Was an der Vorstellung eines Objects bloß subjectiv ist, d. i. ihre Beziehung auf das Subject, nicht auf den Gegenstand ausmacht, ist die ästhetische Beschaffenheit derselben; was aber an ihr zur Bestimmung 35 des Gegenstandes (zum Erkenntnisse) dient oder gebraucht werden kann, ist ihre logische Gültigkeit. In dem Erkenntnisse eines Gegenstandes der Sinne kommen beide Beziehungen zusammen vor. In der Sinnenvorstellung der Dinge außer mir ist die Qualität des Raums, worin wir sie anschauen, das bloß Subjective meiner Vorstellung derselben (wodurch, 5 was sie als Objecte an sich sein mögen, unausgemacht bleibt), um welcher Beziehung willen der Gegenstand auch dadurch bloß als Erscheinung gedacht wird; der Raum ist aber seiner bloß subjectiven Qualität ungeachtet gleichwohl doch ein Erkenntnißstück der Dinge als Erscheinungen. Empfindung (hier die äußere) drückt eben sowohl das bloß 10 Subjective unserer Vorstellungen der Dinge außer uns aus, aber eigentlich XLIII das Materielle (Reale) derselben (wodurch etwas Existirendes gegeben wird), so wie der Raum die bloße Form a priori der Möglichkeit ihrer Anschauung; und gleichwohl wird jene auch zum Erkenntniß der Objecte außer uns gebraucht. 15
Dasjenige Subjective aber an einer Vorstellung, was gar kein Erkenntnißstück werden kann, ist die mit ihr verbundene Lust oder Unlust; denn durch sie erkenne ich nichts an dem Gegenstande der Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung irgend einer Erkenntniß sein kann. Nun ist die Zweckmäßigkeit eines Dinges, sofern sie in der Wahrnehmung 20 vorgestellt wird, auch keine Beschaffenheit des Objects selbst (denn eine solche kann nicht wahrgenommen werden), ob sie gleich aus einem Erkenntnisse der Dinge gefolgert werden kann. Die Zweckmäßigkeit also, die vor dem Erkenntnisse eines Objects vorhergeht, ja sogar, ohne die Vorstellung desselben zu einem Erkenntniß brauchen zu wollen, gleichwohl mit ihr 25 unmittelbar verbunden wird, ist das Subjective derselben, was gar kein Erkenntnißstück werden kann. Also wird der Gegenstand alsdann nur darum zweckmäßig genannt, weil seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühle der Lust verbunden ist; und diese Vorstellung selbst ist eine ästhetische Vorstellung der Zweckmäßigkeit. — Es fragt sich nur, ob es 30 XLIV überhaupt eine solche Vorstellung der Zweckmäßigkeit gebe.
Wenn mit der bloßen Auffassung (apprehensio) der Form eines Gegenstandes der Anschauung ohne Beziehung derselben auf einen Begriff zu einem bestimmten Erkenntniß Lust verbunden ist: so wird die Vorstellung dadurch nicht auf das Object, sondern lediglich auf das 35 Subject bezogen; und die Lust kann nichts anders als die Angemessenheit desselben zu den Erkenntnißvermögen, die in der reflectirenden Urtheilskraft im Spiel sind, und sofern sie darin sind, also bloß eine subjective formale Zweckmäßigkeit des Objects ausdrücken. Denn jene Auffassung der Formen in die Einbildungskraft kann niemals geschehen, ohne daß die reflectirende Urtheilskraft, auch unabsichtlich, sie wenigstens mit ihrem Vermögen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen, vergliche. Wenn nun 5 in dieser Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermögen der Anschauungen a priori) zum Verstande (als Vermögen der Begriffe) durch eine gegebene Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefühl der Lust erweckt wird, so muß der Gegenstand alsdann als zweckmäßig für die reflectirende Urtheilskraft angesehen werden. Ein 10 solches Urtheil ist ein ästhetisches Urtheil über die Zweckmäßigkeit des Objects, welches sich auf keinem vorhandenen Begriffe vom Gegenstande gründet und keinen von ihm verschafft. Wessen Gegenstandes Form (nicht das Materielle seiner Vorstellung, als Empfindung) in der bloßen XLV Reflexion über dieselbe (ohne Absicht auf einen von ihm zu erwerbenden 15 Begriff) als der Grund einer Lust an der Vorstellung eines solchen Objects beurtheilt wird: mit dessen Vorstellung wird diese Lust auch als nothwendig verbunden geurtheilt, folglich als nicht bloß für das Subject, welches diese Form auffaßt, sondern für jeden Urtheilenden überhaupt. Der Gegenstand heißt alsdann schön; und das Vermögen, durch eine 20 solche Lust (folglich auch allgemeingültig) zu urtheilen, der Geschmack. Denn da der Grund der Lust bloß in der Form des Gegenstandes für die Reflexion überhaupt, mithin in keiner Empfindung des Gegenstandes und auch ohne Beziehung auf einen Begriff, der irgend eine Absicht enthielte, gesetzt wird: so ist es allein die Gesetzmäßigkeit im empirischen 25 Gebrauche der Urtheilskraft überhaupt (Einheit der Einbildungskraft mit dem Verstande) in dem Subjecte, mit der die Vorstellung des Objects in der Reflexion, deren Bedingungen a priori allgemein gelten, zusammen stimmt; und da diese Zusammenstimmung des Gegenstandes mit den Vermögen des Subjects zufällig ist, so bewirkt sie die Vorstellung 30 einer Zweckmäßigkeit desselben in Ansehung der Erkenntnißvermögen des Subjects.
