II.

Doch ungeachtet meiner ganzen Empörung über Anna Andrejewna begab ich mich sogleich zu Lambert. Wohin hätte ich auch mit meiner Neugier gehen sollen? Lambert wohnte, wie sich zeigte, sehr weit: in der „Schiefen Querstraße“, in der Nähe des Sommergartens, immer noch in jenem möblierten Zimmer; aber damals, als ich ihm davongelaufen und nach Haus gefahren war, hatte ich so wenig auf den Weg geachtet, daß ich, als ich vor vier Tagen seine Adresse durch Lisa erhalten hatte, sehr erstaunt gewesen war und es kaum hatte glauben wollen, daß er dort wohne. Als ich die Treppe zum dritten Stock hinaufstieg, bemerkte ich vor der Tür zwei junge Leute; ich dachte, sie hätten bereits geklingelt und warteten nun darauf, daß ihnen geöffnet werde. Während ich hinaufstieg, standen sie beide mit dem Rücken gegen die Tür und musterten mich aufmerksam. „Hier sind ja mehrere möblierte Zimmer, sie werden wohl einen anderen Mieter besuchen wollen,“ dachte ich stirnrunzelnd; denn es wäre mir sehr unangenehm gewesen, bei Lambert noch irgend jemand anzutreffen. Ich bemühte mich, sie nicht anzusehen und streckte die Hand nach der Klingel aus.

„Attendez!“[78] rief mir der eine zu.

„Ach bitte, warten Sie noch etwas mit dem Klingeln,“ sagte mit heller und freundlich bittender Stimme der andere junge Mann – er hatte die in unserer höheren Gesellschaft übliche schleppende Sprechweise. „Wir werden gleich fertig sein, und dann klingeln wir zusammen, ist es Ihnen recht?“

Ich zog meine Hand zurück. Beide waren sie junge Leute von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren; sie beschäftigten sich dort an der Tür mit etwas sehr Sonderbarem und ich schaute ihnen mit Verwunderung zu. Derjenige, der „attendez“ gerufen hatte, war ein auffallend langer Bursche, mager und offenbar blutarm, aber sehr muskulös, mit einem für seine Größe viel zu kleinen Kopf, dessen leicht pockennarbiges, gar nicht so dummes, ja sogar sympathisches Gesicht einen eigentümlichen, komisch-finsteren Ausdruck hatte. In seinem Blick lag, ich möchte sagen, etwas übertrieben Scharfsinniges und eine unnötige Entschlossenheit. Er war sehr schlecht angezogen: sein alter wattierter Mantel mit dem schäbigen kleinen Waschbärkragen war viel zu kurz für einen so langen Menschen und offenbar nicht für ihn gemacht; dazu hatte er schlechte, fast bäurische Stiefel und auf dem Kopf einen schrecklich struppigen, schon bräunlich gewordenen Zylinder. Man sah ihm sofort den liederlichen Menschen an: seine unbehandschuhten Hände waren unsauber, die langen Nägel hatten Trauerränder. Sein Kamerad dagegen war tadellos gekleidet, soweit man nach seinem leichten Marderpelz, dem eleganten Hut und den neuen hellen Handschuhen urteilen konnte, in denen seine schlanken Hände staken; dem Wuchs nach war er ungefähr von meiner Größe und sein frisches jugendliches Gesicht hatte einen äußerst sympathischen Ausdruck.

Der lange Bursche riß sich seine Krawatte vom Halse – ein vollkommen verschlissenes und schmieriges Band, das fast schon zur Schnur zusammengerollt war; und der hübsche Junge zog aus seiner Tasche eine neue, wohl soeben gekaufte schwarze Krawatte, die er dem Langen umzubinden versuchte, der gehorsam und mit furchtbar ernstem Gesicht seinen langen Hals ihm entgegenreckte, während er seinen Mantel von den Schultern zurückgeschlagen hielt.

„Nein, das geht doch nicht, wenn das Hemd so schmutzig ist,“ sagte der andere, „so wird der Eindruck um garnichts besser, es sieht sogar noch schmutziger aus. Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst dir einen reinen Kragen umlegen. Wie soll ich das jetzt binden ... Können Sie es vielleicht?“ wandte er sich plötzlich an mich.

„Was?“ fragte ich.

