82. Goethe an Lotte.

Wenn einen seeligen Biedermann

Pastorn oder Rathsherrn lobesan

Die Wittib läßt in Kupfer stechen

Und drunter ein Verslein radebrechen

Da heißts:

Seht hier von Kopf und Ohren,

Den Herrn ehrwürdig, wohlgebohren,

Seht seine Mienen und seine Stirn

Aber sein verständig Gehirn,

So manch Verdienst ums gemeine Wesen

Könnt ihr ihm nicht an der Nase lesen.

So liebe Lotte heissts auch hier:

Ich schicke da mein Bildniss dir!

Magst wohl die lange Nase sehn,

Der Augen Blick, der Locken Wehn,

Es ist ohngefähr das garstge Gsicht

Aber meine Liebe siehst du nicht.

G.

Dasselbe Gedicht, mit einigen Varianten und seiner Silhouette, hat Goethe bei dem späteren Briefe Nr. 101 übersandt. Beide sind, des Zusammenhangs wegen, im Fac simile hier nachgefügt.

Dort ist der im Gedicht hier hervorgehobene Ausdruck: „garstge Gsicht“ erläutert.


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