133. Goethe an Kestner.

v. 10. Nov. 1788.

Es ist wohl nicht artig daß ich so lang in Deutschland bin und noch kein Zeichen des Lebens von mir gegeben habe. Ihr seyd deshalb sehr artig, daß Ihr mir zuvorkommt und mir Nachricht ertheilt wie es Euch und den Eurigen geht. Ich freue mich daß Ihr alle zusammen wohl seyd und Euch noch immer vermehrt.

Warum meine Mutter nicht geantwortet hat begreife ich nicht. Es wäre sonderbar wenn durch diesen Zufall die Tochter der Mutter ominösen Nahmen fortführen sollte.

In Italien ist mirs sehr wohl gegangen, ich habe ganz nach meinem Sinne gelebt und brav studirt. Ich wollte nur ich hätte das zwanzig Jahre früher haben können! da hätte man die Sachen aber auch nicht so solid genommen.

Rehberg hat sich sehr gut zu uns gefunden. Mit ganz neuen Menschen laß ich es gern eine Weile so hingehn. Es hatte sich aber zuletzt recht artig gemacht. Nur Schade daß ich mich trennen mußte.

Er schreibt mir oft. Herder ist jetzt in Rom; auch unsre verwittibte Herzogin ist dort vor kurzem angelangt.

Riedel ist ein sehr guter Mann und findet sich immer besser. Anfangs hatte er in mehr als einem Betracht einen schweren Stand. Es lößt sich aber alles zu seinem Besten auf. Das Kind ist froh und gesund.

Ihr habt mir einmal wegen einer Präsentation beym Cammergerichte geschrieben. Schreibt mir doch ob Euch noch daran gelegen ist und wie man die Sache einfädlen könnte. Ich bin zwar meist ausser politischen Relationen, doch kann ich vielleicht etwas würken. Lebt indeß recht wohl. Grüßt die Eurigen. Wann und wo werden wir uns denn endlich einmal wieder sehen?

Weimar d. 10 Nov. 88.

Goethe.

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