III.

Der war nun unverändert der alte: ebenso stutzerhaft gekleidet, ebenso selbstzufrieden, sah einem ebenso albern in die Augen, bildete sich ebenso ein, daß er jeden überliste, und war überhaupt sehr eingenommen von sich. Nur sein Blick war diesmal beim Eintreten etwas anders: es lag in ihm gleichsam eine Vorsicht und ein eigentümliches Spähen, als hätte er aus unseren Gesichtern etwas erraten wollen. Aber er beruhigte sich sofort, und das selbstbewußte Lächeln erschien wieder auf seinen Lippen, jenes unverschämt nachsichtige Lächeln, das mir so unsäglich widerlich war.

Ich wußte schon längst, daß er den Fürsten furchtbar quälte. Er war schon ein- oder zweimal während meiner Anwesenheit zum Fürsten gekommen. Ich ... ich hatte in diesem letzten Monat auch schon einmal mit ihm zu tun gehabt, aber diesmal wunderte ich mich ein wenig – aus einem besonderen Grunde – über sein Erscheinen beim Fürsten.

„Warten Sie!“ sagte der Fürst zu ihm und begann, ohne ihn überhaupt zu begrüßen, und indem er uns den Rücken zuwandte, aus seinem Schreibtisch Papiere und Rechnungen herauszunehmen. Was mich betrifft, so fühlte ich mich durch die letzten Worte des Fürsten entschieden beleidigt; seine Anspielung auf Werssiloffs Unehrenhaftigkeit war so deutlich gewesen (und so unbegreiflich), daß ich die Sache nicht ohne radikale Erklärung auf sich beruhen lassen konnte. Aber in Stebelkoffs Gegenwart war ein Zur-Rede-Stellen nicht möglich. Ich warf mich wieder in meine Diwanecke und schlug ein Buch auf, das auf dem Tisch lag.

„Was! Bjelinski, zweiter Teil! Das ist doch! – Sie wollen sich wohl bilden?“ rief ich dem Fürsten zu, aber es klang, glaube ich, recht gezwungen.

Er war sehr beschäftigt und beeilte sich sichtlich, aber auf meine Worte hin drehte er sich plötzlich nach mir um:

„Ich bitte Sie, lassen Sie das Buch liegen,“ sagte er scharf.

Das ging nun doch schon über die Grenze! – und das noch dazu in Stebelkoffs Gegenwart! Und Stebelkoff mußte natürlich gleich schlau und boshaft schmunzeln, und dazu deutete er mir heimlich mit dem Kopf und einem zwinkernden Auge auf den Fürsten. Ich kehrte diesem Dummkopf den Rücken.

„Ärgern Sie sich nicht, Fürst; ich trete Sie der Hauptperson ab und ziehe mich vorläufig zurück ...“

Ich hatte beschlossen, mich harmlos ungezwungen zu geben.

„Wie, was? – ich soll die Hauptperson sein?“ griff Stebelkoff sofort lebhaft auf und wies vergnügt mit dem Finger auf sich selbst.

„Ja, gerade Sie; Sie allein sind die Hauptperson, wie überhaupt der erste Mann in allem, und das wissen Sie ja selbst ganz genau!“

„Tja, nein, erlauben Sie mal! In der Welt gibt es immer noch einen zweiten Mann. Und dieser zweite Mann – der bin ich! Also der zweite. Es gibt einen ersten Mann, und es gibt einen zweiten Mann. Der erste Mann tut, und der zweite Mann nimmt. Folglich ist der zweite Mann der erste Mann, und der erste Mann ist der zweite Mann. Ist es so oder nicht?“

„Möglich, daß es so ist, nur verstehe ich Sie wie gewöhnlich nicht ganz.“

„Erlauben Sie! In Frankreich war die Revolution, und alle wurden geköpft. Da kam Napoleon und steckte alles ein. Die Revolution, das war sozusagen der erste Mann, und Napoleon war der zweite Mann. Tja, aber zum Schluß, da war die Sache umgekehrt, wie es sich erwies: da war Napoleon der erste Mann und die Revolution der zweite Mann. Ist es so oder nicht?“

Nebenbei bemerkt: daß er mir gerade mit der Französischen Revolution als Beispiel kam, darin erblickte ich wieder eine von seinen kleinen schlauen Anspielungen, die mich diesmal sehr amüsierte. Da er nun einmal irgendwie erfahren hatte, daß ich bei Dergatschoff gewesen war, so nahm er ohne weiteres an, ich sei Revolutionär, und verblieb in diesem Glauben, und jedesmal, wenn er mit mir zusammentraf, hielt er es für notwendig, von etwas Derartigem zu sprechen.