„Ihm diese Krawatte umbinden? Sehen Sie, man muß sie irgendwie so umbinden, daß das Hemd nicht zu sehen ist, denn sonst geht der ganze Effekt zum Teufel, aber wie soll man das machen? Deshalb habe ich ihm doch die Krawatte soeben gekauft, für einen Rubel.“

„Das hast du – für denselben?“ fragte der Lange.

„Ja, für denselben; ich habe jetzt keine Kopeke mehr. Sie können es also auch nicht? Dann werden wir Alphonsinka bitten müssen.“

„Zu Lambert?“ fragte mich plötzlich scharf der Lange.

„Allerdings,“ antwortete ich ebenso scharf und sah ihm in die Augen.

„Dolgorowky?“ fragte er in demselben Ton und mit derselben Stimme.

„Nein, nicht Koroffkin,“ antwortete ich ebenso energisch; ich hatte ihn nicht richtig verstanden.

„Dolgorowky?!“ wiederholte der Lange fast schreiend und trat drohend auf mich zu. Sein Kamerad begann zu lachen.

„Er sagt Dolgorowky und nicht Koroffkin,“ erklärte er mir. „Wissen Sie, die Franzosen verdrehen im ‚Journal des Débats‘ so oft die russischen Namen ...“

„In der ‚Indépendance‘,“ knurrte der Lange.

„Na, egal, dann war’s in der ‚Indépendance‘. Den Namen des Fürsten Dolgoruki schreiben sie zum Beispiel ‚Dolgorowky‘ – ich habe es selbst gelesen, und W–ff schreiben sie immer ‚le comte Vallonieff‘.“[79]

„Doboyny!“ rief der Lange.

„Ja, richtig, auch den Namen ‚Doboyny‘ haben sie mal angeführt; ich habe ihn selbst gelesen, und wir haben noch beide darüber gelacht: irgendeine russische madame Doboyny, die im Auslande wohnt ... aber wozu sie jetzt alle nennen,“ wandte er sich plötzlich an den Langen.

„Entschuldigen Sie, heißen Sie Dolgoruki?“

„Ja, – ich heiße Dolgoruki, aber woher wissen Sie denn das?“

Der Lange flüsterte dem hübschen Jungen schnell etwas ins Ohr. Der runzelte die Stirn und machte eine verneinende Handbewegung, doch der Lange ließ sich nicht abhalten und wandte sich wieder an mich.

„Monsieur le prince, vous n’avez pas de rouble d’argent pour nous, pas deux, mais un seul, voulez-vous?“[80]

„Pfui, wie frech du bist,“ rief der Junge.

„Nous vous rendons,“[81] bemerkte der Lange, der die französischen Worte plump und ungeschickt aussprach.

„Wissen Sie, er ist ein Zyniker,“ erklärte mir der Junge lachend. „Sie denken vielleicht, er kann kein Französisch? Er spricht wie ein Pariser, aber jetzt parodiert er nur die Russen, die in der Gesellschaft so furchtbar gern laut untereinander Französisch sprechen und es dabei gar nicht können ...“

„Dans les wagons,“[82] erläuterte der Lange.

„Ja, auch in den Waggons; ach, wie langweilig du bist! Das ist doch ganz gleich. Auch ein Vergnügen, den Dummkopf zu spielen!“

Ich nahm währenddessen den Rubel heraus und reichte ihn dem Langen.

„Nous vous rendons,“ sagte er und steckte den Rubel ein; dann wandte er sich ruhig zur Tür, und begann, während sein Gesicht dabei vollkommen unbeweglich und ernst blieb, mit der Spitze seines großen, plumpen Stiefels gegen die Tür zu hämmern, – das alles, wie gesagt, ohne die geringste Erregung ...

„Ach, du wirst es wieder zu einem Skandal bringen, mit Lambert!“ rief der Junge beunruhigt. „Klingeln Sie dann schon lieber.“

Ich klingelte, aber der Lange hämmerte unbekümmert weiter mit seinem Fuß an die Tür.

„Ah, sacré[83] ...“ hörte man auf einmal die wütende Stimme Lamberts hinter der Tür, und er öffnete schnell.

„Dites donc, voulez-vous que je vous casse la tête, mon ami!“[84] schrie er den Langen an.

„Mon ami, voilà Dolgorowky, l’autre mon ami,“[85] sprach ernst und feierlich der Lange und sah dem vor Zorn puterroten Lambert starr in die Augen. Als dieser mich erblickte, veränderte sich sein Gesicht im Handumdrehen.

