127. Goethe an Kestner.

v. 4. Dec. 1785 d. 2. April 86 beantw.

Seit dem Empfang Eures Briefes, lieber Kestner, habe ich mich über Euer Schicksal nicht beruhigen können, das Ihr mit so vielem guten Muthe ertragt.[33] Bisher wart Ihr mir eine Art von Ideal eines durch Genügsamkeit und Ordnung Glücklichen und Euer musterhaftes Leben mit Frau und Kindern war mir ein fröhliches und beruhigendes Bild. Welche traurige Betrachtungen lassen mich dagegen die Vorfälle machen die Euch überrascht haben und nur Euer eignes schönes Beyspiel richtet mich auf. Wenn der Mensch sich selbst bleibt, bleibt ihm viel. Seyd meines herzlichen Antheils überzeugt, denn mein mannigfaltiges Weltleben hat mir meine alten Freunde nur noch werther gemacht. Ich danke Euch für den umständlichen Brief und für das sichere Gefühl meiner Theilnehmung. Lebet wohl, grüst Lotten und die Kinder. Das Bad hat gute Würkung hervorgebracht und ich bin recht wohl.

W. d. 4 Dez. 85.

G.

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