Erster Abschnitt Modernes und Merkwürdiges im Altertum

Das Interesse, das gerade diesem Kapitel der Kultur-Kuriosa entgegengebracht wurde, rechtfertigt eine Fortsetzung. So seien auch hier zwanglos Tatsachen aneinandergereiht.

Die italienische archäologische Kommission hat bei Ausgrabungen im Königspalast zu Phaistos (Kreta) einen Fund gemacht, der Gutenbergs geniale Erfindung in graueste Vorzeit – etwa Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends – zurückverfolgen läßt. Man fand eine große Terrakottascheibe, die auf beiden Seiten eine Inschrift in Hieroglyphen enthält. Und zwar wurde diese zweihundertundvierzig Zeilen lange Inschrift auf die noch ungebrannte Scheibe mit beweglichen Lettern gedruckt.[1]

Die Römer waren der Erfindung der Buchdruckerkunst außerordentlich nahe. Nicht nur, daß wir aus Quintilian wissen (I, 1. 25), daß Kinder mit beweglichen Lettern spielten, um so leicht buchstabieren zu lernen, Cicero (de natura deorum II, 37) macht die Bemerkung, daß es gerade so undenkbar sei, die Welt sei aus einer zufälligen Verbindung der Atome entstanden, wie die Annahme, aus einem Haufen auf die Erde geschütteter Metallbuchstaben könnten die Annalen des Ennius werden. Also kannte man sogar Metallbuchstaben! Es ist daher viel verwunderlicher, daß die Römer keinen Buchdruck hatten, als es das Gegenteil sein würde.

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Die technischen und chemischen Kenntnisse der ältesten Griechen und deren Vorgänger waren ebenfalls weit bedeutender, als man bisher geahnt hat. Man fand bei den Ausgrabungen des deutschen archäologischen Instituts in Pylos Gegenstände aus Pate vitreuse, schönes blaues Kaliglas und Fayence. Also war die Glasfabrikation den Trägern der mykenischen Kultur bereits um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends bekannt. Ferner besaß man bewundernswerte Kenntnisse in der Farbenbereitung, konnte farbiges Kali- und Natronglas herstellen, wußte Kupfer mit Zinn und Blei in ganz bestimmtem Verhältnis zu legieren, wie man das Kupfer chemisch rein darzustellen vermochte. Ferner konnte man versilbern. In einem Grabe um 2500 v. Chr. fand man eine mit Silberfolie teilweise bedeckte Tonvase.

Am erstaunlichsten sind aber die theoretischen Anschauungen: Man hatte den Begriff der Atome, der Einheit der Materie, deren Unzerstörbarkeit und Unerschaffbarkeit und kannte die Identität von Materie und Energie. D. h. man hatte eine physikalische Weltanschauung, wie wir sie erst seit relativ sehr kurzer Zeit besitzen.[2]

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Daß bereits um 400 v. Chr. mit Gas geheizt wurde, dürfte nicht vielen bekannt sein. Ktesias berichtet, daß in Karamanien das dort entweichende Erdgas als Heizmaterial für den Hausgebrauch Verwendung fand.[3]

Vor achtzig Jahren erhielt der Ingenieur Neilson ein Patent auf ein Heißluftgebläse für Hochöfen. Bei den Ausgrabungen in Tel el Hesey in Südpalästina sind Funde gemacht worden, die es so gut wie sicher erscheinen lassen, daß schon um 1400 v. Chr. die alten Orientalen dieses Verfahren kannten. Man fand einen Hochofen für Eisenbereitung, der eine Vorrichtung besaß, welche bezweckte, die Außenluft vor ihrer Einführung in den Ofen zu erwärmen.[4]

