83. Goethe an Kestner.

Die liebe Max de la Roche heurathet — hierher einen angesehnen Handelsmann. Schön! Gar schön.

Euer Hans schreibt mir immer wies im deutschen Haus hergeht, und so hab ich eine komplete Chronick aller Löcher, Beulen, und Händel von einigem Belang seit eurer Abreise.

Obs wahr ist daß Dorthel heurathet?

In unsrer Stadt ist ein unerhörter Stern, seit einem halben Jahre haben wir wohl zwanzig Heurathen von Bedeutung. Unsre zwo nächsten Nachbarinnen haben mit meiner Schwester fast in einer Woche sich vergeben.

Der Türner bläst, die Glocken läuten, die Trommel geht, und dort hinten fängts an zu tagen.

Ich bin auch zeither fleisig gewest hab viele kleine Sachen gearbeitet, und ein Lustspiel mit Gesängen ist bald fertig, auch einige ansehnlichere Stücke in Grund gelegt, und nun wird drüber studirt.

Obiges Lustspiel ist ohne grossen Aufwand von Geist und Gefühl, auf den Horizont unsrer Akteurs und unsrer Bühne gearbeitet. Und doch sagen die Leute es wären Stellen drinn die sie nicht prästiren würden. Dafür kann ich nachher nicht.

Ihr sollts im Msspt. haben.

Hat Lotte den Can. Jacobi gesehn, gesprochen. Er ist auf sie aufmerksam gewesen, merk ich. Ist er noch da.

Falcke ist ein trefflicher Junge, mich freuts dass er Liebe zu mir hat, er schreibt mir manchmal. Merck und ich haben eine wunderliche Scene gehabt, über eine Silhouette die Lavater mir schickte, und die Lotten viel ähnlich sieht. Es lässt sich nicht sagen wies war. Es war den Abend seiner Ankunft, und ich habe draus gesehn dass er Lotten noch recht liebt. Denn wer Lotten kennt und nicht recht liebt, den mag ich auch nicht recht.

Adieu ihr Kinder es wird Tag.

Wisst ihr schon dass Höpfner die Jungfer Thomä geheurathet hat.

Schreibt mir bald. Und ergözt euch an der Erinnerung meiner, wie ich mich an euch ergötze.

G.

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