Indonesien.

Unter Indonesien verstehen wir die weite Inselflur, die sich zwischen Südostasien beziehungsweise Hinterindien, Neuguinea und Australien ausbreitet und die großen (Sumatra, Java, Borneo, Zelebes) und kleinen Sundainseln (Bali, Lombok, Sumbawa, Sumba, Flores, Timor und andere mehr), sowie die Molukken (Ceram, Amboina, Djijolo) und die Philippinen (Luzon, Mindanao, Sulu und so weiter) umfaßt. Man nennt dieses Gebiet auch den Malaiischen Archipel, weil er von einem besonderen Menschenschlag, der malaiischen Rasse, bewohnt wird. Diese Rasse, die offenbar aus der gelben Grundrasse, wie die Chinesen und Japaner, hervorgegangen ist, zeigt in körperlicher Hinsicht große Ähnlichkeit mit den Polynesiern, die einen Zweig von ihnen bilden. Während letztere aber infolge längerer Isolierung auf ihren einsam gelegenen Inseln einen mehr einheitlichen Typus angenommen haben, trifft dieses für die Malaien weniger zu, weil sich in den von ihnen bewohnten Gebieten im Laufe der Zeiten reichlich Gelegenheit sich mit anderen Rassen zu vermischen bot. Im allgemeinen gleicht daher der Typus der Malaien dem der Polynesier, mit dem Unterschied, daß er sich vielfach verwischt hat, indem er sich teils verfeinerte durch Kreuzung mit Hindu-, das heißt mit indogermanischem Blute — die Javaner dürften für seine Vertreter gelten, besonders in ihren höheren Schichten — (Abb. 248), teils gröber wurde durch Vermischung mit den primitiven Inlandstämmen, den Resten der Urbevölkerung der Inseln (Abb. 311 und 312). Unter dieser letzteren lassen sich wiederum zwei Typen unterscheiden, ein kurzköpfiger brauner mit krausem Haar und ein langköpfiger dunklerer mit langem, straffem Haar; jener gehört der afrikanischen, dieser der südasiatischen Grundrasse an; die Verwandten des ersteren sind die Zwergvölker Mittel- und Zentralafrikas, sowie die Bewohner der Andamanen, die des letzteren die Wedda auf Ceylon, die Semang-Senoi auf Malakka, die Australier und Tasmanier. Beide Typen sind im Laufe der langen Zeiten vielfach Vermischungen miteinander eingegangen, so daß es schwer hält, im einzelnen Falle mit Bestimmtheit zu sagen, welchem Typus der Vertreter eines Inlandstammes angehört. Gemeinsam ist beiden Typen die niedere Körpergröße. Am reinsten hat sich die afrikanische Grundrasse noch in den sogenannten Negrito der Philippinen (Aëta, Baluga, Mammamua und so weiter) erhalten. Reste der Urbevölkerung trifft man auf den meisten Inseln noch an; die bekanntesten Stämme sind auf Sumatra die Kubu und Gajo, auf Borneo die Punam, Ot, Bakatan, Ukit, Kajan, auf Zelebes die Toala und so weiter. Alle diese Stämme stehen auf einer recht niederen Kulturstufe, ähnlich wie die Australier. Größtenteils schweifen sie ohne feste Wohnsitze in kleinen Familienhorden umher, für die Nacht benutzen sie höchstens eine aus Laubblättern hergestellte primitive Regenschutzhütte und leben von den Erträgnissen des Sammelns oder der Jagd auf kleine Tiere. Bei letzterer bedienen sie sich ihrer einzigen Waffe, des hölzernen Wurfspießes; zum Ausgraben der Wurzeln benutzen sie Grabstöcke. Ihre Kleidung besteht bei den auf niedrigster Stufe stehenden Stämmen in einem zwischen den Beinen durchgezogenen Gürtel aus geklopfter Rinde (Abb. 249) und in einer Kopfbinde aus dem gleichen Stoff. Haustiere und Kulturpflanzen kennen die Urstämme nicht, höchstens besitzen sie Hunde und Hühner, die sie durch Tausch mit den kultivierteren Nachbarstämmen erhielten. Schmuck findet sich bei ihnen nur in bescheidenem Maße vertreten oder fehlt gänzlich. Ihre soziale Ordnung beruht auf der patriarchalischen Familie.

Aus: Stratz, Rassenschönheit des Weibes.

Abb. 248. Sechzehnjährige Sundanesin.

Phot. A. C. Pratt.

Abb. 249. Eingeborene der Tenimberinseln,

die ständig auf dem Kriegsfuß miteinander leben. Sie treiben Ackerbau, Jagd und Fischfang und besitzen auch einige Fertigkeiten in der Bearbeitung von Eisen und Kupfer. In religiöser Beziehung sind sie Animisten. Ihre Häuser sind auf Pfählen erbaut.


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Ungleich höher als diese Kultur der Indonesier steht die der eigentlichen Malaien (Abb. 251), selbst in ihren tiefsten Schichten. Sie führen bereits eine seßhafte Lebensweise, soweit sie Ackerbau betreiben. Ihre wichtigste Kulturpflanze bildet der Reis; er wird entweder auf trockenen (Ladangs) oder unter Wasser stehenden (Sawahs) Feldern angebaut. Andere Nutzpflanzen sind Süßkartoffeln, Zuckerrohr, Bananen, Kokos- und Betelpalmen, sowie Gemüse der verschiedensten Art. An Haustieren besitzen sie Büffel, Pferde, Ziegen, Schafe, Hunde, Hühner und so weiter. — Das typische Haus der Malaien ist der Pfahlbau mit Giebeldach. Ähnlich wie in Ozeanien dienen diese Häuser verschiedenen Zwecken. Es gibt Familien-, selbst ganze Sippenhäuser von großen Dimensionen, in denen mehrere Familien zusammenwohnen, und als gemeinsamen Aufenthaltsort die lange Galerie (Abb. 250) benutzen — im Bedarfsfalle wird ein Stück angebaut —, Junggesellenhäuser, in denen die Unverheirateten hausen, sowie Besuchsgäste Unterkunft finden, die öffentlichen Angelegenheiten besprochen werden, auch vereinzelt Häuser für ledige Frauen, ferner Speicher zur Aufbewahrung von Reis und anderen Früchten und kleine Totenhäuschen, die nach dem Muster eines wirklichen Hauses gebaut sind. Die Häuser stehen in Dörfern, den sogenannten Kampongs, zusammen. Die von der Hindukultur beeinflußten Javaner wohnen in Häusern auf ebener Erde; auf einzelnen kleinen Inseln treffen wir auch Rundhütten an.

Aus: Hose, The Pagan Tribes of Borneo.

Abb. 250. Die lange Galerie eines Familienhauses als gemeinsamer Aufenthalt für seine Bewohner.

Ein Haus in durchschnittlicher Größe nimmt ungefähr zweihundert Bewohner auf, es ist im Rechteck gebaut, manchmal über dreihundertfünfzig Meter lang und in der Mitte durch eine die ganze Länge durchgehende Mauer in zwei Hälften, deren eine die offene Halle ist, getrennt.

Phot. Edward Elven.

Abb. 251. Malaiische Frauen aus Sumatra,

wo die Malaien am stärksten verbreitet sind. Von gedrungener, muskulöser Gestalt, mit kleinen Händen und Füßen, besitzt der Malaie große Gelenkigkeit und Ausdauer. Er ist intelligent, tätig und fleißig, großer Ergebenheit, aber noch stärkeren Hasses fähig und von scheuer, empfänglicher, rachsüchtiger und verräterischer Natur.


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Die Malaien sind mit einem unterrockartigen Gewande, dem Sarong (Abb. 252), einem Kopftuch oder einer Mütze und einem Umschlagtuche um den Oberkörper bekleidet; die mehr zivilisierten Stämme tragen jetzt auch Hosen. Die Frauenkleidung ist die gleiche, nur fällt bei ihr meistens das Kopftuch fort, dafür aber tritt eine Jacke (Abb. 253) hinzu. Die Stoffe für diese Gewänder sind Erzeugnisse der einheimischen Webekunst. — Ein auf Java beschränktes, aber hier seit undenklichen Zeiten allgemein geübtes Hausgewerbe ist das Batiken (Abb. 254) des einheimischen oder eingeführten Kattuns, das ist das Herstellen warmer Farbentöne auf diesem mittels eines eigenartigen Verfahrens. Auf dem Stoffe werden zunächst die Muster, zumeist Arabesken, sodann aber auch Pflanzen, Tiere und szenische Darstellungen, mittels Wachs abgedeckt, meistens freihändig, bei komplizierteren Mustern auch nach Aufzeichnen mittels Holzkohle. Das Abdecken von schmäleren Flächen, Linien oder Punkten geschieht mit einer Art Füllfederhalter, einem Näpfchen mit lang ausgezogener Ausgußöffnung zur Aufnahme des Wachses, das beständig in kleinen Tonschalen über kleinen Herden flüssig gehalten wird, bei größeren Flächen mittels Pinsels. Das fertig abgedeckte Tuch wird nun ins Farbbad in einen großen Kupferkessel gebracht; dadurch nehmen diejenigen Stellen, an denen das Wachs aufsitzt, keine Farbe an, sondern bleiben weiß, wenn dieses wieder entfernt worden ist. Dies geschieht durch Eintauchen und Umherschwenken des gefärbten Stoffes in kochendem Wasser. So einfach das Batiken auch erscheint, so ist es doch äußerst mühsam und zeitraubend, zumal wenn das Tuch mehrfarbig ausfallen soll, da sich dann der Prozeß des Abdeckens, Färbens, des Wachssammelns und so weiter mehrfach wiederholt.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 252. Dajakfrau in ihrer Tracht.

Recht mannigfaltig ist der Körperschmuck der Malaien. Kopf, Ohren, Hals, Brust, Arme und Beine werden mit allerlei Zierat behängt (Abb. 255 und 258), zu dem mit großer Vorliebe bunte Glasperlen (Abb. 256) — es gibt darunter sehr alte von hohem Wert, die gleichbedeutend mit Geld sind, ähnlich wie alte Tongefäße (Abbild. 257) —, verwendet werden. Aber auch Muschelplättchen, Fruchtkerne, bunte Federn, gefärbtes Holz, Bambusfasern, Zinn, Messing und Edelmetalle (Gold und Silber), sowie Edelsteine finden Verarbeitung. Wie wohl bei keinem anderen Volke sind hier allerlei Körperdeformationen sehr beliebt.

Phot. A. Heim.

Abb. 253. Frauen auf Sumatra im Festschmuck.

Die Mädchen und Frauen der Familien von Rang kleiden sich zu den Festlichkeiten in farbenfreudige Gewänder, die reich mit Gold und Silber durchbrochen und von hohem Werte sind, und tragen goldene Stirnbänder. Die Mädchen lassen sich dem mohammedanischen Brauch zufolge nur zu solchen Gelegenheiten sehen.


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Allgemein verbreitet ist die Sitte der Zähneverunstaltung (Abb. 259), der beide Geschlechter zur Zeit, wenn die Kinder die geschlechtliche Reife erlangen, unterworfen werden. Mittels eines kleinen eisernen Meißels und eines hölzernen Hammers werden die Schneidezähne beider Kiefer sowie vereinzelt auch noch die Eckzähne stückweise abgesprengt, bis sie die richtige Form und Länge erhalten haben, und die Kanten durch Feilen geglättet. Durch dieses sehr schmerzhafte Verfahren erhält das Profil der Zähne ein sägeartiges Aussehen. An das Feilen schließt sich dann noch das Schwarzfärben sämtlicher Zähne an. Zugespitzte und geschwärzte Zähne gelten allgemein für sehr schön, und mit nicht zu verkennender Verachtung blicken die so verschönten Malaien auf die Europäer herab, deren Zähne „denen der Hunde gleichen“. Vornehme Bataker lassen sich überdies noch schmale Goldstreifen an den Zähnen entlang legen oder sie mit Goldschlägerhäutchen, die wieder kleine Ornamente aufweisen, überziehen, auch sie selbst mit Gold- oder Perlmutterstückchen auslegen (Abb. 259). Die Vornahme des Zähnefeilens ist vielfach mit Festlichkeiten, zum mindesten mit einem Schmaus verbunden. Auf Celebes beobachtete man, daß der Operateur für die Arbeit, die er an einer Prinzessin vorgenommen hatte, ein Huhn erhielt, diesem darauf ein Stück vom Kamm abbiß und das aussickernde Blut über Zähne und Lippen der Schönen fließen ließ.

Tatauierung ist gleichfalls ein beliebtes Verschönerungsmittel; die Muster, die dabei entstehen, pflegen recht abwechslungsreich und oft ganz geschmackvoll auszufallen (Abb. 261).

Phot. Dr. E. Carthaus.

Abb. 254. Herstellung von Batiktüchern auf Java.

Bei einzelnen Stämmen Borneos und Celebes’ begegnen wir auch der Verunstaltung des Kopfes (Abb. 263). Für gewöhnlich wird der Kopf der Neugeborenen zwischen zwei festen Gegenständen, von denen der eine die Unterlage für das Hinterhaupt bildet, der andere, ein Brettchen, über die Stirn zu liegen kommt, zusammengepreßt, so daß eine Abflachung der vorderen Kopfpartie daraus hervorgeht, was gleichfalls für ein Schönheitszeichen angesehen wird. Auch besondere Vorrichtungen sind hierfür vorhanden (Abb. 262). Auf Celebes muß das Kind in dieser qualvollen Enge monatelang verharren, nur alle zwei Tage wird es für kurze Zeit davon befreit, um gebadet zu werden. Auf Borneo dagegen ist das Vorgehen der Mutter weniger barbarisch, im Gegenteil, man beobachtete, daß sie mit besonderer Fürsorge sich um ihr Kind kümmerte, zwischen Brett und Kopf ein Kissen oder ein Polster aus weichen, fleischigen Blättern legte, ziemlich häufig nachsah und den Apparat lüftete, sobald ihr Kind ein Unbehagen äußerte. — Auch die Ohren bleiben von der Verunstaltung nicht verschont (Abb. 260). Das Läppchen wird durchbohrt und durch Bambuspflöcke oder Tuchknäuel in genügender Weise erweitert, um einen oder mehrere Ringe aus Messing oder Edelmetall und so weiter als Schmuck darin einzuhängen, die durch ihr Gewicht das Ohrläppchen noch weiter ausdehnen, oft bis zu solcher Länge, daß es wie eine Schlinge bis auf die Schulter herabhängt. Auch die oberen Teile der Ohrmuschel werden durchlöchert und mit zierlichen Ringen geschmückt. — Die Weiber pflegen sich auch vielfach die Haare am Unterleib abzurasieren oder mittels Pinzette auszurupfen.

Vor Eintritt der Pubertät werden Knaben und auch Mädchen der Beschneidung unterworfen, namentlich ist dies unter der mohammedanischen Bevölkerung Brauch. Unbeschnittenen Mädchen ist es verboten, in geschlechtlichen Verkehr zu treten oder eine Ehe einzugehen.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 255. Dajakkinder im Festgewand.

