So waren wir denn allein, meine Mutter und ich. Bald kamen gute Bekannte mit ihrem Rat zu uns: „Ihnen ist nur ein Sohn verblieben,“ sagten sie zu meiner Mutter, „arm sind Sie nicht, Sie haben ein gewisses Vermögen, warum sollten Sie nicht Ihren Sohn nach Petersburg schicken, damit er, da er aus guter Familie ist, dort seine Karriere mache?“ Und sie beredeten meine Mutter, mich nach Petersburg in die Kadettenschule zu bringen, damit ich später in die Kaiserliche Garde eintreten könnte. Meine Mutter konnte sich zuerst nicht recht dazu entschließen: wie sollte sie sich von dem letzten und einzigen Sohne trennen? Indessen entschloß sie sich endlich doch dazu, wenn auch unter vielen Tränen, aber sie glaubte dadurch mein Glück zu fördern. Sie brachte mich nach Petersburg, und ich wurde in die Kadettenschule aufgenommen. Ich sollte meine Mutter nicht mehr wiedersehen, denn nach drei Jahren starb sie; die ganzen drei Jahre hat sie nur um ihre beiden Söhne getrauert. Aus meinem Elternhaus habe ich die allerteuersten Erinnerungen, denn keine Erinnerung ist dem Menschen so teuer, als die der ersten Kindheit in seinem Elternhause, und das ist fast immer so, wenn in der Familie nur etwas Liebe und Einigkeit herrscht. Ja, selbst aus der schrecklichsten Familie kann man die teuersten Erinnerungen bewahren, wenn nur die Seele selbst fähig ist, das Wertvolle zu finden. Zu den Erinnerungen aus meinem Vaterhause gehören auch die Erinnerungen an die biblischen Geschichten, die ich, obwohl ich noch ein kleines Kind war, sehr zu hören liebte. Ich besaß damals eine Biblische Geschichte mit schönen Bildern und mit dem Titel: „Hundertundvier biblische Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament“. Und aus diesem Buch lernte ich das Lesen. Und noch jetzt steht sie hier auf meinem Bücherbrett, und ich bewahre sie als teures Andenken auf. Aber noch bevor ich das Lesen erlernt hatte, noch vor meinem achten Jahre, hatte ich ein geistiges Erlebnis. Meine Mutter brachte mich allein (ich weiß nicht, wo mein Bruder damals war) am Montag der Karwoche zum Abendmahl in die Kirche. Der Tag war hell, und ich erinnere mich noch jetzt, als ob ich es vor mir sähe, wie der Weihrauch aus dem Räucherfaß leise aufstieg, von oben aber aus den schmalen Fenstern der Kuppel über uns das Licht Gottes sich ergoß, und wie der emporsteigende Weihrauch sich mit den Sonnenstrahlen vermischte. Eine heilige Empfindung durchschauerte mich, und zum erstenmal nahm ich bewußt das Wort Gottes in mich auf. Ein Knabe mit einem großen Buche trat in die Mitte der Kirche vor, so groß war das Buch, daß er es, wie mir schien, nur mit Mühe tragen konnte. Er legte es aufs Pult nieder, schlug es auf und fing zu lesen an, und plötzlich begriff ich etwas davon, und ich begriff zum erstenmal in meinem Leben, daß in der Kirche gelesen wurde. „Es war ein Mann im Lande Uz, der war sehr gottesfürchtig, und er besaß großen Reichtum, viele Kamele und Schafe, und seine Kinder lebten in Freuden, und er liebte sie sehr und betete zu Gott für sie, auf daß sie nicht sündigten in ihrem Frohsinn. Da trat eines Tages zusammen mit den Engeln auch der Böse vor den Thron des Herrn, und er sagte zum Herrn, er habe alles Land durchzogen, über und unter der Erde. Und Gott der Herr fragte ihn: Hast du auch meinen Knecht Hiob gesehen? Und Gott rühmte sich vor dem Satanas seines großen treuen Dieners. Da lachte der Böse über die Worte Gottes und sprach: „Übergib ihn mir, und du wirst sehen, daß dein treuer Knecht murren und deinen Namen verfluchen wird.