Als Kolumbus auf seine die Kugelgestalt der Erde voraussetzende Entdeckungsfahrt auszog, wurde er für einen Ketzer erklärt, und die Kirchenversammlung von Salamanka gab ihm in frommer Gesinnung den Bannstrahl mit auf den Weg. Man konstatierte, daß die Bücher Mosis, die Psalmen, die Propheten, die Evangelien, die Epistel und die Schriften der Kirchenväter Chrysostomus, Augustinus, Hieronymus, Gregorius, Basilius und Ambrosius dagegen zeugten. Als er zurückkam, ja als Magelhaens 1522 von einer Reise rund um den Erdball zurückkehrte, ließ man sich aber trotzdem nicht belehren, daß eben alle diese Schriften von Irrtümern strotzen.
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Bekanntlich verdanken wir die Neuentdeckung des heliozentrischen Sonnensystems erst Kopernikus (1473–1543). Im Jahre 1616 wurde aus Anlaß der Aktion gegen Galilei sein Buch auf den Index librorum prohibitorum gesetzt, von dem man es erst 1754 entfernte. Erst 1822 gestattete die Indexkongregation den Druck von Büchern, welche die Bewegung der Erde lehren. Bis dahin drehte sich also für den gläubigen Katholiken die Sonne noch um die Erde, d. h. erst nach 2100 Jahren durfte er die Lehre Aristarchs annehmen!
Luther verwarf die gewaltige Tat des Kopernikus als Narrheit, und zwar aus einem zwingenden Grunde: weil in der Bibel Josua die Sonne stillestehen läßt und nicht die Erde!
Das 1. und 2. Keplersche Gesetz wurde (1609 und 1618) von der Kongregation des Index expurgatorius verboten, weil beide dem Kopernikanischen System als Stütze dienten, und weil man es nicht für passend fand, irgendein Gesetz anzuerkennen, das mit Gottes freiem Willen im Widerspruch stand. Die Macht der Geistlichkeit, die auf diesen freien Willen Einfluß ausübte, gutes Wetter oder Regen machte etc., wurde dadurch eingeschränkt. Das Geschäft durfte aber unter keinen Umständen verdorben werden[296].
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Da Giordano Bruno unter anderem behauptet hatte, es gebe mehrere Welten, wurde er am 16. Februar 1600 in Rom verbrannt. Natürlich war die Kirche daran, wie an allen Hexenverbrennungen, völlig unschuldig, hatte sie ihn doch mit der stehenden Formel der weltlichen Behörde überliefert „so barmherzig als möglich zu sein und ohne Blutvergießen zu bestrafen“[297].
Für die Dreistigkeit Galileis, eine Wahrheit entdeckt zu haben, wurde er trotz seines Widerrufes vom römischen Inquisitionsgericht durch 3 Jahre Kerker bestraft. Ferner mußte er an einem ihm angewiesenen Orte leben, und die Beisetzung in geweihter Erde wurde ihm versagt. Mag er dadurch die kirchliche Unsterblichkeit verloren haben, so kann er doch mit der andern ganz zufrieden sein[298].
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Die Kirche war eine heftige Feindin der Experimentalphysik und das nicht ohne Grund. Die Physiker konnten durch ihre teilweise verblüffenden Experimente den bisher allein von der Geistlichkeit geübten „Wundern“ erfolgreich Konkurrenz machen oder doch ihnen das Geschäft verderben, und das mußte natürlich verhütet werden. Sogar bis auf die Tiere erstreckte sich dieser Brotneid. Als jemand seinem Pferde einige Kunststücke beigebracht hatte, wurde es 1601 in Lissabon vor Gericht gestellt und, weil vom Teufel besessen, verbrannt [299].
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Als 1752 die kgl. Gesellschaft in England den Gregorianischen Kalender einführte, natürlich gegen eine heftige Opposition von kirchlicher Seite, wurden einige Mitglieder der Gesellschaft vom aufgehetzten Pöbel in den Straßen Londons verfolgt, weil sie ihnen 11 Tage ihres Lebens geraubt haben sollten [300]!