Die einer Schnürbrust ähnliche Umhüllung beim Mädchen besteht aus Rotangfasern, die mit kleinen Messingringen bedeckt und mit Silbermünzen verziert sind.

Familienzuwachs wird von allen malaiischen Stämmen mit Freuden begrüßt, besonders sind es Knabengeburten, die gern gesehen werden, weil dadurch für Fortführung der Familie Gewähr geleistet wird. Eine Frau, die bei den Batakern dem Gatten keine Knaben schenkt oder alle Söhne durch den Tod verloren hat, kann nicht nur von ihm verstoßen werden, sondern ihr Vater muß ihm auch den für sie seinerzeit gezahlten Brautpreis zurückerstatten.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 256. Kajangeld.

Kostbare alte Perlen, als Brautschmuck von den Kajan um die Hüften getragen; sie gelten auch als Münze.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 257. Geld der Dajak in Form alter Tonkrüge,

die wahrscheinlich vor zweihundert bis dreihundert Jahren aus China und Siam eingeführt wurden und einen sehr großen Wert besitzen, unter Umständen jeder einen solchen von etwa sechshundert bis achthundert Mark.

Phot. C. B. Cloß.

Abb. 258. Eingeborener der nördlichen Niasinseln.

Die Bewohner der Niasinseln, der Rasse nach Malayo-Polynesier, leben von Fischfang und Ackerbau. Sie lieben es außerordentlich, sich reich zu putzen; die Schmuckstücke des oben abgebildeten Insulaners sind aus reinem Gold. Die Eingeborenen huldigen in religiöser Hinsicht einer Art von Animismus, der hauptsächlich in der Aussöhnung übelwollender Geister besteht.


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Damit die Schwangerschaft einen guten Verlauf nehme und das Kind sich wohl entwickle, müssen allerlei Opfer dargebracht oder bestimmte Zeremonien vollzogen werden. Fühlt sich zum Beispiel eine Frau auf den Seranglaoinseln Mutter, so muß sie ein Stück Ingwer von einem Priester durch Anblasen und Abbeten einer Koransure weihen lassen, einen Teil davon kauen, ihn wieder von sich speien und den Rest gut verwahren, auf der Insel Roti muß sie dem Geiste Tefamuli ein Opfer, bestehend in einem roten Hahn, einem Büschel Pisang, sieben Sirehfrüchten, einem Teller Rohreis und einer Kokosschale darbringen; auf Borneo muß die Dajakfrau den Wassergeistern ein kleines Häuschen opfern, das unter Gesang und Trommelschlag entweder in den Fluß versenkt oder in den Wipfel eines Baumes gestellt wird. Das in ihm befindliche, die Schwangere darstellende Püppchen soll all das Unheil, das der angehenden Mutter drohen könnte, an sich ziehen. Bei anderen Stämmen trägt die Schwangere ein Amulett, um sich und ihre Frucht gegen die bösen Geister zu schützen, oder befolgt aus dem gleichen Grunde bestimmte Vorschriften. Bei den Alfuren im nördlichen Celebes hütet sie sich, mit fliegendem Haar einherzugehen, weil sich in ihm die bösen Geister mit Leichtigkeit festsetzen könnten, ebensowenig darf sie abends oder bei Regen das Haus verlassen; auf Roti kaut die Schwangere das Stroh ihres Hauses und speit es von Zeit zu Zeit um sich aus; auf Nias darf sie nicht an Orten vorbeigehen, wo vordem einmal ein Mensch ermordet oder ein Tier getötet wurde, ebenso kein Schwein stechen oder zerlegen, weil sich sonst bei dem Kinde etwas einstellen würde, das den Krümmungen des sterbenden Menschen oder Tieres gleicht, sie darf auch nicht in einen Spiegel oder ein Bambusrohr hineinsehen, weil das Kind sonst einäugig oder schielen würde, nichts verkorken oder verstopfen, weil das Kind sonst an Verstopfung leiden würde, an keinem Orte vorbeigehen, wo der Blitz eingeschlagen hat, weil sonst das Kind eine schwarze Haut erhielte, aus dem Kochtopf nicht essen, weil sonst die Nachgeburt hängen bliebe und vieles andere mehr. Verschiedentlich vermeidet es die Schwangere auch, daß ihr Blick auf häßliche Gegenstände oder Tiere fällt, weil sie fürchtet, daß das Kind davon etwas annehmen könnte. So darf sie zum Beispiel bei den Kenjah sich keinen langnasigen Affen ansehen. Wie auch anderwärts sind der Frau, die guter Hoffnung ist, eine ganze Reihe Speisen verboten, die unter Umständen so zahlreich sind, daß man meinen könnte, daß ihr eigentlich nichts mehr zu essen übrig bliebe.

Phot. W. H. Furneß.

Abb. 259. Dajak mit Stiftzähnen,

die mit Bronzestückchen in Sternform ausgelegt sind.

Selbst der Ehemann bleibt von bestimmten Tabuvorschriften nicht verschont. Wenn er bei den Alfuren nach seiner Rückkehr die Leiter seines Hauses hinansteigt, muß er einzelne Stufen auslassen, damit die Geister, die ihm folgen könnten, auf eine andere Fährte gelenkt werden und somit nicht mit in das Haus eindringen; bringt er seiner Frau gekochten Reis von einem Feste heim, so muß er ein paar Dornen in die Speise stecken und, bevor davon gegessen wird, etwas unter die Hütte werfen; bei den Atschinesen darf er während der ersten fünf Monate der Schwangerschaft kein Tier töten, auch nicht einmal einen Tiger oder eine Schlange, weil sonst die Geburt sich schwer abwickeln und das Kind Eigenschaften dieses Tieres annehmen würde; auf den Mentaweiinseln muß er eine Reihe häuslicher Arbeiten verrichten, die sonst der Frau zufallen, und anderes mehr.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 260. Lirongfrau mit lang ausgedehnten Ohrläppchen.

Die Durchbohrung der Ohrläppchen wird schon im frühen Alter vorgenommen. Wenn das Loch groß genug ist, wird ein Kupferring von fast zwei Zentimeter Durchmesser eingeführt, von Zeit zu Zeit werden weitere Ringe eingehängt, so daß, wenn die Schlinge bis zum Schlüsselbein herabhängt, oft ein Gewicht von über zwei Pfund an jedem Ohre hängt.


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Auch Verwandte und Freunde nehmen gelegentlich an den bevorstehenden Mutterfreuden Anteil. Erfahren sie zum Beispiel auf Java, daß eine Frau guter Hoffnung ist, dann bringen sie ihr Geschenke dar. Bei den Ärmeren bestehen diese in Reis, der durch Safran gelb gefärbt ist, in wohlriechenden Ölen und Kerzen; in den höheren Ständen fügt man noch Kleidungsstücke, goldene und silberne Armbänder, goldene Schmucknadeln und Kupferbecher hinzu. Im siebenten Monat erwidern die Eltern die Geschenke durch einen Festschmaus, bei dem die Schüssel mit Reis, der gelb — die Glücksfarbe — gefärbt ist, niemals fehlen darf. Darauf wäscht die angehende junge Mutter ihren Körper mit der Milch einer Kokosnuß, die der Gatte geöffnet haben muß; auf ihre Schale sind ein Knabe und ein Mädchen mit größter Sorgfalt gezeichnet; hierdurch soll die Mutter günstig beeinflußt werden, daß sie ein schönes Kind zur Welt bringt. Nach dieser Waschung nimmt sie noch ein Bad, in das lieblich duftende Blumen gestreut worden sind, zieht sich sodann neue Kleider an und macht der Hebamme, die sie bei ihren Reinigungen unterstützte, ein Geschenk an Reis, Kokosnüssen und Betel. Am Abend findet noch eine Vorführung des Wayangschattenspieles (siehe S. 250) statt.

Phot. W. H. Furneß.

Abb. 261. Kajandajakfrau

mit schöner Tatauierung des Unterkörpers, die aus dreierlei Gründen vorgenommen wird. Zunächst zum Schmuck, dann zur Verhinderung und Heilung von Krankheiten und schließlich, damit die Tatauierungszeichen nach dem Tode des Trägers als Fackeln dienen, um dessen Geist auf dem Wege zu dem Geisterreich zu leuchten.

Orig. Mus. f. Völkerkunde zu Berlin.

Abb. 262. Wiege mit Kopfpresse für Kinder aus Celebes.

Phot. W. H. Furneß.

Abb. 263. Schädelverunstaltung bei einem Milanaukind.

Viele Malaienstämme haben bestimmte Weiber, die, ähnlich wie bei uns, berufsmäßig Hebammendienste bei der Niederkunft verrichten, das heißt der Gebärenden nicht nur beistehen, sondern auch die Wöchnerin pflegen, ihr Rat in Kinderangelegenheiten erteilen und Abtreibungen vornehmen. Dagegen ziehen die Tenggeresinnen und Baliinsulanerinnen nur männliche Hilfe bei ihren Geburten hinzu. — Wie während der Schwangerschaft, so sucht man auch bei der Niederkunft nach Möglichkeit den schädigenden Einfluß der Dämonen, die nach Ansicht der Malaien das ganze Leben des Menschen bedrohen, fernzuhalten. Zu diesem Zweck vertreibt man sie auf den Aaruinseln durch Trommeln. Auf den Inseln des Sawuarchipels wehrt man den bösen Geist Wango durch Dornengebüsch von dem Hause ab; auch feindlichen Überfällen sucht man durch solche Sicherheitsmaßregeln, im besonderen durch aufgehäufte Bambussplitter zu begegnen (Abb. 264). Auf Nias stellt man neben der Kreißenden ein Götzenbild in Gestalt eines schwangeren Weibes auf, das sie vor dem Dämon Bechumatiana schützen soll. Bei den Atschinesen hängt man, um einem anderen gefährlichen Dämon den Eintritt in das Haus zu verwehren, an der Decke des Gebärraumes einen bestimmten dornigen Zweig auf, zündet vier kleine Holzfeuer an den Ecken des Hauses an, namentlich wenn die Niederkunft in der Nacht erfolgt, und wirft von Zeit zu Zeit in sie Salz, Pfeffer, Schwefel und Hornstückchen hinein, wodurch ein mächtiger Gestank entsteht, der in gleicher Weise wie die Dornen den Dämon fernhalten soll; außerdem reibt die Hebamme die große Zehe der Kreißenden, als dessen mutmaßliche Eintrittspforte, mit einem Gemisch von fein gestoßenem Pfeffer, Zwiebeln und Asa foetida ein. Bei schwerer Geburt lassen die Atschinesen die Kreißende lauwarmes Wasser trinken, in dem sich eine sogenannte Jerichorose entfaltet hat. Auf Ambon und den Uliaseinseln legt man zur Erleichterung der Geburt auf den Platz, wo die Niederkunft stattfindet, alte Kleidungsstücke des Mannes, damit das Kind, durch den ihnen anhaftenden Schweißgeruch angezogen, recht schnell erscheine.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 264. Gegen feindliche Überfälle mit Bambusspittern befestigtes Haus.

An die Nachgeburt knüpft sich mancherlei Aberglauben. Eine ganz eigenartige Auffassung über ihre Bedeutung besteht bei den Bewohnern der Inseln Bali und Nias, bei den Atschinesen und so weiter. Sie halten diese nämlich für den Bruder, beziehungsweise die Schwester des Neugeborenen und glauben, daß, wenn jemand stirbt, ihm die Seele seiner Nachgeburt auf dem halben Wege entgegenkomme, um dem Verstorbenen den Weg zum Paradiese zu zeigen. Daher wird die Nachgeburt auch sorgfältig behandelt; meistens pflegt man sie zu waschen und in einem Gefäß, Bambusrohr, in der Blütenhülle des Pinang (Arekablüte) und ähnlichem gut verpackt, entweder im Hause aufzuheben oder in dessen Nähe zu vergraben. Bei anderen Stämmen ist es Sitte, sie auf einem kleinen Bambusfloß, das mit Blumen und Früchten festlich geschmückt und mit Kerzen beleuchtet ist, den Fluß hinabtreiben zu lassen, als ein Opfer für die Krokodile, welche die Seele der Vorfahren beherbergen. Der Aberglaube von dem Nachgeburtszwilling treibt noch weitere Blüten. Wird ein Kind krank, so meint man, daß die Nachgeburt in ihrem Grabe krank geworden sei, und legt daher die Heilmittel auf die Stelle, wo sie verscharrt wurde; bessert sich trotzdem das Befinden des Kindes nicht, so ist man überzeugt, daß die Nachgeburt kein angenehmes Lager gefunden habe, gräbt sie wieder aus und beerdigt sie an einer anderen Stelle. Man vermutet ferner, daß die Seele der Nachgeburt zeitweilig ihre Stätte verlasse, um mit ihrem Zwillinge zu spielen, und daß ein Lächeln des Kindes im Schlafe darauf hindeute. — Die Abtrennung der Nabelschnur wird meistens mit einem Bambussplitter vorgenommen; wollen bei den Atschinesen die Eltern, daß ihr Sohn eine gute Stimme bekomme, so wird dieser Splitter aus einer Bambusflöte geschnitten. Meistens trocknet man den Nabelschnurrest und bewahrt ihn auf: bei Erkrankungen wird er entweder zu Pulver gestoßen und dem Patienten eingegeben oder in Form von Umschlägen angewendet. Verschiedentlich tragen die Kinder ihre eigenen Nabelschnurreste auch als Amulett um Hals und Bauch.

Die Wöchnerin wird allgemein als unrein angesehen. Während dieser Zeit haben bei den Atschinesen nur Frauen zu ihr Zutritt, ausgenommen der Ehegatte, der ihr Essen bringt, aber nur das Notwendigste mit ihr sprechen, sie nie berühren, noch von den Speisen und Getränken, die sie angefaßt hat, etwas essen darf. Merkwürdig ist der Brauch auf den Tanembar- und Timorlaoinseln, daß in der ersten Zeit nach der Geburt der Ehegatte das Kind zu pflegen und zu besorgen hat, während die Frau ihrer gewohnten Tagesbeschäftigung nachgeht; offenbar handelt es sich hierbei um die letzten Ausklänge der ursprünglichen Sitte des Männerkindbettes. — Die jungen Mütter pflegen ihr Kind oft jahrelang selbst zu stillen, aber daneben ihm auch andere Kost zu verabreichen. Ist eine Mutter aus irgend einem Grunde außerstande, ihr Kind selbst zu nähren, dann übernimmt vielfach die Großmutter diese Funktion. Infolge des Reizes, der durch das wiederholte Anlegen an die Brust auf diese ausgeübt wird, kommt es trotz des Alters doch noch zur Absonderung von Milch. Bei der Arbeit schleppt die Mutter ihr Kind in einem Korbe auf dem Rücken mit sich herum (Abb. 265).

