IV.

Sie saßen sich gegenüber, an demselben Tisch, an dem wir am Abend vorher auf seine „Auferstehung“ getrunken hatten. Ich konnte ihre Gesichter deutlich sehen. Sie war in einem schlichten schwarzen Kleide, schön und anscheinend so ruhig wie immer. Er sprach, und sie hörte ihm mit größter und zuvorkommender Aufmerksamkeit zu. Vielleicht konnte man ihr doch eine gewisse Ängstlichkeit ansehen. Er aber war ungemein angeregt. Was ich vernahm, war mir zunächst vollkommen unklar, da ich den Anfang des Gesprächs nicht gehört hatte. Auf einmal fragte sie:

„Und ich war die Ursache?“

„Nein, die Ursache war ich,“ erwiderte er, „Sie sind nur – unschuldig schuldig. Sie wissen doch, daß man unschuldig schuldig sein kann? Es ist das die allerunverzeihlichste Schuld und zieht fast immer Strafe nach sich,“ flocht er in sonderbar lachendem Tone ein. „Ich habe mir doch eine Weile lang tatsächlich eingebildet, ich hätte Sie ganz vergessen und lachte nur noch über meine törichte Leidenschaft ... aber das wissen Sie ja. Und was geht mich dieser Mensch an, den Sie da heiraten wollen? Ich habe Ihnen gestern einen Antrag gemacht, verzeihen Sie mir das, es war eine Sinnlosigkeit, und doch wüßte ich sie durch nichts zu ersetzen ... Was hätte ich denn tun können außer dieser Sinnlosigkeit? Ich wüßte nichts ...“

Er lachte ein verlorenes Lachen nach diesen Worten. Auf einmal sah er sie an. Bis dahin hatte er beim Sprechen immer zur Seite gesehen. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre – dieses Lachen hätte mich erschreckt, das fühlte ich. Dann stand er plötzlich auf.

„Sagen Sie, wie haben Sie darauf eingehen können, hierherzukommen?“ fragte er auf einmal, als wäre ihm die Hauptsache plötzlich wieder eingefallen. „Diese Aufforderung meinerseits und mein ganzer Brief – war eine vollkommene Sinnlosigkeit ... Warten Sie, ich kann mir schließlich selbst denken, wie es zu erklären ist, daß Sie einwilligten, zu kommen, aber ... zu welchem Zweck Sie gekommen sind – das ist die Frage! Oder sollten Sie wirklich nur aus Furcht gekommen sein?“

„Ich bin gekommen, um Sie zu sehen,“ sagte sie, während sie ihn mit schüchterner Vorsicht wie wartend ansah.

Beide schwiegen vielleicht eine halbe Minute lang. Werssiloff nahm wieder seinen Platz auf seinem Stuhl ein und begann mit verhaltener, aber ergriffener, fast bebender Stimme:

„Ich habe Sie so unendlich lange nicht gesehen, Katerina Nikolajewna, so lange nicht, daß ich fast schon für unmöglich gehalten habe, jemals wieder bei Ihnen sitzen, Ihr Gesicht sehen, Ihre Stimme hören zu können ... Zwei Jahre haben wir uns nicht gesehen, zwei Jahre nicht gesprochen. Daß ich Sie noch einmal sprechen würde, hätte ich gar nicht mehr gedacht. Nun, gut, was vergangen ist – ist vergangen, und was ist – das wird morgen verschwunden sein, wie Rauch, – nun gut! Ich bin damit einverstanden, denn ich wüßte wieder nicht, wie es sich anders machen ließe, aber gehen Sie jetzt nicht so fort, seien Sie nicht umsonst gekommen,“ stieß er plötzlich fast flehend hervor. „Wenn Sie schon ein Almosen geben, wenn Sie schon gekommen sind – so seien Sie wenigstens nicht umsonst gekommen, antworten Sie mir nur auf eine Frage!“

„Auf welche Frage?“

„Wir werden uns ja nie mehr sehen – und was macht es Ihnen denn aus? Sagen Sie mir die Wahrheit, nur einmal für alle Ewigkeit, antworten Sie auf eine Frage, die kluge Leute niemals stellen: Haben Sie mich wenigstens einmal geliebt, oder habe ich ... mich getäuscht?“

Sie wurde feuerrot.

