7.

W

Wer könnte wohl in Worte fassen,

Wie selig unser junger Held,

Nachdem die Mutter ihm bestellt,

Was ihm der Sultan melden lassen!

O Wonne, daß nach langem Dürsten,

Nach vielen Nächten ohne Schlaf

Die Botschaft aus dem Mund des Fürsten

Sein kühnstes Hoffen übertraf!

Er tanzte rund herum im Zimmer,

Schwor in den feurigsten Ergüssen

Der Mutter Dankbarkeit auf immer

Und überhäufte sie mit Küssen.

Drei volle Monat waren freilich

Als vorgeschriebne Wartezeit

Für seine Sehnsucht endlos weit.

Es war darum gewiß verzeihlich,

Daß ihn des Ziels Erwartung quälte

Und er beständig nach der Uhr

Nicht Wochen, Tage, Stunden nur,

Vielmehr auch die Minuten zählte.—

Zwei Monat waren abgelaufen,

Als eines Morgens ahnungslos

Die Mutter sich, um was zu kaufen,

Zum Markt begab. Ein laut Getos'

Der Fröhlichkeit scholl ihr entgegen,

Als wär' ein Fest herangerückt;

Mit Blumenkränzen allerwegen

Ward eilig Haus für Haus geschmückt,

Und Lämpchen wurden hundertfach

Hinaufgereicht auf hohe Leitern

Für Prachtbeleuchtung auf dem Dach.

Die Straßen wimmelten von Reitern

Auf edlen, reichgezierten Pferden,

Und alt und jung war aufgeputzt.

Die Mutter, ganz und gar verdutzt,

Vermochte draus nicht klug zu werden.

Sie fragte drum den ersten besten,

Weshalb denn heute jedermann

Sich rüste wie zu großen Festen.

Der gab zur Antwort: "Schau mal an,

Das weißt du nicht? Ei, das erzählt sich

Ja doch die ganze Stadt erfreut;

Dem Sohn des Großveziers vermählt sich

Prinzessin Bedrulbudur heut."

Die Gute flog bestürzt nach Haus

Und rief dem Sohn, der sich zur Stelle

Befand, entgegen auf der Schwelle:

"Ach, Ärmster, nun ist alles aus!

Den Sultan hat sein Wort gereut;

Denn im Palast ist Hochzeit heut.

Dort wird mit feierlichem Prunke

Der Sohn des Großveziers getraut,

Und die Prinzessin ist die Braut."

Als ob des Blitzes jäher Funke

Durchzucke seines Lebens Mark,

Empfand sich Aladdin zerschmettert,

Blieb standhaft aber doch und stark;

Und als verzweifelnd er durchblättert

Seite für Seite sein Gedächtnis

Nach Mitteln gegen diese Pein,

Fiel ihm des falschen Freunds Vermächtnis,

Die Wunderlampe, wieder ein.

Zur Mutter sprach er drauf entschieden:

"Der Hochzeit setz' ich einen Damm!

Laß schaun, wer heute mehr zufrieden,

Ich oder dieser Bräutigam."

Er tat, was ihm bereits geläufig:

In seine Kammer eingeschlossen

Rieb er die Lampe, wie schon häufig,

Und aus dem Boden aufgeschossen

Erschien der Geist gleich einem Riesen,

Ihn fragend: "Was ist dein Geheiß?"

Drauf Aladdin: "Du hast mit Fleiß

Mir öfters dienstbar dich erwiesen

Bei Wünschen, die gering und nichtig.

Das Werk jedoch, das ich dir nun

Befehlen will für mich zu tun,

Ist über alle Maßen wichtig.

Du sollst mir meine Qualen lindern

Und drum als unsichtbarer Gast

Die Hochzeit, die heut im Palast

Gefeiert werden soll, verhindern.

Begib dich hin, vom Wind getragen,

Ergreif' den Bräutigam beim Kragen,

Entführ' in ein Versteck ihn, sperr'

Dort fest ihn ein und laß verborgen

Ihn schmachten bis zum nächsten Morgen."

Der Geist versetzte fügsam: "Herr,

Wie du befiehlst," und war verschwunden.

Am Hofe ward mit aller Kraft

Inzwischen seit den frühsten Stunden

Für die Vermählung vorgeschafft.

Mit einem wahrhaft beispiellosen

Und noch nicht dagewesnen Glanz

War der Palast verwandelt ganz

In einen duft'gen Hain voll Rosen.

Die Tafel funkelte von Gold;

Prunkteppiche von schwerster Seide

Bedeckten sorgsam aufgerollt

Zu wundersamer Augenweide

Den Marmorboden und die Treppe,

Und rings mit Perlenschmuck beschwert

Wog der Prinzessin Hochzeitsschleppe

Drei Fürstentümer auf an Wert.

Der ganze Hofstaat war beisammen

Nebst Sendlingen aus aller Welt;

Den angefachten Opferflammen

Entstieg der Rauch zum Himmelszelt.

