Der Vampir.

»An die Daseinwirklichkeit von Vampiren glauben Christen gleich Moslimen ebenso fest oder wenigstens nicht minder als an einen Gott im Himmel (vjeruju — ko da ima Bog na nebu)«, schreibt mir einer meiner Berichterstatter aus Bosnien. Diese Behauptung ist durchaus nicht übertrieben, sie entspricht vielmehr den tatsächlichen Glaubenverhältnissen und gilt im allgemeinen für alle Südslaven, insbesondere für die Serben und Bulgaren, aber auch die übrigen slavischen Völker hegen denselben Glauben, wenn auch vielleicht in einer klein wenig verschiedenen und abgeschwächten Äusserung im Volkleben. Andree gibt der Meinung Ausdruck, der Vampirglaube habe »sein Zentrum, seinen Focus bei slavischen Völkern, wenn er auch weiter sich nachweisen lasse und in verwandten Formen oder anklingend über die ganze Erde vorkomme«. Das bedarf einer geringen, doch wesentlichen Berichtigung, etwa in der Weise: Der Vampirglaube ist bei allen Völkern heimisch, doch die uns bekannteste Form, weil am häufigsten besprochene, ist die slavische, die einige Eigentümlichkeiten gegenüber dem analogen Glauben anderer Völker aufweist. Von einschneidender Bedeutung sind aber diese Eigenartigkeiten mit nichten.1

Dass der Name Vukodlak (Werwolf) auf den Vampir übertragen wurde, ohne dass eine Begriffverwirrung im Volkglauben stattgefunden, bespreche ich im nächsten Aufsatz. Der Name Vukodlak ist seltener als Vampir, wie das Wort bei den Slovenen und Chrowoten lautet. Die Bulgaren sagen vampir, häufiger vapir, vepir, vupir, die Serben: vampir, lampir, lapir, upir, und upirina. Letztere zwei Ausdrücke vernahm ich meist aus dem Munde von Popen. In und um Spalato in Dalmatien ist der mir seiner Bedeutung nach dunkle Name Kozlak gewöhnlicher als Vukodlak und Vampir. Vampirhafte Wesen (Kozlaštvo iliti vukodlaštvo) gilt als erblich (nasljedno, ereditario). War der Vater ein Kozlak, so wird auch der Sohn einer werden. Ganz identisch mit einem Vampir ist der Kozlak denn doch nicht. Der Kozlak kann bei Lebzeiten als Mensch zukünftiges Wetter voraussagen und leichter und schneller als andere Leute gehen. Das Volk glaubt, die Kozlaki besässen gewisse besondere Bücher, aus denen sie nur allein zu lesen verständen und woraus sie die Kunst erführen, Wunder zu verrichten. Der Mann im Volke hütet sich, einem Menschen sich zu vermessen, den er für einen Kozlak hält. Zu streiten wagt er es schon lange nicht mit ihm. Auf einigen dalmatischen Inseln, auf denen eine slavisierte italienische Bevölkerung wohnt, heisst man den Vampir auch Orko (Orcus). In Montenegro und im südlichen Teil des Herzögischen sagt man für Vampir: tenac oder tenjac (wohl für tenarac; tenar = Gruft; vom griech. thénar) und für: sich in einen Vampir verwandeln: potenčiti se. Einem bösen Menschen flucht man z. B. so: »Gäbe es Gott, dass du zu einem Tenac werden sollst, wie du einer auch werden wirst, so Gott will!« (da Bog da, potenčio se, kao što i hoćeš ako Bog da!). Ein einziges Mal hörte ich eine beschönigendere Bezeichnung für Vampir: mrtva nesreća (das tote Unglück oder Unheil); den blossen Namen glattwegs auszusprechen, ist nicht geheuer. Ist die Rede von einem Vampir, so pflegt man jedesmal dazu den Fluch hinzuzusetzen: na putu mu broč i glogovo trnje! (Auf seinem Wege mögen Färberrötel und Weissdorndickicht gelegen sein!) Auf blutfarbigem (rötlichem) Gestein gedeiht nämlich Weissdorn am besten.

Bemerkenswert ist die Definition eines serbischen Bauers von »vukodlak ili vampir«. Er sagte: »Wir nennen so verstorbene Menschen, in die 40 Tage nach ihrem Tode ein höllischer Geist fährt und sie belebt. Der Vampir verlässt nächtlich sein Grab, würgt die Menschen in den Häusern und trinkt ihr Blut.« Ein anderer Bauer verbesserte den Sprecher: »Nein, du hast es gefehlt. Die verfluchte Seele findet weder in den Himmel noch in die Hölle Eingang. Der Vampir ist den Tieren (dem lieben Vieh) noch weit gefährlicher als getauften Seelen« (Menschen).

Vampire erscheinen zumeist zur Winterzeit in der Zeit zwischen Weihnachten und Christi Himmelfahrt. Man glaubt, wenn eine Hungernot ausbricht, streifen Vampire um Wassermühlen, Fruchtscheuern und Maisvorratkammern herum. Schon einer meiner Gewährmänner erwähnt, dass sich Fruchtdiebe in Hungerjahren den Glauben des Volkes zunutze zu machen wissen.