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Auch im 19. Jahrhundert ließ sich die Geistlichkeit nicht lumpen, so wenig wie in der Gegenwart. Als in Amerika Anästhetika bei Geburten angewandt wurden, um den Frauen die Schmerzen zu erleichtern, trat die Geistlichkeit mit Heftigkeit dagegen auf. Der Grund war, daß – Moses im 1. Buche 3, 16 erzählt, Gott habe zum Weibe gesprochen: „Ich will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären..[301]“.
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Die Schutzpockenimpfung wurde keineswegs durch einen Arzt in die europäische Medizin eingeführt, sondern durch Lady Wortley Montague, die als Gattin des britischen Gesandten in Konstantinopel in den Jahren 1716–1719 die von Indern und Orientalen schon längst geübte Schutzimpfung von Menschenblattern gegen die Pocken kennen lernte. Sie verschaffte dieser wichtigen, wenn damals auch noch keineswegs ungefährlichen und von ärztlicher Seite natürlich hart angegriffenen Neuerung – wo hätte je eine Zunft von außen kommende Anregungen freudig aufgenommen? – in England Verbreitung. Die Geistlichkeit aber sträubte sich dagegen, da sie in Krankheiten wie auch in Erdbeben eine unabwendbare Heimsuchung Gottes gegen die Menschheit um ihrer Sünden willen sah. Die Geistlichkeit ist eben in gewissen Eigenschaften auf der ganzen Erde sich gleich. Vor dieser Gemeinsamkeit tritt die Differenz der Religion und Konfession zurück. Auch die Impfung mit Kuhpockenlymphe ist nicht von einem Arzte entdeckt worden. Jenner lernte sie vielmehr von Laien. Seit dem Jahre 1761 hatte der Pächter Jensen und Schullehrer Plett sie bereits in Holstein angewandt. Diesmal bemächtigte sich aber die Wissenschaft der Errungenschaft relativ schnell. Denn schon 38 Jahre(!) später, im Jahre 1799, wurden die ersten Impfungen von deutschen Ärzten in Hannover vorgenommen, und zwar unter englischem Einfluß[302].
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In der Gegenwart wüten Katholizismus und orthodoxer Protestantismus aus gleich triftigen Gründen gegen die Entwicklungslehre, Darwinismus und Lamarckismus. Es gab eben noch nirgend einen Fortschritt oder eine neuentdeckte Wahrheit, die nicht von Kirche und Geistlichkeit bekämpft worden wäre. Die Angst dieser Faktoren vor Wahrheit und Wissen wird köstlich illustriert durch die von der theologischen Fakultät zu Paris aufgeworfene Frage, was aus der Religion werden solle, wenn das Studium der griechischen und hebräischen Sprache erlaubt sei [303]. Also nicht nur im Buche der Natur zu blättern ist für die Gottesstreiter gefährlich, sogar die Nachprüfung der Quellen, aus denen sie ihre Existenzberechtigung herleiten wird – nicht ohne Grund – von ihnen gefürchtet! Chamberlain nennt die Bibel sogar das einzige für Rom wirklich gefährliche Buch!
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Als Professor Friedrich Delitzsch 1901 und 1902 seine so außerordentliches Aufsehen erregenden Vorträge über Babel und Bibel hielt, konnte man sich um etliche Jahrhunderte zurückversetzt glauben. Delitzsch hatte darauf hingewiesen, daß dem Bibelstudium durch die Ausgrabungen von Keilinschriften reiche Förderung in historischer und realer Hinsicht zuteil würde: die Namen von Örtlichkeiten, historische Personen treten in helleres Licht. Es zeige sich, daß Kanaan eine Kulturprovinz Babyloniens sei, das dorthin Handel und Recht und Sitte und Wissenschaft verpflanzt habe. Der Sabbat sei babylonisch, desgleichen eine ganze Reihe biblischer Erzählungen, wie die von der Sintflut, Schöpfung, Sündenfall, Paradies, Leben nach dem Tode, Engeln und Dämonen, letzten Endes sogar der Monotheismus. Dieser bestand bekanntlich bei den Israeliten ursprünglich durchaus nicht in der Form, wie sie offiziell heute gelehrt wird, und trotz „Dreieinigkeit“ und Teufel angeblich bei uns besteht, sondern in der des Henotheismus, daß eben der Judengott stärker und mächtiger war, als die der benachbarten Völkerschaften[304].