„Kommen Sie,“ sagte der Fürst.

Sie gingen zusammen ins Nebenzimmer. Ich blieb allein zurück und beschloß nun endgültig, die dreihundert Rubel dem Fürsten zurückzugeben, sobald Stebelkoff ihn verlassen hätte. Ich hatte dieses Geld furchtbar nötig, aber ich war trotzdem entschlossen, es nicht anzunehmen.

Im Nebenzimmer war es etwa zehn Minuten lang ganz still, auf einmal aber fingen sie laut zu sprechen an. Sie sprachen erregt und beide zugleich, und plötzlich schrie der Fürst Stebelkoff an, wie in maßloser Gereiztheit oder womöglich in wahrer Wut. Er konnte manchmal sehr heftig sein, und sogar ich hatte ihm schon manches verzeihen müssen. In dem Augenblick kam der Diener, um einen Besuch anzumelden; ich wies ihn ins Nebenzimmer, und kaum war er dort eingetreten, da wurde es still. Der Fürst trat schnell und mit besorgtem Gesichtsausdruck, aber doch lächelnd, aus dem Zimmer, der Diener verschwand, und nach einer halben Minute erschien der Besuch.

Es war das ein sehr wichtiger Gast, ein Herr mit Achselschnüren und anderen bedeutsamen militärischen Abzeichen, dabei erst etwa dreißig Jahre alt. Er war von vornehmem und gewissermaßen strengem Äußeren. Ich muß bemerken, daß Fürst Sserjosha, d. h. Fürst Ssergei Petrowitsch, von der höchsten Petersburger Gesellschaft doch immer noch nicht ganz aufgenommen worden war, trotz seines lebhaften Wunsches, von ihr aufgenommen zu werden (von diesem Wunsch wußte ich), und deshalb mußte dieser Besuch für ihn von besonderer Wichtigkeit sein. Ich wußte auch, daß es ihm erst kurz zuvor und nach großen Bemühungen seinerseits gelungen war, die Bekanntschaft mit diesem Aristokraten anzuknüpfen; er machte ihm nun seinen Gegenbesuch, doch zum Unglück des Fürsten kam er zu einer sehr ungelegenen Zeit. Ich sah, mit was für einer Qual und mit welch einem gleichsam verlorenen Blick der Fürst sich einen Moment nach Stebelkoff umsah; aber Stebelkoff hielt den Blick aus, als wäre er der anständigste Mensch, und er dachte nicht daran, sich unbemerkt zurückzuziehen, sondern setzte sich frech und wohlgemut auf den Diwan und begann mit der Hand seine Haare aufzuwühlen, wahrscheinlich zum Zeichen seiner Unabhängigkeit. Ja, er setzte sogar eine gewisse wichtige Miene auf, – mit einem Wort, er war entschieden unmöglich. Was mich betrifft, so verstand ich natürlich auch damals schon, mich zu benehmen, und hätte selbstverständlich keinen durch die Bekanntschaft mit mir kompromittiert; aber wie groß war meine Verwunderung, als ich denselben verlorenen, hilflosen und bösen Blick des Fürsten auch mich streifen sah: er schämte sich also nicht nur Stebelkoffs, sondern auch meiner, und stellte mich somit auf ein und dieselbe Stufe mit Stebelkoff. Dieser Gedanke empörte mich; ich setzte mich deshalb noch ungenierter auf meinen Diwan und blätterte in meinem Buch mit einer Miene, als gingen sie mich überhaupt nichts an. Stebelkoff dagegen machte große Augen, beugte sich vor und hörte ihrem Gespräch aufmerksam zu, wahrscheinlich im Glauben, das wäre höflich und liebenswürdig zugleich. Der Besuch warf ab und zu einen Blick auf Stebelkoff; und auf mich übrigens auch.