Phot. W. H. Furneß.

Abb. 265. Punanfrau, ihr Kind in einem Korbe auf dem Rücken tragend,

in dem es bequem ruht, während die Frau ihre Arbeit fortsetzt.

Stirbt die Mutter bei der Geburt, so pflegt man allgemein auch das Kind zu töten, weil man entweder annimmt, daß es an dem Tode der Mutter schuld ist, oder weil man fürchtet, daß es doch nur ein Unglücklicher werden würde. Meistens geschieht die Tötung auf grausame Art. Die Dajak legen das Kind lebend in den Sarg der Mutter, die Niasser stecken es in einen Sack und hängen ihn im Wald an einem Baume auf, die Mentaweiinsulaner drücken ihm den Kopf ein und halten ihm Mund und Nase zu und anderes mehr.

Künstliche Abtreibung der Leibesfrucht wird auf den Inseln des malaiischen Archipels in großem Umfange geübt; einige Stämme sollen es zu großer Fertigkeit darin gebracht haben.

Zwillinge werden vielfach, wie auch anderwärts, als ein Unglück angesehen, zumal, wenn sie verschiedenen Geschlechtes sind. Die Dajak geben den männlichen Zwilling als Sklaven fort, die Balinesen verhängen schwere Strafen über die Mutter; sie verbannen sie für mehrere Monate an einen einsamen Ort, brennen ihre Hütte nieder, reinigen das ganze Dorf, und bringen zahlreiche Opfer dar, um die vermeintliche Blutschande im Mutterleibe zu sühnen. Auf einzelnen kleineren Inseln dagegen werden Zwillinge hochgeschätzt, als ein Geschenk der Götter angesehen und besonders gepflegt.

Mit dem Neugeborenen werden ebenfalls allerlei Zeremonien vorgenommen und Mittel angewendet, um den Einfluß der bösen Geister zu verhindern. Sehr beliebt ist als Opfer für sie ein Huhn, dessen Blut über das Kind gespritzt wird. Bei den Batakern läßt man einen Zauberer kommen, der dem Kinde das Horoskop stellen, das heißt sagen muß, ob es unter günstigen oder ungünstigen Gestirnen geboren ist. Bei den Kenjah wird der neue Weltbürger mit Trommelschlag begrüßt, und jeder der anwesenden Hausgenossen erhält für gewöhnlich eine Handvoll Salz zum Geschenk. Wenn sie sich nicht im Hause befinden, erwartet man umgekehrt von ihnen, daß sie dem Kinde ein Geschenk machen. Sehr wichtig ist auch, daß kein Fremder von dem Kinde Notiz nimmt, da man fürchtet, daß eine solche Beachtung die Aufmerksamkeit der Geister auf dasselbe lenken könnte; vergeht sich der Fremde gegen diese Vorschrift, so muß er zur Sühne dem Kinde etwas schenken. — Auf Java wird bei der Geburt eines Knaben ein scharfer Bambusspan in ein Papier, das mit dem javanischen Alphabet beschrieben ist, eingewickelt, in eine Kanne getan und vergraben. In der ersten Nacht nach der Geburt bewachen Leute das Kind und lesen ihm eine Art Erzählung vor; einige Tage später erhält es seinen Namen. Ist es neun Monate alt, dann findet eine Wayangvorstellung statt. Bei den Dajak erfolgt die Namensgebung auf ein bestimmtes Wahrzeichen hin. Man kitzelt dem Kinde mit einer Feder die Nasenschleimhaut; nießt es, so gilt dies für eine günstige Vorbedeutung und die Namensgebung erfolgt; andernfalls wird sie auf später verschoben. Bei der Namensgebung nimmt die Mutter das Kind vor das Haus, badet es, hebt es dreimal nach Westen und dreimal nach Osten in die Höhe, wobei sie Segenswünsche für sein Gedeihen ausspricht, opfert darauf ein Huhn, bespritzt mit dessen Blut ihr Kind und gibt ihm den Namen. Die Alfuren auf Celebes opfern bei dieser Gelegenheit für einen Knaben zwei Böcke, für ein Mädchen nur eine Ziege, deren Köpfe, Fell und Pfoten vergraben werden. Natürlich knüpfen sich an alle diese Handlungen größere oder kleinere Feste. — Bei den Klemantanen erhält das Kind in den ersten paar Jahren seines Lebens noch keinen Namen; man spricht von ihm in unbestimmten Ausdrücken, wie etwa „das Dingsda“ oder „das kleine Wurm“ und dergleichen. Man fürchtet nämlich, daß, da das Kind noch klein und schwächlich ist, es für die bösen Geister empfänglicher ist, und daß es deren Aufmerksamkeit wahrscheinlich noch leichter auf sich lenken könnte, wenn es mit einem Namen gerufen würde. Erst im Alter von drei bis vier Jahren erhält es einen solchen. Für gewöhnlich wird der Name des Großvaters beziehungsweise der Großmutter dazu gewählt, wenn diese besonderes Glück im Leben gehabt haben. Wird das Kind aber von Unglück verfolgt, oder bekommt es eine ernste Krankheit, dann wird sein Name gewöhnlich gegen einen anderen vertauscht. Manchmal wählt man auch einen unschönen Namen, etwa entsprechend unserem „Dung“ oder „schlecht“ aus dem schon angegebenen Grunde, um die unfreundlichen Geister irrezuführen. Bei den Kajan am oberen Rejang ist die Namensfeier sehr verwickelt. Die Dajong, eine Frau, die im Namengeben bewandert ist, wird gerufen, und alle Familienmitglieder werden zu einem großen Festessen eingeladen, zu dem man alles mögliche Eßbare an Fischen und Tieren, auch Bananen herbeischleppt. Die Dajong bringt ein Hühnerei mit und bestreicht damit das Kind vom Nabel bis zur Stirn; bei jedem Strich spricht sie einen Namen aus, bis sie glaubt, einen passenden gefunden zu haben. Dann wird das Kind in einen großen Raum gebracht, wo ein Huhn geopfert und seine Eingeweide auf etwaige gute Vorbedeutung untersucht werden. Trifft diese zu, dann stimmt die Dajong einen Gesang an und erbittet den Schutz der guten Geister für das Kind. Nachdem sodann sechzehn Männer und ebensoviele Frauen, deren Eltern noch am Leben sind, Wasser zur Benutzung für Mutter und Kind herbeigebracht haben, beginnt das Essen. Einige der Gäste essen dabei zum Besten des Kindes, wenn es noch zu jung ist, um selbst daran teilzunehmen. Acht Tage später wird der Schutz der Geister wiederum angerufen, und das Kind den Hausgenossen gezeigt. Ein naher Verwandter zeichnet ihm mit einem Stück Holzkohle ein Kreuz auf den rechten Fuß; sodann bringt man das Kind vor die Tür eines jeden Dorfbewohners, damit er es beschenkt. Hierauf muß es acht Tage in dem Raum der Eltern bleiben, ehe es wieder heraus darf. Wenn dann bis zum nächsten Herbst dem Kinde kein Unglück zugestoßen ist, wird sein Name bestätigt; ist ihm aber irgend etwas geschehen, so erhält es den Namen irgend eines Verwandten, dem es gut geht, dafür verliert es den ersten Namen. Selten behält übrigens ein Angehöriger der Klemantanen den Namen, der ihm als Kind gegeben wurde, sein ganzes Leben lang. Nach einer jeden Krankheit oder irgend einem Unglück wird er gewechselt, damit die bösen Mächte, die beständig in der Umgebung der Menschen weilen, unter dem neuen Namen ihn nicht mehr erkennen.

Abb. 266. Hochzeit bei den Dajak.

Eine Betelnuß wird in Gegenwart von Freunden und Zeugen gespalten, um den Eltern und Verwandten zu zeigen, daß die Ehe glücklich sein wird. Ist die Betelnuß gut, was gewöhnlich der Fall ist, so ist die Hochzeitszeremonie damit beendet. Allen Anwesenden wird dann ein Fest gegeben.


GRÖSSERES BILD

Bei den Balinesen sind die Zeremonien anläßlich einer Geburt ziemlich die gleichen wie bei den Javanern, nur kommen sie bei gewissen Gebräuchen in Wegfall, die der Islam vorschreibt. — Bei den Atschinesen erhält die Schwangere im vierten bis sechsten Monat einen zeremoniellen Besuch von ihrer Schwiegermutter, die ihr ein Geschenk bringt und dafür Tabak und Nahrungsmittel mitnimmt. Ebenso fühlen sich andere Besucher verpflichtet, der angehenden Mutter Geschenke zu machen. Auch hier trifft man tausenderlei Vorsichtsmaßregeln gegen den Einfluß der bösen Geister. — Bei der Wöchnerin wird vierundvierzig Tage lang ein Feuer unterhalten. Die Wiege des Kindes wird mit Amuletten behängt, um das Kind gegen den Pontianak gefeit zu machen. Es ist dies ein Teufel, der nur aus einem Kopf besteht, von dem Eingeweide heraushängen. Sieben Tage nach der Geburt wird dem Kinde der Kopf rasiert, was ohne Festessen nicht abgeht, und bald darauf unter Darbringung eines mohammedanischen Opfers ihm der Name gegeben.

Im Alter von etwa neun bis zwölf Jahren werden die Knaben der Dajak als Mitglied der Gemeinde aufgenommen; verschiedentlich bekommen sie auch dann einen neuen Namen. Bei den Kajan findet bei dieser Gelegenheit eine große Zeremonie statt, bei der ein auf der nachfolgend beschriebenen Kopfjagd erbeuteter Schädel eine wichtige Rolle spielt. In dem Hause, in dem sich mehrere Knaben befinden, denen noch nicht die Aufnahme zuteil geworden ist, schlachtet ein dazu erwählter Zeremonienmeister ein Huhn und zerlegt es in drei Stücke, eins davon für die Erwachsenen, ein zweites für die Knaben und ein drittes für die kleinen Kinder. Darauf bindet er jedem Knaben ein Armband aus Palmblattstreifen um das Handgelenk und besprengt es mit dem Hühnerblut. Nun muß jeder Knabe dem erbeuteten Kopf, den die heimkehrenden Männer mit großem Gepränge anbrachten, einen Schlag austeilen. Schließlich werden die Knaben an einen Fluß geführt, um hier zu baden, währenddessen wird ein Büschel Palmblätter, mit dem der Schädel geschmückt war, über sie geschwenkt. Kein Jüngling darf sich einem Kriegszuge anschließen, bevor er diesen Ritus nicht durchgemacht hat. Einige Jahre nach dieser Einweihungsfeier werden die bereits oben geschilderten Körperverunstaltungen an den Knaben vorgenommen. In gleicher Weise müssen sich ihnen auch die Mädchen unterziehen.

Das heiratsfähige Alter tritt bei den malaiischen Stämmen bereits sehr früh ein. Die Banjanesinnen auf Borneo sollen schon mit acht bis neun Jahren, die Javanerinnen sogar mit sieben bis acht Jahren in die Ehe treten, also schon zu einem Zeitpunkt, wo sich die geschlechtliche Reife bei ihnen noch nicht eingestellt hat und sie noch nicht zur Mutterschaft gelangen können. Entsprechend frühzeitig heiraten auch die jungen Männer.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 267. Eingeborener von Borneo im Kriegsschmuck,

der aus einem Leopardenfell, das über die Schultern hängt, einem Brustschmuck aus Perlmutter und einem rot bemalten Holzschild und Schwert besteht.

Auf der Insel Nias ist es nicht ungewöhnlich, daß wohlhabende Männer ihren zwei- bis dreijährigen Sohn mit einem erwachsenen Mädchen verheiraten und damit die ehelichen Rechte und Pflichten des jungen Ehemanns so lange übernehmen, bis dieser dazu allein imstande ist. Daher kann es vorkommen, daß die junge Frau nicht nur ihrem Kinde, dessen Vater ihr Schwiegervater ist, sondern auch ihrem gesetzlichen Manne gleichzeitig die Brust reicht. — Auch auf Java werden die Ehen sehr frühzeitig geschlossen; hier sieht man nicht selten sehr begüterte junge Burschen im Alter von dreizehn bis vierzehn Jahren im Besitze eines Harems. — Über die Keuschheit der Mädchen vor der Ehe herrschen ganz verschiedene Anschauungen in Indonesien; bei einigen Stämmen ist der Geschlechtsverkehr den Mädchen erlaubt, bei anderen dagegen wird daran großer Anstoß genommen. Unter den Batakern ist ein „Ausleben“ der jungen Mädchen etwas Selbstverständliches, und ein solches, das jungfräulich stirbt, wird nach ihrer Annahme zu einem bösen Geiste, der den Männern nachstellt, weil es bei Lebzeiten die Freuden der Liebe nicht kosten konnte. Auf den Mentaweiinseln empfangen junge Mädchen direkt ihre Liebhaber in einer der zahlreichen kleinen Feldhütten, die außerhalb des Dorfes erbaut sind, um mit ihnen die Nächte zuzubringen. Bei den Tenggeresen auf Java wird einem jungen Mann, der eine befreundete Familie besucht, für die Nacht die Tochter des Hauses zur Verfügung gestellt. Dagegen halten die Dajak Südostborneos sehr auf geschlechtliche Reinheit ihrer Töchter. Hat ein junger Mann trotzdem ein Mädchen verführt, so ist er gezwungen, es zu heiraten; außerdem müssen beide zur „Reinigung“ des Dorfes ein Huhn und ein Schwein schlachten lassen und alle Dorfbewohner zum Verzehren einladen. Bei anderen Stämmen werden die Mädchen, die sich außerehelich preisgeben, mit dem Tode bestraft oder in sehr schwere Geldstrafe genommen. Dies gilt auch für verschiedene Stämme auf Sumatra und Celebes. Die Sibuyan (Borneo) sehen uneheliche Mutterschaft sogar für eine schwere Beleidigung der höheren Mächte an, wofür der ganze Stamm von ihnen bestraft werden würde; sie bringen daher für gefallene Mädchen Sühneopfer dar und bestrafen die Schuldigen, beziehungsweise deren Eltern. — Die Bewohner der Insel Nias führen ein Ausbleiben des Regens auf eine außereheliche Schwangerschaft zurück und untersuchen vorkommendenfalls alle jungen Mädchen im Dorfe daraufhin. Jede Schwangere, die man findet, wird mit ihrem Verführer getötet. Um dieser harten Strafe zu entgehen, kommen manche Mädchen auf den Gedanken zu behaupten, sie wären von einem bösen Geiste geschwängert worden; der Volksglaube läßt aber aus solcher Verbindung Albinos hervorgehen. Wird nun ein Kind geboren, das kein Albino ist, dann forscht man unter den jungen Männern nach, welchem es ähnlich sieht, und erklärt diesen für den Vater. Dieser mutmaßliche Verführer und das junge Mädchen werden daraufhin auf grausame Weise getötet, das Kind aber wird in einem Sack an einen Baum gehängt und dem Hungertode preisgegeben.

