VI.

Ew. Wohlgebornen

seit langer Zeit auch wieder einmal zu schreiben veranlaßt mich die vorseyende Expedition unsres Theaters nach Leipzig, das ich Ihnen auf das beste zu empfehlen wünschte. Sie haben immer viel Güte für unsre braven Künstler gehabt, die sich gewiß viel Mühe geben, wenn ihnen auch nicht immer ihre Zwecke gelingen sollten.

Ew. Wohlgebornen werden gewiß den Vorstellungen mit Aufmerksamkeit beywohnen, und ich wünschte daß Sie Ihre Bemerkungen mir künftig mittheilten. Es ist noch manches das ich anders wünschte, und doch läßt sich theils nicht alles leisten wovon man überzeugt ist, und man gewöhnt sich auch nach und nach an Menschen und an Manieren und läßt geschehen was geschieht; Dagegen ein frischer scharfer Blick manches entdeckt und der gute Rath eines Fremden manches leichter und wirksamer anregt als die Lehren eines lange bekannten und gewohnten Vorgesetzten.

Diesen Ihren guten Rath bitte ich unsern Schauspielern bey ihrem Aufenthalt in Leipzig nicht zu entziehen, besonders da der Übergang von einem kleinen auf ein großes Theater für die erste Zeit immer seine Schwierigkeiten hat. Dringen Sie gefälligst besonders darauf, daß man die Schauspieler an allen Ecken und Enden des Hauses verstehen müsse.

Verschiedene von Ew. Wohlgebornen Stücken sind eingelernt. Haben Sie die Güte die Proben zu besuchen, damit sie zu Ihrer Zufriedenheit mögen gegeben werden.[230]

Diesen Wünschen füge ich noch eine Empfehlung hinzu. Wahrscheinlich kommt in einiger Zeit ein Engländer der Chevalier Osborn[231] nach Leipzig, ein schon bejahrter, höchst erfahrner und interessanter Mann von dem besten Charakter. Er ist Mitglied der königl. Societät zu London und wünscht den Leipziger Gelehrten aufgeführt zu werden. Sie erzeigen ihm wohl um seinet- und meinetwillen diese Gefälligkeit. Der ich mich mit vorzüglicher Hochachtung unterzeichne

Weimar den 3 April 1807.

Goethe

[230] Von Rochlitz wurde gegeben „Es ist die rechte nicht.

[231] Werke XXVII. S. 220.

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