11. Goethe an Kestner.

(Frft.) Freytag (25. Sept. 72).

Lotte hat nicht von mir geträumt. Das nehm ich sehr übel, und will dass sie diese Nacht von mir träumen soll, diese Nacht, und solls Ihnen noch dazu nicht sagen. Die Stelle hat mich in Ihrem Briefe geärgert als ich ihn wiederlas. Nicht einmal von mir geträumt, eine Ehre die wir den gleichgültigsten Dingen widerfahren lassen, die des Tags uns umgeben. Und — ob ich um sie gewesen binn mit Leib und Seel! und von ihr geträumt habe Tag und Nacht.

Bey Gott ich binn ein Narr wenn ich am gescheutesten binn, und mein Genius ein böser Genius der mich nach Wolpertshausen[7] kutschirte. und doch ein guter Genius. Meine Tage in W. wollt ich nicht besser zugebracht haben, und doch geben mir die Götter keine solche Tage mehr, sie verstehen sich aufs strafen und den Tantalus — Gute Nacht. Das sagt ich auch eben an Lottens Schattenbild.

Sonnabends nach Tische.

Das war sonst die Zeit, dass ich zu ihr ging, War das Stündgen wo ich Sie antraff, und ietzt habe ich volle Zeit zu schreiben. Wenn Sie nur sehen sollten wie fleissig ich binn. So auf einmal das alles zu verlassen, das alles wo meine Glückseligkeit von vier Monaten lag.

Ich fürchte nicht dass ihr mich vergeßt, und doch sinn ich auf Wiedersehen. Hier mags denn gehn wie’s kann, und ich will Lotten nicht eher wiedersehen als bis ich ihr Confidence machen kann, daß ich verliebt binn, recht ernstlich verliebt.

Was machen meine lieben Bubens, was macht der Ernst. Es wäre besser ich schriebe euch nicht, und liesse meine Imagination in Ruhe, — doch da hängt die Silhouette das ist schlimmer als alles. Leben Sie wohl.

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