Diese Vorträge riefen bei sehr vielen einen Sturm der Entrüstung hervor, und es wurde im Ernste von „orthodoxer“ Seite der leidenschaftliche Versuch gemacht, um der Heiligkeit des Glaubens willen die Sonderstellung Israels und seine besondere göttliche Mission zu verteidigen, d. h. sich mit Entschiedenheit gegen die Assyriologie, als eine exakte und historische Wissenschaft zu wehren, bzw. ihre Resultate ungeprüft oder mit Scheingründen abzulehnen. Das mußten sie tun zur Beruhigung der Gemeinde [305]! Es gibt also noch in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts weite Volksschichten, die sich beunruhigt fühlen, wenn man den Nachweis erbringt, daß die Juden, dieses Parasitenvolk, das während seiner ganzen selbständigen Geschichte weder auf politischem noch auf kulturellem Gebiete Nennenswertes geleistet hat, Schüler der weit bedeutenderen Babylonier sind[306]! Die im Ernst glauben, Zustände, die im halbbarbarischen Vorderasien vor 2½ Jahrtausenden herrschten, auf die Gegenwart übertragen zu können, ja letztere an ersteren zu messen! Und das alles, weil sie glauben oder zu glauben vorgeben, der liebe Gott habe seinen auserwählten Juden die Bibel wörtlich in die Feder diktiert! Tatsächlich steht es bei Kollisionen zwischen historischen oder naturwissenschaftlichen Ergebnissen mit der Bibel für viele fest, daß erstere irren, wie es ja auch noch heute Leute geben soll, die an den Stillstand der Sonne auf Josuas Befehl glauben. Also heute noch lassen sich Deutsche in ihrem Denken und Handeln von Anschauungen eines kleinen, einst in fremdem Erdteil wohnenden Volkes beeinflussen, das kulturell etwa auf der Stufe stand, die unsere Vorfahren unter den fränkischen Kaisern einnahmen!
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Um das Jahr 1600 wurde ein Webstuhl erfunden, der sogenannte „Mühlstuhl“, der auf einem Räderwerk und mechanischem Antrieb beruhte, eine wesentliche Erleichterung der bisherigen Fabrikationsweise. Da die Arbeiterschaft über Konkurrenz schrie, verfaßte die kaiserliche Kanzlei in den Jahren 1681, 1685 und 1719 immer neue Verordnungen, die die Anwendung des Mühlstuhls in der deutschen Industrie verboten. Zuerst wurde er in Sachsen zugelassen und sogar durch Prämien unterstützt, als es galt, die schweren Wunden zu heilen, die der Siebenjährige Krieg geschlagen hatte. Also über anderthalb Jahrhunderte hatten die Behörden sich dem Gebrauche einer wichtigen Erfindung widersetzt [307]!
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Im Jahre 1306 war in England das Verbrennen der Steinkohle von König Eduard I. verboten worden wegen des Rauches und des üblen Geruches[308].