Sie sprachen von Familienneuigkeiten; dieser Herr hatte einmal die Mutter des Fürsten gekannt, die aus einer alten vornehmen Familie stammte. Soviel ich beurteilen konnte, war dieser Herr, trotz der Freundlichkeit und scheinbaren Offenherzigkeit seines Tones, sehr pedantisch und von sich in solchem Maße eingenommen, daß er mit seiner Visite wohl jedem Sterblichen eine große Ehre zu erweisen wähnte. Wäre der Fürst allein gewesen, das heißt, ohne uns, so hätte er sich, davon bin ich überzeugt, viel sicherer und gewandter gezeigt; so aber sprach eine gewisse Unsicherheit und Nervosität aus seinem Lächeln, das vielleicht etwas zu liebenswürdig war, und außerdem war er von einer sonderbaren Zerstreutheit.

Sie saßen noch keine fünf Minuten, als der Diener wieder einen Besuch meldete, und wie zum Verhängnis war es wieder ein kompromittierender Bekannter des Fürsten. Diesen kannte ich gut, d. h. ich hatte schon viel von ihm gehört, ich selbst aber war ihm völlig unbekannt. Es war das ein noch sehr junger Mann, übrigens doch schon dreiundzwanzigjährig, vorzüglich angezogen, aus guter Familie und ein sehr hübscher Junge, aber leider – gehörte er zur schlechten Gesellschaft. Vor einem Jahr war er noch Offizier in einem der vornehmsten Gardekavallerie-Regimenter gewesen, hatte aber dann aus zwingenden Gründen seinen Abschied nehmen müssen, und diese Gründe waren allen bekannt. Seine Verwandten mußten sogar in den Zeitungen bekanntmachen, daß sie für seine Schulden nicht hafteten, er aber führte sein Verschwenderleben unbehindert fort, verschaffte sich Geld zu zehn Prozent monatlich, spielte fürchterlich, wo er nur spielen konnte, und ruinierte sich für eine bekannte kleine Französin.

Vor einer Woche hatte er wieder Glück gehabt und an einem einzigen Abend an die zwölftausend Rubel gewonnen, so war er jetzt wieder obenauf. Mit dem Fürsten stand er auf freundschaftlichem Fuß: sie spielten oft gemeinschaftlich; aber der Fürst zuckte zusammen, als er ihn erblickte, ich sah das von meinem Platze aus. Dieser junge Mann benahm sich überall so, als wäre er bei sich zu Hause, sprach laut und lustig, sprach alles aus, was ihm in den Kopf kam, genierte sich nie und wäre natürlich auch im Traum nicht darauf verfallen, daß unser Fürst sich vor dem hohen Gast seiner übrigen Bekannten schämte.

Er trat ein, unterbrach ihre Unterhaltung und begann sogleich, noch bevor er sich gesetzt hatte, von dem gestrigen Spielabend zu erzählen.

„Sie waren, glaub ich, gleichfalls da,“ wandte er sich schon nach dem dritten Satz an den würdevollen Besuch, den er augenscheinlich für einen Herrn aus ihrem Spielerkreise hielt, aber er bemerkte sofort seinen Irrtum und rief: „Ach, entschuldigen Sie, ich hielt Sie im Augenblick für einen der Herren von gestern!“

„Alexei Wladimirowitsch Darsan, – Ippolit Alexandrowitsch Naschtschokin,“ beeilte sich der Fürst vorzustellen. Diesen jungen Mann konnte man immerhin vorstellen: er entstammte einer bekannten, vornehmen Familie; uns aber hatte er nicht vorgestellt, und wir saßen immer noch auf unseren Plätzen und rührten uns nicht. Ich wollte nicht einmal den Kopf zu ihnen wenden; Stebelkoff aber hatte seit dem Erscheinen des jungen Mannes fröhlich zu lächeln und zu schmunzeln angefangen und sah ganz danach aus, als wollte er sich nun gleichfalls am Gespräch beteiligen. Mich begann das alles schließlich zu amüsieren.

„Ich habe Sie im vorigen Jahr oft bei der Gräfin Werigin gesehen,“ sagte Darsan.

„Ja, ich entsinne mich Ihrer, aber Sie waren damals, wenn ich mich nicht sehr irre, Offizier,“ erwiderte Naschtschokin freundlich.

„Ja, ich war Offizier, aber dank ... Ah, da ist ja Stebelkoff? Wie kommt denn der hierher? Ja, schauen Sie mal, eben dank diesen gerissenen Leutchen bin ich nicht mehr Offizier,“ – und er wies ungeniert und lachend auf Stebelkoff.