„Ach du bist es, Arkadi! Endlich doch! So bist du jetzt gesund, endlich wieder gesund?“

Er ergriff meine beiden Hände und schüttelte sie kräftig; kurz, er war so aufrichtig erfreut, daß ich mich für den Augenblick sehr angenehm berührt fühlte und ihn beinahe lieb gewann.

„Mein erster Weg führt mich zu dir!“

„Alphonsine!“ rief Lambert. Sie sprang im Augenblick hinter dem Schirm hervor.

„Le voilà!“

„C’est lui!“[86] rief Alphonsinka und schlug die Hände zusammen und breitete sie wieder aus und wollte sich schon auf mich stürzen, um mich zu umarmen, aber Lambert schützte mich davor.

„Nonono! tout beau!“[87] rief er ihr drohend zu, wie einem Hündchen. „Du, Arkadi, sieh mal, ich habe mich heute verabredet, mit ein paar Bekannten im tatarischen Restaurant zu Mittag zu speisen. Ich lasse dich jetzt nicht los, du mußt mit mir hinfahren. Wir speisen zusammen; die anderen werde ich mir schon vom Halse schaffen – und dann sprechen wir uns aus. Komm nur herein, komm! Wir werden gleich aufbrechen, nur einen Augenblick mußt du warten.“

Ich trat ein, sah mich im Zimmer um, und versuchte, mir das Erlebte von damals zu vergegenwärtigen. Lambert kleidete sich schnell hinter dem Wandschirm um. Der Lange und sein Kamerad waren uns gefolgt, trotz der Worte, mit denen Lambert sie empfangen hatte. Wir blieben alle stehen.

„Mademoiselle Alphonsine, voulez-vous me baiser?“[88] äffte der Lange.

„Mademoiselle Alphonsine,“ begann auch der Jüngere und näherte sich ihr, indem er ihr die Krawatte hinhielt, aber sie fuhr wütend auf die beiden los.

„Ah, le petit vilain!“ schrie sie den Jüngeren an, „ne m’approchez pas, ne me salissez pas, et vous, le grand dadais, je vous flanque à la porte tous les deux, savez-vous cela!“[89]

Doch der Jüngere ließ sich nicht abschrecken, obgleich sie sich mit solcher Verachtung und solchem Ekel von ihm abwandte, als hätte sie wirklich gefürchtet, sich an ihm zu beschmutzen (was ich gar nicht verstehen konnte, denn er sah so nett aus und war – was ich sah, als er den Pelz ablegte – so gut angezogen!) und bat sie trotzdem unentwegt, seinem langen Kameraden die Krawatte zu binden und ihm vorher einen reinen Kragen von Lambert umzulegen. Sie aber geriet über dieses Ansinnen dermaßen in Wut, daß sie ihn womöglich geschlagen haben würde, wenn Lambert, der hinter dem Wandschirm die Bitte gehört hatte, ihr nicht zugerufen hätte, sie möge sie nicht aufhalten und tun, was sie verlangten. „Sonst gehen sie überhaupt nicht mehr weg,“ fügte er hinzu. Da nahm Alphonsinka sofort einen Kragen und band dem Langen die Krawatte um, und tat es sogar ohne jede Spur von Widerstreben. Der Lange aber reckte genau wie vorhin auf der Treppe seinen Hals aus, während sie ihm die Krawatte band.

„Mademoiselle Alphonsine, avez-vous vendu votre bologne?“[90] fragte er.

„Qu’est-ce que ça, ma bologne?“[91]

Der Jüngere erklärte, daß sein Freund mit „bologne“ ihr Bologneserhündchen meine.

„Tiens, quel est ce baragouin?“[92]

„Je parle comme une dame russe sur les eaux minérales,“[93] spottete le grand dadais[94] wieder in steifem Französisch, während er immer noch mit vorgestrecktem Halse stand.

„Qu’est-ce que ça, qu’une dame russe ‚sur les eaux minérales‘? Et ... mais où est donc votre jolie montre que Lambert vous a donnée?“[95] wandte sie sich plötzlich an den Jüngeren.

„Was, ist er schon wieder ohne Uhr?“ rief Lambert geärgert hinter dem Schirm.

„Aufgefressen!“ knurrte le grand dadais.