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Daß der Gedanke des Seeweges nach Ostindien und der Entdeckung Amerikas der Antike keineswegs fremd war, ist eine gewiß erstaunliche Tatsache. Krates verlegte – im Gegensatz zu Aristarch – die Wanderfahrten des Odysseus in den Atlantischen Ozean (Gellius 14, 6. 3). Und zwar ließ er den Menelaos von Gadeira (Cadix) aus, Afrika umschiffend, Indien erreichen und nach siebenjähriger Fahrt zurückkehren (Strabo I, 31). Bekanntlich war Vasko de Gama der erste, der im Jahre 1498 auf diesem Wege das Wunderland erreichte. Einen noch kühneren Gedanken sprach fünfzig Jahre später der große Poseidonius mit der Behauptung aus, daß Indien von Spanien aus bei günstigen Ostwinden in kurzer Zeit zu erreichen sei (Strabo II, 6 und Seneca nat. I, prol. 13). Strabo aber wurde bereits im Jahre 1470 von Guarino ins Lateinische übersetzt und war nachweislich dem Kolumbus durch Toscanelli bekannt geworden. Es ist also höchst wahrscheinlich, daß Kolumbus, als er auf dem angegebenen Wege 1492 Amerika entdeckte, nur einen Gedanken zur Ausführung brachte, der ihm aus dem Altertum übermittelt worden war.[5]

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Beim Wort »Amerika« denken wir gern an »unbegrenzte Möglichkeiten«, an Wolkenkratzer und gigantische Projekte. Auch sie sind keineswegs neuen Datums, selbst wenn wir nicht auf die Pyramiden oder die gewaltigen altägyptischen Tempelanlagen blicken. Der berühmten Neu-Yorker Freiheitsstatue ist wohl vergleichbar der Koloß von Rhodos. Dieser war 70 Ellen oder 105 römische Fuß (32 m) hoch und stand in der Nähe des Hafeneinganges. Nur wenige konnten den Daumen der Figur umfassen und jeder seiner Finger war größer wie die meisten Statuen. Nachdem er nur 66 Jahre gestanden hatte, zerbrach er infolge eines Erdbebens 227 v. Chr. Fast 900 Jahre lag er auf der Erde, bis ein arabischer General die Reste im Jahre 672 an einen Juden verkaufte, der 900 Kamele mit dem Erz belud (Plinius 34, 41).

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Noch amerikanischer als der Sonnenkoloß mutet uns der Plan des Stasikrates, eines Schülers des Lysippos an. Er wollte – wie Plinius, Plutarch und Strabo übereinstimmend bezeugen – den felsigen Athosberg in eine Kolossalbildsäule Alexanders des Großen verwandeln. Diese größte aller existierenden Statuen sollte in der linken Hand eine Stadt halten, groß genug, 10000 Einwohner zu fassen, und in der Rechten eine Urne, aus der sich ein Strom ins Meer ergösse.

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Streiks sind uns auch aus der Antike überliefert. Im Jahre 311 v. Chr. fühlte sich die ehrenwerte Zunft der Musikanten (tibicines) schwer beleidigt, weil der ihnen von alters her zustehende festliche Freischmaus, den sie jährlich einmal auf dem Kapitol in aede Jovis auf Staatskosten abhalten durften, gestrichen worden war. Sie verließen alle Rom und begaben sich nach Tibur. Das war aber für die Behörden höchst peinlich, denn ohne Musik konnten die Opfer nicht abgehalten werden. Man holte sie durch eine List zurück, indem man sie einzeln betrunken machte und voll des süßen Weines auf Leiterwagen nach Rom schaffte. Übrigens gaben die Zensoren nach und billigten den feuchtfröhlichen Musikern ihre alte Gerechtsame wieder zu (Livius IX, 30, Ovid. fast. VI, 665 ff.).

