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Das Land Spanien breitet nach Süden seine Arme aus. Durch die Geradlinigkeit des Pyrenäenrückens von Europa getrennt, vermag es keinen regeren Verkehr mit den Völkern nördlich des Gebirges zu erzeugen, zumal die Stämme, welche am Fuße der bergigen Mauer wohnen, jenseits und diesseits einander zu ähnlich sind, um durch gegenseitige Bekanntschaft angeregt und bereichert zu werden. Darum wendet Spanien dem übrigen Europa den Rücken zu. Wie es aber im Norden verriegelt ist, so hält es im Süden die Tore offen. Während bis zum Guadalquivir hinab sich jenes weite zusammenhängende Hochland der iberischen Meseta erstreckt, das ein echt kontinentales Klima extremer Sommer- und Wintertemperaturen aufweist, beginnt nach Osten, Süden und Südwesten hin ein ganz anderes und wundervolles Bild. Ein Armausbreiten in der Tat: Als wenn das ganze Land in Liebe sich ergösse, treibt es die volle Herrlichkeit des Südens hervor. Es ist die Sonne der Mittelmeerländer, die hier scheint, ihre Blume ist es, die hier blüht, ihr Regen, der hier rauscht. Hier haben wir die wilden Gewitter, die im Nu kommen, und im Nu vergehen, den feinen Sonnenregen zurücklassend über der perlenbesäten Flur. Hier wandeln wir durch die lichten Wälder, die Maquidickichte, die Huertas und Vegas, jene herrlichen Gartenoasen, von Bächen durchrauscht hierhin und dorthin, wo die Granate flammt, und der Apfelbaum schimmert in der lichten Pracht seiner Blüten. Hier rauschen die Morgen- und Abendwinde über taubedeckte Täler und künden die Nacht an, die nirgends emporsteigt wie hier, so träumerisch erhaben, so schlummernd wach, so einsam und so beredt. Das ist das Land Andalusien, von dem der alte arabische Dichter einst sang: „Da es emportauchte aus des Meeres Flut, ward es wie eine Perle aus der Muschel gehoben. Da erbebten die Wogen vor Entzücken, als sie sich legten wie eine Kette um seinen Hals. Darum lächeln noch immer in ihm wonneerbebende Blüten, darum schmettern in ihm die Nachtigallen auf lauschenden Zweigen. Hier ist die Heimat meiner Lust. Weh mir, wenn ich je sie verlassen müßte! Hier nur ist ein Garten, die ganze Welt eine Wüste.“ Und als der unglückliche Emir von Sevilla, Al Motamid, im fernen Marokko eingekerkert saß und seine wundervollen Elegien sang, da bebte die Schönheit Andalusiens durch sein Lied: „O wie gerne möchte ich wissen, ob ich meinen Garten und meinen See wiedersehen werde in jenem stolzen Lande, wo die Oliven grünen, wo die Tauben girren, wo die Vögel ihr liebliches Gezwitscher ertönen lassen.“

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