Grad sollte die Vermählungsfeier

Beginnen; Festmusik erscholl;

Schon trat herein in ihrem Schleier

Die Sultanstochter anmutsvoll

An ihres hohen Vaters Arm,

Und in der Würdenträger Schwarm

Schritt ihr entgegen ihr Verlobter—

Da plötzlich Nacht und wieder Licht;

Der Geist erfüllte mit erprobter

Vollendung seine Dienerpflicht.

Man sah sich an, man sah sich um,

Die Augen starr, die Mienen dumm:

Was war geschehn? Der Bräutigam

Stand nicht mehr dort, wo er gestanden

Grad eben, sondern war abhanden,

Wie fortgewischt von einem Schwamm.

Man forschte, spähte; doch vergebens.

Der Großvezier, der schon geglaubt,

Er sei am Ziele seines Strebens,

Schien vor Erregung sinnberaubt.

Der Hofstaat mit betäubtem Hirne

Begann zu tuscheln, dicht geschart;

Der Sultan runzelte die Stirne

Und brummte was in seinen Bart.

Die Gäste ratlos und befangen,

Verkrümelten sich allgemach,

Und über der Prinzessin Wangen

Herunter floß ein Tränenbach.

Die Feierstimmung war verraucht,

Verwandelt alle Lust in Wehe.

Denn da zum Abschluß einer Ehe

Den Bräutigam man dringend braucht,

So blieb am Ende keine Wahl,

Als die Vermählung zu verschieben

Samt Freudenfest und Hochzeitsmahl,

Bis man ihn wieder aufgetrieben.

Der Sultan flößte seiner Tochter

Gar zärtlich Tröstung ein und Mut;

Allein mit Mühe nur vermocht' er

Zu stillen ihrer Augen Flut,

Obwohl weit mehr verletzte Scham

Und schwergekränkter Stolz die Quelle

Der Tränen war als Herzensgram.

Am nächsten Morgen aber kam

Der Großvezier in höchster Schnelle

Zum Sultan, der halb ungeduldig,

Halb mürrisch ihm entgegensah,

Und rief: "Mein Sohn ist wieder da!

Er ist, o glaub' mir, weder schuldig,

Noch weiß er selbst, was ihm geschah.

Gebiete drum, daß man die Feier

Heut rüsten soll zum zweitenmal,

Und gib dadurch zurück dem Freier,

Was ihm ein Unstern gestern stahl."

Hierzu, wenngleich das Fest verpfuscht

Ihm vorkam, war der Fürst erbötig;

Denn für sein Ansehn schien ihm nötig,

Daß alles möglichst ward vertuscht.

Die Hauptstadt wurde von Trompeten

Und Pauken abermals durchlärmt,

Das Hochzeitsessen aufgewärmt

Und alle Gäste neu gebeten.

Als Aladdin, dem keine Spur

Von sämtlichen Begebenheiten

Entgangen war, davon erfuhr,

Beschloß er, herzhaft fortzuschreiten

Auf seinem Pfade bis zum Sieg.

Den Geist beschwor er drum von neuem,

Und als dem Boden er entstieg,

Sprach er zu ihm: "Du hast mit treuem

Gehorsam, was ich dir befohlen,

Genau vollbracht. Dieselbe Not

zwingt mich indessen, mein Gebot

Von gestern dir zu wiederholen.

Den Sohn des Großveziers entführe

Heut abermals in gleicher Art,

Und hinter fest verschlossner Türe

Halt' ihn bis morgen früh verwahrt!"

Der Geist entfernte sich, die Tat

Alsbald wie tags zuvor verrichtend;

Nur diesmal in noch stärkrem Grad

Als gestern wirkte sie vernichtend.

Im feierlichsten Augenblick

Verschwand urplötzlich aus dem Saale

Durch ein unfaßliches Geschick

Der Bräutigam zum zweiten Male.

Vom ganzen Hof und hohen Adel

Ward er gesucht wie eine Nadel.

In alle Winkel ward geguckt,

Gestöbert ward in allen Ecken;

Er war so wenig zu entdecken,

Als ob der Boden ihn geschluckt.

Hiermit begann ein Trauerspiel:

Prinzessin Bedrulbudur raufte

Die schönen Haare sich und fiel

Bewußtlos hin; der Sultan schnaufte

Vor Ingrimm wie ein wildes Tier;

Der unglückselige Großvezier

Wand sich in Krämpfen wie ein Wurm,

Die Augen rollend rings im Kreise;

Die Gäste flohen gruppenweise,

Wie eine Herde vor dem Sturm,

Und seufzend sprach der Oberkoch

In tiefem, hoffnungslosem Härmen

Zum Küchenjungen: "Einmal noch

Kann ich den Hochzeitsschmaus nicht wärmen."

Share on Twitter Share on Facebook