Fünfter Auftritt

Tasso (allein).

  Ja, gehe nur, und gehe sicher weg,
Dass du mich überredest, was du willst.
Ich lerne mich verstellen; denn du bist
Ein großer Meister, und ich fasse leicht.
So zwingt das Leben uns zu scheinen, ja
Zu sein wie jene, die wir kühn und stolz
Verachten konnten. Deutlich seh' ich nun
Die ganze Kunst des höfischen Gewebes!
Mich will Antonio von hinnen treiben
Und will nicht scheinen, dass er mich vertreibt.
Er spielt den Schonenden, den Klugen, dass
Man nur recht krank und ungeschickt mich finde,
Bestellet sich zum Vormund, dass er mich
Zum Kind erniedrige, den er zum Knecht
Nicht zwingen konnte. So umnebelt er
Die Stirn des Fürsten und der Fürstin Blick.

  Man soll mich halten, meint er: Habe doch
Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt;
Doch leider habe sie mit manchen Schwächen
Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet,
Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner
Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn.
Es sei nicht anders, einmal habe nun
Den einen Mann das Schicksal so gebildet;
Nun müsse man ihn nehmen, wie er sei,
Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm,
Was Freude bringen kann, am guten Tage
Als unerwarteten Gewinst genießen,
Im Übrigen, wie er geboren sei,
So müsse man ihn leben, sterben lassen.

  Erkenn' ich noch Alphonsens festen Sinn,
Der Feinden trotzt und Freunde treulich schützt?
Erkenn' ich ihn, wie er nun mir begegnet?
Ja, wohl erkenn' ich ganz mein Unglück nun!
Das ist mein Schicksal, dass nur gegen mich
Sich jeglicher verändert, der für andre fest
Und treu und sicher bleibt, sich leicht verändert
Durch einen Hauch, in einem Augenblick.

  Hat nicht die Ankunft dieses Manns allein
Mein ganz Geschick zerstört, in einer Stunde?
Nicht dieser das Gebäude meines Glücks
Von seinem tiefsten Grund aus umgestürzt?
O, muss ich das erfahren, muss ich's heut!
Ja, wie sich alles zu mir drängte, lässt
Mich alles nun; wie jeder mich an sich
Zu reißen strebte, jeder mich zu fassen,
So stößt mich alles weg und meidet mich.
Und das warum? Und wiegt denn er allein
Die Schale meines Werts und aller Liebe,
Die ich so reichlich sonst besessen, auf?

  Ja, alles flieht mich nun. Auch du! Auch du!
Geliebte Fürstin, du entziehst dich mir!
In diesen trüben Stunden hat sie mir
Kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt.
Hab' ich's um sie verdient?—Du armes Herz,
Dem so natürlich war sie zu verehren!—
Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang
Ein unaussprechliches Gefühl die Brust!
Erblickt' ich sie, da ward das helle Licht
Des Tags mir trüb; unwiderstehlich zog
Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie
Erhielt sich kaum, und aller Kraft
Des Geists bedurft' ich, aufrecht mich zu halten,
Vor ihre Füße nicht zu fallen; kaum
Vermocht' ich diesen Taumel zu zerstreun.
Hier halte fest, mein Herz! Du klarer Sinn,
Lass hier dich nicht umnebeln! Ja, auch sie!
Darf ich es sagen? Und ich glaub' es kaum;
Ich glaub' es wohl, und möcht' es mir verschweigen.
Auch Sie! Auch Sie! Entschuldige sie ganz,
Allein verbirg' dir's nicht: Auch Sie! Auch Sie!

  O dieses Wort, an dem ich zweifeln sollte,
Solang ein Hauch von Glauben in mir lebt,
Ja, dieses Wort, es gräbt sich, wie ein Schluss
Des Schicksals noch zuletzt am ehrnen Rande
Der voll geschriebnen Qualentafel ein.
Nun sind erst meine Feinde stark, nun bin ich
Auf ewig einer jeden Kraft beraubt.
Wie soll ich streiten, wenn Sie gegenüber
Im Heere steht? Wie soll ich duldend harren,
Wenn Sie die Hand mir nicht von ferne reicht?
Wenn nicht ihr Blick dem Flehenden begegnet?
Du hast's gewagt zu denken, hast's gesprochen,
Und es ist wahr, eh' du es fürchten konntest!
Und ehe nun die Verzweiflung deine Sinnen
Mit ehrnen Klauen aus einander reißt,
Ja, klage nur das bittre Schicksal an
Und wiederhole nur: Auch Sie! Auch Sie!

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