Korea.

Die Halbinsel Korea, die nach wechselvollen Schicksalen 1904 zu einem Vasallenstaate, sechs Jahre später zu einer Provinz Japans gemacht wurde, wird von einer Bevölkerung eingenommen, die zu den Mongolen im weiteren Sinne zählt, aber auch viele fremde Bestandteile in sich aufgenommen hat. So hat sich bei ihr ein ganz bestimmter Typus herausgebildet, der sogenannte mandschu-koreanische, der im großen und ganzen mehr dem des Europäers als des Mongolen nahekommt. Die Koreaner sind stattliche, im Vergleich zu den übrigen Ostasiaten große Leute, mit mehr länglichem, schmalem Gesicht, weniger vorragenden Jochbeinen, sowie feinerer, mehr dünner und etwas gebogener (adlerförmiger) Nase (Abb. 4). Diese relative Feinheit des Gesichtes wird aber beeinträchtigt durch die deutlich geschlitzten Augen mit Mongolenfalte, die vorstehenden Kiefer, im besonderen die langen Schneidezähne, welche die Oberlippe nicht zu decken vermag, und das wenig entwickelte Kinn.

Die Koreaner betreiben Ackerbau auf ziemlich niederer Stufe. Ihre Kleidung gleicht in ihren Hauptbestandteilen der chinesischen; beide Geschlechter tragen unten geschlossene Hosen und Jacke, aber nicht vom modernen Schnitt, sondern so wie er zur Zeit der Mingdynastie in China üblich war. Für das Frauengewand sind typisch eine ganz kurze, die Brüste unbedeckt lassende Jacke und ein wie ein Segel aufgebauschter Rock, der an einem breiten Gurte hängt und überall die Erde berührt (Abb. 6). Frauen der wohlhabenden Kreise ziehen noch darüber einen Chang-ot, einen dünnen, grünseidenen Mantel an, der ihnen auf der Straße gleichzeitig zur Verschleierung dient, wenn ihnen eine männliche Person begegnet. Wenn er richtig umgelegt ist, dann bleiben nur ein Auge, eine Andeutung der Wange und ein ganz klein wenig von der Stirn und den Schläfen unbedeckt. Ganz eigenartig ist die Kopfbedeckung der Koreaner. Diese besteht aus einer aus Pferdehaar oder Zwirn angefertigten Binde, die, um das lange, nach oben zu in einen kleinen Knoten auslaufende Haar zusammenzuhalten, um den Kopf gebunden und nur beim Schlafen abgenommen wird. Über diese Binde wird eine aus dem gleichen Material hergestellte Kappe gestülpt, die der Koreaner ebenfalls tagsüber nie ablegt, und wenn er auf die Straße geht, wird über diesem Käppi noch ein schwarzlackierter Zylinderhut aus gespaltenem Bambus getragen, der jedoch, da er bedeutend kleiner als der Kopf ist, unter dem Kinn mittels einer schwarzen Schnur, die bei wohlhabenderen Leuten noch mit Glasperlen besetzt ist, festgehalten wird (Abb. 2). Da jeder Koreaner mit dieser unvermeidlichen Kopfbedeckung einhergeht, so gibt es in den Straßen natürlich zahlreiche Huthändler, die diese Zylinder zu dem billigen Preise von vier bis fünf Pfennigen häufig aufbügeln. — Die Koreaner wohnen in einfachen Strohhütten (Abb. 5).

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 2. Koreaner in ihrer eigenartigen Tracht.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 3. Ein vornehmer Koreaner zu Pferde unter Vortritt eines Schirmträgers.

Für den Vornehmen ist es entwürdigend, zu einem Besuch zu Fuß zu gehen. Der Reiter sitzt auf einem hohen Sattel mit angezogenen Knien.

Phot. Newton & Co.

Abb. 4. Vornehme Koreaner (Yang-ban).

Ihre Kleidung besteht aus der feinsten cremefarbigen oder weißen Seide mit einem blauen Übergewand aus gleichem Stoff. Ein malvenfarbiger Gürtel umschließt das Ganze.

Aus „Kolonie u. Heimat“.

Abb. 5. Koreanisches Dorf.

