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Ein alter Palast an einem stillen, kleinen Platz — das ist die Bank. Die edle Nacktheit der Fassade wird schreiend von einer Inschrift in breiten Goldbuchstaben überklettert. In das Portal ist ein wuchtiges Gitter neuer Arbeit eingefügt. Der Innenhof, ehemals offen und mit Springbrunnen und blühenden Büschen eine kühle Insel in dem Steinmeer, ist nun mit stahlgerahmten Mattscheiben überdacht. Die zierlichen Säulenbogen rundum sind mit blitzendem Gitterwerk ausgefüllt, davor sich die Menge der Kunden staut. Die Gesichter schimmern grünlich in dem bleichen Licht. Lautgerufene Zahlen durchzucken den gedämpften Stimmenlärm, Gold und Silber klingeln auf den marmornen Zahltischen, Papier raschelt, wie Schlangenschuppen auf hartem Kies. — Der Kassenraum.

Fritz wird vor den Direktor geführt, der in einem hochgewölbten Gemach mit wuchtigen Möbeln und reichen Teppichen einsam thront. Eine kurze Musterung aus scharfen Augen unter seltsam müden Lidern, zwei, drei knappe Fragen, dann ein gnädiger Entlassungswink und ein Befehl an den begleitenden Diener: „Korrespondenz!“ Und Fritz wird hinausgeführt. Bald hört der Teppichbelag auf, die Gänge werden kahl und düster, dann enge Steintreppen ...

In Fritz regt sich ängstliches Verlassensein: so empfing ihn der Freund des Herrn Rats, kalt, gleichgültig, wie ein Sklavenhändler? Ahnte der aufgeschwemmte Despot denn nicht, wen er vor sich hatte? — Da bricht das Klappern zahlloser Schreibmaschinen in seine Gedanken, der Diener schiebt ihn durch eine schmale Tür, vor einen riesigen Schreibtisch, hinter dem ein bleicher, überarbeiteter Mann sitzt, macht eine unverständliche Meldung und geht. Der bleiche Mann zwinkert ihn an, hüstelt: „Ich bin der Korrespondenzchef — Sie sind mir zugeteilt ... ich werde Ihnen einen Platz anweisen!“ Und sie gehen durch neue und immer neue Räume, die durchwegs kahl und härtestem Gebrauch angepaßt sind. Die alte Pracht verleugnet sich nicht: Mächtige Fenster reichen bis zum Boden; ihr unteres Drittel ist durch zierlich geschmiedete Außengitter abgeschlossen. Da sind auch noch die fein gemusterten Eichenböden und die alten Stuckdecken, beide willkürlich zerrissen durch eingebaute Zwischenwände. Deckenhohe Regale an den Wänden, zwischen denen da und dort ein Stück der alten Tapete hervorglüht. Rohe Holztische mit handfesten Stühlen. Und überall Menschen, hastig, reizbar, über klappernde Maschinen oder blanke Briefbogen geneigt. Zahleneifer in allen Mienen.

In einem engen Raum macht der Chef halt: „Herr Kurz, Herr Schmitt ..., hier ein neuer Kollege!“ Zwei Schreibmaschinen brechen klirrend ab, zwei dürftige Menschen erheben sich halb, nicken zerstreut, sinken zurück und klappern weiter. Der Chef weist auf einen kleinen Nebentisch: „Hier wird Ihr Platz sein! — Heute ist übrigens die Arbeit schon ausgeteilt — treten Sie morgen früh an! Pünktlich um halb neun, bitte!“ Dann geht er. Fritz will ihm folgen, da sieht er, wie Herr Kurz ihm zuwinkt, und bleibt stehen. Kaum hat sich die Tür hinter dem Vorgesetzten geschlossen, da klappern die Maschinen langsamer, verstummen, und Herr Kurz lacht unvermutet dröhnend auf: „Volontär sind Sie? Na, zu arbeiten werden Sie hier kriegen, daß Ihnen der Schopf raucht! Aber dafür wenig Gehalt und gelegentlich einen Anpfiff, damit sich’s ausgleicht!“ Herr Schmitt bemeckert den Witz verkniffen. Und Fritz denkt an die Kinderstube daheim, wenn der Vater aus dem Zimmer war ... die Brüder ...

Da fragt Herr Kurz: „Haben Sie schon ein Zimmer? Nein? Meine Wirtin hat eins frei — kommen Sie mittags mit mir! In zehn Minuten gehe ich!“ Als Fritz freudig zusagt, grinst ihn hinter des anderen Rücken Herr Schmitt höhnisch und schadenfroh an. Gedrückte Bosheit liegt in der Luft — aber die Stimmung mutet Fritz vertraut an, und er beschließt, wehrhaft auf der Hut zu sein.

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