“ Und da übergab Gott seinen Gerechten, seinen geliebten treuen Diener dem Teufel, und der Teufel ging hin und vernichtete seine Kinder, seine Herden und seinen ganzen Reichtum, wie mit einem Donnerschlag Gottes. Da zerriß Hiob seine Kleider und warf sich hin zur Erde und rief: „Nackt bin ich hervorgegangen aus meiner Mutter Leibe, nackt fahre ich wieder dahin, der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobt von nun an bis in alle Ewigkeit!“
Meine Väter und Lehrer, verzeiht mir meine Tränen, denn meine ganze Kindheit steht wieder auf in mir, und ich atme wieder, wie ich damals mit meiner kleinen Kinderbrust atmete, und ich fühle wie damals Erstaunen, Rührung und Freude. Und die Kamele beschäftigten meine Phantasie, und der Satan, der so zu Gott sprach, und Gott, der seinen Knecht dem Unglück überlieferte, und der Knecht, der da ausrief: „Nackt hast Du mich geschaffen, nackt sterbe ich, Dein Name, o Herr, sei gelobt!“ und darauf der leise und süße Kirchengesang: „Erhöre mein Gebet,“ und der aufsteigende Thymianrauch aus dem Weihrauchfasse des Priesters, und dann das Gebet auf den Knien. Seit der Zeit – und noch gestern las ich sie – kann ich diese heilige Erzählung nicht ohne Tränen lesen. Wieviel Großes, Geheimnisvolles und Unbegreifliches liegt darin! Später hörte ich stolze Worte von Spöttern und Lästerern darüber: „Wie konnte Gott seinen Lieblingsknecht dem Teufel ausliefern, ihm seine Kinder nehmen, ihn mit Krankheit und Wunden schlagen, so daß er mit Scherben den Eiter aus seinen Wunden und Beulen herausbringen mußte, und warum und wozu? Um sich etwa vor dem Satan rühmen zu können: „Sieh, was er um meinetwillen leiden kann!“ Aber das Große in ihm bleibt uns ein Geheimnis, das vergängliche Irdische und die ewige Wahrheit kreuzen sich hier. Die ewige Gerechtigkeit steht über dem irdischen Recht. Hier ist es der Schöpfer, der in den ersten Tagen seiner Schöpfung nach jedem Tagewerk sagt: „Es ist gut, was ich geschaffen habe“ der Schöpfer, der Hiob sieht, und dieses sein Geschöpf lobt. Und Hiob, Gott lobend, dient nicht nur ihm, sondern er dient auch der ganzen Schöpfung Gottes, von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahrhundert zu Jahrhundert, denn das war doch seine Bestimmung. Mein Gott, was für ein Buch das ist, und welche Weisheit es enthält! Welche Wunder enthält die Heilige Schrift, und welche Kraft ist in ihr den Menschen gegeben! Welche Auslegung der Welt und des Menschen und der menschlichen Charaktere, und alles ist gezeigt und erwiesen bis in die Ewigkeit aller Zeiten. Und welch gelöste und offenbarte Geheimnisse: und Gott richtet Hiob wieder auf, schenkte ihm wieder Reichtum, und es vergehen viele Jahre, und er hat wieder neue Kinder, andere Kinder, die er liebt. Mein Gott: „Wie konnte er,“ sollte man meinen, „diese neuen lieben und die anderen, die ersten, vergessen? Wie konnte er, wenn er an sie dachte, vollkommen glücklich sein mit den neuen, wie lieb er diese auch haben mochte?