Phot. Dr. Arnold Heim.

Abb. 268. Ein malaiisches Opfer auf Sumatra.

Die Malaien der südöstlichen Gebiete Sumatras töten zu jedem Fest einen Ochsen. Wenn letzteres vorüber ist, wird der Kopf des Tieres in ein weißes Tuch eingeschlagen und unter das Haus des Dorfhäuptlings oder des Gastgebers gelegt.

Bei einigen Stämmen Borneos kommt auch Prostitution vor, und zwar geben sich gewisse Priesterinnen (Balian) dazu her; sie nehmen trotzdem eine geachtete Stellung unter der Bevölkerung ein. Ebenso sollen auf Java Prostituierte im herzlichen Verkehr mit ihren Angehörigen bleiben und sich nach Aufgabe ihres Gewerbes noch verheiraten können und selbst für ehrenhafte Frauen gelten. — Sehr verbreitet scheint auf Borneo und Celebes die männliche Prostitution zu sein. Diese Leute (Basir genannt) ahmen in der Kleidung und im Benehmen die Frauen nach und geben sich gegen entsprechende Bezahlung homosexuellem Verkehr hin. Wegen ihrer abnormen Veranlagung werden sie vom Volke für etwas Höheres gehalten, nehmen daher die Funktionen von Priestern wahr und gelten für Vermittler im Verkehr mit den Geistern. Manche Männer knüpfen dauernde Liebesverhältnisse mit solchen Basir an und schließen mit ihnen sogar eine regelrechte Ehe. Allerdings darf man nicht bei allen Männern, die nach Weiberart gekleidet einhergehen, annehmen, daß sie homosexuellen Neigungen nachgehen; denn es kommt auch vor, daß sie ihr Gewand geändert haben, um böse Geister, die sie jahrelang mit Unglück und Krankheit verfolgten, dadurch zu täuschen.

Die Indonesier scheinen sehr sinnlich veranlagt zu sein. Um den Weibern die Freude beim Geschlechtsgenuß zu erhöhen, ist es bei verschiedenen Stämmen des Archipels (Dajak, Bisayo) üblich, die Eichel des männlichen Gliedes zu durchbohren und durch die Öffnung ein Stäbchen aus Elfenbein, Messing oder Silber zu stecken, das nicht selten an jedem abgerundeten Ende noch eine kleine Kugel aus Metall oder Stein trägt. Diese Vorrichtung, Ampallang, Palang, Utang oder Kampion genannt, wird erst vor Vollziehen des Beischlafes angelegt. Die Weiber einiger Stämme sind nicht mit einem einzigen Stäbchen zufrieden, sondern verlangen deren drei, die durch drei Öffnungen in verschiedenen Richtungen des Gliedes gesteckt werden. Die Frauen sollen in Männer, die über solche mechanische Reizmittel verfügen, wie vernarrt sein und nur solche zu heiraten pflegen.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 269. Opfer in Form von Nahrungsmitteln,

die nicht allein aus Anlaß von Geburt, Hochzeit, Todesfall, Zeremonien für das Gedeihen der Feldfrüchte, sondern bei fast allen Zwischenfällen des Lebens stattfinden.

Aus: de Wit, Java; Facts and Fancies.

Abb. 270. Gäste bei einer Hochzeit auf Java.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 271. Kajandajak im Gespräche mit seinem Gott.

Der Kajan bittet den Geist des toten Schweines, seine Botschaft an das höhere Wesen zu bringen, wobei er mit einem glimmenden Holzspan die Borsten absengt und das tote Schwein sticht, um dessen Aufmerksamkeit, während er spricht, wach zu halten. Nachdem er seine Wünsche geäußert hat, wird das Schwein zerlegt und die Leber untersucht, um daraus gewisse Vorbedeutungen zu schließen.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 272. Hochzeitsbräuche auf Java.

Wenn Braut und Bräutigam sich sehen, bewerfen sie sich mit Säckchen, die mit Kalk und Betelnüssen gefüllt sind.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 273. Der Bräutigam auf Java

wird von den männlichen Hochzeitsteilnehmern und dem Vater der Braut in die Moschee begleitet.

Gewöhnlich ergreift der Jüngling die Initiative, um Liebe zu gewinnen, nur bei den Kalabit tut dies das Mädchen. Die Seedajak kennen einen eigenartigen Liebestrank, um sich ein Mädchen geneigt zu machen oder deren verlorene Liebe wieder zu gewinnen, den Jayan. In der Hauptsache besteht er in Kokosnußöl, das aber ein noch in der Reife stehendes Mädchen zubereitet haben muß, und anderen Zusätzen, die dem Hersteller im Traume genannt wurden. Sehr wirksam sollen darunter die Tränen eines weiblichen Meerschweinchens sein; allerdings sind diese schwer zu erlangen, da man einem Tiere seine Jungen fortnehmen muß, um es zum Weinen zu bringen. Die Flüssigkeit wird in drei Gefäße gefüllt, die mit Zeugstopfen verschlossen werden; der Verschluß der kleinsten Flasche wird mit einer Nadel durchstochen. Man will damit erreichen, daß, wie die spitze Nadel in den Stoff sich einbohrte, auch der Liebeszauber in das betreffende Mädchen eindringe. Das Ganze muß an einem Orte, der von Menschen wenig begangen wird, versteckt werden. Vor der Anwendung wird an einem entlegenen Platze ein Feuer angezündet, in dieses wohlriechende Kräuter und aromatische Rinde gestreut und unter Hersagen eines Zaubergesanges das Gemisch über der Flamme hin und her geschwenkt. Darauf reibt man damit entweder das Lager oder die Kleider der Person, die man sich in der Liebe geneigt machen will, oder sie auch selbst im Schlafe ein, oder setzt die Mischung den Bestandteilen beim Betelkauen zu. Wer so behandelt wird, der findet angeblich nicht eher Ruhe, bis er sich in Liebe mit dem Spender vereinigt hat. Fühlt sich ein Dajakjüngling von einem Mädchen angezogen, so stattet er ihm Besuche ab, und zwar für gewöhnlich des Nachts, weil das Mädchen dann von ihren Eltern getrennt, wenn auch oft in demselben Raume schläft. In solchen Fällen pflegt man von ihm zu sagen, er sei Tabak suchen gegangen; eine Redensart, die wohl darin ihren Ursprung haben mag, daß die Frauen des Hauses den Gästen Zigaretten verabreichen. Der Jüngling weckt das Mädchen und macht ihr ein Geschenk durch eine Betelnuß, die er sorgfältig in ein Sirihblatt eingehüllt hat. Nimmt sie es an, so erblickt er hierin das übliche Zeichen der Ermutigung dafür, daß er bleiben und sich mit ihr unterhalten darf. Nach dem ersten Besuche läßt er manchmal unter dem Kopfkissen des Mädchens eine Halskette aus den aufeinandergereihten wohlriechenden Samenkörnern der Balongfrucht zurück. Sagen dem Mädchen die Besuche ihres Bewerbers zu, so gibt es ihm dies auf irgendeine Weise zu verstehen, meistens durch eine Zigarette aus Tabak. Bei den Dajak herrscht, wie bereits erwähnt, das Herkommen, den Gästen Zigaretten, die in getrocknete Bananenblätter eingewickelt sind, anzubieten. Das Mädchen pflegt dann ihrem Verehrer eine nach besonderer Art zusammengebundene Zigarette zu geben, wenn sie den Wunsch hegt, daß er seinen Besuch verlängern möchte. Findet der Jüngling, daß das Mädchen seine Besuche gern sieht, dann wiederholt er sie. Bei glattem Verlauf der ganzen Angelegenheit reißt ihm das Mädchen die Haare der Augenbrauen und die Wimpern mit einer messingnen Haarzange aus, während er mit seinem Kopf auf ihrem Schoße ruht; besitzt er etwa nur wenig Haare, dann pflegt sie wohl zu sagen, daß ein anderes Mädchen sie schon vor ihr ausgerissen habe. Wenn die Sache so weit gediehen ist, verbleibt der Jüngling auch die ganze Nacht bis zum frühen Morgen bei seiner Liebsten. Sodann verlangt er von einem seiner Bekannten, daß er den Eltern seines Mädchens von seiner Heiratslust Mitteilung mache. Diese geraten auf diese Nachricht hin in Erstaunen, manchmal auch nur zum Schein. Begünstigen sie das Verhältnis, so macht der junge Mann ihnen ein Messinggong oder eine wertvolle Perle als Unterpfand seiner Aufrichtigkeit zum Geschenk; wird später das Verhältnis aus irgendeinem Grunde, für den er nicht verantwortlich gemacht werden kann, gelöst, so erhält er die Geschenke zurück. Jetzt erfordert die gute Sitte, daß auch die Öffentlichkeit ihre Anerkennung gibt; irgend ein Freund macht dem Häuptling Mitteilung, der die Sache entweder gutheißt, womit das Verlöbnis geschlossen ist, oder irgendeinen Einwand dagegen erhebt, dann aber auch für gewöhnlich dafür sorgt, daß die Hochzeit überhaupt nicht stattfindet. Nach der Verlobung sucht man nach günstigen Vorbedeutungen für die Hochzeit. Der Schrei bestimmter Vögel und der Rehe, wenn sie in der Nähe des Hauses vernommen werden, gelten als böse Vorbedeutungen; ein Kundiger wird in den Wald gesandt, um dafür gute zu suchen oder wenigstens solche, die genügen, um nicht allzu schlechte wieder auszugleichen. Das Pfeifen eines Trogon, das Zirpen des Mauerspechtes und der hohe Flug eines Habichts von rechts nach links gelten als günstige Zeichen. Sind dagegen die Vorzeichen fortdauernd schlechte, so wird die Hochzeit um ein Jahr aufgeschoben, worauf man die Schicksalsfragen von neuem stellt. Inzwischen verläßt der Jüngling meistens das Dorf, um sich auf die Probe zu stellen; er sieht sich nach anderen Mädchen um für den Fall, daß er sich in seiner ersten Wahl geirrt haben sollte. Kehrt er aber ebenso gesonnen wieder heim, wie er fortgegangen ist und hat man inzwischen gute Vorbedeutungen erhalten, so findet die Hochzeit bald statt, vielfach nach der Ernte um die Zeit des Neumonds, denn diese gilt für die günstigste. Am Tage vor der Hochzeit läßt sich der Bräutigam angelegen sein, einen möglichst großen Vorrat an Betelnüssen und anderen eßbaren Dingen zu beschaffen, damit die Gäste während der bevorstehenden Zeremonie etwas zu kauen haben. Er selbst und seine Angehörigen machen den Eltern des Mädchens viele Geschenke, deren Zahl sich nach der gesellschaftlichen Stellung der Teilnehmer richtet. Findet die Hochzeit im Hause der Braut statt, so werden Freunde beider Familien dazu eingeladen; sie versammeln sich in der langen Galerie des Hauses (Abb. 266). Früh am Morgen erscheint der Bräutigam mit seinen Trauzeugen und einer Anzahl Krieger im vollen Kriegsstaat (Abb. 267) im Boot vor dem Hause der Braut, selbst wenn er nur wenige Schritte von ihr ab wohnen sollte. Sie marschieren alle zum Hause heran und stellen manchmal große Messinggongs, die sie mitbrachten, in der Galerie in solchen Zwischenräumen auf, daß die Braut von einem zum anderen treten kann; auch bringen sie Geschenke mit, die sie vor der Türe aufhäufen. Darauf versuchen der Bräutigam und seine Gesellschaft die Türe mit Gewalt zu öffnen, aber die Partei der Braut tritt ihnen entgegen und treibt sie zurück, worauf sich ein Scheinkampf entspinnt. Dieser Versuch mit seinen Folgen wiederholt sich mehrere Male, bis schließlich der Bräutigam und seine Partei ins Zimmer gelangen, aber dann vielleicht die Entdeckung machen, daß die Braut durch eine andere Türe in das Zimmer eines ihrer Nachbarn entschlüpft ist. Hat der Bräutigam die Spur der Braut ganz verloren, so setzt er sich mitten ins Zimmer hin und raucht gemütlich Zigaretten. Bald erscheint die inzwischen nachgiebig gewordene Braut mit ihren Freundinnen, findet aber von seiten des Bräutigams keine Beachtung. Jetzt ist der Zeitpunkt für die Festsetzung der Mitgift gekommen; den bereits mitgebrachten Gongs werden bisweilen noch weitere als Teilzahlung hinzugefügt. Ein Schwein wird darauf getötet, und wenn die Untersuchung seiner Eingeweide günstige Anzeichen ergibt, besprengt eine Dajong alle Anwesenden mit dem Blute, segnet gleichzeitig das junge Paar ein und wünscht ihm gut Glück und viele Kinder. Schließlich treten die Jungvermählten von Gong zu Gong; damit ist die Zeremonie beendet bis auf einen noch folgenden Schmaus. — Der Anklang an die ursprüngliche Raubheirat tritt noch deutlicher zutage, wenn der Bräutigam eine Entführung in Szene setzt. Er sowie seine Anhänger rudern mit dem Mädchen davon, werden aber von den Angehörigen und Freunden des Mädchens scharf verfolgt. Jene werfen in einemfort wertvolle Gegenstände aus dem Boot ans Ufer, um die Verfolger dadurch zu veranlassen, daß sie diese aufheben, und sie so am Näherkommen zu hindern. Dies wird so lange fortgesetzt, bis die Verfolger annehmen, daß sie den ganzen Besitz des Bräutigams erwischt haben; dann erst lassen sie ihn und die Braut in Ruhe.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 274. Waschen der Füße des Bräutigams

durch die Braut als Zeichen ihrer Unterordnung.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 275. Braut und Bräutigam auf Java im Hochzeitstaat.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 276. Eine Kenjahgottheit, Bali Atap genannt,

die mit dem Speer Krankheit oder Unglück von dem Dorfe abhalten soll. Um den Hals trägt die Figur eine Anzahl Schnüre mit Knoten; jede Schnur bezeichnet eine Familie und jeder Knoten eine Person, die ein Opfer dargebracht hat.