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Als J. von Baader, der Veteran des Eisenbahnbaues, sich im Jahre 1831 an die Ständekammer wandte mit der Bitte um Unterstützung, beschloß sie zwar in einer noblen Anwandlung „das Anerbieten J. v. Baaders zur Einführung einer neuerfundenen Bauart von Eisenbahnen und zum Nachweis des Reellen seiner Erfindung durch Versuche im großen in der Art anzunehmen, daß ihm aus Staatsmitteln 3000 Gulden gegeben würden, die er sofort wieder zurückersetzen müsse, wenn seine Versuche den gemachten Zusicherungen nicht entsprächen“, die Kammer der Reichsräte verweigerte aber ihre Zustimmung! Zwei Jahre später, am 10. Juli 1833, wurde endlich der Beweis erbracht, daß die Regierung – wenn schon nicht die Kammern – die außerordentliche Tragweite des Projektes mit weitem Blick erkannt hatte und demnach in großherziger Weise unterstützte. Die Ministerialentschließung lautet: „Die k. Regierung in Ansbach wird ermächtigt, für den Fall der Realisierung der Anlage einer Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth durch Bildung einer Aktiengesellschaft 2 – zwei – Aktien au porteur auf Rechnung des Zentralindustriefonds zu erwerben, um hierdurch die lebhafte Teilnahme der Staatsregierung an dem wichtigen Unternehmen zu bewähren.“ Der Preis der Aktie betrug 100 Gulden, von denen 10% angezahlt wurden. Es war nötig, den König um Unterstützung anzugehen, sonst wären die restierenden 180 Gulden noch nicht am 25. November 1835 bezahlt worden! Das war die von der Regierung der ersten deutschen Eisenbahn gewährte Unterstützung! Bedenkt man allerdings, daß es damals Leute gab, die die Eisenbahn als eine Teufelserfindung verabscheuten und es als eine Versuchung Gottes erklärten, mit Dampf statt mit Pferden und anderen Tieren zu fahren, die dazu vom Schöpfer dem Menschen gegeben seien, dann kann man der Regierungsspende von 200 Gulden eine gewisse Großartigkeit nicht absprechen[309].
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1806 behauptete das Mitglied des Instituts, Mercier, in einem Werke, daß die Erde sich nicht bewege. Er werde nie zugeben, daß sie sich „wie ein Kapaun am Bratspieß“ drehe. Bereits die Schule des Pythagoras hatte die tägliche Bewegung der Erde gelehrt. Weder Platon noch Aristoteles gaben das zu, und der große Geograph Ptolemäus bezeichnet die Hypothese als Narretei und „völlig lächerlich[310]“. Das hl. Offizium hatte s. Z. Galilei gegenüber diese Lehre für „töricht und absurd vom philosophischen Standpunkt und für teilweise formell ketzerisch“ erklärt.
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Als am 11. März 1878 in der Académie des Sciences der Physiker Du Moucel den versammelten Gelehrten den Phonographen Edisons vorführte, sprang der Akademiker Monsieur Bouillaud, durchdrungen von klassischer Bildung voll edler Empörung über die Frechheit des Neuerers dem Vertreter Edisons an die Kehle und schrie: „Sie Schuft! Glauben Sie, wir lassen uns von einem Bauchredner zum Besten halten?!“ Am 30. September des gleichen Jahres gab Bouillaud nach eingehender Prüfung des Apparates die Erklärung ab, er sei überzeugt, daß es sich nur um eine geschickte Bauchrednerei handle. „Man könne doch unmöglich annehmen, daß ein schäbiges Metall den edlen Klang der menschlichen Stimme wiedergeben könne.“
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Als Lavoisier die Luft in ihre Bestandteile zerlegte und entdeckte, daß sie vornehmlich aus den zwei Gasen Sauerstoff und Stickstoff bestehe, also kein Element sei, rief diese Entdeckung einen Sturm der Entrüstung hervor. Der Chemiker Baumé, Erfinder des Aräometers und Mitglied der Académie des Sciences, wetterte dagegen: „Die Elemente oder Grundbestandteile der Körper sind von den Physikern aller Jahrhunderte und aller Nationen anerkannt und festgestellt worden. Es ist nicht zulässig, daß die seit 2000 Jahren anerkannten Elemente jetzt heute in die Kategorie der zusammengesetzten Substanzen eingereiht würden. Man darf das Verfahren, Luft und Wasser in seine Bestandteile zu zerlegen, ruhig als unsicher hinstellen; ganz absurdes Geschwätz, um nicht noch mehr zu sagen, ist es aber, die Existenz von Feuer und Erde als Elemente zu leugnen. Die den Elementen zugeschriebenen Eigenschaften stimmen mit den bis heute erreichten chemischen und physischen Kenntnissen überein; sie haben als Basis für eine Unmenge Entdeckungen und Theorien gedient, eine glänzender als die andere, und man würde diesen Lehren alle Glaubwürdigkeit nehmen, wenn Feuer, Wasser, Luft und Erde nicht mehr als Elemente gelten sollten.“
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Auf einen genau beobachteten Meteorfall, bei dem man das Aufleuchten gesehen, den Knall gehört, den fallenden Meteor bemerkt und ihn noch ganz glühend aufgefunden und der Akademie zur Prüfung übersandt hatte, schrieb der berühmte Lavoisier einen sehr gelehrten Bericht an diese, indem er die Unmöglichkeit nachwies, daß Steine vom Himmel fallen.