Das Volk glaubt, zu einem Vampir werde nur ein ruchloser Bösewicht oder sonst ein Verfluchter, ein rechtschaffener Mensch könne sich aber in keinen Vampir verwandeln, ausser es fliegt über den aufgebahrten Leichnam ein unreiner Vogel hinweg, oder es springt ein unreiner Vierfüssler hinüber, oder es schreitet ein Mensch oder auch nur der Schatten eines Menschen über den Toten. Vor solchen Zufälligkeiten wird der Tote aufs ängstlichste beschützt und bewacht. Als unreine Vögel betrachtet man die Elster (svraka) und die Henne (kokoš), nicht aber einen Hahn, als unreine Vierfüssler eine Hündin (vaška) und die Katze (mačka). Dass die Katze einen bösen Angang bedeute und zu Wahrsagungen herangezogen wurde, lehrt uns L. Hopf;2 der Südslave hält jedoch die Katze für ein Unglückgeschöpf bösester Art. In Bosnien lässt man z. B. keine Katze über den aufgelegten Webeaufzug schreiten, weil man glaubt, dass derjenige, der in einem aus solchem Leinen angefertigten Hemde stirbt, unfehlbar ein Vampir werden müsse. Schliesst sich eine Katze an einen Kranken an, oder legt sie sich gar zu ihm aufs Bett, so glaubt man, der Kranke werde in zwei, drei Tagen das Zeitliche segnen. Läuft eine Katze gern zu einem Toten, so glaubt man, der Tote sei noch vom neunten Gliede an verflucht oder verdammt. Die südungarischen Serben glauben wieder, dass, wenn ein Hund oder eine Katze, besonders letzteres Tier, unter dem Tisch durchläuft, auf welchem ein Leichnam aufgebahrt liegt, der Tote als Vampir wiedererstehen müsse. Besorgt der Bauer im Savelande, dass trotz aller Wachsamkeit doch irgend ein unreines Tier über den Toten schreiten könnte, so legt man ihm auf die Brust einen Kloss Erde (grumen zemlje) oder sticht ihm unter die Zunge ins Fleisch eine Weissdornnadel (glogov trn) und hofft dadurch eine sonst allenfalls mögliche Verwandlung des Toten in einen Vampir zu vereiteln. Im Drinagebiete sticht man nur ausnahmweise dem Toten besagten Dorn unter die Zunge, wenn es bekannt ist, dass einmal in der Verwandtschaft des Verstorbenen ein Vampir vorgekommen. Dagegen ist es bei den slavischen Moslimen durchgehends gebräuchlich, sobald einer verstirbt, dem Toten auf die Brust und unter das Haupt je ein Knöllchen Erde zu legen, und ihn, so lange er im Hause bleibt (nie länger als 24 Stunden), aufs allersorgfältigste vor den gedachten unreinen Tieren und vor dem Schatten eines Menschen zu bewachen. Besonders gefürchtet wird der menschliche Schatten, gleichsam als ob der Schatten als ein Sonderwesen in den toten Leib hineinfahren und ihn zu neuem Scheinleben befähigen würde. Ähnlich ist der Glaube, dass ein totes Frauenzimmer zum Vampir werden müsse, falls sich ein Mann mit ihrem Leichnam vergisst. Ich habe eine hierher gehörige Sage aufgezeichnet.3

Die Lebenden ergreifen mannigfache Massnahmen zu ihrem eigenen Schutze, damit eine Vampirverwandlung von vornherein hintertrieben werde. In Serbien und Bulgarien steckt man dem Toten einen Weissdorn in den Nabel hinein. Man glaubt allgemein, dass sich, wer im Alter unter zwanzig Jahren verstirbt, überhaupt in keinen Vampir verwandeln könne, doch sind mir genug Ausnahmefälle bekannt geworden. Nur die Wahrscheinlichkeit für eine Verwandlung ist eine geringere zufolge der unschuldigen Jugendlichkeit. Danach richtet man sich. Stirbt einer im Alter über zwanzig Jahre, so pflegen die Serben alle behaarten Stellen am Leib des Toten, den Kopf ausgenommen, mit Werg zu bedecken und den Werg mit der Sterbekerze anzuzünden, damit die Haare niederbrennen, um so für jeden Fall die Verwandlung des Toten in einen Vampir unmöglich zu machen. Einem toten Mörder, oder einem Meineidigen, oder überhaupt einem verruchten Kerl (Frauen ungemein selten), von dem man glaubt, er könnte noch als Vampir den Überlebenden schaden, verstümmelt man den Leichnam, indem man ihm entweder die Fussohle durchschneidet, oder eine Zehe abhackt, oder ihm einen grossen Nagel in das Hinterhaupt eintreibt, »damit sich die Haut nicht aufblähen könne, sollte der Teufel sie aufzublasen versuchen, um den Toten in einen Vampir zu verwandeln.«

Die Unschädlichmachung eines Toten erfolgt auch durch eine Art symbolischer Leichenverbrennung. Die Symbolik für ein Überlebsel eines uralten südslavischen Brauches der Leichenverbrennung anzusehen, verbietet uns der sonstige an die Toten sich anknüpfende Volkglaube, über den ich mir auf Grund meiner besonderen, ausnehmend reichhaltigen Sammlung ein sicheres Urteil bilden konnte. Um zu verhindern, dass sich ein Toter in einen Vampir verwandele, begeben sich an manchen Orten in Serbien die alten Weiber am Abend des Begräbnistages ans Grab des Verdächtigten, bedecken es im Kreise mit Lein- und Hanfwerg, streuen darauf Schwefel oder Pulver und zünden letzteres an. Nachdem das Werg niedergebrannt ist, stecken sie fünf alte Messer oder vier Weissdornspitzen ins Grab: das Messer in die Brust und je zwei Spitzen in die Füsse und in die Hände des Toten, damit er sich an den Messern und Dornen anspiesse, sollte er, zum Vampir geworden, dem Grabe entsteigen wollen.