„Ich hab’ sie für acht Rubel verkauft: sie war ja nur silbervergoldet – und Sie gaben sie aus als rein goldene Uhr. Solche kosten jetzt neu auch nicht mehr als sechzehn Rubel,“ rechtfertigte sich der Jüngere, tat es jedoch ersichtlich mit großer Unlust.

„Damit muß endlich einmal ein Ende gemacht werden!“ fuhr Lambert geärgert fort. „Ich kaufe Ihnen, mein junger Freund, nicht zu dem Zweck Kleider und schöne Sachen, damit Sie sie Ihrem langen Freunde in den Rachen werfen. Was für eine Krawatte haben Sie ihm da schon wieder gekauft?“

„Die kostet nur einen Rubel, und der war nicht von Ihrem Geld. Er hatte überhaupt keine Krawatte mehr! Einen Hut muß man ihm auch noch kaufen!“

„Unsinn!“ schrie Lambert, jetzt schon wirklich wütend.

„Ich habe ihm genug gegeben, auch für einen Hut, er aber hat sofort Austern und Champagner bestellt. Dabei stinkt er und ist ein Schmutzfink; man kann sich ja nirgendwo mit ihm sehen lassen. Wie soll ich ihn jetzt ins Restaurant mitnehmen?“

„Mit ’ner Droschke,“ knurrte der dadais. „Nous avons un rouble d’argent que nous avons prêté chez notre nouvel ami.“[96]

„Gib ihnen nichts, Arkadi!“ schrie Lambert wieder.

„Erlauben Sie, Lambert; ich verlange von Ihnen sofort zehn Rubel,“ forderte plötzlich der Jüngere so wütend, daß er ganz rot im Gesicht wurde, was ihn noch hübscher machte. „Und wagen Sie es nicht noch einmal, solche Dummheiten zu sagen, wie jetzt zu Dolgoruki. Ich verlange von Ihnen zehn Rubel, um Dolgoruki den einen Rubel sogleich zurückgeben zu können, von dem übrigen Gelde aber kaufe ich sofort einen Hut für Andrejeff – das werden Sie sehen.“

Lambert kam hinter dem Schirm hervor.

„Hier sind drei gelbe Lappen, drei Rubel, mehr gibt es nicht bis Dienstag, und wagt es nicht, mir früher zu kommen ... sonst ...“

Le grand dadais riß ihm das Geld nur so aus der Hand.

„Dolgorowky, hier ist der Rubel, nous vous rendons avec beaucoup de grâce.[97] Petjä, fahren wir!“ rief er seinem Kameraden zu, und dann auf einmal, schwang er die beiden Scheine durch die Luft, sah Lambert frech ins Gesicht, und schrie aus allen Kräften: „Ohé, Lambert! Où est Lambert, as-tu vu Lambert?“[98]

„Nehmt euch in acht, nehmt euch in acht!“ brüllte Lambert in furchtbarer Wut.

Ich sah, daß hier etwas vorging, was auf Früheres Bezug hatte, wovon ich nichts wußte, und ich hörte nicht ohne Verwunderung zu. Aber der Lange ließ sich durch den Zorn Lamberts nicht im geringsten einschüchtern, im Gegenteil, er schrie sogar noch lauter: Ohé, Lambert! usw. Mit diesem Geschrei zogen sie ab. Lambert wollte ihnen nachstürzen, besann sich aber und kehrte wieder um.

„Denen werde ich auch bald einen Genickstoß geben! Die kosten mehr als sie einbringen ... Gehen wir, Arkadi! Ich hab’ mich schon verspätet. Dort erwartet mich noch so einer ... den ich brauche ... Auch so ein Vieh ... und das sind sie alle! Halunken sind sie, Halunken!“ schrie er wieder und knirschte vor Wut; doch plötzlich besann er sich und nahm sich zusammen. „Ich freue mich, daß du endlich gekommen bist. Alphonsine, wohlgemerkt: keinen Schritt aus dem Hause! Gehen wir.“

Vor der Haustür erwartete ihn eine elegante Mietsdroschke. Wir stiegen ein; doch selbst unterwegs konnte er seine Wut auf die jungen Leute nicht meistern und sich beruhigen. Ich wunderte mich, daß er sie so ernst nahm, und daß sie Lambert so respektlos behandelten, während er beinahe Angst vor ihnen hatte. Nach den alten, in mir fest eingewurzelten Eindrücken aus meiner Kindheit glaubte ich noch immer, daß alle Lambert fürchten müßten; und ich glaube, selbst in dem Augenblick muß ich, trotz meiner ganzen Unabhängigkeit, Lambert doch noch gefürchtet haben.

