Elf Uhr abends

Das Ganze war mit Schweigen angehört worden. Endlich äußerte Raab, er habe nur Weniges recht verstanden, doch gefalle es ihm, er sei ganz fröhlich davon geworden. Die anderen schauten zu dem niederbrennenden Gebäude hinüber und sagten nichts. Leider geschah noch etwas höchst Unerwartetes. Der kleine Lüttich erhob sich auf einmal und ging stark taumelnd auf die Säge zu. Einer schrie Halt, ein anderer lief ihm nach; er aber, vielleicht im Fieber, vielleicht in Morphiumbenommenheit, schwankte weiter und fiel plötzlich, weich einbrechend, zusammen. Wir holten ihn heran, er war tot. Ein schmaler Eisensplitter stak in der linken Schläfe. Um dreiviertel fünf Uhr feuerten die Russen noch einmal aus allen Rohren, doch nur eine halbe Minute lang. Um fünf Uhr, wie auf Befehl, hörten die Explosionen im Sägewerk auf. Dämmerung und Nacht bezogen das Tal. Kristl fertigte für Lüttich ein Kreuz und schrieb Namen und Datum darauf. Uhr und Erkennungsmarke wurden abgenommen und verwahrt, hierauf begruben wir ihn. Der Boden ist bis tief hinab gefroren, wir brauchten über zwei Stunden. Schnee und Sterne gaben schwaches Licht. Um zehn Uhr erreichten wir Sóstelek.

Gedruckt bei Fr. Richter
in Leipzig

Hans Carossa:

Doktor Bürgers Ende. Letzte Blätter eines Tagebuchs. Zweite Auflage. In Pappband M 3.50, in Halbleder M 6.–

Gedichte. Dritte, veränderte Auflage. In Pappb. M 4.–

Eine Kindheit. In Pappband M 4.–

Hier ist dies Lied einer Jugend: Ein Arzthaus in einem oberbayrischen Dorf ist die unruhevolle Umgebung, in der ein Ich, eine Menschenseele sich bildet. Die klare Epik großer deutscher Erzählerart formt Szene um Szene, Bild um Bild in männlich aufrichtiger Realistik: aber aus dieser Wirklichkeit steigt bald der Duft der Liebe, blühende Lebensfroheit, ernste Gottestiefe. Diese „Kindheit“ wird bald zu den klassischen Büchern deutscher Offenbarung gehören.

Leipziger Neueste Nachrichten.

Das Buch ist so ohne Anfang und ohne Ende, wie das Leben ohne Anfang und ohne Ende ist, und hinter den alltäglichen Vorgängen lebt ein Raunen und Wehen von dem tiefen Geheimnis, wie der Saft in der Pflanze steigt, wie das Blut in den Adern kreist, wie die Erde um die Sonne schwingt und wie alles untereinander zuinnerst verbunden ist. Ein Buch, das oft zum Aufblicken und Augenschließen und Nach-Denken, Nach-Fühlen zwingt, ein beseeltes Buch ist es, das von innen heraus ganz eigen leuchtet.

Frankfurter Zeitung.

INSEL-VERLAG ZU LEIPZIG

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