Gegen einen Vampirbesuch schützt man seinen Leib und die Behausung auf mancherlei Art. Im bosnischen Savelande pflegen die Bäuerinnen, wenn sie nach Brauch auf einen Totenbesuch gehen, alte abgenutzte Opanken an die Füsse anzulegen und sich ein wenig Weissdorn (glogovine) hinters Kopftuch (šamija) zu stecken. Auf dem Rückwege nach dem Besuch werfen sie auf der Strasse die Opanken und die Weissdornen weit weg von sich (zuweilen unter Verwünschungen) und kehren barfüssig heim. Man glaubt nämlich, sollte der Verstorbene zum Vampir werden, so werde er zum mindesten die Weiber, die ihm die Ehre eines letzten Besuches erwiesen, nicht heimsuchen können, sondern die weggeworfenen Opanken und Weissdornen aufzulesen haben. Damit ein Vampir den Lebenden und ihrer Habe nichts antun können soll, nehmen die Serben reinen Teer her, sprechen darüber Beschwörungen aus (obajaju ga) und bestreichen damit kreuzweise (krstošu) die Türen und Eingänge ihrer Häuser, Hütten und Scheuern. Türen und Fenster noch so eng zu verschliessen, nützt vor Vampiren ebensowenig als vor Hexen oder Moren, denn Vampire sind infolge ihrer Verwandlungfähigkeit in verschiedenste Gestalten im stande, selbst durch die kleinste Ritze ins Zimmer hineinzudringen.

Darüber ist man einig, dass ein Vampir in der Regel menschliche Gestalt habe, doch mit Vorliebe in Tiergestalt auftrete, als Mensch mit einem Leichentuche bekleidet und blutig rot sei. Crven kao vampir (rot wie ein V.), sagt man z. B. sprichwörtlich von einem versoffenen, aufgedunsenen Kerl, weil man eben glaubt, ein Vampir wäre von dem Blute der Menschen, die er ausgesogen, ganz rot und aufgebläht. Die Moslimen glauben, der Vampir behalte zwar das Aussehen des Verstorbenen bei, doch habe er nur dessen Haut an, die aber mit dem Blute der angezapften, ausgesogenen und hingewürgten Leute vollgefüllt sei. Im übrigen könne der Vampir doch nur nächtlicher Weile die Gestalt der verschiedenartigsten Geschöpfe annehmen und auch nur sieben Jahre hindurch sein verheerendes Unwesen treiben. Wenn er kein anderes Opfer finde, so mache er sich sogar über seine eigenen hinterbliebenen Verwandten her.

Eigentümlich ist der Glaube an die Verwandlung verstorbener Moslimen in Schweine, die vorzugweise unter den Haustieren Tod und Verderben verbreiten. Der Glaube ist sowohl unter den Serben als Bulgaren aller drei Bekenntnisse einheimisch und besonders unter den moslimischen Pomaken im Rhodopegebirge eingewurzelt.4 Man nennt den als Schwein wiedergekehrten Toten talasum oder tilisum (vom arab. tilisin, tilsem, Mehrz. talisim = Zauberwerk) und den Vorgang der Verwandlung posvinjiti se (in ein Schwein sich verwandeln). Wuchert, lügt und betrügt ein Moslim, übrigens ein höchst seltener Fall, so sagen seine Glaubengenossen, er werde sich nach seinem Ableben in ein Schwein verwandeln müssen, um seine Schandtaten abzubüssen. Eine bosnische Sage erzählt von einem Beg, der sich in ein Schwein verwandelt hatte. Man habe ihn lange unter den Schweinen gesucht, bis man ihn zuletzt an dem Ringe, den er an der Vorderfussklaue trug, erkannte. Im Rhodopegebirge ereignet sich zuweilen, dass ganze Familien für längere Zeit in ein fremdes Dorf auswandern, um einem angeblich umgehenden Talasum zu entfliehen. Die Talasume besuchen alle Orte, wo sie einst als Menschen geweilt, und fügen den Leuten viel Ungemach zu. Den Glauben an solche zu Schwein gewordene Tote lassen sich die Bulgaren um nichts in der Welt ausreden.

