in Schildkröten verwandelt wurden. Mit dem Ausdruck „unsere verlorenen anderen“ sind die Stammesmitglieder gemeint, die auf diese Weise hinter ihren Anverwandten zurückblieben und ihnen jenseit des Sees der Toten eine Heimat bereiteten.

Phot. Dr. Arnold Heim.

Abb. 196. Indianerfriedhof zu Welcelka.

Der Begräbnisarten gibt es unter den nordamerikanischen Indianern viele. Bald bestattet man die Leiche in der Erde (Abb. 196), bald setzt man sie in der Luft aus oder in Urnen; auch Einäscherung findet sich. Am verbreitetsten war die Sitte, ein rundes Loch zu graben und die in Felle oder Zeug eingewickelte, mit übereinandergelegten Beinen zusammengeschnürte Leiche senkrecht hineinzustecken; die Grube wurde manchmal noch mit Steinen ausgelegt. Wurde ein Grab in voller Länge des Toten ausgeschaufelt, dann wurde dieser für gewöhnlich wagerecht auf den Rücken gelegt, doch manchmal auch mit angezogenen Knien auf die Seite. Bei Bestattung in einer Grabkammer war es nichts Ungewöhnliches, daß man mehrere Leichen zu gleicher Zeit beisetzte. Es kam auch vor, daß man die Leiche auf die Erde legte, sie mit einer starken Lehmschicht überdeckte, darüber ein Feuer anzündete, so daß sich der Lehm zu einer schützenden Decke erhärtete, und diesen Lehmsarg schließlich mit Erde zudeckte. — Von den Stämmen der südlichen Küste des Atlantischen Ozeans balsamierten einige ihre Toten ein, so daß sie zu Mumien wurden. — In der großen Ebene geschah die Beisetzung der Leichen oft an der Luft. Der Tote wurde in das Zeug, das er bei Lebzeiten getragen hatte, vorsichtig eingewickelt und auf ein Gestell oder eine Bahre gelegt; diese wurde dann auf einem Baum (Abb. 195) oder auf einem Pfosten über der Erde aufgestellt, daß Wölfe und Hunde sie nicht erreichen konnten. Man gab dem Verstorbenen seine Waffen, allerdings in zerbrochenem Zustande, mit, damit er sich ihrer in der jenseitigen Welt bedienen könne, wie man ihn auch mit Essen für die Reise dorthin versah. An der Küste des nördlichen Stillen Ozeans verwendeten die seefahrenden Indianer als Sarg ein Kanu, das sie auf einem Pfosten aufstellten. — Das Begraben in Urnen kam selten vor; man kennt solche Fälle nur aus Arizona, wo man in den Grabstätten irdene Krüge mit den verbrannten Resten auffand. — Die Navajo Arizonas, die eine große Abneigung vor der Berührung mit Leichen haben, befestigten manchmal Stricke an dem unteren Ende der Stangen, aus denen ihre Winterhäuser aufgebaut sind, und rissen sie mit Hilfe der Stricke um, so daß das ganze Haus über dem Toten zusammenfiel und zum Grabmal für den Toten wurde; manchmal legten sie auch Feuer an und brannten das Ganze nieder.

Aus „Deniker, Living Races of Mankind“.

Abb. 197. Eine Hopibraut,

deren Anzug ganz aus Erzeugnissen einheimischer Weberei besteht.

Die Zeichen der Trauer waren von Stamm zu Stamm verschieden. Weitverbreitet als Ausdruck der Trauer war das Weinen und Wehklagen der Angehörigen, das Zerreißen der Kleider und das Aufstreuen von Asche oder Staub auf den Kopf; auch daß sich die Überlebenden Schnittwunden im Gesicht und an den Gliedmaßen beibrachten, kam vor. Das Eigentum des Verstorbenen pflegte man vielfach zu zerstören. Bei den Dakota mußte die Witwe vier Abende lang ein Feuer auf dem Grabe ihres Mannes unterhalten; sie mußte ferner bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang jammern, teilweise auch fasten und sich während der ganzen Trauerzeit, deren Dauer schwankend war, von der Außenwelt abschließen. War die Zeit vorüber, dann stattete die Familie des Toten sie von neuem aus, und es stand ihr dann frei, sich wieder zu verheiraten. Bei den Athapasken, die ihre Toten verbrannten, mußte sich die Witwe auf den Scheiterhaufen setzen und hier so lange verharren, bis sie gründlich angesengt und ihre Kopfhaare verbrannt waren.

Phot. C. B. Waite.

Abb. 198. Öffentlicher Schreiber (evangelista),

wie man ihn in ganz Mexiko auf öffentlichen Plätzen antrifft.

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