I.

Meine Idee ist – ein Rothschild zu werden. Ich fordere den Leser auf, ernst und ruhig zu bleiben.

Ich wiederhole: Meine Idee ist – ein Rothschild zu werden, ebenso reich zu werden wie Rothschild; also nicht nur einfach reich, sondern geradeso reich wie Rothschild. Wozu, weshalb, welches Ziel ich dabei verfolge – davon später. Zunächst werde ich nur beweisen, daß ich mein Ziel mit mathematischer Sicherheit erreichen muß. Die Sache ist sehr einfach, das ganze Geheimnis liegt in zwei Worten, und die lauten: Fleiß und Ausdauer.

„Kennen wir,“ wird man mir sagen, „das ist nichts Neues: jeder Vater in Deutschland predigt das seinen Kindern, indessen ist Ihr Rothschild“ (d. h. der verstorbene James Rothschild, der Pariser – von dem allein spreche ich) „immer nur ein einziger geblieben. Väter aber gibt es zu Millionen.“

Auf diesen Einwand würde ich antworten:

„Sie behaupten, das hätten Sie schon gehört, dabei haben Sie aber noch nichts gehört. Allerdings, in einem haben Sie recht: wenn ich gesagt habe, die Sache sei ‚sehr einfach‘, so habe ich vergessen hinzuzufügen, daß sie gleichzeitig die schwerste von allen ist. Alle Religionen und Sittenlehren in der Welt lassen sich schließlich in den einen Satz zusammenfassen: ‚Liebe die Tugend und fliehe das Laster‘. Was könnte anscheinend einfacher sein? Nun, dann führen Sie doch etwas Tugendhaftes aus und überwinden Sie wenigstens ein einziges Ihrer Laster, versuchen Sie es doch einmal – nun? – Und so ist es auch hiermit.“

Sehen Sie, deshalb ist, obgleich Ihre unzähligen Väter diese zwei wunderbaren Worte, die das ganze Geheimnis enthalten, schon seit unzähligen Jahrhunderten ihren Kindern wiederholen, James Rothschild dennoch ein einzelner geblieben. Daraus folgt, daß anscheinend dasselbe doch nicht ganz dasselbe ist, und die Väter einen ganz anderen Gedanken predigen.

Freilich reden die Väter von Fleiß und Ausdauer, nur ist zur Erreichung meines Zieles mit einem Fleiß und einer Ausdauer, wie die Väter sie lehren, nicht gedient.

Allein das Wort „Vater“ (ich rede nicht nur von den deutschen Vätern), die Tatsache, daß er Kinder, daß er eine Familie hat und wie alle anderen lebt, daß er Ausgaben hat wie alle und Pflichten wie alle – sagt uns schon, daß man ein Rothschild auf diese Weise nicht werden kann, sondern nur ein Durchschnittsmensch wird. Ich aber verstehe doch nur zu gut, daß ich, wenn ich ein Rothschild werde oder auch nur ein Rothschild werden will, jedoch nicht im Sinne der Väter, sondern im Ernst und in der Wirklichkeit –, daß ich schon dadurch sofort aus der Gesellschaft ausscheide.

Vor ein paar Jahren las ich in der Zeitung von einem Bettler, der auf einem Wolgadampfer gestorben war. Alle hatten ihn dort gekannt, so lange bettelte er schon. Nach seinem Tode fand man in seinen zerlumpten Kleidern an dreitausend Rubel eingenäht. Und vor kurzem las ich wieder von einem Bettler, der einer adligen Familie entstammte, doch in Wirtshäusern und Kneipen gebettelt hatte. Er wurde verhaftet, und man fand bei ihm an fünftausend Rubel. Hieraus ergeben sich ohne weiteres zwei Schlüsse; der erste ist: durch Fleiß im Sammeln und Sparen – wenn auch nur von Kopeken – bringt man schließlich große Summen zusammen (die Zeit spielt hierbei natürlich eine Rolle). Und der zweite ist: selbst die unschlaueste Erwerbsart, wenn man sie nur mit Ausdauer betreibt, d. h. ununterbrochen, hat einen mathematisch sicheren Erfolg.