Stebelkoff lachte sogleich mit und sogar sehr vergnügt – er schien den Hinweis auf sich für eine Liebenswürdigkeit zu halten. Der Fürst wurde rot und wandte sich schnell mit irgendeiner Frage an Naschtschokin; Darsan trat zu Stebelkoff und begann mit ihm sehr lebhaft, aber doch flüsternd zu sprechen.

„Wenn ich mich nicht irre, sind Sie im Auslande mit Katerina Nikolajewna Achmakoff sehr gut bekannt gewesen?“ fragte Naschtschokin den Fürsten.

„Oh, ja, ich habe sie gekannt ...“

„Es scheint, daß es bald eine Neuigkeit geben wird. Man spricht davon, daß sie den Baron Bjoring heiraten werde.“

„Ja, das ist wahr!“ rief Darsan herüber.

„Sie ... wissen das genau?“ fragte der Fürst Naschtschokin mit sichtlicher Erregung, und in seiner Frage lag gespannte Erwartung.

„Ich habe so gehört; aber ich glaube, es wird schon allgemein davon gesprochen; genau weiß ich es allerdings nicht.“

„Oh, doch, das steht fest!“ sagte Darsan und trat wieder zu ihnen. „Dubassoff sagte es mir gestern; er ist immer der erste, der solche Neuigkeiten weiß. Aber auch Sie, Fürst, müßten das eigentlich schon wissen.“

Naschtschokin ließ Darsan zu Ende sprechen und wandte sich dann wieder an den Fürsten:

„Sie hat sich in der letzten Zeit selten in der Gesellschaft sehen lassen.“

„Im letzten Monat war ihr Vater krank,“ bemerkte der Fürst eigentümlich trocken.

„Aber sie ist doch, glaub ich, eine Dame mit Erlebnissen?“ platzte Darsan unbedacht heraus.

Ich hob den Kopf und richtete mich auf.

„Ich habe die Ehre, Katerina Nikolajewna persönlich zu kennen und halte es für meine Pflicht, zu versichern, daß alle skandalösen Gerüchte nichts als Lüge und schändlicher Klatsch sind ... und von denen erfunden, die ... ihr den Hof gemacht, jedoch nichts erreicht haben.“

Nachdem ich so dumm abgebrochen hatte, sah ich sie alle mit glühendem Gesicht und gerade aufgerichtet immer noch an. Alle hatten sich nach mir umgewandt – da begann Stebelkoff zu kichern, und auch der anfangs verdutzte Darsan lächelte auf einmal.

„Arkadi Makarowitsch Dolgoruki,“ stellte der Fürst mich vor.

„Ach, glauben Sie mir, Fürst,“ wandte sich Darsan unbefangen und gutmütig an mich, „das war ja gar nicht meine Meinung; wenn es solche Gerüchte gibt, so habe nicht ich sie verbreitet.“

„Oh, ich sagte es ja auch gar nicht zu Ihnen!“ versetzte ich schnell, aber schon lachte Stebelkoff unverzeihlich, und zwar, wie sich später herausstellte, nur darüber, daß Darsan mich für einen Fürsten Dolgoruki gehalten hatte. Mein verwünschter Name mußte mir auch hier wieder alles verpfuschen! Selbst jetzt erröte ich noch bei dem Gedanken, daß ich damals, natürlich aus Schamgefühl, den dummen Irrtum nicht aufzuklären wagte und ihm nicht sagte, daß ich einfach Dolgoruki hieße. Ich habe das damals zum erstenmal in meinem Leben unterlassen. Darsan sah verwundert bald mich, bald den lachenden Stebelkoff an.

„Ach, richtig! Wer war denn dieses hübsche Mädel, dem ich vorhin auf Ihrer Treppe begegnet bin, schlank, blond?“ fragte er auf einmal den Fürsten.

„Wirklich, ich weiß nicht ... wie soll ich es wissen ...“ Der Fürst war plötzlich rot geworden.

„Wer denn sonst?“ lachte Darsan.

„Übrigens, das ... das könnte ...“ begann der Fürst eigentümlich unsicher und stockend.