Gassendi, einer der selbständigsten und unterrichtetsten Geister des 17. Jahrhunderts, sieht 1627 mit eigenen Augen am hellen Tage einen Meteor aus der Luft fallen, untersucht den 30 kg schweren Stein und führt das Phänomen auf ein unbekanntes Erdbeben zurück.
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Vor wenigen Jahren sprach Verfasser, der selbst diesen und anderen Fragen völlig neutral gegenüber steht, mit einem berühmten Professor der Physik über okkulte Phänomene. Von der Ansicht ausgehend, daß man nicht Beobachtungen und Tatsachen an Theorien, sondern diese an jenen prüfen müsse und daß jede Theorie täglich neuen Prüfungen standzuhalten habe, legte er ihm nahe, der Sache nachzugehen. Er erhielt die Antwort, daß ihm das zu gefährlich sei, denn wenn er sich von ihrer Richtigkeit überzeuge, würde er seinen Ruf bei den Fachgenossen einbüßen!
Die Beobachtung des großen Physikers Galvani, die er 1791 an Froschschenkeln machte und in deren Verfolgung er den nach ihm benannten Strom entdeckte, wurde – von einigen wenigen abgesehen – allgemein mit ungeheurem Gelächter aufgenommen. Er schrieb 1792 darüber: „Ich werde von zwei verschiedenen Parteien angegriffen, von den Weisen und von den Dummen. Den einen wie den andern bin ich ein Spott, und man nennt mich den Tanzmeister der Frösche. Trotzdem weiß ich, daß ich eine neue Naturkraft entdeckt habe.“
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Harvey, der Entdecker des Blutkreislaufes, wurde von Guy-Patin und der gesamten Fakultät mit beißendem Sarkasmus gequält.
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Ignaz Semmelweis (1818–1865), der Entdecker des infektiösen Charakters des Kindbettfiebers, auf dessen Anordnungen hin die Sterblichkeit an dieser Krankheit in der Wiener geburtshilflichen Klinik auf ein Viertel sank, wurde von den Fachgenossen solcher Widerstand entgegengesetzt, daß er sich völlig aufrieb und im Irrenhause endete.
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Als Fulton 1804 dem großen Napoleon den Vorschlag machte, zum Kriege gegen England eine Dampfschiffflotte zu bauen, ließ Napoleon das Projekt durch das Nationalinstitut zu Paris prüfen. Er schrieb unterm 21. Juli des Jahres an den Minister de Champagny: „Sie haben mich viel zu spät darauf aufmerksam gemacht, da dieses Projekt imstande ist, das Aussehen der Welt zu verändern... Eine großartige Wahrheit, eine tatsächliche, handgreifliche Wahrheit steht vor meinen Augen. Sache der betreffenden Herren (der Kommission) wird es sein, dieselbe zu sehen und sich zu bemühen, sie zu erfassen. Sobald Bericht darüber erstattet ist und Ihnen zugegangen sein wird, ist er mir zu übersenden. Sorgen Sie dafür, daß diese Sache in höchstens acht Tagen erledigt ist, denn ich bin ungeduldig“.
Noch 1816 wurde das Gesuch des Marquis de Joffroy, der bereits 1776 einschlägige Versuche veranstaltet hatte, vom Pariser Patentamt und dessen Leiter Colonne mit Rücksicht auf den geringen Wert der Erfindung abgelehnt [311]!