Der Vampir vermag sich ferner z. B. in einen Schmetterling, eine Schlange oder gar in einen Heuschober zu verwandeln. Die Bäuerin Margita Josipović erzählte am 17. Juli 1888 meiner verewigten Mutter folgendes »Erlebnis« (aus Pleternica): »Als vierzehnjähriges Mädchen besuchte ich einmal mit meiner Mutter eine Spinnstubenunterhaltung (prelo). Wir sassen bis Mitternacht in Gesellschaft und dann gingen wir, von einigen Weibern aus dem betreffenden Hause begleitet, heim. Als wir an das Hintertürchen kamen, bemerkte ich auf der Strasse ein Heuschöberchen, das sich von selber vorwärts bewegte. Ich sagte zu meinem Mütterlein: »Schau Mütterchen, da bewegt sich ein kleiner Heuschober. Weder sieht man einen Wagen noch Pferde, er zieht aber doch vor uns daher, als ob ihn etwas führte.« Wir bleiben stehen, der Heuschober bleibt stehen. Wir schauen hin, uns wird bänglich zu Mute und wir laufen ins Haus zurück und wecken den Hausvorstand auf. Der sagt uns, wir dürfen diese Nacht nicht heim gehen, denn der Heuschober könnte uns den Weg verrammeln. Das sei ein Werwolf (vukodlak) und wir könnten in grosses Unheil geraten. Das sei ein solcher Toter, über welchen, als er aufgebahrt in der Stube gelegen, ein Hund oder eine Katze gesprungen. Ein solcher muss sich ja in einen Werwolf verwandeln.« Die Frau meinte einen Vampir.

Ein zuverlässiges Schutzmittel gegen Vampirbesuche gäbe es nicht, sagt das Volk, und man glaubt, es sei am tunlichsten, ihn durch gute Bewirtung milde und versöhnlich zu stimmen. Ist sein Hunger gestillt, so greift er keinen Menschen an. In Chrowotien glaubt man, dass, wenn ein Toter einmal zum Vampir geworden, er allnächtlich um Mitternacht nach Hause komme, und die ehemaligen Hausgenossen lassen ihm jeden Abend seinen Anteil vom Nachtessen stehen, um sich von ihm loszukaufen. Er isst aber auch alles bei Putz und Stengel auf. Weiter südlich herrscht eine andere Auffassung vor.

Die Moslimen glauben, der Vampir kehre gleich in der ersten Nacht nach dem Begräbnis in sein Haus zurück, zeige sich, falls er beweibt gewesen, zuerst seiner Frau und frage sie, ob sie für ihn etwas zu essen bereit habe. Sagt sie ja, und gibt sie ihm zu essen, dann wird es, glaubt man, ihr und dem ganzen Dorfe sehr schlimm ergehen; denn der Vampir werde sie nun allnächtlich heimsuchen, das Volk im Dorfe würgen und ihm das Blut aussaugen. Ein kluges und verständiges Weib wird aber gleich in der ersten Nacht ihrem Manne, dem Vampir, antworten, sie habe gar nichts für ihn bereit, und da er nicht ablässt, in sie zu dringen, so wird sie ihn heissen, er soll ins Meer gehen, um Fische zu essen, oder er soll im Dorfe die Hunde oder im Gebirge wilde Tiere fressen. Er müsse ihr hierin wie in allen übrigen Stücken, die sie ihm gebietet, unbedingt Folge leisten.

Darum sagt das Volk sprichwörtlich: »Ein gescheidtes Weib kann es verhindern, dass der Vampir sie besucht und die Leute hinmorde« (pametna žena more zaprečiti, da vampir k njoj ne dolazi i da svijeta ne tare).

Es hat sich der Fall schon sehr oft ereignet, dass bei einem grösseren Sterben im Dorfe das Weib eines kürzlich verstorbenen Mannes von den Dorfbewohnern misshandelt wurde, bis sie eingestand, dass ihr Mann sie besuche und sie das Versprechen gab, sie werde ihn bestimmen, die Leute nicht zu morden.

Christen und Moslimen glauben steif und fest daran, dass ein Vampir mit einer ihn überlebenden Ehegattin regelmässig nächtlichen Beischlaf ausüben könne und dass ein solches Weib auch öfters, von einem Vampir geschwängert, Kinder zur Welt gebracht habe, nur hätten solche Kinder gar keine Knochen im Leibe, sondern wären aus lauter Fleisch gebaut. Solchen Kindern ist nur ein kurzes Leben beschieden.

Sobald sich in einem Dorfe die Todfälle jählings mehren, fängt man an, davon zu sprechen, im Friedhofe müsse ein Vampir hausen. Bald finden sich Gläubige, die behaupten, sie hätten einen nachts mit dem Leichentuche umgehen gesehen. Nun rät man hin und her, wer sich wohl von den Verstorbenen zum Vampir verwandelt haben dürfte. Die Herzogländer bestreuen die verdächtigten Gräber ringsum mit Asche und schauen in der Früh nach, ob in der Asche Fussspuren zu entdecken seien und ob auf dem Grabe irgend ein Gewandstück liege. In einer serbischen Schulfibel (bukvar) aus dem Anfange des XIX. Jahrhunderts (Druckort Ofen) steht die Belehrung: »Ist ein Grab eingesunken, hat das Kreuz eine schiefe Stellung eingenommen, und noch dergleichen Merkmale weisen darauf hin, dass sich der Tote in einen Vampir verwandelt habe.« An manchen Orten in Serbien und Bulgarien wählt man ein fleckenloses Füllen, führt es auf den Friedhof hinaus und geleitet es über die Gräber hin, in denen man einen Vampir vermutet. Man glaubt nämlich, dass sich das Füllen um keinen Preis über das Grab eines Vampirs zu schreiten getraue und es auch nicht dürfe. Man versteht dieses Vorgehen aus der uralten Anschauung aller europäischen Völker, nicht zum geringsten der slavischen, die auf Pferdeorakel als auf die wichtigste Kundgebung göttlichen Willens einen hohen Wert gelegt haben. »Bei den alten Germanen hielt man das Pferd als mitwissenden Vertrauten der Götter« (L. Hopf). Die Südslaven glauben aber noch gegenwärtig, dass Pferde nächtlich Geister erschauen und Gastmählern der Vilen ausweichen.

