DIE MENSCHHEIT

Es ist vielleicht nicht die eleganteste Gesellschaft, wenn man mit Bettlern und Hungerleidern zusammen nach dem Ziele strebt. Aber ich spreche ja nicht von der Kanzel einer Synagoge, und so mag es mir gestattet sein, zu sagen, daß wir Zionisten nicht davor zurückschrecken, mit Bettlern und Hungerleidern zu gehen, wenn das Ziel die Gerechtigkeit ist. Vielleicht werden wir bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit sozialer Verbesserungen entdecken und verwirklichen, die auch den Mühseligen und Beladenen anderer Völker zunutze kommen. Dann erst werden wir wahre Israeliten sein.

(Rede in London.)

Ich glaube an das Aufsteigen der Menschen zu immer höheren Graden der Gesittung; nur halte ich es für ein verzweifelt langsames. Wollten wir warten, bis sich der Sinn auch der mittleren Menschen zur Milde abklärt, die Lessing hatte, als er Nathan den Weisen schrieb, so könnte darüber unser Leben und das unserer Söhne, Enkel und Urenkel vergehen.

Erfindungen und Entdeckungen haben die Menschen nicht dümmer gemacht und auch nicht schlechter. Man vervollkommnet die Schießgewehre, aber als man noch mit Streitaxt und Morgenstern zu Felde zog, hatte man ebensowenig die Absicht, dem [pg 64] Feinde das Leben zu verlängern oder es ihm süß zu machen.

( Buch der Narrheit )

Auch um das Eisen aus dem Schoße der Erde zu holen, ist Gold erfordert worden. Schien es nicht, als wäre das ein theoretischer Tausch? Eisen, etwas Wertloses, gewiß kein edles Metall! Aber der Mensch hat seine Arbeit und Gedanken dazu gegeben, und siehe, das schlechte Metall verwandelt seine Gestalt: es wird Schiene und schlingt sich als Band von Land zu Land, es wird Werkzeug und Maschine, Säule und Traverse, es schwingt sich als Brücke über den Strom und gleitet trotz seiner Schwere als Schiff über das duftende Meer nach neuen und alten Gestaden.

(Rede im Makkabäerklub.)

Es wäre unsittlich, wenn wir einem Menschen, woher er auch komme, welchen Stammes oder Glaubens er auch sei, die Teilnahme an unseren Errungenschaften verwehren wollten. Denn wir stehen auf den Schultern anderer Kulturvölker.

( Altneuland. )

 — Uns ist nichts Menschliches fremd. Auch wir wollen an der Besserung der allgemeinen Zustände mitarbeiten, aber als Juden, nicht als unbestimmte Menschen, und was wir dann als Juden tun, das wird uns auch zur Ehre gereichen.

(Rede in der Österr. Union.)

Eine große Helligkeit strömte von der Menorah aus. Die Augen der Kinder glänzten. Unserem Manne aber [pg 65] wurde das Ganze zu einem Gleichnis für die Entflammung der Nation. Erst eine Kerze, da ist es noch dunkel, und das einsame Licht sieht noch traurig aus. Dann findet es einen Gefährten, noch einen, noch mehr. Die Finsternis muß weichen. Bei den Jungen und Armen leuchtet es zuerst auf, dann schließen sich die andern an, die das Recht, die Wahrheit, die Freiheit, den Fortschritt, die Menschlichkeit, die Schönheit lieben. Wenn alle Kerzen brennen, dann muß man staunen und sich freuen über das getane Werk. Und kein Amt ist beglückender als das eines Dieners am Licht.

(Die Menorah.)

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