120. Goethe an Kestner.

v. 15. Märtz 1783. acc. 22. Mart. 83.

Wollte ich gleiches mit gleichem vergelten; so bliebe Euer Brief auch über das Jahr liegen, ich will aber der alten Freundschaft besser opfern, und hier ist also mein Dank für das überschickte.

Das heist doch noch eine Parthie Köpfe! Misgönnt mir meine Bäume nicht, Euer Buben sind um ein gut Theil besser. Grüßt Lotten. Euer und der Eurigen Wohlfahrt erfreut mich herzlich.

Wir haben einen gesunden Erbprinzen, und sind darüber in neues Leben und Freude versetzt. Ihr werdet das mitfühlen.

Hier meine Iphigenie. Ich bitte sie bald zurück. Wollt Ihr sie noch einigen guten Freunden zeigen; so bewahrt mir sie nur vor den Augen angehender Autoren. Es ist zwar so viel nicht dran gelegen, doch ists verdrüslich, wie mir schon oft geschehn ist, sich stückweise ins Publikum gezerrt zu sehn.

Laßt euch den Ton meines letzten Briefs nicht anfechten.[30] Ich wäre der undankbarste Mensch wenn ich nicht bekennte daß meine Lage weit glücklicher ist als ich es verdiene. Freylich schont mich auch wieder die Hitze und Mühe des Lebens nicht, und da kann’s denn wohl geschehen daß man zu Zeiten müde und matt, auch wohl einmal mismuthig wird.

Lebt wohl, und gedenkt meiner unter den Eurigen.

Weimar d. 15 März 1783.

Goethe

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