Bei den Balinesen regeln die Eltern gleichfalls durch Festsetzung des Kaufpreises die Heirat ihrer Kinder. Dabei muß streng darauf gehalten werden, daß das Brautpaar derselben Kaste angehört, nur die Brahminen haben das Recht, sich Frauen aus jeder der vier Kasten zu holen. Bei Leuten mit geringeren Mitteln stellt sich eine Braut aus ungefähr vierzig bis zweihundert, bei reicheren auf tausend Mark. Fast immer muß der Bewerber in dem Hause der Schwiegereltern längere Zeit arbeiten, um sich den Menadid, das heißt den Brautpreis dadurch zu verdienen. Daher greift in neuerer Zeit mehr und mehr der Brautraub um sich; nicht selten findet direkte Entführung des Mädchens gegen den Willen der Eltern statt. Der Räuber muß dann sein Opfer so lange verborgen halten, bis die Eltern ihr Jawort gegeben und den Kaufpreis erhalten haben. Weigern sie sich, dann trifft der Fürst die Entscheidung. Ohne Zustimmung der Eltern oder Eingreifen eines Prinzen darf keine Ehe geschlossen werden. Das Los einer Balinesin ist ein äußerst trauriges, wenn sie dem Manne keine Kinder oder nur Töchter schenkt, denn darin liegt eine Strafe für begangenes Unrecht; sie kann ihr Schicksal nur dadurch bessern, daß sie einen Sohn bekommt. Selbst die Frauen der Prinzen sind davon nicht ausgenommen. Manchmal wird die Schwierigkeit durch Adoption eines Neffen oder eines fremden Kindes gehoben. — Einer Witwe aus hoher Kaste ist die Wiederverheiratung bei Androhung der schwersten und entehrendsten Strafen verboten.

Bei den Atschinesen kommt die Heirat durch Vermittler zustande. Das Mädchen erhält von ihrem Verlobten ein Geschenk, das sie auch behält, wenn die Verlobung ohne ihre Schuld aufgelöst wird. Die Jungverheiratete lebt nach ihrer Hochzeit mit ihrer Mutter weiter und empfängt den Besuch ihres Gatten; ihre Eltern bestreiten zunächst den Haushalt, jedoch ist der Mann später verpflichtet, seiner Frau zur Deckung der Unkosten für den Unterhalt Geschenke zu machen.

Nach der Hochzeit lebt das junge Paar zunächst in der Wohnung seines Schwiegervaters, wie bereits bei den Besprechungen im voraus vereinbart wurde. Hier bleibt es während des ersten Jahres der Ehe; währenddessen arbeitet der Ehemann auf dem Felde und hilft den Eltern seiner Frau. Darauf erst nimmt sich das Paar eine eigene Stube im Dorfe des Mannes und führt einen eigenen Haushalt. Während also bei den hier geschilderten Kajandajak schon das Patriarchat herrscht, geht bei den Punan noch der Mann bei seiner Heirat in die Gemeinde der Frau über (Matriarchat), und dies meistens auf Lebenszeit. In diesem Falle hat er den Eltern keinen Kaufpreis zu zahlen, sondern nur ein kleines Geschenk in Gestalt von Tabak zu machen. — Auf einigen Inseln ist noch die Leviratsehe bekannt. Bei den Batakern Westsumatras darf die Witwe aber nur den jüngeren Bruder des Verstorbenen heiraten, denn die Ehe mit dem älteren würde als Blutschande gelten und den Freier die Todesstrafe treffen.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 277. Friedenschluß zwischen zwei feindlichen Parteien.

Die Geister der auf beiden Seiten getöteten Schweine sollen den Göttern den Friedenschwur bekannt geben, um ihn so für beide Parteien bindend zu machen.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 278. Eingeborener Krieger von Borneo,

dessen Schild dicht mit Menschenhaar geschmückt ist, um dem Feinde Schrecken einzujagen.

Als Gegenstück hierzu eine Hochzeitsfeierlichkeit bei den Javanern. Hier wählen die Eltern für ihre Kinder die Ehegatten aus und beraten über die Mitgiftsbedingungen. Die Eltern des Mädchens geben denen des Knaben ein Verlobungspfand, die ihrerseits bald darauf den Kaufpreis für die Braut in Silber, Schmucksachen, Stoffen und Eßwaren anbieten; Vater und Mutter des Mädchens erhalten noch ein besonderes Geschenk. An dem Tage, an dem diese Geschenke überreicht werden, finden sich Freunde und Angehörige beider Parteien auf Einladung zu einem Festessen ein. Am Vorabend der Hochzeit bleiben die zukünftigen Eheleute wach; täten sie dies nicht, dann könnte ein Unglück eintreten. Am nächsten Tage findet die Eheschließung nach mohammedanischem Brauch in der Moschee statt. Musik geht voran, der Bräutigam, von seinen Freunden begleitet (Abb. 270 und 273), folgt mit bemaltem Gesicht in einem Prunkgewand (Abb. 272); die Braut aber bleibt zu Hause und wird in der Moschee durch ihren Vormund vertreten. Alsdann begibt sich der Bräutigam, nachdem er ein anderes kostbares Gewand angelegt hat, in das Haus seiner Frau, die ihn erwartet. Sie ist aufs feinste geschmückt (Abb. 275); ihr Gesicht ist gleichfalls bemalt, ihr Oberkörper und die Arme sind unbedeckt, jedoch mit einer Mischung aus Mohnöl und Safran gesalbt. Nachdem sie ihrem Gatten zum Zeichen des Gehorsams die Füße gewaschen hat (Abb. 274), wird sie im feierlichen Zuge zu dem Heim ihrer neuen Familie geleitet, wo für alle Gäste ein Festessen stattfindet. Am nächsten Tage wiederholt sich das Fest im Hause der Eltern der Braut, und erst am dritten Tage darf sich das junge Paar im eigenen Heim häuslich einrichten. — Zu allen Festlichkeiten, die aus Anlaß einer Geburt, Hochzeit oder eines Todesfalles stattfinden, pflegen die Javaner Opfer in Nahrungsmitteln darzubringen (Abb. 269). Die Malaien im Süden Sumatras schlachten zu ihren Festen jedesmal einen Ochsen. Nachdem dieses vorüber ist, hüllen sie den Kopf des Tieres in weiße Tücher und legen ihn unter das Haus des Dorfhäuptlings oder des Gastgebers (Abb. 268). — Kinderverlobungen kommen bei den Javanern zu dem Zwecke vor, dem Kinde beizeiten eine vorteilhafte Partie zu verschaffen; in diesem Falle bleiben die beiden Kleinen in ihrem elterlichen Heim, bis sie die Reifezeit erreicht haben, worauf dann erst die Ehe vollzogen wird.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 279. Kajan befragen die Leber eines Schweines,

ehe sie ein wichtiges Vorhaben ausführen. Ist die Vorbedeutung ungünstig, so töten sie noch ein Schwein; ist auch diese Untersuchung ungünstig, so geben sie ihren Plan auf.

Die weitaus häufigste Eheform des malaiischen Archipels ist die Einehe, jedoch begegnen wir auch der Vielweiberei und selbst Spuren der Vielmännerei. In der Landschaft Lampong (Südsumatra) heiraten manche Männer mehrere Frauen, um sie gegen Bezahlung an andere auszuleihen und damit ein einträgliches Geschäft zu machen. Diese Gepflogenheit machen sich sehr wohlhabende junge Leute zunutze, indem sie ein armes Mädchen, das sie lieben, aber als unter ihrem Stande stehend nicht heiraten können, gegen Bezahlung einem armen Menschen aufhängen und dann im Hause als gern gesehener Hausfreund verkehren. An die Vielmännerei, die früher auf den Keyinseln üblich gewesen sein soll, erinnert die Sitte der Punan im Innern von Borneo, daß alte Männer, die in kinderloser Ehe mit einer jungen Frau leben, einen gesunden, kräftigen Burschen ins Haus nehmen, damit er als dritter im Bunde dem Gatten zur Vaterschaft verhelfe. Mag vor der Ehe sexuelle Freiheit der jungen Mädchen bestanden haben oder nicht, auf jeden Fall ist die verheiratete Frau verpflichtet, dem Manne die Treue zu halten. Nur vereinzelt kommen Ausnahmen vor und dies nur aus besonderem Anlaß; wenn zum Beispiel gute Freunde oder Blutsbrüder einander besuchen, dann überläßt der Hausherr seinem Gastfreunde für die Nacht gelegentlich wohl seine Frau. Sonst aber ist den Frauen strenge Keuschheit zur Pflicht gemacht. Der beleidigte Gatte hat meistens das Recht, auf frischer Tat den Verführer und seine schuldige Gattin zu töten, oder letztere als Sklavin zu verkaufen. Bei manchen Stämmen der Dajak hat auch der Mann die Pflicht, die eheliche Treue zu halten. Die betrogene Ehefrau soll mitunter befugt sein, ihrer Nebenbuhlerin mit einer Keule auf den Kopf zu schlagen. Ehescheidung ist im allgemeinen auf dem malaiischen Archipel nicht so leicht, wie zum Beispiel in Ozeanien, jedoch können die Dajak jederzeit ohne triftigen Grund, schon auf den Laut eines unheilverkündenden Tieres hin, die Frau fortschicken. Es soll daher dort nicht selten vorkommen, daß Frauen sieben- bis achtmal den Gatten gewechselt haben, bevor sie für immer in den Hafen der Ehe einlaufen. Im allgemeinen aber geben Untreue der Frau, auch wohl von seiten des Mannes, und Mißhandlung der Frau die wichtigsten Scheidungsgründe ab. Im letzteren Falle erhält der Ehemann nicht nur den Brautpreis nicht zurück, sondern muß auch die bei der Hochzeit erhaltenen Geschenke herausgeben, ebenso deren Kosten zurückzahlen. Auf Java dagegen ist die Ehescheidung leicht, dank den Erleichterungen, die der Islam den Männern gewährt; hier sind solche beinahe etwas Alltägliches. Der Ehemann kann sich freimachen, wenn er nur die ausbedungene Summe an die Frau zahlt.

Der Glauben der Malaien, sofern sie nicht Anhänger des Islam sind, kennt drei Arten Geister. Erstens übernatürliche Geister, die sehr weit in kaum geahnten Fernen wohnen, große Macht besitzen, in alle menschlichen Dinge einzugreifen und gleichsam die wirklichen Götter vorstellen; sie erfreuen sich großer Scheu und Verehrung. Zweitens die Geister lebender und verstorbener Personen, jene in Verbindung mit den Weissagetieren und solchen Tieren, wie Schwein, Hund, Krokodil, Huhn und einigen anderen mehr. Drittens eine Unmasse Geister, die sich unter die vorstehend genannten Gruppen nicht einreihen lassen, die aber nach dem Aberglauben der Malaien alles auf der Erde umgeben. Sie sind bald wohlwollend, bald übel gesonnen, meistens aber das letztere. Als solche gelten zum Beispiel die Geister, die nach dem allgemeinen Glauben die im Hause hängenden erbeuteten Schädel umgeben.

Der Malaie glaubt, daß die Götter über alles, was sein Leben anbetrifft, die Oberaufsicht führen. Auch unter ihnen unterscheidet er freundliche und unfreundliche Wesen. Wenn Bitten an sie zu richten sind, so geschieht dies durch die Seelen der Schweine oder Hühner, von denen jedesmal ein Tier geschlachtet wird, so oft man die Götter unter Beihilfe des aufsteigenden Rauches eines Feuers anrufen will (Abb. 271). Richten die Kajan Gebete an die Götter zum Besten des ganzen Hauses, dann pflanzen sie einen Baum in die Erde, aber mit der Krone nach unten und mit der Wurzel himmelwärts; dadurch meinen sie eine Art Verbindungsleiter mit ihnen herzustellen. Für gewöhnlich wird auch eine feierliche Handlung vor einer roh geschnitzten Figur (Abb. 276) vorgenommen, die vor dem Hause steht, die aber keinen Götzen vorstellen soll, sondern eher als Altar oder Symbol des Gottes aufgefaßt werden muß. Als Überbringer der Botschaften von den Göttern sieht man Tiere (Abb. 277), im besonderen Vögel an. Da diese also die Verbindung zwischen Göttern und Menschen vermitteln, sind sie Gegenstand besonderer Ehrfurcht. Überhaupt spielt die Weissagung bei allen wichtigen Angelegenheiten eine große Rolle; stets pflegt man dann die betreffenden Tiere zu Rate zu ziehen. Wenn die Untersuchung der Eingeweide eines Schweines (Abb. 279) oder eines Huhnes kein gutes Vorzeichen zutage gefördert hat, tötet man noch mehr Tiere, bis es vielleicht den Weissagern gelingt, eine günstige Vorbedingung zu verkünden. Sehr häufig werden den Göttern auch Opfer gebracht; hier sind es wiederum in erster Linie das Schwein und das Huhn, die dazu verwendet werden. Aber auch kostbaren Besitz ihnen darzureichen scheut man sich nicht; so zum Beispiel schneidet eine Frau ihr Haar bei Erkrankung des Kindes als Opfer ab. Alle Geister der dritten Gruppe sind böswillig oder wenigstens leicht beleidigt und imstande, Männern wie Frauen Unglück zu bringen. Die einflußreichsten unter ihnen pflegt man mit den schon erwähnten eingetrockneten Menschenköpfen in Zusammenhang zu bringen, die bei irgend einem Überfall erbeutet wurden. Indessen darf man sie nicht für die Geister derjenigen ansehen, von deren Schultern der Kopf abgehauen wurde, sondern es sind dies fremde Geister, die um die Köpfe herumzuschweben scheinen. Sind sie beleidigt worden, etwa durch Nichtbeachtung der gebräuchlichen Aufmerksamkeiten, die man, wie üblich, den abgeschlagenen Köpfen zollen muß, dann beleben sie diese und lassen sie mit den Zähnen klappern.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 280. Kajanfrau mit einem erbeuteten Menschenschädel tanzend.

Die Frauen gehen den von einem Kriegszug heimkehrenden Männern entgegen, nehmen ihnen die erbeuteten Köpfe ab und führen mit diesen, indem sie die Schädel mit der Hand halten, einen Tanz auf. Große Freude herrscht über einen erfolgreichen Zug.


GRÖSSERES BILD

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 281. Pfosten, die nach einer Kopfjagd errichtet werden

und zum Aufhängen der erbeuteten Schädel dienen. Die Pfosten sind dem Gotte Bali Flaki zu Ehren, der dem Beutezug gute Vorbedeutung gab, errichtet. Schmale Streifen Fleisch von den enthaupteten Körpern werden als Opfergabe an den Pflöcken der Pfosten aufgehängt.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 282. Bestimmung der Zeit der Aussaat mittels einer Art Sonnenuhr bei den Kenjah.

Sie wird durch einen Eingeborenen vorgenommen, der dieses Amt ausschließlich ausübt. Er verläßt sich dabei nur auf die Sonnenhöhe und verwendet zu seiner Bestimmung einen der Sonnenuhr gleichenden Apparat. Wenn der Schatten mittags eine bestimmte Kürze erreicht, die ihn seine Erfahrung als günstigen Zeitpunkt lehrte, so zeigt er diesen als zum Aussäen geeignet an.


GRÖSSERES BILD

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 283. Dankopfer eines Klemantanen für überstandene Krankheit in Gestalt eines Eies an die Weissagevögel.

Dieselbe Gabe bringen auch Kinder den Geistern dar, wenn sie einen Fluß zum ersten Male betreten, um deren Gunst zu erlangen.