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Philippe Lebon, der Erfinder der Gasbeleuchtung (1797) konnte die Welt nicht davon überzeugen, daß eine Lampe ohne Docht brennen könne. Erst 14 Jahre nach seinem 1804 erfolgten Tode wurde seine Erfindung in Paris eingeführt, während Birmingham schon 1805 mit der Gasbeleuchtung vorangegangen war.
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Als die ersten Proben mit der Eisenbahn gemacht wurden, wiesen die Ingenieure nach, daß die Lokomotiven unmöglich von der Stelle kommen könnten und daß ihre Räder sich immer nur um sich selbst drehen würden. Arago erklärte in der französischen Deputiertenkammer 1838, daß die Transportkosten in Frankreich, die sich z. Z. auf 2803000 Frs. beliefen, nach Ausbau des Bahnnetzes auf 1052000 Frs. vermindern würden, so daß das Land jährlich zwei Drittel der Einnahmen aus den Transportkosten verlieren würde.
Thiers meinte: „Ich gebe ja zu, daß die Eisenbahnen die Beförderung von Reisenden etwas erleichtern werden, wenn der Gebrauch auf einige ganz kurze Linien in der Nähe großer Städte, wie Paris, beschränkt bleibt. Man braucht keine weiten Strecken.“
Das kgl. bayerische Medizinalkollegium erklärte, daß der Bau der Eisenbahnen ein großes Verbrechen gegen die öffentliche Gesundheit wäre, denn eine so schnelle Bewegung würde bei den Reisenden Gehirnerschütterung, bei den Zuschauern aber Schwindelanfälle erzeugen. Das Kollegium empfahl daher dringend, an beiden Seiten der Schienen Scheidewände in der Höhe der Wagen aufzurichten [312].
Die bayerische oberste Baubehörde aber konstatierte die Unmöglichkeit für Züge, auf einem Damme zu fahren. Es müßten unbedingt Mauern zur Unterlage für die Schienen errichtet werden[313].
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Als 1853 der Vorschlag gemacht wurde, ein Unterseekabel von Europa nach Amerika zu legen, schrieb Babinet, einer der größten Autoritäten in der Physik und Examinator an der Polytechnischen Schule zu Paris, in der Revue des Deux Mondes: „Ich kann diese Pläne nicht ernsthaft nehmen; die Theorie des elektrischen Stromes zeigt unwiderlegbar deutlich die Unmöglichkeit einer solchen Übertragung, selbst wenn man nicht mit dem Strom rechnet, der sich von selbst auf einer so langen elektrischen Strecke bildet und sich schon auf der kurzen Reise von Dover nach Calais fühlbar macht. Das einzige Mittel, die Alte und die Neue Welt zu verbinden, ist, die Beringstraße zu passieren, vorbei an den Faröerinseln, Island, Grönland und Labrador.“
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Unterm 13. Juli 1873 wurde die Aufnahme Darwins in die Akadémie des Sciences abgeschlagen und dafür ein Herr Loven gewählt.
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Robert Mayers Entdeckung von der Erhaltung der Energie wurde von der Gelehrtenwelt derart verspottet, daß er in eine schwere Nervenkrankheit verfiel, in deren Folge er sich aus dem Fenster stürzte.
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Der Elektriker Ohm wurde von seinen Zeitgenossen als Narr verspottet.
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In England verweigerte die kgl. Gesellschaft 1841 eine Erinnerungstafel für den berühmten Joule. Einige Dezennien später wurde die Errichtung eines Denkmales für Darwin verweigert und dafür ein Affenhaus gegründet.
Als Franklin der kgl. Gesellschaft in London seine Erfahrungen über die Fähigkeit einer Eisenstange, die Elektrizität der Atmosphäre abzuleiten, mitteilte, war ein Heiterkeitsausbruch die einzige Antwort, und die gelehrte Gesellschaft weigerte sich rundweg, den Vortrag drucken zu lassen.
