IV.

„Lisa, warum hast du mich am Ärmel gezupft?“ fragte ich.

„Sie ist schlecht, sie ist schlau, sie ist es nicht wert ... Sie stellt sich mit dir nur so, um dich auszuhorchen,“ flüsterte sie mir schnell und haßerfüllt zu. Ich hatte ihr Gesicht noch nie so gesehen.

„Lisa, ich bitte dich, wie kommst du darauf? Sie ist ein so prächtiges Mädchen!“

„Nun, dann bin ich die Schlechte.“

„Lisa, was hast du nur?“

„Ich bin sehr schlecht. Sie ist vielleicht der beste Mensch, und ich bin der schlechteste. Genug, laß das. Höre: Mama läßt dich um etwas bitten, ‚was sie selbst nicht zu sagen wagt‘, so drückte sie sich aus. Arkadi, Liebster! Höre auf mit dem Spielen, Lieber, ich flehe dich an ... Mama auch ...“

„Lisa, ich weiß es ja selbst, aber ... ich weiß, es ist eine erbärmliche Schlappheit, aber ... das sind ja nur Kleinigkeiten und nichts weiter! Sieh mal, ich bin in Schulden geraten wie ein Esel, und jetzt will ich nur gewinnen, um aus den Schulden herauszukommen, und ich kann gewinnen; denn bisher habe ich ganz ohne Berechnung gespielt, einfach drauflos wie ein Esel, jetzt aber werde ich um jeden Rubel zittern ... Ich müßte nicht ich sein, wenn ich verlieren sollte! Ich spiele nicht aus Leidenschaft, das Spiel ist für mich nicht die Hauptsache, sondern nur eine vorübergehende Nebensache, ich versichere dir! Ich bin viel zu stark, um nicht aufhören zu können, sobald ich will. Habe ich das Geld zurückgegeben, so gehöre ich ganz und gar wieder euch, und sage Mama, daß ich euch dann nie mehr verlassen werde ...“

„Diese dreihundert Rubel vorhin, was haben die dich gekostet!“

„Woher weißt du ...?“ fragte ich zusammenzuckend.

„Darja Onissimowna hat vorhin alles gehört ...“

Da versetzte mir Lisa plötzlich erschrocken einen Stoß und zog mich hinter eine Portiere, und wir befanden uns in der sogenannten „Laterne“, einem kleinen runden Erkerzimmer, dessen Wände fast nur aus Fenstern bestanden. Noch bevor ich richtig zur Besinnung kam, hörte ich eine bekannte Stimme, Sporenklirren und einen bekannten Schritt.

„Fürst Sserjosha,“ flüsterte ich.

„Er ...“ flüsterte sie.

„Warum bist du denn so erschrocken?“

„Nur so; ich will ihm um keinen Preis hier begegnen ...“

„Tiens,[41] läuft er dir nicht am Ende nach?“ fragte ich lachend. „Dann würde ich ihm aber den Standpunkt klarlegen! Wohin willst du?“

„Gehen wir; ich komme mit.“

„Aber hast du dich denn schon verabschiedet?“

„Ja; meine Pelzjacke ist im Vorzimmer ...“

Wir traten hinaus. Auf der Treppe kam mir plötzlich ein Gedanke:

„Weißt du, Lisa, er ist vielleicht gekommen, um ihr einen Heiratsantrag zu machen!“

„N–nein ... er wird ihr keinen Antrag machen ...“ sagte sie langsam und bestimmt, doch mit leiser Stimme.

„Du weißt nicht, Lisa, wir sind vorhin wohl aneinandergeraten – da man es dir doch schon gesagt hat, sollst du es meinetwegen wissen – aber, bei Gott, ich liebe ihn aufrichtig und wünsche ihm hier Erfolg ... Wir haben uns vorhin wieder ausgesöhnt. Wenn man glücklich ist, ist man so gut ... Sieh mal, er hat eine Menge guter Eigenschaften ... auch Menschlichkeit ... oder wenigstens gute Ansätze ... und in den Händen einer so charakterfesten und klugen Frau wie Anna Andrejewna würde sein Charakter sich ausgleichen, und er könnte glücklich werden. Schade, daß wir keine Zeit haben ... oder fahren wir ein Stück zusammen, ich könnte dir dann einiges mitteilen ...“

„Nein, fahre allein, ich habe einen anderen Weg. Kommst du zum Essen?“

„Ich komme, ich komme, wie ich versprochen habe. Höre, Lisa: ein gewisses Scheusal – kurz, ein ganz gemeines Subjekt, na, einfach ein gewisser Stebelkoff, wenn du ihn kennst, hat einen schrecklichen Einfluß auf seine Verhältnisse ... Wechsel und so was ... Na, mit einem Wort, er hat ihn ganz in der Hand und hat ihn so in die Enge getrieben, und der Fürst hat sich schon so vor ihm erniedrigen müssen, daß es einfach keinen anderen Ausweg mehr gibt – wenigstens können sie beide keinen anderen finden – als den einen: daß der Fürst Anna Andrejewna heiratet. So müßte man sie eigentlich warnen ... übrigens, nein, Unsinn, sie wird schon alles in Ordnung bringen. Aber was meinst du, wird sie ihm einen Korb geben?“

„Adieu, ich habe keine Zeit,“ brach Lisa das Gespräch kurz ab, und in ihrem mich flüchtig streifenden Blick sah ich plötzlich so viel Haß, daß ich erschrocken ausrief:

„Aber Lisa, Liebe, was hast du gegen mich?“

„Nicht gegen dich; gib nur das Spiel auf ...“

„Ach, wegen des Spiels, – ja, ich gebe es auf.“

„Du sagtest soeben: ‚wenn man glücklich ist‘, – so bist du wohl sehr glücklich heute?“

„Maßlos, Lisa, maßlos! Ach Gott, da ist es schon drei und sogar später ...! Leb wohl, Lisa! Lisotschka, Liebste, sag: kann man denn eine Frau auf sich warten lassen? Ist so was überhaupt möglich?“

„Meinst du bei einem Stelldichein?“ fragte sie, kaum lächelnd, es war ein seltsam totes, zitterndes Lächeln.

„Gib mir deine Hand, auf daß sie mir Glück bringe.“

„Glück? Meine Hand? Um keinen Preis geb’ ich sie dir!“

Und sie entfernte sich schnell. Und so ernst hatte sie das ausgerufen. Ich sprang in meinen Schlitten.

Ja, ja, eben dieses „Glück“ war ja damals die Hauptursache, weshalb ich wie ein blinder Maulwurf nichts außer mir selbst begriff und sah!

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