Hier ist nun eine Lust, die wie alle Lust oder Unlust, welche nicht durch den Freiheitsbegriff (d. i. durch die vorhergehende Bestimmung des oberen Begehrungsvermögens durch reine Vernunft) gewirkt wird, niemals 35 XLVI aus Begriffen als mit der Vorstellung eines Gegenstandes nothwendig verbunden eingesehen werden kann, sondern jederzeit nur durch reflectirte Wahrnehmung als mit dieser verknüpft erkannt werden muß, folglich wie alle empirische Urtheile keine objective Nothwendigkeit ankündigen und auf Gültigkeit a priori Anspruch machen kann. Aber das Geschmacksurtheil macht auch nur Anspruch, wie jedes andere empirische Urtheil, für jedermann zu gelten, welches ungeachtet der inneren Zufälligkeit 5 desselben immer möglich ist. Das Befremdende und Abweichende liegt nur darin: daß es nicht ein empirischer Begriff, sondern ein Gefühl der Lust (folglich gar kein Begriff) ist, welches doch durch das Geschmacksurtheil, gleich als ob es ein mit dem Erkenntnisse des Objects verbundenes Prädicat wäre, jedermann zugemuthet und mit der Vorstellung 10 desselben verknüpft werden soll.
Ein einzelnes Erfahrungsurtheil, z. B. von dem, der in einem Bergkrystall einen beweglichen Tropfen Wasser wahrnimmt, verlangt mit Recht, daß ein jeder andere es eben so finden müsse, weil er dieses Urtheil nach den allgemeinen Bedingungen der bestimmenden Urtheilskraft 15 unter den Gesetzen einer möglichen Erfahrung überhaupt gefällt hat. Eben so macht derjenige, welcher in der bloßen Reflexion über die Form eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf einen Begriff Lust empfindet, obzwar dieses Urtheil empirisch und ein einzelnes Urtheil ist, mit Recht XLVII Anspruch auf Jedermanns Beistimmung: weil der Grund zu dieser Lust 20 in der allgemeinen, obzwar subjectiven Bedingung der reflectirenden Urtheile, nämlich der zweckmäßigen Übereinstimmung eines Gegenstandes (er sei Product der Natur oder der Kunst) mit dem Verhältniß der Erkenntnißvermögen unter sich, die zu jedem empirischen Erkenntniß erfordert werden (der Einbildungskraft und des Verstandes), angetroffen 25 wird. Die Lust ist also im Geschmacksurtheile zwar von einer empirischen Vorstellung abhängig und kann a priori mit keinem Begriffe verbunden werden (man kann a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmacke gemäß sein werde, oder nicht, man muß ihn versuchen); aber sie ist doch der Bestimmungsgrund dieses Urtheils nur dadurch, daß man 30 sich bewußt ist, sie beruhe bloß auf der Reflexion und den allgemeinen, obwohl nur subjectiven, Bedingungen der Übereinstimmung derselben zum Erkenntniß der Objecte überhaupt, für welche die Form des Objects zweckmäßig ist.
Das ist die Ursache, warum die Urtheile des Geschmacks ihrer Möglichkeit 35 nach, weil diese ein Princip a priori voraussetzt, auch einer Kritik unterworfen sind, obgleich dieses Princip weder ein Erkenntnißprincip für den Verstand, noch ein praktisches für den Willen und also a priori gar nicht bestimmend ist.
Die Empfänglichkeit einer Lust aus der Reflexion über die Formen XLVIII der Sachen (der Natur sowohl als der Kunst) bezeichnet aber nicht allein eine Zweckmäßigkeit der Objecte in Verhältniß auf die reflectirende Urtheilskraft, 5 gemäß dem Naturbegriffe, am Subject, sondern auch umgekehrt des Subjects in Ansehung der Gegenstände, ihrer Form, ja selbst ihrer Unform nach, zufolge dem Freiheitsbegriffe; und dadurch geschieht es: daß das ästhetische Urtheil nicht bloß als Geschmacksurtheil auf das Schöne, sondern auch, als aus einem Geistesgefühl entsprungenes, auf 10 das Erhabene bezogen wird, und so jene Kritik der ästhetischen Urtheilskraft in zwei diesen gemäße Haupttheile zerfallen muß.