Das koreanische Volk ist streng in drei Stände geschieden, was übrigens auch in der Kleidung zum Ausdruck kommt. Nur dem Adel und den Beamten ist es gestattet, farbige Gewänder zu tragen (Abb. 4), die gewöhnlichen Leute dürfen sich nur weiße Kleider anziehen. Die vornehmste Klasse sind die Yang-ban oder Adligen. Für die Frauen dieses Standes ist Vorschrift, daß sie nur verschleiert auf die Straße gehen, wobei der grünseidene Chang-ot über den Kopf gezogen wird; für die der zweiten Klasse ist dieses Gebot nicht so bindend; die Tänzerinnen, Sklavinnen, Nonnen und alle, die zur untersten Klasse gerechnet werden, dürfen den Chang-ot nicht tragen. Im übrigen besteht die Kleidung der Koreanerinnen in weiten Hosen und einem darübergezogenen Rock, der die Umrisse des Körpers, abgesehen von den freibleibenden Brüsten, unkenntlich macht. — Die vornehmen Koreaner reiten entweder zu Pferde aus, wobei sie ihr Pferd führen und einen Diener mit einem Schirm vorausgehen lassen (Abb. 3), oder sie werden in einem Gefährt getragen, das ein Mittelding zwischen Sänfte und Karre vorstellt. Vorn und hinten wird es an langen Stangen von Dienern halb gezogen, halb geschoben, fährt aber auf einem Rade, das sich unter dem Sitz befindet, dahin (Abb. 7). Das religiöse Gefühl scheint bei den Koreanern weniger als bei den übrigen asiatischen Völkern entwickelt zu sein. Der Buddhismus, der ums Jahr 380 nach Christus eingeführt und später zur Staatsreligion erklärt wurde, vermochte nie recht Wurzel zu fassen; die gebildeten Kreise bekennen sich zur Lehre des Konfuzius, das gewöhnliche Volk ist zumeist religiös indifferent oder glaubt an die Geister der Berge und des Waldes. Die Teufel- und Geisteranbetung scheint von jeher die Grundlage des nationalen Glaubens der Koreaner gebildet zu haben. Der Berggeist ist heute noch die volkstümlichste Gottheit, der ein jedes Dorf Opfer darbringt. Am Wege und in den Bergpässen finden sich Altäre errichtet, auf denen die Vorüberziehenden sich durch Spenden die Berggottheit geneigt machen können. Nach dem Glauben der Koreaner üben die Berge auch eine wohltätige und schützende Wirkung aus; man gibt ihnen auch ganz sonderbare Namen, wie Spitze der andauernden Tugend, Spitze der tausend Buddha, Ewiger Friede, Schwertberg, Wolkenberührer und andere mehr. Jede Stadt hat ihren Schutzberg. — Ebenso wie die Bergketten werden auch die Bäche, Flüsse, Seen, Teiche und so weiter von Geistern bewohnt gedacht, die entweder verderbenbringend oder wohlwollend sich gegen die Menschen verhalten und durch Opfer und Gebete versöhnt werden.

Phot. Gebr. Haeckel.

Abb. 6. Koreanische Frauen

mit der eigenartigen, die Brüste unbedeckt lassenden Jacke.

Die Frauen der Koreaner werden sorgfältig von der Außenwelt abgeschlossen, besonders die der obersten Klasse, denen es nur gestattet ist, bei Nacht sich im Freien Bewegung zu machen. Es gewährt dann einen gespensterhaften Anblick, diese weißen Nachtgestalten bei Laternenschein über die Straße huschen zu sehen. Ohne Erlaubnis ihres Mannes darf die Frau nicht einmal auf die Straße hinabsehen. Wenn ein Mann ein Dach zu decken hat, benachrichtigt er zuvor die Nachbarsleute des Hauses davon, damit sie die Fenster der Frauengemächer schließen. — Bis zum Alter von zwölf Jahren sind die Mädchen der vornehmen Stände nur für die Angehörigen des Hauses und ihre nächsten Verwandten sichtbar. Von ihrer Verheiratung an, die sie sehr jung eingehen, beschränkt sich ihr Verkehr mit Männern auf solche, die mit ihnen bis zum fünften Vetterngrade verwandt sind. Die Frauen dürfen zwar Freundinnen besuchen, aber dabei nur mit verschleiertem Gesicht an die Öffentlichkeit gehen; zumeist werden sie in einer verhangenen Sänfte getragen (Abb. 9).