Geben die Orakel keine befriedigende Auskunft, so öffnet man der Reihe nach die Gräber der jüngst Verstorbenen. Im Jahre 1732 entstand im Dorfe Medvegja in dem damals zu Österreich gehörenden Serbien eine Seuche. Das Volk schrie über Vampirplage, und die deutsche Regierung sah sich veranlasst, das Volk belehren zu lassen. Über den Fall erschienen in Deutschland in den nächsten Jahren nicht weniger als zwölf Schriften und vier Dissertationen, die die Art der Vampire erörterten. Es verlohnt sich, das »Visum et Repertum« des Feldscherers Johann Flückinger vom 29. Februar 1732 im Wortlaut zu wiederholen:

»Bericht von der Dorffschaft Metwett an der Morava, welche sich beklagten, eines sterbes, darauf Ich alss Physicus Contumaciae Caesareae zu Parakin dahin gegangen, selbiges Dorff von hauss zu hauss wohl und genau durchsuchte und examinirete den 12. Decembris. 731. Allein darinnen keine einzige ansteckende Krankheiten oder Contagiose Zustände gefunden, alss tertian und quartan Fieber, seithenstechen und Brust-beschwährungen, welche alle von gehabten Depouchen vor ihrer Räzischen Fasten herrühren. Da Ich aber weithers inquirirete, warumben sie sich dann also beschwähren, dass durch 6 Wochen 13 Persohnen gestorben seyen, und in was Sie sich beklagten, bevor Sie seynd abgeschieden, meldeten Sie ingleichen, das seithenstechen und brust-beschwährnussen auch lang gehabten Fiebern und glieder-reissen, von welchen zuständen aber Sie vermeinen, die all zu geschwinde begräbnussen nach ein ander nicht möglich seyn kann, herzurühren: wohl aber weill die genannten Vambires oder Bluth Seiger vorhanden seynd, darauf Ich alss auch ihre eigene officiers nach aller möglichkeit ihnen es auss dem Sünn zu bringen in beyseyn des Führers von Kragolaz alss Corporalen von Stallada redeten, und explicireten, allein nicht möglich ihre opinion zu benehmen ware, und sageten ehe Sie sich lassen dergestalten umbringen, wollen Sie sich lieber auf ein anderes orth sezen. Wie auch 2, 3 Häuser nächtlicher Zeit zusamben gehen, theils schlaffen, die andere wachen, es werde auch nicht ehender aufhören zu sterben, biss nicht von einer Löblichen obrigkeit nach selbst eigener resolution eine execution denen benannten Vampires angeschaffet und angethan werde, dann bey lebs zeiten waren in dem Dorff zwey weiber, welche sich haben vervampiret und nach ihrem todt werden Sie ingleichen Vampires, die Sie wiederumb andere werden vervampiren, gesprochen, solche also seynd vor 7. wochen gestorben und pertinaciter die leuth darauf verharren, absonderlich auf jenes altes weib, dannenhero habe ich 10 gräber eröffnen lassen, umb gründliche warheit zu berichten und zwar erstlichen jenes altes Weib, auf welches Sie sich steiffen, den anfang gemacht zu haben, mit nahmen Miliza.

Vampier alt 50 Jahr, liegt 7 Wochen, ist vor 6 Jahren von türckischer seithen herübergekommen und hat sich zu Metwett gesezet, allezeit nachbahrlich gelebet niehmals wissend, ob Sie etwas habe Diabolisches geglaubet oder gekünstlet, dür hägerichter Constitution, währender lebszeit aber gegen denen Nachbahren erzehlet, Sie habe 2 Schaff gegessen in dem Türckischen, welche die Vampires umbgebracht, dannenhero, wann sie sterben werde, ingleichen ein Vampir seyn wird, auf welche reden der gemeine Pevel ihre opinion vestiglich gründet, solche Persohn Ich auch würcklichen gesehen und weillen selbe solte vorhin einer dürhägrichten Constitution des leibs seyn gewesen, alt von Jahren 7 wochen lang gelegen, in keiner truchen, sondern blossen seichten Erden wäre nothwendig halbs schon verwesen zu seyn; allein Sie ware annoch vollkommen das Maul offen habend, das helle frische bluth auss Nasen und Maul heraussgeflossen, der leib hoch aufgeblasen und mit bluth unterloffen, welches mir selbst suspect vorkommet und denen Leuthen nicht unrecht geben kann, nach entgegen eröffnung einiger gräber, welche waren Jünger von Jahren, fetter Constitution bey lebenszeit, kurz von ausgestandenen krankheits zeit und zwar geringer krankheit, alss solche alte, seynd also verweesen, wie siches auf einen rechtmässigen Leichnamb gehöret, das andere weib alss.