„Das ... Tja, das war doch sein Schwesterchen, eben Lisaweta Makarowna!“ sagte plötzlich Stebelkoff, mit dem Finger auf mich weisend. „Ich bin ihr ja vorhin auch begegnet ...“

„Ach, ja, in der Tat!“ fiel ihm der Fürst ins Wort, und sein Gesicht sah plötzlich ernst und streng aus. „Das wird allerdings Lisaweta Makarowna gewesen sein. Sie ist sehr befreundet mit Anna Fjodorowna Stolbejeff, bei der ich hier wohne. Wahrscheinlich hat sie heute Darja Onissimowna besucht, der Anna Fjodorowna für die Zeit ihrer Abwesenheit die ganze Führung des Haushalts anvertraut hat ...“

Und so war es auch. Diese Darja Onissimowna war die Mutter der armen Olä und war von Tatjana Pawlowna schließlich bei der Stolbejeff untergebracht worden. Ich wußte, daß Lisa die Stolbejeff früher besucht hatte und nun auch manchmal bei der armen Darja Onissimowna gewesen war, die wir alle sehr liebgewonnen hatten; aber in diesem unseligen Augenblick, nach dieser übrigens sehr sachlichen Erklärung des Fürsten und diesem dummen Ausfall Stebelkoffs, oder vielleicht auch nur deshalb, weil man mich mit dem Titel „Fürst“ angeredet hatte – oder war es vielleicht alles zusammen –, kurz, ich wurde auf einmal feuerrot. Zum Glück erhob sich gerade Naschtschokin, um aufzubrechen; er reichte auch Darsan die Hand. In dem Augenblick, wo Stebelkoff und ich allein blieben – Darsan stand mit dem Rücken zu uns in der Tür – begann Stebelkoff mir sofort lebhaft zuzuzwinkern und mit dem Kopf auf Darsan zu weisen; ich zeigte Stebelkoff die Faust.

Eine Minute später brach auch Darsan auf, nachdem er mit dem Fürsten noch die Verabredung getroffen hatte, am nächsten Tage an einem bestimmten Ort zusammenzutreffen – natürlich in einem Lokal, wo gespielt wurde. Beim Hinausgehen rief er noch Stebelkoff irgend etwas zu und machte vor mir eine leichte Verbeugung. Kaum war er hinausgegangen, da sprang Stebelkoff auf, blieb mitten im Zimmer stehen und hob den Finger vor sich in die Höhe:

„Dieses Knäblein hat in der vorigen Woche folgenden Streich gespielt: hat einen Wechsel gegeben, einen Wechsel mit gefälschter Unterschrift, hat den Namen Awerianoff selbst geschrieben! Und der Wechsel existiert nun noch in dieser Form und ist noch nicht eingelöst! Kriminalsache! Achttausend Rubel!“

„Und dieser Wechsel ist bestimmt in Ihren Händen!“ Ich sah ihn mit wilder Wut an.

„Ich habe eine Bank, ich habe einen Mont de piété,[40] keinen Wechsel. Haben Sie schon gehört, was das ist, der Mont de piété in Paris? Das Brot und die Vorsehung der Armen! Tja! Wie gesagt, einen Mont de piété ...“

Der Fürst unterbrach ihn grob und zornig:

„Was wollen Sie hier noch? Was hatten Sie hier zu sitzen?“

„Tja ...“ Stebelkoffs Augen blinzelten, „aber das? Geht das denn nicht?“

„Nein, nein, nein!“ schrie ihn der Fürst an und stampfte mit dem Fuß. „Ich habe Ihnen doch gesagt ...!“

„Tja, nun, wenn es so ist ... dann ist es so. Dann ist es eben anders ...“

Er drehte sich hastig um und ging mit plötzlich gesenktem Kopf und krummem Rücken schnell hinaus. Als er schon in der Tür war, rief ihm der Fürst noch zornig nach:

„Und damit Sie es wissen, mein Herr, ich habe nicht die geringste Furcht vor Ihnen!“

Er war sehr gereizt, wollte sich setzen, warf aber einen Blick auf mich und setzte sich nicht. Sein Blick hatte gleichsam auch mir gesagt: „Und auch du, was hast du hier noch zu suchen?“

„Ich, Fürst ...“ wollte ich anfangen, aber er fiel mir ins Wort:

„Ich habe wirklich keine Zeit, Arkadi Makarowitsch, ich muß sogleich ausfahren.“

„Nur einen Augenblick, Fürst, es ist etwas für mich sehr Wichtiges; und vor allem, bitte, nehmen Sie Ihre dreihundert Rubel zurück.“

„Was soll das nun wieder bedeuten?“

Er war auf und ab gegangen, jetzt blieb er stehen.