Die Kopfjagden sind so weit verbreitet, als Malaien wohnen, von Assam an über die Sundainseln bis nach den Molukken und den Philippinen hinauf. Die Beweggründe für das Heimbringen von Köpfen der erschlagenen Opfer sind mehrfache. Zunächst gilt derjenige, der möglichst viele Köpfe erbeutet hat, für einen großen Krieger und erfreut sich besonderer Achtung unter seinen Dorfgenossen; ein Jüngling, der ein solches Zeichen der Tapferkeit noch nicht aufzuweisen hat, findet bei seiner Schönen kein Gehör. Außerdem pflegt man die Handgriffe der Schwerter und die Schilde mit Menschenhaar zu schmücken (Abb. 278). Je mehr Köpfe ein Mann von seinem Kriegszuge nach Hause bringt, um so höheres Ansehen genießt er. Auf den Mentaweiinseln wird seine Tatauierung mit jedem erbeuteten Kopfe reicher, und an der Kleidung der Naga in Assam macht sich in gleicher Weise die Zahl der erbeuteten Köpfe in bestimmten Abzeichen bemerkbar. Ferner erfordert der Brauch, daß beim Bau eines neuen Hauses menschliche Opfer dargebracht werden; man begnügt sich mit menschlichen Köpfen, die unter den Pfeilern eingegraben werden, und wählt dazu die Köpfe der Feinde aus. — Zieht man zur Erlangung von Köpfen aus, dann geschieht dies meistens ganz verstohlen bei Tagesanbruch. Man umzingelt ein bestimmtes Haus, steckt es in Brand und sucht die herausstürmenden Menschen im Kampfe niederzuschlagen. Nachdem den Gefallenen die Köpfe abgehauen worden sind, tritt man in großer Eile den Rückzug an aus Furcht, aufgelauert oder verfolgt zu werden. Ein Gefangener wird für gewöhnlich nicht getötet; nur wenn man keinen Kopf eines Erschlagenen erbeuten konnte, haut man einem schwerverwundeten Gefangenen den seinen ab. Hat man auf der Expedition Erfolg gehabt, dann schmückt man die Boote bei der Heimfahrt mit Palmblättern; die erbeuteten Köpfe werden leicht angeräuchert und am Heck des Bootes untergebracht. Vor jedem Dorfe, bei dem man vorbeikommt, wird ein lauter Kriegsgesang angestimmt, und diejenigen, die einen Kopf sich verschafften, stehen im Boote auf. Im Heimatdorfe findet eine große Jubelfeier statt, an der sich alle Dorfbewohner beteiligen. Die Köpfe werden in besonderen Hütten geräuchert und sodann unter Absingen von Kriegsgesängen und Darbringung von Opfern ins Haus überführt (Abb. 281). Hieran schließt sich ein allgemeiner Freudentaumel, bei dem die Frauen die Köpfe ergreifen und phantastische Tänze aufführen (Abb. 280 und farbige Kunstbeilage); das gleiche tun die Männer in vollem Kriegsschmuck. Schließlich werden die Köpfe sorgfältig mit Rotang umwunden und neben den bereits früher erbeuteten aufgehängt (Abb. 247). Im Anschluß hieran wird noch ein großes Festessen veranstaltet, bei dem man den Köpfen ein Stück Schweinefleisch in den Mund steckt und das aus Reis hergestellte Nationalgetränk, Borak, in einen daneben hängenden Bambusbecher füllt. Man nimmt an, daß die mit den Köpfen verbundenen Geister diese Opfergaben verzehren, wenn auch nicht direkt, so doch deren Seele. Ein Feuer brennt beständig unter den Köpfen, damit diese sich warm und behaglich fühlen, überhaupt erweist man ihnen die größte Achtung. Denn man nimmt von ihnen an, daß sie dem Haushalte nützlich sind und ihn beschirmen, sofern man ihnen nur die geziemende Verehrung zollt, und daß sie nur, wenn sie vernachlässigt oder mißachtet werden, sich beleidigt fühlen und Unheil anrichten.

Dajakfrauen mit Menschenschädeln in den Händen, zu einem Tanze versammelt.

Einige Tage nach der Rückkehr einer erfolgreichen Kopfjägerexpedition werden die abgehackten Köpfe im Triumph ins Haus gebracht. Darauf folgt eine Zeit von Festfreuden, nach welcher die Schädel, nachdem sie von den eingeborenen Frauen zu einem phantastischen Tanz benutzt wurden, neben die alten gehängt werden. Das Vorhandensein von Schädeln in einem Hause soll das Wohlwollen der Geister, die es umgeben, herbeiführen, vorausgesetzt, daß sie genügend beachtet werden.


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Neben diesen Geistern der Köpfe gibt es aber in der Natur noch eine Unmasse anderer, wie die der Flüsse, Berge, Gräber, Höhlen und so weiter. In der Tat besitzt nach dem Glauben der Malaien eine jede Örtlichkeit ihren Geist, und das Volk ist darauf bedacht, alle erforderlichen Vorschriften und Gebräuche zu erfüllen, um sich ihrer Gunst zu versichern. Je entlegener ein Ort ist, desto mehr ist sein Geist zu fürchten; die Menschen, die sich zum ersten Male dorthin begeben, achten wohl darauf, daß sie genau die vorgeschriebenen Zeremonien erfüllen, die ganz besonderer Art sind. Auch Kinder tun dies; kommen sie zum ersten Male in eine unbekannte Gegend, dann stecken sie zum Beispiel ein Ei in das Ende eines Bambusstockes, um sich den Ortsgeist geneigt zu machen (Abb. 283).

Wir knüpfen hieran einige andere Gebräuche der Dajak, im besonderen des Kenjahstammes. Wird ein neues Haus bezogen, so überführt man die Köpfe aus dem alten mit dem gleichen Gepränge, wie es bei der Heimkehr der triumphierenden Krieger üblich ist. Da man aber nicht liebt, mehr als dreißig Köpfe in seinem Hause zu beherbergen, so benutzen die Kenjah diese Gelegenheit, sich der überflüssigen Köpfe zu entledigen. Sie schlagen eine besondere Hütte für diese auf und bringen darin diejenigen, die sie los werden wollen, unter. Damit die Geister aber nicht merken, daß man sie im Stiche gelassen hat, unterhält man an dem neuen Aufbewahrungsort ein schwelendes Feuer und glaubt, daß, wenn dieses erlischt, die Geister, auch wenn sie kommen wollten, sich zu rächen, hierzu nicht mehr imstande sind.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 284. Tabuzeichen,

das über einen Fluß gespannt ist, um aus irgend einem Grunde den Zugang zu verbieten. Jedes an dem Seile hängende Stück hat seine besondere Bedeutung, die den Leuten bekannt ist.

Ganz eigenartig ist die Art und Weise, wie die Dajak einen gewichtigen Gast empfangen. Dieser läßt zuvor auskundschaften, ob etwa auf dem Hause, das er zu besuchen beabsichtigt, ein Tabu ruht. Nach günstigem Bescheid begibt er sich mit seiner Umgebung zur Galerie des Hauses, spricht und sieht eine Minute lang seinen Gastgeber aber nicht an, der sich übrigens auch um ihn nicht kümmert; im Gegenteil, er macht sich mit seiner Zigarette zu schaffen und blickt auf die Erde. Der Gast seinerseits räuspert sich höchstens oder hüstelt; darauf bringt ihm jemand eine Zigarette, worauf erst der Gastgeber die Unterhaltung aufnimmt mit der üblichen Frage nach der Herkunft und der Zeit des Aufbruchs des Fremden. Wenn nach etwa einer Stunde etwas zu essen gereicht wird, Reis oder Schweinefleisch, läßt der Gast einen Rest davon auf seinem Teller zurück, um anzuzeigen, daß er nicht gierig nach der Speise ist; außerdem erfordert es die gute Erziehung, daß er seine Zufriedenheit mit der Mahlzeit ausdrückt, indem er langsam und laut durch die Nase ausatmet. Darauf spült er sich den Mund mit Wasser, speit es zwischen die Fußbodenbretter aus, putzt sich die Zähne mit dem Zeigefinger und wäscht sich die Hände. Beim Abendessen wird Reisschnaps vorgesetzt und ein voller Becher zuerst dem Gastgeber gereicht, der den Weissagevögeln und anderen geneigten Geistern ein Trankopfer hinschüttet und sodann trinkt. Ein zweiter Becher wird dem Ehrengast kredenzt, der mit den Lippen schnalzt und grunzt, um dadurch seine Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Bei der Mahlzeit werden Trinklieder angestimmt, in deren Endreim alle Anwesenden einstimmen.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 285. Dajak auf der Lauer nach Vorzeichen.

Die von dem Flug oder dem Pfeifen der Vögel erhaltenen Vorzeichen werden vor der Hütte mit einem Pflocke angemerkt so lange, bis die guten Vorbedeutungen mit der Zahl fünf überwiegen. Die Männer dürfen nicht mit etwa Vorbeigehenden sprechen.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 286. Klemantanenfrauen beim Erntefest.

Die Frauen ziehen sich zu diesem Feste wie die Männer an.


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Phot. Ch. Hose.

Abb. 287. Hütte, für die Weissagevögel errichtet.

Unmittelbar bevor die Vorzeichen untersucht werden, wird eine Hütte errichtet, womit die Eingeborenen zeigen, daß sie sich unter den Schutz der Weissagevögel gestellt haben. Die Hütte, die Merkmale solcher Vorzeichen enthält, wird als heilig betrachtet.

Wie bei jeder wichtigen Handlung im Leben die Weissagungen zu Rate gezogen werden, so geschieht dies auch, bevor man mit dem Säen beginnt. Die Jahreszeit, wenn die Aussaat stattfinden soll, bestimmt ein darin bewanderter Mann mittels einer Art Sonnenuhr (Abb. 282). Wenn der Schatten eines senkrecht stehenden Stockes zur Mittagszeit eine bestimmte Länge angenommen hat, dann ist der richtige Augenblick gekommen. Ein Schwein oder ein Huhn wird geopfert, und das Blut an eine Holzfigur vor dem Hause geschmiert. Darauf begibt sich eine Anzahl Eingeborener in den Wald, um den Flug und Ruf bestimmter Vögel, besonders des Mauerspechts, Habichts und Trogons zu beobachten. Währenddessen ruht auf jedem Hause ein strenges Tabu; niemand außer den eigenen Bewohnern darf es betreten, und nur die notwendigste Arbeit darf darin vorgenommen werden. Sind die Vorbedeutungen günstig, so erfolgt die Aussaat. Während die Frucht heranwächst, werden über sie viele Zaubersprüche ausgesprochen und abergläubische Handlungen an ihr vorgenommen. So zum Beispiel schwenken die Frauen einen verzauberten Gegenstand oder ein Huhn über die Ernte und erteilen ihr, desgleichen den Ratten, Sperlingen und anderen Schädlingen ernste Ermahnungen. Wenn die ersten Erntesammler, die stets Frauen sind, irgend etwas sehen oder hören, das von böser Bedeutung ist, gehen sie zurück ins Haus und verbleiben hier bei Androhung von Todesstrafe oder schwerer Krankheit achtundvierzig Stunden lang. Ist das Korn eingebracht, dann darf niemand auf die Dauer von zehn Tagen das betreffende Haus betreten; dies wird durch ein Tabuzeichen kenntlich gemacht (Abb. 284). Erst wenn das Einbringen gute Fortschritte gemacht hat, wird ein Fest veranstaltet, bei dem das Saatgetreide für das nächste Jahr schon vorbereitet wird. Um die gleiche Zeit wird noch ein anderer interessanter Brauch geübt. Vier Wasserkäfer werden eingefangen und in ein mit Wasser angefülltes großes Gong gesetzt. Ein alter Mann beobachtet nun ihre Bewegungen und legt diese entweder als gute oder unheilvolle Zeichen für die kommende Ernte aus. Gleichzeitig ruft er die Erntegottheit (Laki Ivong) an, damit sie die Seele des Korns in die Wohnungen führe. Nachdem Zuckerrohrsaft auf das Wasser gegossen ist, trinken es die Frauen, während die Käfer wieder vorsichtig herausgenommen werden, um die Botschaft der Menschen den Erntegöttern zu überbringen. Hierauf setzt lärmendes Vergnügen ein. Die Frauen kochen klebrigen Reis, bedecken ihn mit Ruß und bespritzen damit die Männer, so daß die Spuren davon an ihnen haften bleiben. Bei dem allgemeinen Tanz (Abb. 291), der nun folgt, verkleiden sich die Frauen als Männer (Abb. 286), diese aber geben Vorstellungen, indem sie Tiere, wie Affen und Nashornvögel, nachahmen.

Phot. W. H. Furneß.

Abb. 288. Kriegsboote der Kajan,

die durch Aushöhlen eines einzigen Baumstammes hergestellt werden. Das abgebildete Boot ist über vierzig Meter lang.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 289. Feuererzeugen bei den Kajan durch Reiben eines Strickes um ein Stück weichen, trockenen Holzes.

Auch bei ihren Kriegszügen, sei es, daß sie zur Erlangung von Köpfen oder um Rache für vorausgegangene Beleidigungen oder aus ganz allgemeinen Gründen unternommen werden, werden allerlei Vorzeichen zu Rate gezogen. Es geschieht dies besonders vor Antritt der Kopfjagden unter großem Aufwand von Förmlichkeiten. Zwei Männer, die dazu besonders ausgesucht und in den Busch gesandt wurden, müssen den Laut und die Bewegung gewisser Tiere beobachten (Abb. 285 und 287), und erst wenn ihre Meldungen nach jeder Richtung hin günstig lauten, zieht die Mannschaft in ihren Kriegskanus aus (Abb. 288). Trotzdem verhält sie sich noch tagelang untätig, bis ausgesandte Spione oder die Untersuchung einer Schweineleber (Abb. 271) die Bewegung des Feindes festgestellt haben. Jeder beteiligte Mann beachtet inzwischen bestimmte Tabu; man darf nicht rauchen, Knaben müssen in zusammengeduckter Haltung schlafen, Feuer darf nur durch Reibung erzeugt werden (Abb. 289) und anderes mehr. Darauf schreitet man bei Tagesanbruch zum Angriff vor. Der weitere Verlauf der Kopfjagd wurde bereits oben beschrieben.

Aus: Hose, Pagan Tribes.

Abb. 290. Geisterhaus für die Bajohzeremonie.