Vampir mit Nahmen Stanno ein weib in gebähren gestorben, das Kind auf die welt gebracht, aber auch gleich gestorben, ware alt 20 Jahr, liegt begrabener 1 Monath, bekennete und erzehlete, gegen denen Nachbahrn bey lebens zeit, dass Sie, da Sie noch in dem Türckischen ware, allwo die Vampires auch sehr starckh regiereten, umb Sie vor solche zu beschüzen, schmürete Sie sich einstens mit eines Vampires bluth, wo Sie auch nach ihren todt ein Vampir wird werden, gesprochen, welche also beschaffen ware, wie die erstere, ingleichen das unmündige Kind und weillen dieses Kind die Tauff noch nicht hat empfangen, haben Sie es nicht in den Freydhoff geleget, sondern hinter einen Zauhn, allwo die Mutter hat gewohnet, welches ich auch gesehen habe. Ingleichen waren die andere also beschaffen und kurz nach einander darauf gestorben, welche sich mit vervampiret haben, nach denen leuthen ihrer opinion. Alss Vampir: Milloi ein Kerl von 14 Jahren, liegt 5 wochen. Joachim ein Kerl von 15 Jahren, liegt 5 Wochen, seyn 1 tag von einander gestorben, alss vorgehabter depouchen ihrer fasten bei einen Nahmenstag eines dorff Heyduckhen seynd in gleichen wie die andern also beschaffen.

Ruschiza ein Weib von 40 Jahren, liegt 15 tag, ist halbs suspect.

Peter ein Künd von 15 tag alt, liegt 5 wochen, ist sehr suspect.

Nunmehro weillen jezige von jüngeren Jahren waren, kürzer von krankheits affliction und zwar sehr schlechterer auch kürzerer zeit in grab liegen, gänzlich, wie sich es gehöret, verwesen sein, sagen die Metweger, warumb dise und die andere nicht, da Sie viel stärcker corpulenter Jünger und frischer waren, alss die anderen, dannoch schon gänzlich verwesen seyn, welche raison nicht uneben scheinet und seyn jenige, alss

Milosowa von Heyduckhen seine Frau ware alt 30 Jahr, liegt 3 wochen, ist vor dise zeit zimblich verwesen, wie sich es gehört, auch jenige, wie folgen.

Radi ein Kerl von 24 Jahren, liegt 3 wochen. Wuschiza ein Jung von 9 Jahren, liegt 1 Monath. Dannenhero bitten Sie unterthänig, es möchte doch von einer Löblichen Obrigkeit eine execution nach guttachten dises malum abzuwenden ergehen, woselbst ich vor gut halte, umb selbe unterthanen zu befridigen, dieweillen es ein zimbliches grosses dorf ist, dann in re ipsa befindet es sich also.«

*   *   *

Über die Art und Weise der völligen Vernichtung eines Vampirs haben einige Gelehrte unklare Ansichten geäussert, während gar kein Anhalt zu einer Meinungverschiedenheit vorhanden ist. Der Vampir ist ein Toter, der zu Nachtzeiten lebendig wird, also vernichtet man ihn, wie man ein lebendes Wesen der völligen Auflösung nur zuführen kann: durch Tötung, in diesem Falle gewöhnlich entweder durch Durchpfählung oder durch Verbrennung des Leichnams. Der körperlose Geist wird ledig oder verflüchtet sich und vermag nicht mehr jemandem zu schaden.

Gesteht ein Weib, dass ihr verstorbener Gatte als Vampir sie besuche, oder sprechen andere Anzeichen dafür, z. B. nächtliches Rumoren im Hause, herumfliegendes Kochgeschirr, ein jähes Sterben im Dorfe oder gar unmittelbare Begegnungen mit dem Vampir auf Kreuzwegen zur Nachtzeit, so versammeln sich die ernstesten und reifsten Männer des Dorfes zur Beratung, um im Einverständnis mit den Angehörigen des Vampirs, das Grab aufzudecken, um sich erst zu vergewissern, ob der Verdächtige wirklich zum Vampir geworden ist. Die Moslimen sagen, der Leib eines solchen Vampirs, mag er auch längere Zeit gelegen sein, sei unverwest geblieben, nur die Augen seien gross wie die eines Ochsen und blutunterlaufen. Darauf macht man im Grab ein Feuer an, spitzt einen Weissdornpfahl zu und durchsticht damit den Leib. Oft sei es vorgekommen, dass sich der Vampir während der Durchstechung ganz gekrümmt habe und dass ihm viel Blut aus dem Leibe gespritzt sei. Während die einen den Vampir behandeln, passen die übrigen ängstlich auf, ob nicht ein Falter (oder Schmetterling) aus dem Grabe davonfliegt. Fliegt einer heraus, so laufen ihm alle nach, um ihn einzufangen, und fangen sie ihn ein, so werfen sie ihn auf einen Brandhaufen, damit er umkomme. Dann erst ist dem Vampir der Garaus gemacht. Entwischt jedoch der Falter, dann ach und wehe dem Dorfe, denn der Vampir rächt sich fürchterlich, bis nicht endlich seine sieben Jahre ablaufen. In der oberen Krajina glauben die Moslimen und Christen, der Vampir könne durch nichts anderes getötet werden, als wenn man ihm einen Weissdornpfahl (glogovi kolac) durch den Leib treibe. Einige behaupteten in meiner Gegenwart, man dürfe den Vampir auch mit einem Messer durchstechen, mit dem man noch nie ein Brot geschnitten. Die Herzogländer orthodoxer Konfession durchstossen den Vampir durch eine getrocknete Haut eines jungen Stieres, weil sie glauben (gleich den Serben in der Morava und den Bulgaren in Rumelien), dass sich jeder, den das Blut des Vampirs bespritzen würde, auch selber in einen Vampir verwandeln, und dass er bald darauf sterben müsste. Die Orthodoxen in dem Herzögischen verbrennen den Vampir nicht, ebensowenig die Katholiken in Slavonien. Im oberen bosnischen Drinagebiete an der serbischen Grenze begibt sich der Pope mit den Bauern auf den Friedhof, sie scharren das Grab des Verstorbenen auf, stopfen das Grab mit einem Wagen Stroh voll an, durchspiessen durch das Stroh hindurch den Leichnam mit einem Weissdornpfahl und zünden das Stroh an. Das Feuer wird so lange genährt, bis der Leib des Vampirs gänzlich zu Asche geworden. Damit erst glauben sie jede weitere Wiederkehr des Vampirs zu verhindern.