„Ich habe Sie geliebt,“ sagte sie.

„Das hatte ich erwartet, daß Sie so antworten würden, – oh, du Aufrichtige, du Innige, du Ehrliche!“

„Und jetzt?“ fuhr er fort.

„Jetzt liebe ich Sie nicht.“

„Und lachen?“

„Nein, ich lächelte jetzt nur unwillkürlich, weil ich im voraus wußte, daß Sie fragen würden: ‚Und jetzt?‘ Ich lächelte, weil man immer unwillkürlich lächelt, wenn etwas gesagt wird, worauf man schon gefaßt war ...“

Mir wurde ganz sonderbar zumute: ich hatte sie noch nie so auf der Hut, so vorsichtig, ja fast sogar schüchtern und zugleich so verwirrt gesehen. Er umspannte sie mit seinem Blick.

„Ich weiß, daß Sie mich nicht lieben ... und – lieben Sie mich wirklich nicht?“

„Vielleicht – wirklich nicht. Nein, ich liebe Sie nicht,“ fügte sie plötzlich fest hinzu, diesmal ohne zu lächeln und ohne zu erröten. „Ich habe Sie geliebt, ja, aber nicht lange. Ich habe damals sehr bald aufgehört, Sie zu lieben.“

„Ich weiß, ich weiß, Sie erkannten, daß es nicht das war, was Sie brauchen, aber ... was ist es denn, was Sie brauchen? Erklären Sie mir das noch einmal ...“

„Habe ich es Ihnen denn schon einmal erklärt? Was ich brauche? Ja ich – bin doch eine ganz gewöhnliche Frau; ich bin eine ruhige Frau, ich liebe ... ich liebe heitere Menschen.“

„Heitere?“

„Da sehen Sie, wie ich mit Ihnen nicht einmal zu sprechen verstehe. Ich glaube, wenn Sie mich weniger liebten, dann würde ich Sie lieben,“ sagte sie wieder mit einem schüchternen Lächeln.

In ihrer Antwort lag die vollkommenste Aufrichtigkeit, – sollte sie wirklich nicht gewußt haben, daß ihre Antwort die endgültigste Formel für ihr Verhältnis war, eine Formel, die alles erklärte und entschied? Oh, wie er das hätte verstehen müssen! Aber er sah sie an und lächelte sonderbar.

„Ist Bjoring ... ein heiterer Mensch?“ fuhr er fort zu fragen.

„Oh, er braucht Sie nicht im geringsten zu beunruhigen,“ antwortete sie mit einer gewissen Hast. „Ich heirate ihn nur deshalb, weil ein Leben mit ihm für mich am ruhigsten sein wird. Meine Seele behalte ich dann für mich.“

„Sie sollen ja, wie man hört, wieder Geschmack an der Gesellschaft, an der glänzenden Welt finden?“

„Nicht an der Gesellschaft. Ich weiß, daß in unserer Gesellschaft dieselbe Unordnung ist wie überall; aber ihre Formen sind wenigstens äußerlich gefällig, und deshalb ist es, wenn man schon ein Leben lebt, das nur ein Vorübergehen ist, doch besser, in ihr zu leben als sonstwo.“

„Ich höre neuerdings oft das Wort ‚Unordnung‘ gebrauchen. Sie sind damals wohl auch vor meiner Unordnung zurückgeschreckt, vor meinen Fesseln, meinen Ideen, meinen Torheiten?“

„Nein, das war doch nicht – ganz so ...“

„Sondern? Ich beschwöre Sie, sagen Sie alles ganz offen.“

„Nun gut, ich werde es Ihnen ganz offen sagen, weil ich Sie für so unendlich klug halte: mir ... mir ist an Ihnen immer irgend etwas lächerlich erschienen.“

Kaum hatte sie das gesagt, als sie plötzlich rot wurde, ganz als hätte sie selbst gemerkt, daß sie eine ungeheure Unvorsichtigkeit begangen hatte.

„Sehen Sie, für das, was Sie mir jetzt gesagt haben, kann ich Ihnen viel verzeihen,“ antwortete er sonderbar.