Indessen gibt es sogar sehr viele achtbare, kluge und enthaltsame Menschen, die (soviel sie sich auch mühen) weder drei- noch fünftausend Rubel ersparen können und doch mächtig gern Geld ersparen wollen. Woher kommt das? Die Antwort ist klar: weil kein einziger von ihnen, trotz seines ganzen Wollens, so stark will, daß er zum Beispiel, wenn es nicht anders ginge, selbst Bettler zu werden bereit wäre; und weil kein einziger charakterfest genug ist, um nicht die ersten Kopeken für ein überflüssiges Stück Brot für sich oder seine Familie wieder zu verausgaben. Bei dieser Erwerbsart aber, ich meine, beim Betteln, darf man sich nur von Wasser und Brot nähren und muß sich alles versagen, wenn man von den Almosen ein Vermögen ersparen will; wenigstens denke ich mir das so. Und bestimmt werden auch die erwähnten zwei Bettler nur so zu ihrem Kapital gekommen sein, also indem sie sich ausschließlich von Brot nährten und unter freiem Himmel lebten. Zweifellos haben sie nicht die Absicht gehabt, Rothschilds zu werden; sie waren nur typische Sparer wie Harpagon oder Gogols Pljuschkin. Aber auch bei bewußtem Sparen, und selbst bei einem Erwerb in anderer Art, ist, wenn man ein Rothschild werden will, zur Durchführung nicht weniger heißes Wollen erforderlich und nicht geringere Willenskraft, als diese beiden Bettler sie gehabt haben. Ein predigender Vater wird solche Kraft nicht aufbringen. Die Kräfte dieser Welt sind sehr verschieden, besonders die Kräfte des Willens. Es gibt eine Temperatur, bei der Wasser zu kochen anfängt, und einen Hitzegrad, bei dem Eisen in Rotglut gerät.

Hier ist es dasselbe, wie ins Kloster gehen, dasselbe, wie Erfüllung strengster Asketengelübde. Hier handelt es sich um ein Gefühl, nicht um eine Idee. Warum? Wozu? Ist das denn sittlich, und ist es nicht ungeheuerlich, sein Leben lang im Bettlerkittel zu gehen und Schwarzbrot zu essen, wenn man soviel Geld bei sich trägt? Von diesen Fragen reden wir später, jetzt zuerst von der Möglichkeit der Erreichung des Zieles.

Als ich mir „meine Idee“ ausgedacht hatte (und sie ist ja nichts anderes als eben Rotglut), begann ich mich sofort daraufhin zu prüfen, ob ich einer solchen Askese fähig wäre. Ich nahm mir also vor, einen ganzen Monat nur Wasser und Brot zu genießen, und zwar täglich nur zwei und ein halbes Pfund Schwarzbrot. Um die Prüfung durchführen zu können, mußte ich den klugen und so feinfühligen Nikolai Ssemjonowitsch und die mir so wohlwollende Marja Iwanowna betrügen. Doch trotz ihrer Betrübnis und seiner Verwunderung bestand ich auf meinem Wunsch, ganz allein in meinem Zimmer zu essen. Das geschah denn auch, bloß aß ich nichts von dem, was mir ins Zimmer gebracht wurde, sondern goß die Suppe aus dem Fenster in die Nesseln oder anderswohin, und das Fleisch warf ich dem Hofhund zu oder wickelte es in Papier und trug es in der Tasche hinaus, und ähnlich beseitigte ich alles übrige. Da mir aber mit den Speisen viel weniger Brot als zweieinhalb Pfund auf mein Zimmer geschickt wurde, so kaufte ich heimlich noch Brot hinzu. Ich hielt diese Kost einen ganzen Monat aus, verdarb mir dabei nur ein wenig den Magen; im zweiten Monat erlaubte ich mir noch eine Portion Suppe und morgens und abends noch je ein Glas Tee – und ich kann versichern, ich habe das ganze Jahr körperlich in bester Gesundheit und geistig – wie in einem Rausch und in fortwährender heimlicher Begeisterung gelebt. Um die Speisen tat es mir nicht nur nicht leid, sondern ich fühlte mich als Sieger einfach erhaben über alles und lebte in Seligkeit. Als das Jahr zu Ende war und ich mich überzeugt hatte, daß ich jedes Fasten aushalten konnte, begann ich wieder wie alle zu essen und speiste wieder mit ihnen zusammen. Aber diese einseitige Prüfung genügte mir nicht, und ich ersann eine neue. Außer dem Pensionsgeld, das man Nikolai Ssemjonowitsch für mich zahlte, erhielt ich noch in jedem Monat fünf Rubel als Taschengeld. Und so beschloß ich denn, von diesen fünf Rubeln nur die Hälfte auszugeben. Das war eine sehr schwere Prüfung, aber nach guten zwei Jahren hatte ich, als ich nach Petersburg reiste, außer dem Reisegeld noch siebzig Rubel in der Tasche – und die hatte ich mir ausschließlich von jenem Monatsgeld erspart. Das Ergebnis dieser beiden Versuche war für mich von ungeheurer Bedeutung: ich hatte mir die Gewißheit verschafft, daß ich stark genug zu wollen vermag, um mein Ziel zu erreichen, und das war, ich wiederhole es, die Hauptsache bei meiner ganzen Idee, alles übrige – sind Kleinigkeiten.

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