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So hat er seinen Zorn gewandt

Vom niedern Sohne seiner Magd,

Befreite aus dem Totenland

Die arme Seele, die verzagt.

Nun eilen schon die goldnen Höhn

Hernieder auf den wilden Grund

Und bringen den erregten Seen

Hinab den schönsten Friedensbund.

Da schweigt denn ganz der Schreckenslaut,

Es ruht wie Oel das wilde Meer,

Und keiner bebt und keinem graut,

Und Freudenstimme rings umher.

An die verzagten Herzen dringt

Der Liebe Engelstimme schon,

Ihr Schreiten aus den Höhen klingt,

Ein tief geheimnisvoller Ton.

So wird die Botschaft ausgesandt

Dem Volk, das lang im Joche rang,

Und das so hart des Drängers Hand,

Des Leides Faust in Ketten zwang.

Du wildbewegtes Volk der Wahl,

Du gleichst dem Schiff in Sturmesnot,

Doch naht gewiß auch dir einmal

Das liederweckende Gebot:

Heraus, heraus aus finstrer Nacht,

O liebes Kind, zum Sonnenfirn,

Sieh, Gottes himmelhohe Pracht

Strahlt herrlich über deiner Stirn.

Holder Zephyr, deiner Lüfte

Schwingen tragen Nardendüfte,

Duft vom Apfelblütenstrauß!

Wo des Krämers Würzen liegen,

Dort begann dein frisches Fliegen,

Nimmer in des Sturmes Haus.

Schwalbenflügel schwingst du leise,

Freiheit lautet deine Weise,

Myrrhen streust du hin und her.

Ach, wie freuen sich die Scharen,

Die auf lockrer Planke fahren

Mit dir übers weite Meer.

Laß das Schiff nicht aus der Rechten,

Nicht am Tage, nicht in Nächten,

Brich durchs Meer ihm seine Bahn!

Banne fest die tiefen Gründe,

Bis, die Ruhstatt deiner Winde,

Gottes heil’ge Berge nahn!

Schilt den Ost, den Meeresstürmer,

Flutenkocher, Wogentürmer:

Hab’ ich denn noch freie Bahn?

Ich Gefangner von Gewalten,

Die noch jetzt im Zaum gehalten,

Losgerissen schon mir nahn?

Das Geheimnis meiner Flehen

Bleibt bei Gottes Händen stehen,

Der es mir verborgen hält:

Er, der Höchste, schuf die Höhen,

Er hat auch der Winde Wehen

Heute gnädig mir bestellt.

Kommt die große Flut mit einem Mal?

Läßt kein Land sich schauen in der Runde?

Mensch und Tier und Vogel flohn die Stunde:

Ist’s das Ende? Kommt die Todesqual?

Säh’ ich einen Berg, ein Tal allein,

Würde meine Seele ruhig werden,

Und ein wüstes Fleckchen dieser Erden,

Würde jetzt mir süße Labe sein.

Ach, die Augen gehen um im Kreise:

Nichts als Himmel, Flut, des Schiffes Knochen,

Der Leviathan macht die Tiefe kochen,

Und die Wellen schaun wie wilde Greise.

Und das Meer verbirgt uns in den Wogen

Wie der Räuber sein gestohlenes Gut: – – –

Mag es rasen! Fröhlich ist mein Mut:

Näher kommt die Heimat schon gezogen!

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