„Ich habe noch nicht zu Ende gesprochen,“ beeilte sie sich, hinzuzufügen und errötete dabei noch mehr. „Ich wollte vielmehr sagen, daß ich die Lächerliche bin ... schon deshalb, weil ich wie eine Törin mit Ihnen spreche.“

„Nein, Sie sind nicht lächerlich, Sie sind nur – eine verderbte Weltdame!“ sagte er erbleichend und unheimlich. „Auch ich habe vorhin nicht zu Ende gesprochen, als ich Sie fragte, zu welchem Zweck Sie gekommen sind. Wollen Sie, daß ich es jetzt ausspreche? Es gibt einen Brief, ein Dokument, und das macht Sie erzittern, denn Sie wissen, daß Ihr Vater, wenn dieser Brief in seine Hände käme, Sie schon bei Lebzeiten verstoßen und in seinem Testament enterben könnte. Sie fürchten sich vor dieser Möglichkeit, und sind ... dieses Briefes wegen gekommen,“ sagte er, am ganzen Leibe bebend und fast zähneklappernd.

Sie hörte ihn mit schmerzlichem und traurig bangem Gesichtsausdruck an.

„Ich weiß, daß Sie mir eine Menge Unannehmlichkeiten bereiten können,“ sagte sie, seine Worte gleichsam zurückweisend, „aber ich bin weniger deshalb gekommen, um Sie zu bitten, mich in Ruhe zu lassen, als ... um Sie selbst wiederzusehen. Ich habe sogar schon lange gewünscht, von mir aus gewünscht, Sie zu sehen. Aber ich habe Sie unverändert als den wiedergefunden, der Sie früher waren,“ fügte sie plötzlich hinzu, wie fortgerissen von einem bestimmten und ausschlaggebenden Gedanken und sogar wie von einem sonderbaren plötzlichen Gefühl.

„Und Sie hatten einen anderen zu finden gehofft? Und das – nach meinem Brief, in dem ich Ihnen von Ihrer Verderbtheit geschrieben hatte? Sagen Sie: sind Sie ganz ohne Furcht hierhergekommen?“

„Ich bin gekommen, weil ich Sie früher geliebt habe; und ich bitte Sie: drohen Sie mir nicht, bitte nicht, und mit nichts, wenigstens so lange nicht, wie wir jetzt beisammen sind, – erinnern Sie mich nicht an meine häßlichen Gedanken und Gefühle. Wenn Sie mit mir von etwas anderem sprechen könnten, wäre ich sehr froh. Mit den Drohungen kommen Sie meinetwegen später, hier aber lassen Sie uns von anderem sprechen ... Ich bin wirklich nur gekommen, um Sie einen Augenblick zu sehen und zu hören. Nun, und wenn Sie das nicht können, so töten Sie mich meinetwegen, aber – drohen Sie mir nicht und peinigen Sie sich nicht selbst vor meinen Augen!“ schloß sie und sah ihn in einer sonderbaren Erwartung an, ganz als hätte sie wirklich geglaubt, er könne sie töten.

Er erhob sich wieder von seinem Stuhl, sah sie mit heißem Blick an und sagte fest:

„Es wird Ihnen hier nicht das Geringste widerfahren.“

„Ach ja, Ihr Ehrenwort!“ sagte sie lächelnd.

„Nein, nicht nur deshalb, weil ich Ihnen im Brief mein Ehrenwort gegeben habe, sondern weil ich ... die ganze Nacht an Sie denken will und werde ...“

„Um sich selbst zu quälen?“

„Wenn ich allein bin, stelle ich mir immer – Sie vor. Immer! Ich tue nichts anderes als mit Ihnen sprechen! Ich ziehe mich in meine Höhlen, in meine Schlupfwinkel zurück – und sofort erscheinen Sie vor meinen Augen! Aber Sie lachen immer über mich, ganz wie jetzt ...“

Er sagte das wie außer sich.

„Niemals, niemals habe ich über Sie gelacht!“ rief sie erschüttert und wie in tiefstem Mitleiden, das im Ausdruck ihres Antlitzes deutlich sichtbar wurde. „Wenn ich gekommen bin, so habe ich doch alles getan, um es so zu machen, daß es für Sie unter keinen Umständen kränkend sein könnte,“ sagte sie plötzlich. „Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich Sie beinahe liebe ... Verzeihen Sie, ich habe mich vielleicht nicht so ausgedrückt,“ fügte sie schnell hinzu.

