Neapel, den 1. Juni 1787.

Die Ankunft des Marquis Lucchesini hat meine Abreise auf einige Tage weiter geschoben; ich habe viel Freude gehabt, ihn kennen zu lernen. Er scheint mir einer von denen Menschen zu sein, die einen guten moralischen Magen haben, um an dem großen Welttische immer mitgenießen zu können; anstatt daß unsereiner wie ein wiederkäuendes Tier sich zuzeiten überfüllt und dann nichts weiter zu sich nehmen kann, bis er eine wiederholte Kauung und Verdauung geendigt hat. Sie gefällt mir auch recht wohl, sie ist ein wackres deutsches Wesen.

Ich gehe nun gern aus Neapel, ja, ich muß fort. Diese letzten Tage überließ ich mich der Gefälligkeit, Menschen zu sehen; ich habe meist interessante Personen kennen lernen und bin mit den Stunden, die ich ihnen gewidmet, sehr zufrieden, aber noch vierzehn Tage, so hätte es mich weiter und weiter und abwärts von meinem Zwecke geführt. Und dann wird man hier immer untätiger. Seit meiner Rückkunft von Pästum habe ich außer den Schätzen von Portici wenig gesehen, und es bleibt mir manches zurück, um dessentwillen ich nicht den Fuß aufheben mag. Aber jenes Museum ist auch das A und W aller Antiquitätensammlungen; da sieht man recht, was die alte Welt an freudigem Kunstsinn voraus war, wenn sie gleich in strenger Handwerksfertigkeit weit hinter uns zurückblieb.

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