11.

V

Von seiner Dienerschaft umgeben

Stand Aladdin am Eingangstor

Und führte mit beglücktem Beben

Die Braut zum Kuppelsaal empor.

Sie war beim ersten Anblick schon

Entzückt von ihm, da beim Vergleiche

Sie fand, daß nimmer ihm der Sohn

Des Großveziers das Wasser reiche.

Und Aladdin? Ach, wer beschriebe,

Was er im Innersten empfand,

Wie nun das Traumbild seiner Liebe

Holdselig leibhaft vor ihm stand!

Er rief: "Du Herrlichste von allen,

Vor der das Taggestirn erbleicht,

Gesteh' mir, ob ich nicht vielleicht

Verurteilt bin, dir zu mißfallen!"

"Mein Prinz—denn dieser Name scheint",

Versetzte sie, "dir zu gebühren—

Mir hat mein Vater dich zu küren

Befohlen und mich dir vereint.

Des Vaters Willen sich zu fügen

Ist einer guten Tochter Pflicht;

Doch ich vollzog sie mit Vergnügen;

Denn wisse, du mißfällst mir nicht."

Mit dieser feinen Antwort scheuchte

Sie seiner Sorge letzten Rest;

Und nun begann ein Zauberfest,

Das ihr viel Staunenswerter deuchte,

Als was daheim sie je geschaut.

Die Tafel überschwemmten Rosen,

Von Diamanten rings betaut;

Von einer gleichfalls grenzenlosen

Verschwendung zeugten die Pokale,

Die Schüsseln, Teller, Gabeln, Messer;

Sogar die Speisen waren besser

Als je beim kaiserlichen Mahle.

Zu Flötenspiel und Lautenklang

Ertönte, reizend anzuhören,

Ein doppelstimmiger Gesang

Von allerliebsten Mädchenchören.

Nach Schluß des Mahls erschien ein Schwarm

Von Tänzern und von Tänzerinnen,

Um einen Reigen zu beginnen.

Der Schloßherr selbst bot seinen Arm

Der Herrin, und voll Anmut schwangen

Nach einem alten Brauch des Lands

Die Neuvermählten sich im Tanz.

Die Mitternacht war längst vergangen,

Da sich im Schloß zu Ende neigte

Die Lustbarkeit.

Am Tag darauf,

Als schon des Sonnenballes Lauf

Sich nah dem Mittagsgipfel zeigte,

Schritt Aladdin mit einem Heere

Von Dienern auf dem kurzen Pfad

Hinüber zum Palast und bat

Den Schwiegervater um die Ehre,

Sein Schloß in Augenschein zu nehmen.

Gewiß, der Sultan mochte gern

Zu dieser Einkehr sich bequemen

Und ging, begleitet von den Herrn

Des Hofs, mit ihm dorthin zu Fuße.

Das Schloß, obwohl er's nun schon oft

Von seinem Fenster aus mit Muße

Betrachtet, schien ihm unverhofft

Noch prächtiger, als er es nah

Und näher jetzt vor Augen sah.

Im Innern erst vermochte kaum

Er sein Entzücken zu bemeistern,

Und gar der große Kuppelraum

Schien grenzenlos ihn zu begeistern.

Er sprach zum Großvezier: "Ein Wunder

Wie dies hab' ich noch nie gewahrt.

Hiergegen ist, bei meinem Bart,

Mein eigener Palast nur Plunder."

Doch als er wieder heimgekehrt,

Um manchen großen Eindruck reicher.

Da schlängelte der alte Schleicher

Von Großvezier sich unbegehrt

An ihn heran mit dem Vermerk:

"Wer könnte diesen Bau betrachten,

Erhabner, ohne für ein Werk

Der Zauberkunst ihn zu erachten?"

Der Sultan drauf mit strengem Blick:

"Das hochzeitliche Mißgeschick,

Das deinem Sohn so schlecht bekam,

Kannst du noch immer nicht verschmerzen,

Bist Aladdin deswegen gram

Und suchst ihn grundlos anzuschwärzen."

So scheiterte die Lästrung kläglich.

Der Fürst begab, sobald er wach,

Vielmehr von jetzt ab sich tagtäglich

Gleich in sein Lieblingswohngemach,

Wo freien Ausblick er genoß

Auf seines Schwiegersohnes Schloß,

Und ward nicht müd, vom Fenster aus,

Ganz in Bewunderung vergraben,

An Form und Schmuck des stolzen Baus

Das Auge stundenlang zu laben.

Wer aber dächte, daß nunmehr

Sich Aladdin daheim verschlossen

Und ferngehalten vom Verkehr,

Der hätte gänzlich fehlgeschossen.