Er begann zu lachen.

„Warum verstehen Sie nicht, sich zu verstellen? Warum sind Sie – eine solche Einfalt, warum sind Sie nicht so wie alle ... Wie kann man denn einem Menschen, dem man einen Korb gibt, sagen: ‚Beinahe liebe ich Sie‘?“

„Ich habe mich nur nicht auszudrücken verstanden,“ beeilte sie sich zu erklären. „Ich habe das nicht so sagen wollen; das kommt nur daher, weil ich mich in Ihrer Gegenwart immer befangen fühle und dann nicht zu sprechen verstehe; das ist schon von unserer ersten Begegnung an so gewesen. Aber wenn meine Worte auch nicht ganz richtig gewählt waren – daß ich Sie ‚beinahe liebe‘ – so ist es dem Sinne nach doch beinahe so, – nur deswegen habe ich es überhaupt auszudrücken versucht. Ich liebe Sie mit so einer ... eben mit so einer allgemeinen Liebe, mit der man alle liebt, und die einzugestehen man sich niemals schämt ...“

Er hörte sie schweigend an, ohne seinen brennenden Blick auch nur einmal von ihr abzuwenden.

„Ich beleidige Sie natürlich,“ fuhr er außer sich fort. „Es muß in der Tat das sein, was man Leidenschaft nennt ... Ich weiß nur, daß es mit mir aus ist, wenn Sie bei mir sind, und ohne Sie gleichfalls! Aber gleichviel ob ich ohne Sie oder mit Ihnen bin, wo Sie auch sein mögen – Sie sind immer bei mir. Ich weiß, daß ich Sie auch sehr hassen kann, mehr noch als lieben. Übrigens, ich denke schon lange über nichts mehr nach – mir ist alles gleich. Es tut mir nur leid, daß ich eine solche Frau zu lieben angefangen habe wie Sie ...“

Seine Stimme versagte; er fuhr atemlos fort.

„Was haben Sie? Sie finden es wohl ungezogen, daß ich so spreche?“ Er lächelte, doch sein Gesicht war bleich. „Ich glaube, ich könnte, wenn Sie nur dadurch zu erringen wären, dreißig Jahre lang als Säulenheiliger auf einem Fuße stehen! ... Ich sehe, ich tue Ihnen leid, Ihr Gesicht sagt: ‚Ich würde dich ja lieben, wenn ich könnte, aber ich kann nicht‘ ... Ist es nicht so? Tut nichts, ich habe keinen Stolz mehr. Ich bin bereit, wie ein Bettler jedes Almosen von Ihnen anzunehmen – hören Sie: jedes! ... Was kann denn auch ein Bettler für einen Stolz haben?“

Sie erhob sich und trat an ihn heran.

„Mein Freund!“ sagte sie mit unaussprechlichem Gefühl in ihrem Gesicht und berührte mit der Hand seine Schulter. „Ich kann solche Worte nicht hören! Ich werde mein lebelang an Sie denken als an einen mir teuren, einen wertvollen Menschen, als an das größte Menschenherz, das schlägt, als an etwas Heiliges, das ich achten und lieben kann. Andrei Petrowitsch, verstehen Sie mich recht: aus irgendeinem Grunde bin ich doch heute hergekommen, Sie lieber, mir sowohl damals wie auch jetzt lieber Mensch! Ich werde nie vergessen, wie Sie bei unseren ersten Begegnungen meinen Verstand erschüttert und mich aufgerüttelt haben. Lassen Sie uns als Freunde scheiden, und Sie werden für mich mein ganzes Leben lang der ernsteste und teuerste Gedanke sein.“

„‚Scheiden wir, und dann werde ich Sie lieben; ich werde Sie lieben – nur scheiden wir.‘ Hören Sie,“ sagte er, und sein Gesicht war bleich, „schenken Sie mir noch ein Almosen: lieben Sie mich nicht, leben Sie nicht mit mir, wir wollen uns nie sehen, aber wenn Sie mich rufen, werde ich Ihr Sklave sein, und werde sofort verschwinden, wenn Sie mich nicht sehen und hören wollen, nur ... nur heiraten Sie keinen anderen!“