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Nichts wäre irriger als die Anschauung, in prähistorischen Zeiten sei man aller ärztlichen Kenntnisse bar gewesen. Im Gegenteil haben wir es hier mit hervorragenden Chirurgen zu tun. In dem altbajuwarischen Reihengräberfeld bei Allach in Oberbayern fand man z. B. einen Schädel, an dem einst ein taubeneigroßes Stück abgeschlagen, später aber vorzüglich und fast genau an derselben Stelle zum Anwachsen gebracht worden war. Dieser Schädel befindet sich in der prähistorischen Sammlung zu München. Ferner verstand man es, Arm- und Beinbrüche vortrefflich zu heilen. So lieferte das alemannische Reihengräberfeld bei Memmingen ein Beispiel eines Flötenschnabelbruches. In diesem auch für heutige Begriffe sehr schwierigen Falle kann nur ein ausgebildeter Arzt tätig gewesen sein. Ebenso fand man im merowingischen Reihengräberfeld von Wies-Oppenheim einen befriedigend verheilten Schulterknochen. Die Trepanation der Schädeldecke war bereits in der älteren Bronzezeit geübt, wie ein Fund aus Giebichenstein bei Halle lehrt. Das Loch besaß die Größe eines Markstückes und ist in der späteren Lebenszeit der Person durch reichliche Knochenneubildung wieder ganz gefüllt worden.[6]

Daß schon im Altertum eine Ärztin ihre Kunst zu allgemeiner Anerkennung ausübte, lehrt ein Fund, den die österreichische Expedition des Jahres 1892 auf dem Trümmerfeld der alten lykischen Stadt Tlos im südlichen Kleinasien machte. Man fand eine Statuenbasis mit der griechischen Inschrift: »Antiochis, die Tochter des Diodotes aus Tlos, deren ärztliche Empirie von Rat und Gemeinde der Stadt Tlos beglaubigt ist, hat sich das ihr zuerkannte Standbild auf eigene Kosten errichten lassen.« Also auch die weibliche Eitelkeit läßt sich so weit zurückverfolgen!

Mag der amerikanische Zahnarzt auch ein Produkt der Neuzeit sein, seine Leistungen sind es nicht so sehr. So wurde ein antikes künstliches Gebiß in der uralten Etruskerstadt Tarquinii gefunden. Es wird jetzt im Museo Municipale in Corneto, drittes Zimmer, gezeigt.

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Auch Nahrungsmittelfälscher gab es im Altertum, und zwar wurde Brot mit Gips versetzt. Besonders häufig waren Weinpantschereien, wie nach zahlreichen Klagen alter Autoren feststeht. Man setzte dem Gepansch eine Art von Fuchsin zu.

Wer meinen sollte, die berühmte Worcestershire-Sauce sei ohne Vorläufer, wird sich wundern, daß die Römer im Garum (Garon), einer sehr kostbaren, aus Fischen bereiteten Sauce, etwas Ähnliches besaßen. Sogar koschere (garum castimoniale), aus schuppenlosen Fischen bereitete gab es. In Pompeji wurde ein irdenes Gefäß damit gefunden. Plinius (nat. his. XXXI, 93–95) beschreibt die Verfertigung dieser Würze.[7] Apicius (de re coquinaria I, 32) kennt eine Reihe von Speisen, denen er Garum zugesetzt wissen will, z. B. ein Oenogarum, eine Weinbrühe mit Trüffel.

Auch Bowlen kannten die Alten. Der berühmte Feinschmecker Apicius beschreibt nicht nur Rosenbowle (I, 4), Honigwein, der mit verschiedenen Gewürzen gekocht wird (I, 1) und anderes, sondern sogar einen Rosenwein ohne Rosen (I, 4), wie wir ja auch Maibowlen haben, die aus Surrogaten hergestellt sind.

