Die verschiedenen Bräute hatte man indessen schon entfernt, um sie für die Feierlichkeit anzukleiden, und Toanonga übergab jetzt die Fremden einer Anzahl seiner jungen Leute, sie etwas anständig und passend auszustatten.
Ihre Kleider waren nämlich durch ihren letzten Unglücksfall so arg mitgenommen worden, daß sie ihre Blöße kaum mehr bedeckten; besonders hingen ihnen die Hemden in Lumpen von den Schultern. Toanonga ließ deshalb Jedem ein Stück Tapa[30] reichen, und die Insulaner wiesen sie dabei auf das freundlichste an, wie sie sich mit Blumen und einigen anderen Schlingpflanzen würdig schmücken konnten. Nur Mac Kringo jedoch, der klug genug war, ihnen zu Willen zu sein, und Spund, der dem Frieden noch immer nicht traute und Alles geduldig mit sich geschehen ließ, fügten sich dem Vorschlage. Die Übrigen mit Lemon an der Spitze verweigerten jede solche Aufmerksamkeit für ihre zukünftigen Frauen.
Von den Eingeborenen hatten sie aber in der That nichts mehr zu befürchten, denn von dem Augenblick an, wo Toanonga und das Gericht der Egis ihre Aufnahme erklärt und dadurch geheiligt hatte, betrachteten die Leute sie als Freunde und als ihres Gleichen, und brachten ihnen jetzt sogar von verschiedenen Seiten Lebensmittel herbei, damit sie sich erholen und stärken konnten.
Nach der einfachen Sitte dieser Stämme hatten sie aber auch in der That weit mehr gethan, als irgend ein civilisirtes Volk, sei es noch so fromm und christlich, an ihrer Stelle gethan haben würde. Die Leute, die ihnen, trotz aller empfangenen Wohlthaten und trotz der früheren freundlichen Aufnahme, vorsätzlich Böses zugefügt und im Begriff gewesen waren, dem alten Häuptling der Insel sein liebstes Kind zu stehlen, strafte man nicht allein nicht, als man sie in Händen hatte, sondern man nahm sie sogar als gleichberechtigt mit den übrigen Bewohnern des Landes auf, gestattete ihnen den Besitz von Grund und Boden, und ließ sie unmittelbar in die Familien des Landes eintreten.
Es ist wahr, der erste Antrag einzelner Häuptlinge hatte dahin gelautet, kurzen Prozeß mit ihnen zu machen und die Gefangenen das büßen zu lassen, was der Capitain oder Häuptling derselben verbrochen, wie diese Stämme auch fast immer ihre Kriegsgefangenen tödten. Toanonga aber, neben seiner angeborenen und natürlichen Gutmüthigkeit, war klug genug gewesen, auf einen Ausweg zu sinnen, durch den er die Gefangenen und ihre Kräfte für die Insel verwerthen konnte. Was hätte er oder einer der anderen Insulaner davon gehabt, wenn man die Weißen vor den Kopf schlug oder in die See warf? – gar nichts. Die letzten Kriege hatten ihnen dagegen mehr waffenfähige Männer gekostet, als die kleine Insel entbehren konnte, und jetzt halfen sie sich mit den Fremden so gut, wie sie eben konnten und so weit diese reichten.
Mit dieser Aufnahme in ihren Staats- und Familienkreis war aber auch jeder Haß, jedes Gefühl der Rache oder Feindseligkeit gegen die Fremden aus ihrem Herzen geschwunden. Es waren eben keine Fremden mehr, denn sie gehörten von da an mit zu Monui so gut wie einer der dort Geborenen.
Ähnliches findet man fast unter allen wilden Stämmen, die sehr häufig einzelne aus ihren Kriegsgefangenen, während sie die übrigen mit durchdachter Grausamkeit zu Tode martern, zurückbehalten und mit der größten Herzlichkeit in ihre Familien als Söhne aufnehmen.
Anders betrachteten dieses allerdings die Matrosen, die sich durch solche gezwungene Heirathen auf das schlimmste mißhandelt glaubten. Legs verlangte auch von den Übrigen, als die Eingeborenen ihre Versammlung aufgehoben und die Papalangis sich selber überlassen hatten, daß sie sich gemeinschaftlich solchem Urtheilsspruch widersetzen sollten. Waffen hätten sie dabei wohl auch bekommen können, sobald sie nur in des alten Toanonga Hütte einbrachen. In der ersten Überraschung wäre ihnen das jedenfalls gelungen, und dort wurden, wie sie von früher wußten, eine Anzahl von Beilen und Keulen aufbewahrt.