Ist eine Frau erkrankt, dann bringt man ihr durch Zureden die Überzeugung bei, daß sie vom Teufel besessen ist und eine Medizinfrau werden müsse; nur auf diese Weise könne sie von ihrem Leiden befreit werden und erlange gleichzeitig die Fähigkeit, anderen zu helfen. Ob sie nun wirklich dazu imstande ist, wird durch eine bestimmte Zeremonie, Bajoh genannt (Abb. 290), festgestellt. Der Raum, in dem die mächtigen Geister, die man dazu ins Haus geladen hat, erscheinen sollen, ist kunstvoll geschmückt; Musik von Gongs und Trommeln erschallt durch das ganze Dorf und wird zu bestimmten Zeiten während der ganzen Nacht wiederholt. Die Medizinfrauen, meistens sind es alte und wenig anziehende, dafür aber prunkvoll aufgeputzte Weiber, versammeln sich nun in der Mitte des Raumes und fangen im Takte nach der Musik eine nach der anderen zu tanzen an, dabei zischen sie und schlagen mit den Händen wild um sich. Eine von ihnen nähert sich der Kranken und gibt ihr eine Pinangblüte in die Hand, außerdem bedeckt sie ihren Kopf mit einem Tuch. Darauf setzen sie die Kranke auf ein kegelförmiges Gerät und wirbeln dieses mit großer Schnelligkeit im Kreise herum. Mit der Zeit geraten alle in förmliche Raserei; dadurch sollen die Geister angelockt werden. Sie fragen sodann die Hauptmedizinfrau, warum man sie rufe, worauf diese antwortet, daß jemand krank sei. Nunmehr ziehen sich die Geister zurück und holen einen mächtigeren Geist herbei, dem sie untertan sind, damit er helfe. Die oberste Medizinfrau fragt diesen, ob er die Kranke heilen wolle. Weigert er sich, dies zu tun, so muß ein anderer mächtiger Geist herbeigeschafft und in der gleichen Weise gefragt werden, jeden Abend von neuem, bis die Kranke genesen ist. Bisweilen gestaltet sich die ganze Zeremonie sehr prunkvoll. Die Medizinfrauen spielen dabei ihre Rolle sehr realistisch; sie fassen den Kopf der Kranken fest an unter dem Vorwande, den bösen Geist gefangen zu nehmen. Nicht selten stellt sich auch ein Erfolg dieser Kur ein.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 291. Kenjahfrau beim Erntetanz,

der in langsamen, graziösen Wendungen besteht, die Arme ahmen dabei die Bewegungen einer Schlange oder eines im Fluge begriffenen Vogels nach.


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Die Religion der Javaner, Sundanesen und Maduresen ist der Mohammedanismus, allerdings vielfach noch mit den Überresten und Gebräuchen des älteren heidnischen Kultus durchsetzt. Die Javaner, die ursprünglich wohl wie alle halbzivilisierten Indonesier Animisten waren, wurden schließlich hinduisiert. Zuerst kam die Schiwaanbetung und dann der Buddhismus; beide Religionen übten einen großen Einfluß auf ihre Kultur aus; besonders sind jene prachtvollen Tempel der Zivilisation von seiten der Hindu zu verdanken, die, heutzutage verfallen, über ganz Java sich zerstreut finden, wie der Borobudur, Prambanan und Mendut, um nur die berühmtesten unter ihnen zu nennen. Schließlich kam der Islam nach Java, wahrscheinlich um das dreizehnte Jahrhundert herum; von hier aus verbreitete sich die neue Lehre bald über alle Inseln des malaiischen Archipels. Daneben sind doch noch eine ganze Anzahl Stämme heidnisch geblieben, andere haben auch das Christentum angenommen. — Trotz der Lehre des Islam haben sich unter dem javanischen Volk noch überall die alten Vorstellungen erhalten. Die Javaner glauben an gute und böse Geister, fürchten sich vor Gespenstern und vertrauen auf Astrologie, Glücks- und Unglückstage, Vorbedeutungen und allerhand Zauber. Ihre Heilkunde war bis vor kurzem, bevor europäisch geschulte Ärzte sich ihrer annahmen, der reine Schamanismus, und lag in den Händen der Dunkun, einer Art Zauberer (beiderlei Geschlechts), die böse Geister austrieben, Kranke folterten, ihnen selbstbereitete Säfte von Pflanzen oder Wurzeln in den Hals gossen und anderen Unfug mehr verübten.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 292. Ein gefesseltes Krokodil,

das von den Kajan als Freund und heiliges Tier betrachtet wird und nicht getötet werden darf. Daher wird es, wenn es einen Menschen tötete, gefangen, unter freundlicher Anrede wie „Großvater“ und ähnlichem gebunden und dem natürlichen Tode überlassen.

Hahnenkampf auf Borneo,

der eine beliebte Unterhaltung der Seedajak oder Ibaner ist. Die Eigentümer halten die Hähne einander gegenüber und lassen sie los, sobald sie durch das Sträuben der Halsfedern ihre Neigung zum Kampfe zeigen.


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Die Bewohner der kleinen fruchtbaren vulkanischen Insel Bali sind bisher die hartnäckigsten Anhänger des Hinduismus geblieben (Abb. 293) trotz der zahlreichen Versuche des Islam, seine Lehre auch hier zu verbreiten. Im besonderen hat sich unter ihnen der Schiwakultus Jahrhunderte hindurch erhalten, der sonst überall in Indonesien ausgerottet worden ist. Schiwa und seine Gemahlin Durga, sowie ein gewisser Devi Seri sind die einzigen wirklichen Gottheiten der Balinesen, wenngleich sie auch die anderen Götter des hindostanischen Pantheons in ihre schön ausgemalten und reich vergoldeten Tempel zulassen. Zeremonien, die sich auf den Ackerbau beziehen, nehmen in der Religion der Balinesen einen großen Platz ein, jedoch haben sie die Gebete, die Läuterungsfasten, die Totenverbrennung, die vollständige Abneigung gegen das Fleisch des Rindes und der Büffel, die Achtung vor den „fünf Erzeugnissen“ der Kuh und das lästige Kastenwesen beibehalten, wodurch sich das Hindutum genügend kennzeichnet. Merkwürdigerweise treffen wir auf Bali noch alte polynesische Götzen an, seltsame kleine Figuren, die aus chinesischem Geld hergestellt und mit reichen Stoffen ausgeputzt sind, die sogenannten Rabut Sedana. Die Bugis und Makassaren auf Celebes sind heutzutage mehr oder weniger mohammedanisiert, jedoch haben sich unter ihnen einige Hindubräuche erhalten, zum Beispiel die schiwaistische Anbetung des Lingam. Sie verehren auch das Krokodil (Abb. 292) und den Aal und glauben stark an das Können gewisser Zauberer.

Die Nationalwaffe der Malaien ist der Kris, ein kurzes, dolchähnliches, aufs kostbarste verziertes Schwert (Abb. 294 u. 296) mit meist flammender Klinge. Dazu treten noch das lange Schwert, die Lanze und der Schild (Abbild. 295). Auch Bogen und Pfeile, sowie das Blasrohr werden benutzt, aber nicht durchweg, sondern nur in einzelnen Teilen des Archipels.

Unter den Handfertigkeiten der Malaien stehen obenan die Waffenfabrikation, die Verarbeitung von Gold, Silber und Eisen zu Schmucksachen (Filigranarbeiten), der Gelbguß, die Weberei und Flechterei, die Batikfärberei und der Schiffbau.

Phot. Edward Elven.

Abb. 293. Balinesische Schnitzerei.

Die hölzerne Figur stellt den Gott Krischna, auf seinem Adler reitend, dar, ein auf der Insel Bali, wo der Hinduismus überdauerte, häufiges Motiv.

Leidenschaftlich huldigt der Malaie Musik, Spiel (Abb. 300) und Tanz. Die Musik der Javaner steht auf hoher Stufe, obwohl einer, der sie nicht gewohnt ist, sie zunächst als schrill empfindet, indessen liegt in ihr viel Melancholisches und Melodisches. Ein vollständiges Orchester, das sogenannte Gamelang (Abb. 299), umfaßt einige volltönende Bambusflöten, eine Reihe Gongs, die mit Stöcken geschlagen werden, Bratschen, Violinen, Gitarren, Trommeln und Xylophone. Kein Fest oder große Zeremonie findet auf Java statt ohne Gamelang. Kaum zu trennen ist davon die Vorführung des Wajang oder Schattenspiels. Zu diesem werden aus Büffelhaut geschnittene, bemalte oder vergoldete Figuren benutzt (Abb. 298), deren Schatten der hinter einem erleuchteten Wandschirm sitzende Darsteller auf diesen fallen läßt. Die Arme der Figuren, die auf einem Holzreck stehen, werden mittels Holzstäbchen bewegt. Den Inhalt der Vorführungen bilden denkwürdige Ereignisse aus der Vergangenheit, aus den großen indischen Epen Mahabharata und Ramayana. Der männliche Teil der Zuhörer sieht auf der einen Seite des Schirmes den Bewegungen dieser Marionetten direkt, der weibliche auf der anderen dagegen ihren auf ihn fallenden Schatten zu. Das Wajangspiel, das sich übrigens über Siam, China, Ägypten und die Türkei verbreitet findet, wird bei allen festlichen Gelegenheiten, wie Namensgebung, Beschneidungs- und Zahnfeilungsfeierlichkeiten, Hochzeit und so weiter vorgeführt. Eine andere Unterhaltung der Javaner sind die Vorführungen der Ronggeng, der öffentlichen Tänzer (Abbild. 297 u. 301), die aus einer Reihenfolge plastischer Posen und lebender Bilder sich zusammensetzen. Sehr beliebt sind schließlich noch auf Java, wie auch anderwärts im malaiischen Archipel, Tierkämpfe zwischen Hähnen (siehe farbige Kunstbeilage), Wachteln, Grillen, Büffeln und selbst Tigern, Schachspiele, Kartenspiele und dergleichen mehr.

Originalaufnahme von Dr. Buschan.

Abb. 294. Javanische Krieger.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 295. Dajakkrieger vom Baramdistrikt.

Die Bekleidung besteht aus Ziegenfell; sein Schild ist mit erbeutetem Menschenhaar geschmückt; in der Hand hält er das Nationalschwert, den Kris.


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Wie wir es bereits bei anderen Völkern sahen, so schreiben auch die Malaien die Entstehung von Krankheiten, im besonderen den Wahnsinn, dem Einfluß der bösen Dämonen zu; dementsprechend ist ihre Austreibung aus dem Körper das übliche Heilverfahren. Droht dem Kranken ein tödlicher Ausgang, so nimmt man an, daß seine Seele den Körper verlassen habe, und daß man sie durch irgend ein Mittel wieder zur Rückkehr bewegen müsse. Dies geschieht bei den Kajandajak mit Hilfe eines Seelenfängers, des Dajong (Abb. 302 und 303), in den meisten Fällen einer Frau, der durch einen höheren Willen im Traume offenbar geworden ist, diesen Beruf zu ergreifen. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit verfällt diese Person zunächst in einen Trancezustand, damit ihre Seele der anderen Seele, die inzwischen schon eine gute Strecke Weges zu dem Aufenthaltsorte der heimgegangenen Geister zurückgelegt hat, nachgehe und sie zu der Rückkehr überrede. Zu diesem Zwecke wird der Kranke auf der langen Galerie des Hauses inmitten seiner Verwandten und Freunde niedergelegt und die Dajong beginnt ihr Werk. Sie geht mit geschlossenen Augen auf und ab und murmelt dabei in Absätzen Lieder und bestimmte Gebetsformeln an die Gottheiten. Ihre lebhaften Bewegungen und Aussprüche während dieser feierlichen Handlung sollen ihre, beziehungsweise des Kranken eigene Seelenwanderungen und Kümmernisse wiedergeben. Von Zeit zu Zeit stellt sich die Dajong so, als ob sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sei und den Versuch, die Seele zurückzurufen, aufgeben müsse; dann versprechen ihr die Versammelten gewöhnlich noch mehr Geschenke, damit sie ihre Aufgabe erfüllen kann; manchmal gelingt es ihr auch. Wenn die Seele daraufhin zurückgewonnen ist, besteht die nächste Schwierigkeit darin, sie zu überreden, daß sie auch wieder in den Körper einzieht. Um dies zu ermöglichen, schwingt die Dajong ein Schwert und starrt darauf hin, um einen flüchtigen Blick der Seele in ihm aufzufangen. Hiermit endet der Trancezustand. Die Dajong legt nun irgendeinen kleinen Gegenstand, zum Beispiel eine Reisflocke vor, die die Seele enthalten soll. Diese wird dem Kranken auf den Kopf gedrückt, und ihm ein Palmblattstreifen um das Handgelenk gebunden, in der merkwürdigen Absicht, dadurch die Seele zu hindern, daß sie den Körper von neuem verläßt. Im Anschluß hieran wird ein Huhn geopfert, in schlimmen Fällen ein Schwein, und das Blut des Tieres über das Palmblattarmband gestrichen. Schließlich werden dem Kranken noch gewisse Tabu auferlegt. Das ganze Verfahren ist wohl geeignet, in ihm Vertrauen zu sich selbst zu erwecken und einen günstigen Einfluß auf sein Leiden auszuüben.

Phot. Edward Elven.

Abb. 296. Handgriffe von malaiischen Kris,

von denen der mittlere, balinesischen Ursprungs, mit bunten Glasstückchen ausgelegt ist, während die beiden anderen aus Bein geschnitzt sind.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 297. Javanische Straßentänzer.

Aus „Kolonie und Heimat“.

Abb. 298. Wajangpuppen,

aus Büffelleder angefertigt, reich bemalt und vergoldet.

Orig. Museum f. Völkerkunde, Leipzig.

Abb. 299. Malaiisches Orchester, Gamelang genannt.

Ist der Kranke trotzdem gestorben, dann wird eine Trommel oder ein Gong geschlagen, um den abgeschiedenen Seelen in der Unterwelt davon Kunde zu geben; die Zahl der Schläge richtet sich nach der gesellschaftlichen und öffentlichen Stellung des Verstorbenen. Solange der Leichnam aufgebahrt liegt, ist er mit seinen schönsten Kleidern und dem prächtigsten Schmuck angetan, eine kostbare Perle ist ihm dabei unter jedes Augenlid geschoben. In der Nähe des Sarges brennt stets ein Feuer; außerdem liegen dort kleine Päckchen von gekochtem Reis sowie Zigaretten für den persönlichen Gebrauch der Seele. Letztere senden Freunde und Bekannte oft zu Hunderten ins Haus. Während der ganzen Zeit der Aufbahrung bleiben stets zwei oder drei Leute, die beständig jammern, an der Seite des Sarges. Am Tage der Beerdigung erscheint die Dajong, setzt sich neben den Toten und singt, um dadurch der Seele den Weg über den Fluß in die andere Welt zu weisen; gleichzeitig zeigt sie einem der Angehörigen, wie er die Schnüre oben am Sarg zu lösen habe, um der Seele das Scheiden zu erleichtern. Dies soll der Augenblick sein, in dem diese den Körper endgültig verläßt. Hierauf werden noch zwei kleine Figuren, von denen die eine eine Frauen-, die andere eine Männergestalt darstellt, an Kopf- und Fußende des Sarges gebunden (Abb. 304), anscheinend ein Überbleibsel der früheren Sitte, Sklaven zu opfern, damit die Seele in der anderen Welt auch Bedienung habe. Der Sarg wird durch den Fußboden aus dem Hause gelassen — brächte man ihn die Hausleiter herunter, dann würde das Gespenst den Weg nach innen leichter zurückfinden —, an das Flußufer gebracht, hier in ein Boot gesetzt, das mit buntfarbigen Tüchern und Flaggen geschmückt ist, und zum Grabe gerudert. In den nachfolgenden Booten sitzen die trauernden Angehörigen, die die ganze Zeit über schweigen müssen.