“ Und doch ist es möglich, ist es möglich: der alte Kummer – das große Geheimnis des Menschenlebens – verwandelt sich allmählich in eine stille, freudige Rührung; an Stelle des jungen, kochenden Blutes tritt die Ruhe demütigen klaren Alters. Ich preise den täglichen Aufgang der Sonne, und mein Herz jubelt ihm wie früher zu, und doch liebe ich jetzt mehr ihren Untergang, ihre langen schrägen Strahlen mit ihren stillen, versöhnenden, rührenden Erinnerungen, mit den lieben Bildern aus meinem ganzen langen und gesegneten Leben – und über alledem schwebt die friedenspendende, allvergebende Gerechtigkeit Gottes! Mein Leben geht zu Ende, ich weiß und fühle es, doch fühle ich auch mit jedem sich neigenden Tage, wie mein Leben dieser Erde mit einem neuen, unendlichen, unbekannten, aber schon neu heraufkommenden Leben zusammenfließt, dessen Vorgefühl meine zitternde, bebende Seele mit Entzücken erfüllt. Mein Geist leuchtet, und mein Herz weint vor Freude ... Meine Freunde und Lehrer, hörte ich nicht des öfteren und jetzt in der letzten Zeit mehr denn früher, wie bei uns die Priester des Herrn, und besonders die vom Lande, sich überall mit Tränen über ihren geringen Unterhalt und ihre geringe Stellung beklagen; gerade heraus sagen sie (ich habe es selbst gelesen), daß sie nicht mehr imstande wären, dem Volke die Schrift auszulegen, denn ihr Unterhalt wäre so gering, und wenn die Lutheraner oder andere Ketzer ihnen die Herde abtrünnig machten, so möchten sie es nur tun, sie hätten keine Kraft mehr, sie aufzuhalten. „Herr!“ denke ich, „möge Gott ihnen doch ein besseres Gehalt geben“ (denn gerecht sind ihre Klagen), aber in Wahrheit sage ich: Wenn jemand daran schuld ist, so sind zur Hälfte wir es selbst! Denn möge er recht haben, daß er dazu keine Zeit mehr finden kann, da er arbeiten muß und ihn Notdurft peinigt – doch nicht die ganze Zeit braucht er zu arbeiten, eine Stunde in der Woche wird er Zeit finden, um an Gott zu denken. Und doch nicht das ganze runde Jahr über hat er zu arbeiten! Möge er einmal in der Woche bei sich die Kinder zur Abendstunde versammeln – und wenn das die Eltern hören, so kommen auch die Eltern mit. Auch keine besonderen Gebäude hat man dazu nötig, nein, einfach in deine Stube nimm sie; fürchte dich nicht, sie werden deine Stube nicht verunreinigen, nur auf eine Stunde versammeln sie sich ja in ihr. Schlage die Heilige Schrift auf und lies sie ihnen vor, ohne hohe Worte und ohne Hochmut und Überhebung, bescheiden und von Herzen kommend, und freue dich, daß du liest und sie dich hören und verstehen, weil du selbst die Worte lieb hast. Unterbrich dich nur selten, nur um dem einfachen Volk ein Wort, das ihm unverständlich ist, zu erklären; beunruhige dich nicht, sie werden alles verstehen, alles versteht das rechtgläubige Herz! Lies ihnen von Abraham und Sarah, von Isaak und Rebekka; davon, wie Jakob zu Laban ging und im Traume Gott sah und mit ihm kämpfte. Das wird auf den einfachen, gottesfürchtigen Mann einen tiefen Eindruck machen. Lies ihnen vor, und besonders den Kindern, wie die Brüder ihren leiblichen Bruder, den lieben Knaben Joseph, den späteren großen Seher und Propheten, in die Sklaverei verkauften, dem Vater aber sagten sie, daß die Tiere seinen Sohn zerrissen hätten, und zeigten ihm seine mit Blut befleckte Kleidung. Lies ihnen vor, wie darauf die Brüder nach Ägypten fuhren, um Brot einzukaufen, und Joseph, der große Schatzmeister, von ihnen nicht erkannt, sie quälte, beschuldigte und den Bruder Benjamin als Pfand zurückbehielt: „Ich liebe euch, und liebend quäle ich euch.