Ew. Wohlgeb.
haben durch Ihr werthes Schreiben mir Hoffnung und Wunsch erfüllt, denn da ich selbst nicht sonderlich mehr mobil bin, so kann mir nichts erfreulicher seyn als wenn Freunde, deren Denkart und Gesinnung ich kenne, von ihren Reisebemerkungen Urtheilen und Gefühlen vertrauliche Mittheilung schenken, und so hab ich denn auch mit großem Vergnügen gesehen daß Sie genug Gutes und Löbliches von Wien und den dortigen Zuständen zu sagen wißen.
Auch ich war dieses Jahr wieder in Böhmen, fand meine alten Freunde und Neigungen wieder gewann neue dazu und fühlte mich in diesem Kreise sehr behaglich; auch nahm ich Theil an dem neueinzurichtenden Prager Museum und denke das nächste Jahr an die Fortsetzung einer längst gewohnten Lebensweise.
Betrübt haben mich deswegen Ihre Worte: „dazu nun das Volk, ich meyne die große Masse, in seinem Wohlstande, (Böhmen abgerechnet, das es nicht besser haben will, als es hat, und es besser zu haben schwerlich werth ist)“. Ich weiß recht gut daß dort nicht alles ist wie es seyn sollte; aber Ihre Worte scheinen mir doch zu hart und zu hauptstädtisch; ich darf Sie daher wohl bitten sich näher zu erklären und mir dadurch Anlaß zu geben bey meiner Rückkehr in jene Gegenden besser aufzumerken und da ich meine Neigung nicht wohl aufgeben kann, doch ohne allzu entschiedenes Vorurtheil meine Liebschaften prüfen zu können.
Von Paulus und Johannes wünschte doch auch nähere Schilderung.
Möge Ihnen alles Gute gegönnt und verliehen seyn! Das erste säuberliche Exemplar das mir vom Buchbinder zukommt erhalten Sie sogleich, ich darf es Ihrer herkömmlichen, mir so werthen Theilnahme nicht erst umständlich empfehlen.
Es ist mir in dieser Zeit gar vieles Gute begegnet; Hr. Dr. von Henning in Berlin hat Vorlesungen gehalten über meine Farbenlehre, ich lege seine Einleitung bey, die wohl für jeden gebildeten Geist verständlich und nicht ohne Intereße seyn möchte.
In Hoffnung baldigen Erwiederns wünsche Ihrer fortwährenden Theilnahme immer versichert zu bleiben.
Weimar
den 20. Septbr.
1822.[282]
treulichst
Goethe.
[282] Am 26. Febr. 1823 theilte August v. Goethe Rochlitz die Nachricht von der schweren Erkrankung seines Vaters mit und sprach die Hoffnung aus, daß nun die Gefahr beseitigt sei; wörtlich wie an Zelter, Briefw. III. S. 292 f.