Im Gegenteil, er ward beständig

Lustwandelnd in der Stadt gesehn,

Ging zum Gebet in die Moscheen,

Tat manchen Einkauf eigenhändig,

War bei den hohen Edelleuten

Oft zu Besuch, und jedesmal,

Wenn er mit einer großen Zahl

Betreßter Diener ausritt, streuten

Sie Gold umher aus vollen Händen.

An seines Schlosses Pforten kam

Kein Bettelmann, der nicht mit Spenden

Vollauf beladen Abschied nahm.

Auch wenn er, um der Jagd zu pflegen,

Ins Feld hinausstob ungehemmt,

Ward jedes Dorf auf seinen Wegen

Von einem Goldstrom überschwemmt.

Kein Wunder war's, wenn dergestalt

Ihm der Berühmtheit Rosenwolke

Das Haupt umspann, und wenn er bald

Vergöttert ward vom ganzen Volke.

Er aber wurde drum nicht eitel,

Nein, zeigte dem bedrohten Staat

Sich von der Zehe bis zum Scheitel

Als echten Helden durch die Tat:

Des Reichs gesamte Grenze stand

In eines Aufruhrs hellem Brand.

Der Feldherrn keiner konnt' ihn dämpfen,

Bis Aladdin, dem Ruf der Not

Gehorchend, mannhaft sich erbot,

Auf eigne Faust ihn zu bekämpfen.

Vom Herrscher an des Heeres Spitze

Berufen zog er in das Feld,

Nicht achtend Mühsal, Frost und Hitze!

Bald war von ihm der Feind umstellt

Und wurde wie beim Hasenjagen

Trotz aller seiner Übermacht

In einer einz'gen großen Schlacht

Zerstreut und in die Flucht geschlagen.

Dann führte seine tapfren Krieger

Er heimwärts im Triumph, das Haupt

Von einem Ruhmeskranz umlaubt,

Und hieß nun Aladdin der Sieger.—

In stetem Fluß allmählich reihte

Sich Tag an Tag und Jahr an Jahr;

Er aber ward es kaum gewahr

An seiner schönen Gattin Seite,

Geliebt und liebend, hochgeachtet

Und doch von schlicht bescheidnem Sinn.

Die Bosheit, die von Urbeginn

Das Gute zu vernichten trachtet,

Sollt' aber nach der Gnadenfrist

Auch ihn mit hartem Streiche treffen.

Der Zauberer befragt die "schwarze Kunst" über Aladdin

Der Zauberer befragt die "schwarze Kunst" über Aladdin

Der Zaubrer, der mit schnöder List

Ihn einst sich ausgesucht als Neffen,

Dann heimgewandert und seit Jahren

In Afrika nun wieder saß,

Wollt' eines Tages, rein zum Spaß,

Genaueres davon erfahren,

Wie Aladdin zugrund gegangen.

Denn daß der Bursch aus jener Gruft

Nie mehr, nachdem er drin gefangen,

Zurückgekehrt zu Licht und Luft,

War nicht im mindesten ihm fraglich;

Die Frage, die er noch gespart,

Galt einzig seiner Todesart.

Er setzte sich darum behaglich

An einen Tisch, worauf mit Sand

Gefüllt ein Viereck sich befand

In Schachtelform, nahm einen Stift

Und zog damit nach Zaubrerweise

Im Sande Linien und Kreise

Nebst Lettern einer fremden Schrift.

Berechnend, murmelnd unverständlich,

Nach Grundsatz, Regel und Gebot

Geheimer Schwarzkunst, bracht' er endlich

Heraus, daß Aladdin nicht tot,

Nein, daß er aus der Gruft entsprungen,

Zu Glanz und Ruhm sich aufgeschwungen

Und obendrein als der Gemahl

Der Sultanstochter herrlich lebe.

Ha, war das tückische Gewebe

Zerfetzt? Er wurde leichenfahl,

Krebsrot und wieder kreideblaß

Und dann vor Mißgunst gelb und gelber.

"Wie?" rief er aus in Wut und Haß,

"Der Schatz, den mühsam für mich selber

Ich ausgespürt mit saurem Schweiß,

In zähem, jahrelangem Fleiß,

Der Lampe hohe Wunderkraft

Ward mir zu meines Forschens Lohne

Von einem niedren Schneidersohne,

Von einem Tagedieb entrafft!

Er, den vermodert ich gewähnt,

Er darf zu schwelgen sich erfrechen

Im Reichtum, den er mir entlehnt!

Doch nur Geduld, ich will mich rächen!"

Er warf somit am selben Tag

Aufs Pferd sich ohne viel Besinnen

Und galoppierte stracks von hinnen

Zum Reich, das fern im Osten lag.

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