Der Bauer Lako Petrović in Zabrgje erzählt: »Vor etwa 150 Jahren lebte im Dorfe Čengić, im Bezirke Zvornik eine Popenfrau (popadija), nach deren Ableben ein grosses Sterben im Hause einriss. Damals starben auch dem Grossvater meiner Mutter, dem Bauer Pero, alle Hausleute bis auf drei Knaben ab und er verlegte sich darauf, nachts aufzupassen. Er zündete in der Küche (dem eigentlichen Hause) ein grosses Feuer an und wartete. Plötzlich um Mitternacht erscheint die Popadija im Hause, Pero aber springt auf, ergreift ein Weissdornbrandscheit vom Feuer weg, fängt an auf die Popadija dreinzuschlagen und jagt sie hinaus. Sie bleibt jedoch vor dem Hause und ruft: »Komm mal hier heraus, greiser Pero, schlag mich nur ein wenig und ich werde gleich krepieren!« (izigji sijedi Pero amo pa me se samo malo vati, ja ću odma crći!). Pero entgegnete: »Hinaus gehe ich nicht und ins Haus herein lasse ich dich nicht!« (izić ne ću a u kuću ti ne dam!). Darauf sie: »Na wart nur, greiser Pero, es wird dir kein einziger Sohn bleiben, bei dem du dich verschwören könntest!« (neka te sijedi Pero! ne ćeš se nijednim sinom zakleti!). Als am Morgen der Tag graute, begab sich Pero mit dem Dorfschulzen und einem Bauern zum Popen und meldete ihm, die Popadija sei auferstanden und raffe die Leute hin. Der Pope sagte: »Es ist nicht wahr!« Pero jedoch ging vor Gericht nach Zvornik und sagte, die Popadija habe sich in einen Vampir verwandelt (povukodlačila se) und er habe ihr in vergangener Nacht im Hause (der Küche) die Leichendecke berusst, als er sie geschlagen. Das Gericht gestattete ihm, das Grab aufzugraben. Im Verein mit den angesehensten Männern im Dorfe grub er das Grab auf. Da fanden sie die Popadija wie einen Bottich aufgeschwollen, und sie nahmen einen zugespitzten Weissdornpfahl, pflanzten ihn der Popadija auf den Bauch und schlugen ihr mit einem Hammer den Pfahl in den Leib hinein. Darauf machten sie ein grosses Feuer an und verbrannten sie zu Asche und Kohle. Ja richtig, als sie das Grab aufzuscharren anfingen, kroch eine Natter heraus, Pero aber erschlug die Natter auf der Stelle. Von da ab hatten sie Ruhe im Dorfe und das jähe Sterben hörte auf.«5

Manda Šuperina in Pleternica erzählte meiner Mutter: Im Dorfe Mihaljevci, nördlich von Požega, fiel ein Mann vom Wagen herab, sein Kopf geriet unter die Räder und wurde zerquetscht. So starb er. Acht Tage nach der Bestattung fing er an zurückzukehren und der Frau des Nachbars beizuschlafen. Und richtig wurde sie von ihm schwanger. Hierauf machte sie dem Pfarrer eine Anzeige und klagte den Weibern, was ihr zugestossen. Da riet ihr ein Weib, sie soll Hanf nehmen, einen grossen Knäuel Gespunst ausspinnen und, wenn der Tote wieder zu ihr kommt, ihm den Faden an seine grosse Zehe befestigen, so werde sie sehen, woher er komme. Auch soll sie einen grossen Weissdornkeil anfertigen lassen. Als am Tage der Pfarrer und die Dorfleute das Grab öffneten, fanden sie den Toten bäuchlings liegend. Sie schlugen ihm jenen Weissdornkeil in den Kopf ein, aus dem Kopfe fuhr ein Feuer heraus und der Schädel krachte laut wie eine Kanone. Der Pfarrer gab dem Toten zuletzt den Segen und der Tote kehrte nimmer wieder, das Weib aber genas eines Kindes. Das Kind starb bald hernach, doch die Frau lebt noch gegenwärtig. Die Erzählerin ist eine Katholikin, und seltsam genug berief sie sich auf den katholischen Pfarrer von Velika. Sonst spielen katholische Priester in den Vampirsagen der Slavonier keine Rolle. In Dalmatien, wo der Franziskanermönch sehr volktümlich und beliebt ist, hat das Volk mehr Zutrauen, in solchen Dingen an den Priester sich zu wenden und der Mönch ist leicht nachgiebiger gegen die Forderungen seiner Gemeinde, in welcher er Pfarrer ist. Stirbt ein Kozlak, so treffen die alten Weiber im Dorfe, aber auch die Familienmitglieder des Verstorbenen verschiedene Anstalten gegen die voraussichtlich bevorstehende Rückkehr des Kozlak. An manchen Orten ist es Brauch, das Sterbezimmer einige Tage hindurch nicht auszukehren. Das soll aber selten etwas nützen; den der Vukodlak oder Kozlak stellt sich zu bestimmter Nachtstunde trotz alledem ein, um die Hausruhe der Leute zu stören und die Schlafenden zu quälen. Besonders liebt es der Kozlak, mit den Tellern (tanjuri, piatti) zu scheppern, auch macht es ihm ein Vergnügen, den Wagen, falls einer vorhanden ist, im Gehöfte herumzuziehen. In solcher Not wendet sich der Bauer an seine Priester, namentlich an die Franziskaner, die mit geschriebenen Amuletten (zapisi) handeln. Der Priester muss Gebete verrichten und sich ausserdem persönlich auf den Gottesacker (grobište) gerade zu dem Grabe begeben, in welchem der Kozlak ruht, ihn hervorrufen, sein Erscheinen abwarten und ihn mit einem Dorn (drača, spina) durchstechen, der im Hochgebirge an einer Stelle gewachsen, von wo aus der Dornstrauch das Meer nicht hat sehen können. Nur in diesem Falle, so glaubt man, wirkt das Verfahren, und der Kozlak lässt die Leute in Frieden.