Übersetze ich das Rezept richtig – ich interessierte mich einst sehr für Apicius, den ich in Übersetzung herausgeben wollte, was inzwischen von anderer Seite geschehen sein soll – dann lautet es: »Rosenwein ohne Rosen bereite folgendermaßen: Grüne Zitronenblätter in einem Palmenkörbchen gib in ein Faß Most, bevor er gärt, und nimm sie nach vierzig Tagen heraus. Falls es nötig sein sollte, setze Honig hinzu und bediene dich (dieses Getränkes) statt des Rosenweins«. Genau im Stile der modernen Kochbücher! Vielleicht probiert einmal eine geneigte Leserin dieses oder jenes Rezept, doch empfiehlt es sich, dazu Johann Heinrich Diernbachs »Flora Apiciana« (Heidelberg und Leipzig 1831) zu konsultieren, da hier die Gewürze usw. genau bestimmt sind.

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Die künstliche Bebrütung von Eiern der Gänse, Enten und Hühner, die noch 1829 dem Franzosen Copineau trotz vieler Versuche nicht glücken wollte, war bereits den alten Ägyptern geläufig. Und zwar legten sie die Eier in Kammern aus Lehm, die mittels großer, aus Ziegelsteinen zusammengesetzter und in die Erde hineingebauter Öfen täglich drei bis vier Stunden geheizt wurden. Die Eier lagen auf Stroh und wurden alle sechs Stunden umgewendet, nach zehn Tagen untersucht und die gut befundenen in eine höhere wärmere Abteilung desselben Gemachs gelegt. Die Temperatur wurde natürlich nur nach dem Gefühl abgeschätzt und nach Bedarf durch Öffnen von Luftzügen vermindert (Aristoteles hist. anim. VI, 2, 3 und Diodor I, 74).

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Auch Schneckenzuchtgärten besaß man, wie heute in Frankreich und bei uns besonders in Württemberg. Man war so raffiniert, daß man die verschiedenen Rassen gesondert zog, und verwendete zur Verfeinerung des Geschmacks bei der Fütterung Zucker und gekochten Wein (Plinius nat. hist. IX, 173 und XXX, 45).

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Daß diese Züchtungsmethoden nur auf Grund eingehender Kenntnis der Lebensweise der Tiere möglich waren, ergibt sich von selbst. Die Alten waren keineswegs die schlechten Beobachter, für die wir sie, uns an manche Märchen und Irrtümer klammernd, gerne ausgeben. Daß der Löwe am Ende seines Schwanzes einen in der Haarquaste verschwindenden Knochenstachel besitzt, behauptet Aelian (Peri zoon VI, 1). Niemand wollte das glauben, bis Blumenbach zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Beobachtung bestätigte.

Vom Gorilla wissen wir erst seit etwa 60 Jahren. Vor mehr als 2000 Jahren aber war er schon den Karthagern bekannt, als sie mit einer Flotte von 60 Schiffen der Westküste Afrikas entlang fuhren. Hanno hielt diesen Anthropoiden für einen Menschen (Periplus 17 = Geogr. Graeci min. I, 13, Plinius nat. hist. VI, 200), die Wissenschaft verwies aber seine Entdeckung ins Fabelreich, bis 1847 der erste nach Europa kommende Gorillaschädel die Existenz dieses Menschenaffen bewies.

Aristoteles wußte über die Haifische mehr, als die neueren Naturforscher vor Johannes Müller.

Er kannte auch schon das Prinzip der Korrelation der Organe, die Schutzfärbung der Tiere, sowie den Farbwechsel des Chamäleons als Anpassungserscheinung an die Umgebung. Ferner kannte er den Einfluß, den Klima und Nahrung auf die Größe der Tiere ausüben, ja den des Landschaftscharakters auf ihre Gemütsart. Weder die Tier- noch die Pflanzengeographie war den alten Autoren unbekannt. Die des Theophrast ist geradezu von imponierender Größe.

Im letzten Jahre ging durch die Zeitungen eine Notiz, daß ein Naturforscher die Entdeckung gemacht habe, die Lungen seien Kühlapparate mit dem Zweck, die Bluttemperatur herabzumindern. Wer ahnte, daß Aristoteles bereits diese Tatsache vor dritthalb Jahrtausenden konstatiert hatte?[8]

Der Unterschied der männlichen und weiblichen Pflanzen war schon zu Herodots Zeit bekannt.