“ Denn sein ganzes Leben hatte er ununterbrochen daran gedacht, wie sie ihn dort in der heißen Wüste beim Brunnen den Händlern verkauft hatten, wie er die Hände gerungen, geweint und die Brüder gebeten hatte, ihn doch nicht als Sklaven in ein fremdes Land zu verkaufen. Und siehe da, wie er sie nach so vielen Jahren wiedersieht, liebt er sie von neuem grenzenlos, und er quält sie in seiner Liebe. Wie er schließlich die Qualen seines Herzens nicht mehr ertragen kann, hinausgeht, sich auf sein Lager wirft und in Tränen ausbricht; nachdem er aber sein Gesicht gekühlt hat, tritt er strahlend und reich gekleidet wieder zu ihnen und ruft ihnen zu: „Brüder, ich bin Joseph, euer Bruder!“ Und lies weiter, wie der greise Jakob sich freute, als er erfuhr, daß sein lieber Knabe noch lebe und in Ägypten sei, wie er sogar sein Vaterland verließ und auf fremder Erde starb und bei seinem Tode das große Wort aussprach, das während seines ganzen Lebens in seinem Herzen geruht hatte: daß aus seinem Stamme, aus dem Stamme Juda, der Erlöser und der Friedensfürst der Welt kommen werde! Meine Väter und Lehrer, verzeiht mir und ärgert euch nicht, daß ich darüber wie ein Kind rede, was ihr schon lange wißt, und was ihr selbst hundertmal vollkommener zu lehren wüßtet. Nur aus Begeisterung rede ich dieses, und vergebt mir meine Tränen, denn ich liebe dieses Buch! So möge auch er, der Priester des Herrn, weinen, und er wird sehen, wie die Herzen der Zuhörer ihm darauf antworten werden. Es genügt ein winziges Samenkorn, das er in die Seele des einfachen Mannes legt, und es wird nicht sterben, sondern in seiner Seele durch das ganze Leben hindurch fortwirken; es wird wie ein heller Punkt, wie eine große Erinnerung inmitten der Finsternis und des Abschaumes seiner Sünden stehen bleiben. Und es ist nicht nötig, nicht nötig, alles zu erläutern und zu erklären; je einfacher ihr es sagt, desto besser versteht er es. Oder glaubt ihr, daß der einfache Mann etwa nichts davon verstehen könne? Versucht es doch, lest ihm die rührende und ergreifende Geschichte von der schönen Esther oder die wunderbare Erzählung vom Propheten Jonas im Bauche des Walfisches vor. Vergeßt auch nicht die Gleichnisse des Herrn, vorzugsweise nach dem Evangelium Lucas (so habe ich es gemacht) und dann aus der Apostelgeschichte die Bekehrung Sauls (gerade das, durchaus das). Und schließlich aus den heiligen Legenden, wenn auch nur die Lebensgeschichte Alexeis des Gottesknechtes und der Ägyptischen Mutter Maria, die groß ist unter den Großen, die freudige große Dulderin, Gottseherin und Kreuzesträgerin – und ihr werdet sein Herz mit diesen einfachen Erzählungen durchdringen. Nur auf eine Stunde in der Woche, trotz des geringen Gehaltes, nur auf eine kleine Stunde ruft sie zu euch. Und jeder, der so tut, wird selbst erfahren, daß unser Volk gut und dankbar ist und ihm hundertfältig danken wird; der Sorgfalt und der gütigen Worte des Priesters wird es gedenken und aus Dankbarkeit wird es ihm freiwillig auf seinem Acker Hilfe leisten, und auch im Hause wird es ihm helfen und wird ihm mehr Achtung zollen als früher – und siehe, da wäre ihm denn auch schon sein Gehalt erhöht. Die Sache ist so schlicht und einfach, daß man sich manchmal geradezu scheut, sie auszusprechen, denn die Leute lachen darüber, und dennoch ist sie so wahr! Wer an Gott nicht glaubt, glaubt auch nicht an ein Gottesvolk. Wer aber an ein Gottesvolk glaubt, der wird auch sein Allerheiligstes erschauen, auch wenn er bis dahin nicht daran geglaubt hat. Nur das Volk und seine aufsteigende geistige Kraft kann die Atheisten, die sich von der heimatlichen Erde losgelöst haben, wieder zu ihr