DIE WANDERUNG

Aus den fürchterlichen Pferchen im Osten Europas brechen seit zwanzig Jahren ununterbrochen Hunderttausende verzweifelter Menschen auf, um anderwärts ein Stück Brot und ein bißchen Freiheit zu suchen. Welcher Mensch, der nicht ein versteinertes Herz in der Brust trägt, wird diese jammervolle Wanderung aus dem Elend ohne Erschütterung mit ansehen können? Aber diese halbverhungerten und ganz verzweifelten Parias tragen nicht nur ihre eigene Not um den Erdkreis herum, sondern auch die der anderen. So fliehen sie vor dem Haß und erzeugen ihn überall, wo sie erscheinen. Kraft ihrer größeren Armut reißen sie den bisher Aermsten das Brot vom Munde weg.

(Der ewige Jude.)

Ich weiß es nicht, ob wir noch in dieser Generation die Befreiung aus Schimpf und Elend erleben werden. Möglich ist es, vorausgesetzt, daß wir klug und entschlossen sind. Aber das weiß ich, daß schon das Wandern auf diesem Wege uns zu anderen Menschen machen wird. Wir gewinnen unsere verlorene innerliche Einheit wieder und mit dieser ein bißchen Charakter, und zwar unseren eigenen [pg 26] Charakter. Keinen marranischen, erborgten, unwahren, sondern unseren eigenen. Und dann erst wollen wir mit allen anderen rechtschaffenen Menschen wetteifern in Gerechtigkeit, Nächstenliebe und hohen Freisinn, wollen uns auf allen Feldern der Ehre betätigen, in Kunst und Wissenschaft es vorwärts zu bringen trachten, damit ein Glanz von unseren Taten auf die Aermsten unseres Volkes zurückfalle.

(Rede in der Österr. Union.)

Dazu muß vor allem in den Seelen tabula rasa gemacht werden von mancherlei alten, überholten, verworrenen, beschränkten Vorstellungen. So werden dumpfe Gehirne zunächst meinen, daß die Wanderung aus der Kultur hinaus in die Wüste gehen müsse. Nicht wahr! Die Wanderung vollzieht sich mitten in der Kultur. Man kehrt nicht auf eine niedrigere Stufe zurück, sondern ersteigt eine höhere.

( Der Judenstaat. )

Als die Völker in den historischen Zeiten wanderten, ließen sie sich vom Weltzufall tragen, ziehen, schleudern. Wie Heuschreckenschwärme gingen sie in ihrem bewußtlosen Zuge irgendwo nieder. In den geschichtlichen Zeiten kannte man ja die Erde nicht. Die neue Judenwanderung muß nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgen.

( Der Judenstaat. )

Die Wanderung ist zugleich eine aufsteigende Klassenbewegung.

( Der Judenstaat. )

[pg 27] Wenn wir noch einmal aus Mizraim wandern, werden wir die Fleischtöpfe nicht vergessen.

( Der Judenstaat. )

Aber die ersten, die gläubig, begeistert und tapfer hinübergehen, werden die besten Plätze haben.

( Der Judenstaat. )

Diese, die zögernden späten Nachzügler werden hüben und drüben am schlechtesten daran sein.

( Der Judenstaat. )

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