Den Spiritismus, und zweifellos auch Hypnotismus und verwandte Phänomene gab es auch schon in der Antike. Auch das Tischrücken, bei uns erst seit wenig mehr als einem halben Jahrhundert bekannt, war den Griechen und Römern nicht neu. Man setze zur Erforschung der Zukunft geweihte Dreifüße in Bewegung. Ein derartiges Verfahren gab unter Valens († 378) Veranlassung zu einem ungeheuern Zaubereiprozeß.

Der hl. Augustinus kannte auch schon das Gedankenlesen (Contra Acad. II, 17).

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Die Frauenrechtlerinnen werden nicht ohne Neid hören, daß Kaiser Heliogabal einen Weiberrat eingerichtet hatte, wie Aelius Lampridius im Leben dieses Monarchen erzählt. Die ihm unterstehenden Fälle waren allerdings nicht welterschütternd. Der auf dem Quirinal tagende Weibersenat hatte nämlich über Kleiderfragen zu entscheiden, ferner darüber, wer auf Wagen, Pferd, Esel oder Tragstuhl befördert werden solle usw., ob dieser Tragstuhl aus Fell oder Knochen gemacht sein sollte, wer Gold oder Edelsteine an den Stiefeln tragen dürfe und Ähnliches.

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Daß im alten Rom griechische Erzieher gehalten wurden und das Griechische überhaupt die Stelle des Französischen bei uns einnahm – besonders instruktiv ist hierfür Suetons Leben des Augustus – ist hinlänglich bekannt. Nicht allzuviele aber dürften wissen, daß unsere halbbarbarischen Vorfahren schon im 12. Jahrhundert Franzosen engagierten, damit die Kinder in der Jugend schon die damals bereits hochgeschätzte Sprache erlernten. So kann z. B. Wolfram von Eschenbach zwar weder lesen noch schreiben, wohl aber französisch reden.[9]

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Bemerkenswert ist der Konservativismus der Kinderspiele. Das Altertum hatte nicht nur Puppen, es kannte auch Steckenpferde, auf denen die jungen Griechen und Römer ganz wie unsere Kinder ritten (Horaz Sat. II, 3. 248, Plutarch, Agesilaos 25 etc.). Ferner spielten sie mit Kreiseln, die wie heute durch Peitschenhiebe in Bewegung gesetzt wurden (Persius, Sat. III, 51). Auch Brummkreisel waren bekannt. Ferner schaukelte sich damals das junge Volk wie heute, spielte auch Blindekuh (Poll. IX, 123), König und Soldaten (Herodot I, 114), Plumpsack oder Der Fuchs geht ’rum (Poll. IX, 115), ferner mit Reifen und Ball. Auch das Anschlagspiel war bekannt (Poll. IX, 117), das Raten auf Grad oder Ungrad und ein Spiel, bei dem einer sich in Gegenwart mehrerer Mitspieler die Augen zuhalten mußte und sich schlagen ließ. Erriet er den Richtigen, dann kam der, der geschlagen hatte, an die Reihe, erriet er ihn nicht, dann mußte er sich solange von den Anwesenden schlagen lassen, bis er den richtigen Namen nannte. Alle diese Spiele haben natürlich im Griechischen und Lateinischen ihre eigenen Namen. Das letztgenannte heißt in gewissen Gegenden Schinkenklopfen.

Wie unsere Kinder törichterweise mit dem Schwarzen Mann, dem Daumenschneider und andern Schreckfiguren geängstigt werden, so die der Alten mit Gespenstern namens Mormo, Lamia, Gello usw. Bezeichnenderweise hieß es noch lange nach 212 v. Chr. bei unartigen Kindern: »Warte, Hannibal kommt!«

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Wer heute über die Baupolizei schimpft – und welcher Hausbesitzer täte das nicht mit dem größten Recht! – mag sich trösten. Auch in Athen gab es diese Behörde schon. Sie hatte dafür zu sorgen, daß altersschwache Bauten nicht einstürzten, daß Neubauten den erlassenen Vorschriften gemäß errichtet wurden usw. (Plato, Legg. VI, p. 763; Aristoteles Polit. VI, 5).

