10. Aus Kestners Tagebuche.

1772 den 21. Sept. begleite ich, nebst Hr. v. Born, die Herrn v. Hardenberg[6] und Freytag nach Frankfurt.....

d. 22..... Um 4 Uhr ging ich zu Schlosser, und siehe da der Goethe und Merck waren da. Es war mir eine unbeschreibliche Freude; er fiel mir um den Hals und erdrückte mich fast..... Wir gingen auf den Römer, wo die Mercken, nebst der Dlle. Goethe, auch war. Wir gingen vors Thor auf dem Walle &c. spatzieren. Unvermuthet begegnete uns ein Frauenzimmer. Wie sie den Goethe sah, leuchtete ihr die Freude aus dem Gesicht, plötzlich lief sie auf ihn zu, und in seine Arme. Sie küßten sich herzlich; es war die Schwester der Antoinette. Die Zeit ging unterm Spatzierengehen und sprechen, bald der Mercken, bald dem Merck, bald dem Goethe, unvermerckt hin. Wir gingen in Goethe’s Haus; die Mutter war nur zu Haus und empfing uns, auch mich auf das bey ihr alles geltende Wort des Sohnes. Der Vater bald hernach, damit war es eben so; ich unterhielt mich mit ihm. Die Frauenzimmer entfernten sich zum Auskleiden. Der Merck proponirte die Dlle. spielen zu hören. Wir fanden sie oben am Clavier. Sie spielt vortrefflich; außerordentlich fertig. — Nach einer Pause bat sie, die Lottchen doch hieher zu bringen, recht inständig bat sie und äußerte, daß sie sie schon in der Ferne sehr lieb hätte. — Um 8 Uhr gingen der Hr. Rath Schlosser und ich nach Haus....

1772 d. 23. früh war Hardenberg bey mir und ich bey ihm. Ich ging um 9 Uhr zu Dr. Schlossern. Wir darauf zu Goethe. Ich besah das Haus. Wir gingen nebst Merck auf die Stadt-Bibliothek; gegen 12 Uhr auf den Römer. Ich aß bey Dr. Dietz. Nachmittags um 3 Uhr zu Goethe. Wir gingen auf die Messe, vor einige Kaufmanns-Häuser; zur Antoinette, Tochter des Kaufmann Gerock. Nachher zu Haus nach Goethe. Ich holte Schlossern in die Comödie, wo Goethe, seine Schwester und die Mercken auch waren, nachher aß ich bey Goethes’s und kam um 11 Uhr zu Haus.

Am 24. Sept. kehrte Kestner nach Wetzlar zurück.

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