Hiergegen, als ein ganz wahnsinniges Unternehmen, das jedenfalls den Untergang Aller zur Folge haben mußte, stimmte aber Mac Kringo, von Spund und Jonas unterstützt, auf das entschiedenste, und da Lemon und Pfeife ihren Zustand ebenfalls noch nicht so unerträglich fanden, um gleich zu einem so verzweifelten Mittel zu greifen, so wurde Legs vollständig überstimmt.
Die Ceremonie nahm indessen ihren Anfang und wurde, trotzdem, daß man mit den Fremden nicht eben viel Umstände nöthig glaubte, doch ziemlich feierlich betrieben.
Hier zeigte sich auch wieder die Gutmüthigkeit der Insulaner. Diese wußten natürlich, daß die Weißen als Schiffbrüchige an ihre Insel gekommen waren und gar nichts zum Leben Nöthiges gerettet hatten, und brachten ihnen jetzt eine Menge Geschenke, um sie zu ihrem neu zu errichtenden Haushalt auszustatten: Tapa zum Kleiden und starke Matten zum Schlafen, Fischer-Geräthschaften und sogar Waffen, wie Keulen und Bogen und Pfeile, um bei einem möglichen Angriff eines Feindes in die Reihen der Krieger mit eintreten zu können.
Als die Fremden nun mit allem ausgerüstet waren, was sie zu ihrem anständigen Erscheinen unter den Insulanern gebrauchten, denn um ihre Lebensbedürfnisse durften sie keine Sorgen haben, versammelten sich, wie es schien, fast alle Bewohner der Insel, um an der Festlichkeit Theil zu nehmen. Die sieben Bräute waren schon in das für die Trauung bestimmte Haus abgeholt, und Toanonga, an der Spitze seiner Egis, winkte die Fremden heran und überlieferte ihnen, mit einigen mahnenden Worten, sich gut zu betragen und ihrem neuen Vaterlande Ehre zu machen, ihre künftigen Frauen, die sich dann aber augenblicklich wieder in ihre verschiedenen Wohnungen zurückzogen. Den Fremden dagegen wurde bedeutet, zurückzubleiben, um an einem Cava-Fest – der Hauptsache bei der ganzen Feierlichkeit – Theil zu nehmen.
Diese Cava [31]-Partie schien auch erst die vorhergegangene einfache Formalität der Heirath zu bestätigen und zu kräftigen; denn dadurch, daß die Häuptlinge es der Mühe werth hielten, eine solche anzuordnen und die Fremden daran Theil nehmen zu lassen, heiligten sie den eben geschlossenen Bund, der jetzt ohne Toanonga's Bewilligung nicht wieder gelöst werden konnte.
Einen schweren Stand hatten die Seeleute aber erst noch bei dem Cava-Fest, denn die Bereitung dieses Trankes kannte Keiner von ihnen, nicht einmal Mac Kringo. Pfeife besonders, als er merkte, was dort vorging, wurde steinübel, und Legs wollte schon aufspringen und hinauslaufen. Der Schotte aber, der sich leicht denken konnte, daß etwas Derartiges von den jetzt nur freundlich gesinnten Eingeborenen als die größte Beleidigung angesehen werden würde, bewog sie mit großer Mühe, sitzen zu bleiben und auch dieses noch über sich ergehen zu lassen. Später konnten sie ja solchen Einladungen schon weit eher ausweichen. Spund stimmte ihm darin auch vollkommen bei, und während die Anderen, als die Schale an sie kam, nur so thaten, als ob sie schluckten, nahm er, seinen Willen und Gehorsam zu zeigen, einen langen und herzhaften Schluck.
Das sollte er aber schwer büßen. Kaum hatte er die Mischung hinunter, als sich ihm der Magen gewaltsam umdrehte, und er mußte, unter dem Gelächter der Eingeborenen, von seinen Kameraden hinausgeschafft werden.
Damit war indessen auch jedem Anspruch, den die Egis noch an sie machen konnten, Genüge geleistet. Während die Insulaner noch bei ihrer Cava-Partie blieben, deren Freuden sie sich oft bis in später Nacht hingeben, wurden die Seeleute, jetzt jeder Aufsicht und Überwachung enthoben, von jungen Leuten in die ihnen zugewiesenen Wohnungen abgeführt und durften sich von dem Augenblick an als Bürger von Monui betrachten.