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Wettersäulen, wie wir sie da und dort an Plätzen finden, gab es auch schon vor mehr als 2000 Jahren. Schon der alte Astronom und Hydrauliker Meton stellte kurz vor dem Peloponnesischen Kriege in Athen eine astronomische Säule auf, an der eine von ihm erfundene Art Sonnenuhr angebracht war nebst Registern für Sonnen- und Sternen-Auf- und Niedergang. Diese Wettersäule, die auch die Windrichtung angab, und zwar durch Windfahnen ähnlich wie heute, stand ursprünglich auf der Pnyx, später am Kolonos Agoraios (Aelian, var. hist. X, 7; Diodor XII, 36 etc.).

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Im alten Konstantinopel gab es auch bereits öffentliche Bedürfnisanstalten. Der Häretiker Arius starb in einer solchen im Jahre 336. (Athanasius, de morte Arii c. 2 sq. Sokrates h. e. I. 38.)[10]

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Das Altertum kannte auch den im Deutschen Lift genannten Personen- und Güter-Aufzug. Professor Boni, Direktor der Ausgrabungen am Forum Romanum, hat den Nachweis erbracht, daß man bereits im alten Rom zur Zeit Julius Cäsars den Aufzug benutzte. Man fand am Forum eine Reihe von Nischen, die zweifellos dazu dienten, richtige Lifts unterzubringen, in denen schwere Lasten, wie Gladiatoren und wilde Tiere, aus den unterirdischen Gängen zur Oberfläche befördert wurden. An einen großen unterirdischen Gang sind vier kleinere Quergänge angegliedert, ein jeder dieser Quergänge enthält drei Kammern für das Hebewerk und drei Schächte für die Lifts. In den zwölf Kammern – so wird in La Casa berichtet – sieht man heute noch die großen schweren Würfelblöcke aus Tuffstein, die zum Hebewerk gehörten, und aus der Abnutzung kann man genau erkennen, wie hoch die Lifts liefen und wie stark sie benutzt wurden. Da jeder Aufzug imstande war, fünf bis sechs Menschen zu heben, so konnten gleichzeitig mehr als sechzig Menschen zur Oberfläche des Forums gehoben werden. Übrigens ging der Gebrauch der Aufzüge, wie es scheint, bereits in der Kaiserzeit wieder verloren. Mehr als anderthalb Jahrtausende mußten vergehen, bis der erste Aufzug – und zwar in Jena – wieder eingerichtet wurde. Aber erst seit wenigen Dezennien hat er allgemeine Verbreitung gefunden.

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Zünfte sind ja gewiß nicht mehr modern, aber daß sie ins alte Rom zurückreichen, hat doch erst Mommsen in seiner Schrift »De collegiis et sodaliciis Romanorum« nachgewiesen.

Wer aber hält nicht die Mitteilung, das Altertum habe geraucht, für einen schlechten Witz? Und doch unterliegt es nicht dem allergeringsten Zweifel. Bereits in vorgeschichtlichen Gallo-römischen Gräbern, in Neufville-le-Pollet und in Seine-inférieure in Frankreich, ferner in Schottland, Irland und anderwärts fand man Pfeifenköpfe aus gebranntem Ton, Eisen und Bronce. Ferner in Massen am Hadrianswall, in holländischen Grabhügeln, römische aber noch in der Schweiz, im Berner Jura und natürlich in Rom selbst. Plinius berichtet uns darüber von den Barbaren. Daß die Skythen Hanf rauchten, steht fest, während wir das Material, das sonst verwandt wurde, nicht kennen.[11]

