§ 35. 145 Das Princip des Geschmacks ist das subjective Princip der 30 Urtheilskraft überhaupt.

Das Geschmacksurtheil unterscheidet sich darin von dem logischen: daß das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Object, das erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumirt, weil sonst der nothwendige allgemeine Beifall durch Beweise würde erzwungen werden können. Gleichwohl 35 aber ist es darin dem letztern ähnlich, daß es eine Allgemeinheit und Nothwendigkeit, aber nicht nach Begriffen vom Object, folglich eine bloß subjective vorgiebt. Weil nun die Begriffe in einem Urtheile den Inhalt desselben (das zum Erkenntniß des Objects Gehörige) ausmachen, das Geschmacksurtheil aber nicht durch Begriffe bestimmbar ist, so gründet es sich nur auf der subjectiven formalen Bedingung eines Urtheils überhaupt. 5 Die subjective Bedingung aller Urtheile ist das Vermögen zu urtheilen selbst, oder die Urtheilskraft. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweier Vorstellungskräfte Zusammenstimmung: nämlich der Einbildungskraft (für die Anschauung und die Zusammensetzung des Mannigfaltigen derselben) und 10 des Verstandes (für den Begriff der Vorstellung der Einheit dieser Zusammensetzung). Weil nun dem Urtheile hier kein Begriff vom Objecte zum Grunde liegt, so kann es nur in der Subsumtion der Einbildungskraft 146 selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird) unter die Bedingung, daß der Verstand überhaupt von der Anschauung 15 zu Begriffen gelangt, bestehen. D. i. weil eben darin, daß die Einbildungskraft ohne Begriff schematisirt, die Freiheit derselben besteht: so muß das Geschmacksurtheil auf einer bloßen Empfindung der sich wechselseitig belebenden Einbildungskraft in ihrer Freiheit und des Verstandes mit seiner Gesetzmäßigkeit, also auf einem Gefühle beruhen, das den Gegenstand 20 nach der Zweckmäßigkeit der Vorstellung (wodurch ein Gegenstand gegeben wird) auf die Beförderung der Erkenntnißvermögen in ihrem freien Spiele beurtheilen läßt; und der Geschmack als subjective Urtheilskraft enthält ein Princip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschauungen oder 25 Darstellungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (d. i. den Verstand), sofern das erstere in seiner Freiheit zum letzteren in seiner Gesetzmäßigkeit zusammenstimmt.

Um diesen Rechtsgrund nun durch eine Deduction der Geschmacksurtheile ausfindig zu machen, können nur die formalen Eigenthümlichkeiten 30 dieser Art Urtheile, mithin sofern an ihnen bloß die logische Form betrachtet wird, uns zum Leitfaden dienen.

Share on Twitter Share on Facebook