XXXIX.

Sie haben mich, theurer, trefflicher Mann, mit immer gleichem Schritt und unverwandter Gesinnung durchs Leben begleitet und mich, der ich so viele Mißklänge von außen zu vernehmen hatte, stets mit reiner, wahren, ächten Theilnahme erfreut, daß ich sehr undankbar sein müßte wenn ich nicht eine darbietende Gelegenheit ergriffe, meinen Dank endlich auszusprechen. Nehmen Sie daher im Ganzen freundlich auf, was Ihnen im Einzelnen zusagte[272] und gedenken mein jetzt und künftig in Geist und Liebe.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung hinzufügen welche einem alten Autor wohl ziemen mag. Es giebt dreierley Arten Leser: Eine, die ohne Urtheil genießt, eine dritte, die, ohne zu genießen urtheilt, die mittlere die genießend urtheilt und urtheilend genießt; diese reproducirt eigentlich ein Kunstwerk aufs neue. Die Mitglieder dieser Classe, wozu Sie gehören, sind nicht zahlreich, deshalb sie uns auch werther und würdiger erscheinen. Ich sage nichts Neues, Sie haben hierüber gleichfalls erfahren und gedacht.

Leben Sie recht wohl und seyen meinen Kindern freundlich, wenn sie auf ihrer Rückreise von Berlin[273] in Leipzig verweilen sollten wovon ich noch keine gewisse Nachricht habe.

Weimar d. 13 Juny.
1819.

und so fort und ewig
verbunden
Goethe

[272] Die Ausgabe von Goethes Werken in 20 Bänden war in diesem Jahr vollendet.

[273] Briefw. m. Zelter III. S. 19.

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