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Daß die Römer in den »tironischen Noten« eine Art Stenographie hatten, ist hinlänglich bekannt. Cicero benutzte diese Kurzschrift nicht nur zur Aufzeichnung seiner Reden, sondern auch für seine Korrespondenz. Aber die Erfindung reicht weit höher in die Vergangenheit hinauf. Ennius kannte bereits 1100 Zeichen, Seneca aber vermehrte den überkommenen Schatz auf etwa 5000 Zeichen und Siegel, so ein ungeheures Material liefernd, das sich zum Teil das Mittelalter hindurch erhielt. Wie nun Louis Prosper und Eugène Guénin in einem »Geschichte der Stenographie im Altertum und im Mittelalter« genannten Werke (Paris 1909) feststellen konnten, ist die Stenographie sogar vorrömischer Herkunft. Sie weist eine so große Ähnlichkeit mit der altägyptischen Kursivschrift, dem sogenannten Demotischen, auf, daß sie unzweifelhaft von diesen vereinfachten Hieroglyphen herstammt. Das Prinzip ist auch das gleiche: ein beschränktes Alphabet, verbunden mit einer Silbenschrift, die durch Ideogramme ergänzt wird. Das Demotische kam auf dem Umweg über Griechenland nach Rom, um dort zur Stenographie zu werden.

Daß die Stenographie erst 1786 von Samuel Taylor wieder erfunden, von Gabelsberger 1817 vervollkommnet, dürfte allgemein bekannt sein. Jedenfalls genügten auch schon die alten Stenographen den an sie gestellten Anforderungen, denn Martial singt (XIV, 208):

»Mögen die Worte auch eilen, die Hand ist schneller als jene Ehe die Zunge ihr Werk, hat es die Rechte vollbracht.«

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Mancher wird geneigt sein, wenigstens Börsenkrachs für eine neuere Erscheinung zu halten. Das ist aber durchaus nicht richtig. Schon das ptolemäische Ägypten hat einen regelrechten Kupferkrach aufzuweisen. Während das Verhältnis des Silberwertes zu dem des Goldes von 1: 15½ vor vier Jahrtausenden und länger schon annähernd bestand und erst bei der großen Silberentwertung der letzten Jahrzehnte wesentlich gestört wurde, ist das beim Kupfer ganz anders. Im Anfang der Ptolemäerzeit war das Wertverhältnis von Silber und Kupfer wie 120: 1. Wenige Jahrzehnte später war der Wert des Kupfers auf ein Drittel bzw. ein Viertel des früheren gesunken, nachdem schon vorher sich im Großverkehr ein Agio für Silber gezeigt hatte.[12]

Die Naturalwirtschaft hat in Deutschland erst zur Zeit der Kreuzzüge der Geldwirtschaft weichen müssen, daß sie völlig verschwand, ist aber erst wenige Jahrhunderte her. Da kann uns nun mit Bewunderung vor der uralten Kultur des Zweistromlandes die Tatsache erfüllen, daß bereits die dem vierten vorchristlichen Jahrtausend angehörigen altbabylonischen Texte der Nippur-Sammlung im K. O. Museum in Konstantinopel den Beweis liefern, daß man längst zur Geldwirtschaft übergegangen war. Allerdings war das Geld sehr teuer. Man zahlte gewöhnlich 33⅓% Zins.[13]

Eine Klage, die man zu Beginn unseres Jahrhunderts, als unsere jungen Männer mit Weltschmerz und runden Rücken herumliefen und Dekadenz tot-chik war, häufig hören konnte, findet sich schon beim Kirchenvater Cyprian. Nachdem er darüber gejammert hat, daß die Welt immer schlechter wird, fährt er fort: »Grauköpfe sehen wir unter den Knaben; die Haare fallen aus, bevor sie wachsen und das Leben hört nicht auf mit dem Greisenalter, sondern fängt mit ihm an.« (An Demetrianus c. 4.)[14]

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