Mein Herz krampfte sich bis zur Pein zusammen, als ich diese Worte hörte. Diese naiv erniedrigende Bitte klang so mitleiderregend, traf so tief ins Innerste, weil sie so nackt und unmöglich war. Ja, in der Tat, er bat um ein Almosen! Konnte er denn wirklich glauben, daß sie darauf eingehen werde? Er erniedrigte sich bis zum Versuch! Er bat versuchsweise! Diese tiefste Stufe der Mutlosigkeit war das Unerträgliche! Jeder Zug ihres Gesichts verzerrte sich plötzlich vor Schmerz; aber noch bevor sie ein Wort sagen konnte, kam er schon zur Besinnung.

„Ich werde Sie vernichten!“ sagte er plötzlich mit einer sonderbaren, entstellten Stimme, die gar nicht wie seine Stimme war.

Aber auch sie antwortete ihm sonderbar und gleichfalls wie mit einer fremden, unerwarteten Stimme.

„Und wenn ich Ihnen dies Almosen schenkte,“ sagte sie entschlossen, „so würden Sie sich ja noch viel schlimmer an mir rächen, als Sie jetzt drohen, denn Sie würden es nie vergessen, daß Sie als so ein Bettler vor mir gestanden haben ... Ich kann Drohungen von Ihnen nicht anhören!“ schloß sie fast mit Unwillen und sah ihn herausfordernd an.

„‚Drohungen von Ihnen‘, das heißt: von so einem Bettler! Es war nur ein Scherz von mir,“ sagte er leise und lächelte. „Ich werde Ihnen nichts antun, fürchten Sie sich nicht, gehen Sie ... und was jenes Dokument betrifft, so werde ich alles tun, um es Ihnen zu verschaffen, ich werde es Ihnen zusenden – nur gehen Sie jetzt, gehen Sie! Ich habe Ihnen einen törichten Brief geschrieben, Sie aber haben auf den törichten Brief geantwortet und sind gekommen – wir sind quitt. Nicht hier – dort ist der Ausgang,“ sagte er und wies auf die richtige Tür (sie wollte durch das Zimmer gehen, in dem ich hinter der Portiere stand).

„Verzeihen Sie mir, wenn Sie können,“ sagte sie, in der Tür stehen bleibend.

„Wie aber, wenn wir uns später einmal ganz als gute Freunde begegnen und auch an diese Szene mit hellem Lachen zurückdenken werden?“ fragte er auf einmal, aber jeder Zug in seinem Gesicht bebte wie bei einem Menschen, der von einem Krampf befallen ist.

„Oh, gebe Gott!“ rief sie aus und drückte die Hände an die Brust, aber gleichzeitig sah sie ihm doch ängstlich forschend ins Gesicht, und als erriete sie, was er sagen wollte.

„Gehen Sie. Wir haben jetzt beide nicht allzuviel Vernunft, aber Sie ... Oh, Sie sind ein Mensch von meinem Schlage! Ich habe Ihnen einen wahnsinnigen Brief geschrieben, und Sie sind auf diesen Brief hin zu mir gekommen, um mir zu sagen, daß Sie mich ‚beinahe lieben‘. Nein, Sie und ich, wir sind beide – Menschen ein und desselben Wahnsinns! Seien Sie immer so wahnsinnig, ändern Sie sich nicht, und wir werden einander noch als Freunde begegnen – das prophezeie ich Ihnen, und gebe Ihnen mein Wort darauf!“

„Und sehen Sie, dann werde ich Sie unfehlbar lieben, das fühle ich schon jetzt!“ Die Frau in ihr konnte sich nicht bezwingen, warf ihm noch von der Schwelle her als letztes diese Worte zu.

Sie ging hinaus. Ich schlich sofort unhörbar in die Küche und eilte, fast ohne auf Darja Onissimowna, die mich dort erwartete, einen Blick zu werfen, über die Küchentreppe und den Hof auf die Straße. Aber ich sah nur noch, wie sie in eine Droschke stieg, die vor der Haustür auf sie gewartet hatte. Ich lief die Straße hinunter.

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