zurückführen. Und was ist das Wort Christi ohne Beispiel? Ohne Gottes Wort geht das Volk unter, denn seine Seele dürstet nach dem Wort und nach der Empfängnis alles Schönen. In meiner Jugend, es ist schon lange her, vor vierzig Jahren, durchwanderte ich mit dem Pater Anfim ganz Rußland, um fürs Kloster Almosen zu sammeln, und wir nächtigten mit Fischern zusammen am Ufer eines großen schiffbaren Flusses. Zu uns setzte sich ein wohlgestalteter Jüngling, dem Aussehen nach ein Bauer von achtzehn Jahren; er hatte sich beeilt, an Ort und Stelle zu sein, um am nächsten Morgen die Kaufmannsbarke stromhin an der Leine zu schleppen. Ich sah, daß er mit guten, klaren Augen in die Welt schaute. Die Nacht war hell, ruhig und warm, eine Julinacht; vom breiten Strome erhob sich der Nebel und erfrischte uns; von Zeit zu Zeit plätscherte ein Fisch, die Vögel waren verstummt, alles war ruhig und erhaben, als betete die Natur zu Gott. Nur wir beide, dieser Jüngling und ich, schliefen nicht, sondern sprachen von der Schönheit und dem großen Geheimnis dieser Gotteswelt. Jedes Hälmchen, jeder Käfer, die Ameise und die goldene Biene, alle kennen sie zum Verwundern ihren Weg, ohne Vernunft zu besitzen, und zeugen von dem Geheimnis Gottes, indem sie es ununterbrochen selbst erfüllen. Auch das Herz des lieben Jünglings war entzündet. Er vertraute mir an, daß er den Wald liebe und die Vögel des Waldes. Er war Vogelfänger, kannte ihren Ruf und verstand es selbst, sie anzulocken. „Besseres als den Wald kenne ich nicht,“ sagte er, „ja, und alles ist gut.“ – „Wahrlich,“ antwortete ich ihm, „alles ist gut und vollkommen, denn alles ist Wahrheit. Siehe, sage ich zu ihm, das Pferd, dieses große Tier, das dem Menschen am nächsten steht, oder den Stier, der ihn ernährt und für ihn arbeitet, wie er ernst und nachdenklich aussieht! Betrachte seine Augen: welche Demut, welche Anhänglichkeit an den Menschen, der ihn oft unbarmherzig schlägt, welch eine Gutmütigkeit, welch eine Zutraulichkeit und welche Schönheit liegt in diesem Blick des Tieres! Rührend ist es zu wissen, daß sie keine Sünde begehen, denn alles ist vollkommen, und alles außer den Menschen ist sündlos, und Christus ist mit ihnen eher als mit uns.“ „Ja, haben sie denn auch Christus?“ fragte der Jüngling. – „Wie könnte es anders sein,“ sagte ich zu ihm, „denn für alle ist das Wort, die ganze Schöpfung und jegliches Geschöpf. Jedes Blättchen strebt zum Wort, preist Gott und weint zu Christo, sich selbst unbewußt, allein schon durch das Geheimnis seines sündenlosen Daseins. Siehe,“ sagte ich zu ihm, „im Walde haust der schreckliche Bär, der grausam und wild und doch ganz schuldlos ist.“ Und ich erzählte ihm, wie einmal ein Bär zu einem großen Heiligen kam, der im Walde in einer kleinen Zelle sein Leben fristete, und der große Heilige ging furchtlos zu ihm hinaus und gab ihm ein Stück Brot: „Gehe hin, Christus sei mit dir,“ sagte er zu ihm, und das grimme Tier war sanft und gehorsam und tat ihm nichts zuleide. Es rührte den Jüngling, daß er ihm nichts zuleide getan hatte, und daß auch Christus mit ihm wäre. „Ach, wie ist das schön, und wie ist doch alles Göttliche gut und wunderbar!“ Er saß da und dachte tief und glücklich nach. Ich sah, daß er es begriffen hatte. Er schlief neben mir ein; leicht und sündlos war sein Schlaf. Herr, segne die Jugend! Und ich betete daselbst für ihn, bevor ich einschlief. Herr, sende Frieden und Licht deinen Menschen.