Für den Koreaner ist die Frau eigentlich nur das Arbeitstier und das Werkzeug des Vergnügens; ihre Hauptaufgabe erblickt sie daher in der Mutterschaft. Wenn ein Mädchen mit zwanzig Jahren noch nicht verheiratet ist, dann kommt es ins Gerede der Leute. Bezeichnend für die niedere Stellung der Frau ist es, daß sie als Gattin keinen Namen führt; in der Kindheit erhält sie wohl innerhalb der Familie einen Rufnamen, aber nach ihrer Verheiratung geht sie seiner verlustig. Trotz der großen Verachtung, mit der die koreanische Frau behandelt wird, macht sie doch einen wirtschaftlichen Faktor in der Familie und im Leben der Nation aus. Der Zwang der Verhältnisse hat sie zum Lasttier gemacht. Sie arbeitet, damit ihr Herr und Gebieter in Faulheit, in gewissem Luxus und in Frieden leben kann. Die Frau zeigt sich außerordentlich tätig, ist fleißig, charakterfest, weiß sich in jedweder Notlage sofort zu helfen, besitzt Ausdauer, Mut und Anhänglichkeit. Ihre Tätigkeit besteht bei den mittleren und unteren Schichten im Schneidern und Waschen, in der Hausarbeit, sowie in der Bestellung des Ackers.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 7. Ein koreanischer General auf einem einrädrigen Wagen.

Auch der Jüngling ist bestrebt, möglichst früh eine Gattin heimzuführen, denn nur der Verheiratete gilt etwas in der Gesellschaft und hat Anrecht auf Ämter und Ehren. Die Hochzeit (Abb. 1) wird von den Vätern vereinbart. Am Vorabend bindet eine Freundin der Braut ihr jungfräuliches Haar zu einem Knoten, dem Abzeichen der Verheirateten. Am Hochzeitstage setzt ein Zauberer eine „Krone des Glücks“ auf ihr Haupt (Abb. 8), sie selbst muß beständig im Schweigen verharren, selbst allen Fragen und Glückwünschen gegenüber. Die Brautleute (Abb. 10) nicken sich vor Zeugen mit einem Gruße zu; damit ist die Ehe geschlossen. — Polygamie ist nicht gestattet, jedoch sind Nebenweiber eine anerkannte Einrichtung und sowohl in den niedrigsten wie in den höchsten Kreisen anzutreffen, und dies in so großer Zahl, als der Geldbeutel des einzelnen es erlaubt. Nach koreanischem Gesetz kann eine Frau eine Scheidung von ihrem Mann nicht erzielen, dieses Vorrecht besitzt nur er selbst; in den oberen Kreisen aber ist Scheidung ungewöhnlich. Die Frau darf jedoch ihren Mann verlassen und den Schutz eines Verwandten annehmen, es sei denn, daß ihr Gatte das Gegenteil ihrer Anklagen beweisen kann. Gelingt es der Frau nicht, den Beweis der Wahrheit für ihre Beschwerden anzutreten, dann erstatten ihre Verwandten die Hochzeitskosten, meistens eine große Summe, zurück. Ein Mann kann sich gesetzlich von seiner Gattin scheiden lassen wegen Trägheit, Versäumen der vorgeschriebenen Opfer, Diebstahl und Widerspenstigkeit; er behält stets die Pflege der Kinder. Eine Frau der oberen Klassen darf gegen die Beschuldigungen ihres Gatten auch keine Berufung einlegen, da häusliche Störungen durchweg für tadelnswert angesehen werden.

Phot. Underwood & Underwood.

Abb. 8. Koreanische Braut mit der „Krone des Glücks“,

die ihr von einem Zauberer auf das Haupt gesetzt wird.

Phot. Angus Hamilton.

Abb. 9. Eine vornehme koreanische Dame in einem Tragstuhl

bei ihrem Ausgang, auf dem sie von einer oder mehreren Dienerinnen begleitet wird.

Phot. H. J. Shepstone.

Abb. 10. Eine koreanische Hochzeit,

die sehr frühzeitig, oft im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren begangen wird. Der Bräutigam ist in Weiß gekleidet und hat sein Haar in einem Knoten auf den Kopf gebunden.


GRÖSSERES BILD

Phot. Yei Ozaki.

Abb. 11. Die japanische Begrüßung,

die nicht im Händegeben oder Küssen, sondern im Niederfallen auf die Hände besteht.

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