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Im Jahre 1781 veröffentlichte François Blanchard († 1809) im Journal de Paris einen Brief, in dem er einen Flugapparat beschrieb, an dessen Konstruktion er 10 Jahre lang gearbeitet hatte. „Auf einem kreuzförmigen Gestell ruht eine Art Boot von 4 Fuß Länge und 2 Fuß Breite, welches sehr widerstandsfähig ist, obwohl es nur aus dünnen Stäben besteht. Zu beiden Seiten des Schiffchen erheben sich 6–7 Fuß hohe Stützen, die 4 Flügel von je 10 Fuß Länge tragen. Diese bilden zusammen einen Schirm, der einen Durchmesser von 20 Fuß und mithin einen Umfang von mehr als 60 Fuß hat. Die 4 Flügel bewegen sich mit überraschender Leichtigkeit. Die ganze Maschine, obwohl von beträchtlicher Größe, kann bequem von 2 Männern in die Höhe gehoben werden. Sie hat in der Tat die größte Vollkommenheit erreicht. Man wird mich, schneller als einen Raben, die Luft durchschneiden sehen, ohne daß der rapide Flug mir den Atem benimmt, da ich durch eine sinnreiche Schutzvorrichtung davor gesichert bin.“
Viel war bei dieser Ankündigung Aufschneiderei. Immerhin machte er im Garten seines Hauses Flugversuche und es gelang ihm in der Tat mit Hilfe eines Gegengewichtes von 20 Pfund, das an einer Stange herabglitt, eine Höhe von 80 Fuß zu erreichen. Der Apparat bedurfte also nur mehr eines Auftriebes von 20 Pfund, um das Problem zu lösen. Später soll diese Differenz gar auf 6 Pfund ermäßigt worden sein.
Das war ein zweifelloser Erfolg. Anders dachte darüber der berühmte Astronom J. J. L. de Lallande (1732–1807), der in einem Schreiben vom 18. Mai 1782 im Journal de Paris seinem Unwillen über das von Blanchard erregte Aufsehen Luft machte. „... Gestatten Sie, daß ich das Wort ergreife, um Ihren Lesern die Versicherung zu geben, daß das Schweigen der Gelehrten ein Schweigen der Nichtachtung ist. Es ist in jeder Hinsicht als unmöglich erwiesen, daß sich ein Mensch in die Luft erheben und darin halten könne. Coulomb, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, hat vor etwa einem Jahre in einer unserer Sitzungen einen Vortrag gehalten, in welchem er, auf Erfahrungstatsachen gestützt, durch eine Berechnung der menschlichen Kräfte nachweist, daß man dazu Flügel von 12000 bis 15000 Fuß Größe haben müsse, die mit einer Geschwindigkeit von 3 Fuß in der Sekunde bewegt werden müßten. Nur ein Tor kann auf Realisierung solch phantastischer Ideen noch hoffen.“ Er fügte noch hinzu, daß es ebenso unmöglich sei, sich durch das geringere spezifische Gewicht luftleerer Körper zu erheben.
Noch in dem gleichen Jahre, im November 1782, hat Stephan Mongolfier den Warmluftballon zu Avignon erfunden[314].
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Ein Herr an einer katholisch-theologischen Fakultät erklärt heute noch die Entstehung der Kohle dadurch, daß Gott die Finsternis in die Erde hinein gebannt habe, und wo diese wieder zum Vorschein komme, geschähe es zur Erzeugung und Befriedigung teuflischer Gelüste, wie Völlerei und Schlemmerei[315]!
Als 1908 Graf Zeppelin, dem mit nicht geringerer Skepsis von „autoritativer“ Seite begegnet sein soll – bekanntlich behandelte man ihn auf dem Kieler Ingenieurtag 1901 als Narr –, seine großartigen und erfolgreichen Experimente mit dem lenkbaren Luftschiff anstellte, war der erste Gedanke der Kulturvölker der an die hierdurch hervorgerufenen Umwälzungen im Gebiete der Kriegführung!