„Das soll bedeuten, daß ich nach allem, was vorgefallen ist ... und was Sie von Werssiloff gesagt haben – daß er unehrenhaft wäre –, und schließlich Ihr Ton die ganze Zeit heute ... Mit einem Wort, ich kann es wirklich nicht annehmen.“

„Sie haben es aber doch schon einen ganzen Monat annehmen können.“

Er setzte sich plötzlich hin. Ich stand am Tisch und blätterte mit der einen Hand in dem Buch von Bjelinski, in der anderen hielt ich meinen Hut.

„Es waren andere Gefühle, Fürst ... Und schließlich, ich hätte es nie bis zu dieser Summe kommen lassen ... Aber dieses Spiel ... Mit einem Wort, ich kann nicht!“

„Sie haben sich heute einfach durch nichts Besonderes ausgezeichnet, und deshalb sind Sie wütend; ich möchte Sie bitten, das Buch liegen zu lassen.“

„Was heißt das: ‚sich durch nichts Großartiges ausgezeichnet‘? Und dann, Sie haben mich vor Ihren Gästen fast auf eine Stufe mit Stebelkoff gestellt.“

„Ah, das ist also des Rätsels Lösung!“ lächelte er gehässig. „Und außerdem wurden Sie verlegen, weil Darsan Sie für einen Fürsten hielt.“

Er lachte böse. Ich fuhr auf.

„Ich verstehe Sie nicht ... Ihren Fürstentitel würde ich auch umsonst nicht annehmen!“

„Ich kenne Ihren Charakter. Wie lächerlich Sie sich als Verteidiger der Achmakoff aufspielten ... Lassen Sie das Buch liegen!“

„Was soll denn das heißen?“ Auch ich wurde wütend.

„Lassen Sie das Buch liegen!“ brüllte er mich auf einmal an und richtete sich wild in seinem Sessel auf, fast wie im Begriff, sich auf mich zu stürzen.

„Das geht denn doch über alle Grenzen,“ sagte ich und ging schnell aus dem Zimmer. Aber noch hatte ich den Saal nicht ganz durchschritten, als er mich schon von der Tür seines Kabinetts zurückrief:

„Arkadi Makarowitsch, kommen Sie zurück! Kommen Sie zurück! Zu–rück, sage ich! Zum ...!“

Ich achtete nicht darauf und ging weiter. Da holte er mich mit schnellen Schritten ein, ergriff mich am Arm und zog mich zurück ins Kabinett. Ich widersetzte mich nicht.

„Nehmen Sie!“ sagte er, bleich vor Erregung, und hielt mir die dreihundert Rubel hin, die ich auf den Tisch gelegt hatte. „Sie müssen sie nehmen, unbedingt ... sonst sind wir ... Sie müssen! Unbedingt!“

„Fürst, wie kann ich denn?“

„Nun, ich werde Sie um Verzeihung bitten, wollen Sie? Also, verzeihen Sie mir ...!“

„Fürst, ich habe Sie immer geliebt, und wenn Sie mich auch ...“

„Ja, ich auch: nehmen Sie ...“

Ich nahm das Geld. Seine Lippen bebten.

„Ich verstehe ja, Fürst, daß dieser Schuft Sie in Wut versetzt hat ... aber ich nehme es nur dann, Fürst, wenn wir uns küssen, wie nach unseren früheren kleinen Zerwürfnissen ...“

Ich zitterte, als ich das sagte.

„Was für Zärtlichkeiten!“ murmelte der Fürst mit einem verwirrten Lächeln, beugte sich aber herab und küßte mich.

Ich fuhr zusammen: in seinem Gesicht sah ich, während er mich küßte, entschieden einen Ausdruck des Ekels.

„Hat er Ihnen wenigstens Geld gebracht?“ fragte ich.

„Ach, das ist egal.“

„Ich frage nur Ihretwegen, ich ...“

„Ja, ja, er hat mir welches gebracht ...“

„Fürst, wir waren Freunde ... und schließlich, Werssiloff ...“

„Ja, ja, schon gut!“

„Nein, hören Sie, ich weiß wirklich nicht, diese dreihundert ...“

Ich hielt sie in der Hand.

„Nehmen Sie sie, so nehmen Sie sie doch!“ drängte er und lächelte wieder, aber in seinem Lächeln war etwas Böses.

Ich nahm sie.

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