Es ist kein Zufall, dass der Dorn bei der Durchpfählung gebraucht wird. Der Dorn ist eine natürliche, man kann sagen die ursprünglichste Stichwaffe des Menschen, und es begreift sich bald, dass man seine uralte Verwendung zu Kultuszwecken — als eine solche ist in einem beschränkten Umfange auch die Vampirtötung aufzufassen — bis in die Gegenwart beibehalten hat. In Kulthandlungen vieler Völker kommt der Dorn vor, doch scheint mir Liebrecht vom richtigen Wege sehr abzuirren, wenn er sich gelegentlich des Nachweises, dass sich die alten Deutschen des Dornes zum Leichenbrande bedienten, die weitere Schlussfolgerung erlaubt: »Das erklärt endlich auch, beiläufig bemerkt, warum in den serbischen Sagen den Vampiren ein Pfahl aus Hagedorn oder Dornholz durch den Leib gestossen wurde; es war eine symbolische Verbrennung derselben.« Zum Beweis zitiert er den böhmischen »Lügenchronisten« Hajek (vom Jahre 1337). Ein Vampir habe nicht aufgehört, die Leute zu würgen, »selbst als man ihm einen Pfahl durch den Leib gerannt; erst als er verbrannt wurde, gab er Ruhe.« Für uns unterliegt es keinem Zweifel, dass die Čechen damals das Verbrennen als eine schärfere Vertilgungart in Anwendung gebracht haben, um völlig sicher zu sein. Wo steckt hier auch nur der Schatten einer Symbolik? wo ein Grund für eine symbolische Auslegung der Brauches?

Zum Schluss muss noch eines Glauben gedacht werden, der den Brauch der Blutrache mächtig entwickelt hat. Die Seele eines Ermordeten, glaubt das Volk, könne eher keine Ruhe finden, als bis man an dem Mörder Rache genommen. Darum lag den nächsten Blutanverwandten eines Getöteten die Blutrache als heiligste Pflicht ob. Darauf bezieht sich das alte Glaubens- und Rechtsprichwort: Ko se ne osveti, taj se ne posveti (wer nicht gerächt wird, der kehrt nicht in die ewige Ruhe ein).6 Dass aber die Blutrache auch auf vermögenrechtlicher Grundlage beruht, soll hierbei durchaus nicht verkannt werden.

1 Auch Stefan Hock ist in seiner literarhistorisch sehr schätzbaren Untersuchung (Die Vampirsagen und ihre Verwertung in der deutschen Literatur. Berlin 1900) der Ansicht Andrees. Man vrgl. meine Widerlegung unter Anführung der slavischen Literatur über den Vampir, Die Volkkunde in den Jahren 1897–1902. Erlangen 1903. S. 116 f. — Dass der Vampirglaube in der scharf ausgeprägten Form, wie er noch gegenwärtig bei den Südslaven auftritt, wenn nicht türkischen Ursprungs, so doch sehr stark vom türkischen Volkglauben beeinflusst sei, lehren uns Tihomir R. Gjorgjevićs Ermittlungen. Godišnjica Nikole Čupića, XXI. (1901). S. 231 u. 287.

2 Tierorakel und Orakeltiere in alter und neuer Zeit. Eine ethnologisch-zoologische Studie. Stuttgart 1888. S. 53 ff.

3 Vrgl. Anthropophyteia II. (1905). S. 390 f.

4 Selbst Mohammed hatte sich in ein Schwein verwandelt. Die serbische Sage in T. R. Gjorgjević’s Monatschrift Karadžić, Aleksinac 1901 (III). Nr. 5.

5 Mitgeteilt von Thomas Dragičević, der als Gendarm die Gegend genau kennen gelernt.

6 Vrgl. Krauss, Bojagić Aliles Glück und Grab. Zwei moslimische Guslarenlieder. Leiden 1896. S. 7–10. Das zweite Lied handelt von der Sühnung einer Grabschändung.

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