„Ich sage dir, das ist ein furchtbares Lumpenpack,“ fuhr Lambert fort. „Wirst du’s mir glauben, dieser Lange, dieser ekelhafte Kerl, hat mich noch vor drei Tagen in einer Gesellschaft bloßgestellt. Er stellt sich vor mir auf und schreit: ‚Ohé, Lambert!‘ usw. Und das in guter Gesellschaft! Alle lachen und merken natürlich, daß er es tut, damit ich ihm Geld gebe – kannst du dir meine Lage vorstellen! Und ich habe es ihm geben müssen. Oh, dieses Lumpenpack! Wirst du’s mir glauben, er war Junker in einem Regiment, wurde dann ausgeschlossen, und kannst du dir vorstellen, er ist ein gebildeter Mensch: er hat seine Erziehung in einem guten Hause erhalten! Er hat Ideen, er könnte ... Eh, zum Teufel! Und er ist stark wie Herkules. Er ist mir ja nützlich, doch nicht sehr ... Und hast du gesehen, er wäscht sich nicht einmal die Hände! Ich empfahl ihn einer Dame, einer alten vornehmen Dame; ich sagte ihr, er bereue seinen Lebenswandel und wolle sich vor Gewissensbissen umbringen, er aber kommt zu ihr, setzt sich hin und pfeift. Und der andere, der Nette – ist der Sohn eines Generals; die Familie schämt sich seiner, ich hab’ ihn gerettet, hab’ ihn dem Gericht entrissen, und so lohnt er es mir! Hier gibt es keine Menschen! Aber ich werde sie mir schon vom Halse schaffen und zum Teufel jagen!“

„Sie wissen meinen Namen; hast du mit ihnen von mir gesprochen?“

„Ich war mal so dumm. Weißt du, wenn man so bei Tisch zusammensitzt, da geht einem manches über die Lippen ... Es kommt noch eine furchtbare Kanaille hin. Der ist schon wirklich eine Kanaille und dabei schlau. Hier gibt es nur Spitzbuben, hier gibt es keine anständigen Menschen! Na, wenn ich mit ihnen fertig bin – dann ... Was ißt du gern? Aber das ist ja egal, man speist dort immer ausgezeichnet. Beunruhige dich nicht, ich werde alles bezahlen. Schön, daß du so gut angezogen bist. Ich kann dir Geld geben. Komm nur immer zu mir. Stell dir vor, ich habe ihnen hier zu essen und zu trinken gegeben, jeden Tag Fischpasteten und Delikatessen; die Uhr, die er verkauft hat, ist schon die zweite. Dieser Knabe, Trischatoff heißt er, – du hast ja selbst gesehen: sogar Alphonsinka ekelt sich, ihn anzurühren, und läßt ihn nicht an sich herankommen – und plötzlich bestellt er im Restaurant, in Gegenwart von Offizieren, – Schnepfen! ‚Ich will Schnepfen,‘ sagt er. Ich habe ihm die Schnepfen damals auch bestellt, aber ich werde mich schon dafür rächen!“

„Erinnerst du dich noch, wie wir in Moskau zusammen ins Restaurant fuhren und du mich dort mit der Gabel stachst, und wie du damals fünfhundert Rubel hattest?“

„Ja, ich weiß noch! Eh, Teufel, ich weiß! Aber ich habe dich gern ... Das kannst du mir glauben. Dich liebt ja sonst kein Mensch, ich aber hab’ dich gern; nur ich allein, vergiß das nicht ... Der da, der dorthin kommt, der Pockennarbige – das ist die allerschlauste Kanaille, die mir je begegnet ist; antworte ihm nichts, wenn er mit dir spricht, und wenn er dich zu fragen anfängt, so antworte ihm irgendeinen Unsinn, oder schweige ganz ...“

Jedenfalls kam er unterwegs infolge seiner Aufregung gar nicht dazu, mich auszufragen. Ich aber empfand es fast als Beleidigung, daß er meiner so sicher war und nicht einmal auf die Vermutung kam, ich könnte ihm mißtrauen; wie mir schien, befand er sich noch in dem dummen Glauben, er könne mich genau so kommandieren wie in früheren Jahren. „Und dabei ist er noch so furchtbar ungebildet,“ dachte ich bei mir, als wir ins Restaurant traten.

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