Neapel, den 25. März 1787. Verkündigung Mariä.

Ob ich gleich empfand, daß Kniep sehr gern mit mir nach Sizilien gehe, so konnte ich doch bemerken, daß er ungern etwas zurückließ. Bei seiner Aufrichtigkeit blieb mir nicht lange verborgen, daß ihm ein Liebchen eng und treu verbunden sei. Wie sie zusammen bekannt geworden, war artig genug zu hören; wie sich das Mädchen bisher betragen, konnte für sie einnehmen; nun sollte ich sie aber auch sehen, wie hübsch sie sei. Hiezu war Anstalt getroffen, und zwar so, daß ich zugleich eine der schönsten Aussichten über Neapel genießen könnte. Er führte mich auf das flache Dach eines Hauses, von wo man besonders den untern Teil der Stadt nach dem Molo zu, den Golf, die Küste von Sorrent vollkommen übersehen konnte; alles weiter rechts Liegende verschob sich auf die sonderbarste Weise, wie man es, ohne auf diesem Punkte zu stehen, nicht leicht sehen wird. Neapel ist überall schön und herrlich.

Als wir nun die Gegend bewunderten, stieg, obgleich erwartet, doch unversehens ein gar artiges Köpfchen aus dem Boden hervor. Denn zu einem solchen Söller macht nur eine länglich viereckige öffnung im Estrich, welche mit einer Falltüre zugedeckt werden kann, den Eingang. Und da nun das Engelchen völlig hervortrat, fiel mir ein, daß ältere Künstler die Verkündigung Mariä also vorstellen, daß der Engel eine Treppe heraufkömmt. Dieser Engel aber war nun wirklich von gar schöner Gestalt, hübschem Gesichtchen und einem guten, natürlichen Betragen. Es freute mich, unter dem herrlichen Himmel und im Angesicht der schönsten Gegend von der Welt meinen neuen Freund so glücklich zu sehen. Er gestand mir, als sie sich wieder entfernt hatte, daß er eben deshalb eine freiwillige Armut bisher getragen, weil er dabei sich zugleich ihrer Liebe erfreut und ihre Genügsamkeit schätzen lernen, nun sollten ihm auch seine bessern Aussichten und ein reichlicher Zustand vorzüglich deshalb wünschenswert sein, damit er auch ihr bessere Tage bereiten könne.

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