§ 79. Ob die Teleologie als zur Naturlehre gehörend abgehandelt werden müsse. 5

Eine jede Wissenschaft muß in der Encyklopädie aller Wissenschaften ihre bestimmte Stelle haben. Ist es eine philosophische Wissenschaft, so muß ihr ihre Stelle in dem theoretischen oder praktischen Theil derselben und, hat sie ihren Platz im ersteren, entweder in der Naturlehre, so fern sie das, was Gegenstand der Erfahrung sein kann, erwägt (folglich der 10 Körperlehre, der Seelenlehre und allgemeinen Weltwissenschaft), oder in der Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung) angewiesen werden.

Nun fragt sich: Welche Stelle gebührt der Teleologie? Gehört sie zur (eigentlich sogenannten) Naturwissenschaft, oder zur Theologie? Eins 15 von beiden muß sein; denn zum Übergange aus einer in die andere kann gar keine Wissenschaft gehören, weil dieser nur die Articulation oder Organisation des Systems und keinen Platz in demselben bedeutet.

Daß sie in die Theologie als ein Theil derselben nicht gehöre, obgleich 365 in derselben von ihr der wichtigste Gebrauch gemacht werden kann, ist für 20 sich selbst klar. Denn sie hat Naturerzeugungen und die Ursache derselben zu ihrem Gegenstande; und ob sie gleich auf die letztere, als einen außer und über die Natur belegenen Grund (göttlichen Urheber) hinausweiset, so thut sie dieses doch nicht für die bestimmende, sondern nur (um die Beurtheilung der Dinge in der Welt durch eine solche Idee dem 25 menschlichen Verstande angemessen als regulatives Princip zu leiten) bloß für die reflectirende Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.

Eben so wenig scheint sie aber auch in die Naturwissenschaft zu gehören, welche bestimmender und nicht bloß reflectirender Principien bedarf, um von Naturwirkungen objective Gründe anzugeben. In der That ist auch für die Theorie der Natur, oder die mechanische Erklärung der Phänomene derselben durch ihre wirkenden Ursachen dadurch nichts gewonnen, 5 daß man sie nach dem Verhältnisse der Zwecke zu einander betrachtet. Die Aufstellung der Zwecke der Natur an ihren Producten, so fern sie ein System nach teleologischen Begriffen ausmachen, ist eigentlich nur zur Naturbeschreibung gehörig, welche nach einem besondern Leitfaden abgefaßt ist: wo die Vernunft zwar ein herrliches unterrichtendes 10 und praktisch in mancherlei Absicht zweckmäßiges Geschäft verrichtet, aber über das Entstehen und die innere Möglichkeit dieser Formen gar keinen 366 Aufschluß giebt, worum es doch der theoretischen Naturwissenschaft eigentlich zu thun ist.

Die Teleologie als Wissenschaft gehört also zu gar keiner Doctrin, 15 sondern nur zur Kritik und zwar eines besondern Erkenntnißvermögens, nämlich der Urtheilskraft. Aber so fern sie Principien a priori enthält, kann und muß sie die Methode, wie über die Natur nach dem Princip der Endursachen geurtheilt werden müsse, angeben; und so hat ihre Methodenlehre wenigstens negativen Einfluß auf das Verfahren in der theoretischen 20 Naturwissenschaft und auch auf das Verhältniß, welches diese in der Metaphysik zur Theologie als Propädeutik derselben haben kann.

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