Mit Erl. der Kgl. Niederl. Postlinie.

Abb. 300. Szene aus dem Spiel „Srikandi und der Riese“,

das bei den Javanern sehr beliebt ist.

Aus: de Wit, Java.

Abb. 301. Wajangtänzer,

die während der Pausen des Wajangspiels auftreten.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 302. Phantastischer Tanz der Kenjahmedizinmänner,

um die Seele eines Sterbenden zurückzurufen.

Ganz eigenartig ist das Grab eines Kajanhäuptlings. Es besteht in einem langen Holzklotz, der mit seinem kurzen Ende senkrecht in die Erde geschlagen wird. Seine Größe richtet sich nach Rang und Stand des Verstorbenen und fällt am längsten bei Personen von ganz besonderer Bedeutung aus. Das obere Ende dieses dicken Holzpfeilers ist so weit gespalten, daß der Sarg hineinpaßt (Abb. 305). Hier wird er eingesetzt, über ihn kommt eine große Grabtafel zu liegen mit kunstvoll geschnitzten Holzseiten, die den Sarg in der Baumspalte umschließen. Man pflegt auch noch die Waffen und andere Besitzgegenstände des Toten ans Grab zu hängen (Abb. 307), und, falls er deren nicht viel besitzt, fügen Angehörige und Freunde etwas hinzu. Der Schatten dieser Dinge soll dem Verstorbenen auf seiner mühsamen Reise ins Jenseits von Nutzen sein. Die Klemantanen zerbrechen oder verunstalten die Sachen, die sie aufs Grab legen, angeblich, weil in der anderen Welt alles umgekehrt wäre, wahrscheinlich aber, damit niemand in die Versuchung komme, etwas davon zu stehlen. — Noch am Grabe müssen die Leidtragenden von der Dajong geläutert werden; zu diesem Zwecke besprengt diese sie mit Wasser, in dem die Kinnladen eines geopferten Schweines liegen. Während die Dajong diesen Akt vollzieht, murmelt sie Worte, in denen sie die Hoffnung ausdrückt, daß den Leidtragenden Unglück erspart bleiben möge. Diese treten einzeln den Rückweg an, dabei gehen sie unter einem Stock hindurch, der gabelförmig aus einem Stück Holz des Grabpfeilers gespalten wurde, treten sodann auf ein lebendes Huhn, bespeien es und rufen es an, daß es das Böse abwende. Die Trauerzeit findet ihren Abschluß damit, daß ein menschlicher Kopf ins Haus gebracht wird, woran sich ein allgemeines Freudenfest und ein Schmaus anschließen. Der Kopf oder ein Teil von ihm wird dann mit den Blättern der Silatpalme geschmückt und an dem Grabe aufgehängt. Eigenartig ist auch die Art und Weise, wie die Kajan das Besitztum des Verstorbenen, falls er keine Bestimmungen hierüber hinterlassen hat, verteilen. Die Dajong wird gerufen; sie läßt ein kleines Modellhaus anfertigen, in das Zigaretten, Speise und Getränk gestellt werden, setzt es in die Nähe des Raumes, den der Tote bewohnte, und bittet seine Seele flehentlich, ins Haus zu kommen, von dem Essen zu nehmen und ihre Wünsche zu äußern. Von Zeit zu Zeit tut sie dann so, als lausche sie, sieht ins Haus hinein und verkündet den Verwandten, die Seele sei gekommen und genieße von der bereitstehenden Mahlzeit. Sodann teilt sie den Versammelten die angeblichen Wünsche des Toten mit; diese werden ohne Murren befolgt.

Die Kenjah entledigen sich ihrer Toten in ziemlich derselben Weise, nur die Klemantanen behalten manchmal den Sarg auf der Galerie des Hauses zurück, bis die Zeit der Trauer verstrichen ist; der Sarg wird mit Wachs versiegelt, nach einiger Zeit aber geöffnet, dann die Knochen herausgenommen und gereinigt. Die während der Fäulnis ausfließende Flüssigkeit wird durch ein Bambusrohr in die Erde geleitet. Die gesäuberten Knochen werden in einen kleineren Sarg oder einen Krug gelegt und nach dem Begräbnisplatz gebracht. Hier wird dieser neue Sarg in ein großes allgemeines Mausoleum aus Holz (Abb. 308) oder in einen ausgehöhlten Baumstamm gestellt.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 303. Kenjahmedizinmänner.

Ganz anders gestaltet sich das Begräbnis bei den Seedajak. Nach dem Tode wird der Körper gewaschen, mit Reis auf der Brust bestreut — damit sollen die Götter für begangenes Unrecht des Toten versöhnt werden — und in kostbare Gewänder gekleidet; alle seine Habseligkeiten, die er in der besseren Welt gebrauchen könnte, werden zusammengelegt. Manchmal wird auch ein Klageweib von Beruf gedingt, das, auf einer Schaukel am Kopfende sitzend, dann und wann die verschiedenen Teile des Hauses anruft und ihnen Vorwürfe macht, daß sie nicht genug getan hätten, um die Seele des Verstorbenen länger zu fesseln, und schließlich die Geister bittet, die Seele unbeschadet fortzugeleiten. Am Abend wird neben der Leiche ein Feuer angezündet, am nächsten Morgen etwas zu essen hingestellt, auch gekochter Reis ihr in den Mund gesteckt, damit der Tote auf seiner langen Reise etwas zur Stärkung habe. Das Gefäß, in welchem die Speise gekocht wurde, wird stets zerschlagen, damit es späterhin niemand mehr benutze.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 304. Pengsärge auf den Vorsprüngen der Kalksteinfelsen am Mahakamfluß.

Die beiden Figuren im Vordergrunde stellen Sklaven dar, die dem Verstorbenen in der neuen Welt aufwarten sollen.


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Phot. W. H. Furneß.

Abb. 305. Schön verzierter Grabpfahl mit aufgesetztem Sarg eines Kajanhäuptlings.

Auf dem Wege zum Grabe wird Asche von dem Feuer, das am Tage vorher neben der Leiche brannte, dem Sarge nachgestreut; dies geschieht, damit die Seele des Toten das Haus nicht wieder erkenne und zurückkehre, um Unheil anzurichten. Frauen dürfen dem Begräbniszug nicht folgen, sondern bleiben zurück und erheben ein lautes Wehklagen, sobald die Leiche herausgetragen wird. Der Leichenzug begibt sich entweder zu Fuß oder im Boot nach dem Begräbnisplatz. Hier wird dem Geist Pulang Gana, dem das Land gehört, Reis auf die Erde gestreut als Preis für das Grab, das er überläßt. Sodann wird ein Huhn geschlachtet, um die bösen Geister zu versöhnen. Die Särge werden etwa einen Meter tief in die Erde versenkt; dies geschieht möglichst schnell, damit man nicht etwa noch den Ruf eines Unglücksvogels vernehme. Krüge und Messinggongs, desgleichen Geräte, die für die Beschäftigung des Verstorbenen bezeichnend sind, werden auf sein Grab gelegt, Essen und Trinken wird ihm an die Seite gestellt und das Ganze mit einem Zaun umgeben. Wenn die Leidtragenden nach Haus gehen, pflanzen die letzten von ihnen Pfähle in die Erde, damit die bösen Geister ihnen nicht in die Wohnung folgen. Am dritten Tage nach dem Begräbnis bringen die Nachbarn ein Hackmesser, eine Axt, eine Tasse, einen Teller voll Reis und andere Eßwaren in den Raum, den der Tote bewohnte, und ersuchen die Verwandten, ihm davon etwas zu essen zu geben und fortan nicht mehr zu weinen. Sodann öffnen sie das Fenster mit dem Hackmesser und werfen die Speise für den Toten und seine Geistergefährten durch dasselbe hinaus. Die Verwandten nehmen in dem Zimmer fortan ihre Beschäftigung wieder auf. Zwölf Monate nach dem Todesfall findet noch ein allgemeines Fest statt, Gawai Autu genannt (Abb. 306), zu Ehren aller, die seit dem letzten Male, wo dasselbe veranstaltet wurde, gestorben sind. Auf jedes Grab stellt man seltsam geformte Körbe, welche die Gebrauchsgegenstände jedes Toten enthalten, damit er im Land der abgeschiedenen Seelen, im Sabayan, die Möglichkeit finde, sich seinen Lebensunterhalt zu verschaffen. Damit ist die Trauer beendet.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 306. Dajak in Festtracht

mit erbeuteten Köpfen in den Händen, bei einem Gawai-Autu-Fest, das jedes oder alle zwei Jahre zu Ehren der Geister der Verstorbenen stattfindet, die nach dem Glauben der Dajak die Köpfe, welche in ihrem Hause hängen, umgeben. Sie hoffen dadurch in der Gunst jener Geister zu bleiben und Glück zu haben.


GRÖSSERES BILD

Bei den Javanern spielen sich die Leichenfeiern nach mohammedanischem Ritus ab. Nach dem Tode finden sich die Imame, das heißt die Geistlichen ein, sprechen einige Suren aus dem Koran über den Verstorbenen, waschen ihn — neuerdings besorgen dies häufig die nächsten Angehörigen — und hüllen ihn in ein Leichentuch, das sieben- bis achtmal um den ganzen Körper, einschließlich des Kopfes, geschlungen wird. Nach vierundzwanzig Stunden trägt man den Toten auf einer Bambusbahre, die durch einen Sonnenschirm beschattet wird, um ihn vor Sonne und Regen zu schützen, zum Grabe; Priester gehen voran und sprechen Gebete, Freunde und Angehörige folgen. In der Regel wird die Leiche, nur in ein Grabtuch eingehüllt, in einer Nische beigesetzt, die seitlich im Grabe ausgehöhlt ist und mit Brettern ausgeschlagen wird, ehe man das Grab zuschaufelt.

Phot. A. W. Nieuwenhuis.

Abb. 307. Grab einer angesehenen Kenjahfrau,

behängt mit zahlreichen Kleidungsstücken, darunter Hüten, unter denen sich auch solche von Freundinnen befinden, die sie als Zeichen besonderer Hochachtung hinhängen.

Bei den Balibegräbnissen haben sich noch die charakteristischen Gebräuche der hindostanischen Religion erhalten, nämlich den Toten zu verbrennen und seine Asche in die See zu schütten; eine Ausnahme erfährt dieser Gebrauch nur bei Kinderleichen und zu Zeiten einer Epidemie, zum Beispiel bei Pocken. Da eine Verbrennung mit großen Unkosten verknüpft ist, so bleibt die Leiche oft lange genug, unter Umständen fünf bis zehn Jahre, unbeerdigt liegen, ehe sie verbrannt wird. Da im letzteren Falle von ihr schließlich nichts mehr übrig ist, verbrennt man für sie eine Puppe aus Palmblättern; dies geschieht auch bei Balileuten, die fern von der Heimat sterben. Die Einäscherung geht auf einem pyramidenförmigen Gestell aus Bambus und Rotang, Sema genannt, vor sich, nachdem alle religiösen Förmlichkeiten erfüllt sind. Stirbt ein Prinz oder eine Prinzessin königlichen Geblütes, dann drängen sich die Frauen des ersteren und Sklaven unter lauten Klagen um den Toten und fordern eindringlich, mit ihrem Herrn oder Gatten ebenfalls sterben zu dürfen; der König trifft dann die Entscheidung hierüber. Wer dazu von ihm auserwählt wird, bekundet fortan große Ergebenheit und gilt für heilig; da er mit seinen nackten Füßen unter diesen Umständen nicht länger den Erdboden berühren darf, so werden sie in weißes Leinen gehüllt. Die Frauen des Verstorbenen bringen der Leiche ihres Mannes täglich Speise, küssen sie und benetzen sie mit ihren Tränen bis zum Tage der Einäscherung. Der frühen Zersetzung des Körpers beugt man durch Räuchern mit Benzoe vor. Am Vorabend vor dem Begräbnis schlägt die tiefe Trauer in Fröhlichkeit und Tänze um die hierfür auserlesenen Opfer um; man bietet ihnen leckere Speisen an und zwingt sie, viel starken Branntwein zu trinken, während die Priester ihnen die Freuden ausmalen, die ihrer in der anderen Welt warten. Am Tage des Leichenbegängnisses wird jeder der Mitsterbenden einzeln in einer Sänfte zum Scheiterhaufen getragen, nachdem den Göttern Opfer dargebracht wurden. Am Verbrennungsplatze geht das Opfer zunächst um seinen für ihn in Gestalt eines Troges errichteten Scheiterhaufen herum, steigt hinein, entblößt seinen Oberkörper und wird erstochen; darauf stürzen sich die weiblichen Verwandten hinzu, waschen den Körper und bedecken ihn bis zum Kopfe mit Holz, das darauf angezündet wird. Früher erlaubten die Gattinnen der verstorbenen Prinzen oder Prinzessinnen es nicht, daß jemand sie anrührte, um sie zu erstechen, weil sie sich dadurch für entweiht glaubten; sie sprangen vielmehr aus freien Stücken in den angezündeten Scheiterhaufen hinein. Unter dem Druck der holländischen Regierung ist diese Witwenverbrennung königlicher Anverwandten auf Bali fast gänzlich abgekommen.

Phot. Ch. Hose.

Abb. 308. Mausoleum der Klemantanen,

in dem zehn und mehr Särge einer Familie Aufnahme finden.

Die Bataker beerdigen entweder oder verbrennen ihre Leichen, sofern es sich um wohlhabende Personen handelt; im ersteren Falle legt man in den Sarg wohlriechenden Kampfer und leitet die sich entwickelnden Fäulnisgase durch ein Bambusrohr in die Erde. Arme Leute werden einfach in eine Matte gehüllt und begraben. Die Bataker standen früher in dem Ruf, ihre bejahrten Eltern zu essen, wenn diese nicht mehr für sich selbst sorgen konnten, damit sie ihnen nicht zur Last lägen. Um die Jahreszeit, wenn die Orangen reif waren, mußte die betreffende alte Person, die für den Festtagsbraten bestimmt war, auf einen Baum klettern, die Familie sang unten im Refrain. „Wenn die Frucht reif ist, dann fällt sie vom Baume.“ Darauf ließ sich das Opfer auf die Erde herabfallen, es wurde geschlachtet und verzehrt.

Phot. Fay Cooper Cole.

Abb. 309. Musizierende Negrito.

Ihr Lieblingsinstrument ist ein horizontal aufgehängter, kleiner, abgeschälter Baumstamm, den die Weiber mit kurzen Stöcken im Takt schlagen, während einer oder zwei Männer sie auf kupfernen Gongs begleiten. Eigenartig ist, daß sie sich die vordere Schädelhälfte rasieren.

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