I. Der Name.

Der eigentliche slavische Name für Hexe ist vještica, bulg. vješčirica, für den Hexenmeister viještac. Die Etymologie des Wortes ist klar. Es bedeutete ursprünglich die Wissende, der Wissende, die Kundige und hat in Nebenformen noch in der gegenwärtigen Sprache diese Bedeutung beibehalten; veda slovenisch: das Wissen; neveda ein Unwissender; vedavica Kartenaufschlägerin (Russ. vēdma die Hexe); vedovin fatidicus, vijest Wissen, Nachricht, Bewusstsein; vijestnik der eine Nachricht bringt, Bote; vještina peritia, Findigkeit; vještak peritus, ein Kundiger, ein Wissender = viještac, diese Nebenform für Hexenmeister, sowie viještka und vještica zur Bezeichnung einer Hexe dient; nago-viještati zu erraten suchen; izvjedjavati in Erfahrung zu bringen suchen, auskundschaften; vještati zaubern, hexen. Vještica bezeichnete ursprüngliche eine weise Frau. (Vgl. über diese Benennung Grimm, D. M. 987.) In vielen Gegenden, namentlich ist dies für Dalmatien bezeugt, scheut man in Gegenwart von Kindern vještica zu sagen und gebraucht dafür die Euphemismen krstača oder rogulja (auch roguša)1. Krst bedeutet Kreuz2 und Krstača (von χριστός) ist wohl die mit einem Kreuz Gezeichnete, die Hexe3. Rogulja nennt man eine Hexe zweifelohne deshalb, weil man sie sich zuweilen, wohl anknüpfend an die Vorstellung vom gehörnten Teufel der christlichen Kirche, gehörnt denkt. In Slavonien hörte ich öfters Kühe, die recht grosse Hörner hatten, mit dem Namen »Rogulje« rufen. Im chrowotischen Küstenlande scheint das Wort vještica vollständig von dem italienischen Lehnworte štriga verdrängt worden zu sein4. Unter den Slovenen und den Kaj-Chrowoten hat das deutsche Wort Zauberin in der verhunzten Form copernica (masc. coprnjak, inf. coprat, zacoprat, partic. zacopren) volles Bürgerrecht erlangt. Man gebraucht das Wort auch in Slavonien, doch ganz in dem Sinne wie in Deutschland. In Bosnien, dem Herzogtum, in Serbien und Bulgarien ist es unbekannt. Die Ausdrücke coprati, coprija, copernik und coprnica finden sich schon in den ältesten slovenischen und provinzialchrowotischen Wörterbüchern und Texten (Bjelostijenec, Jambrešić, bei Glavinić, vrgl. die Worte bei Daničić srps. ili hrv. riečnik Agr. 1882). Daraus ergibt sich, dass sie frühzeitig, wohl schon im Mittelalter, dem Deutschen entlehnt wurden. Im allgemeinen scheuen sich die Chrowoten und Slovenen coprnica für Hexe zu sagen, sondern gebrauchen dafür in mildem Tone die Bezeichnung ‘hmana žena’ (gemeines Weib); hmana ist das deutsche gemein; »Man nimmt Anstand, sich des Wortes ‘coprnica’ zu bedienen, weil sonst die Hexen darüber so sehr in Zorn geraten, dass sie den Betreffenden nächtlicherweile heimsuchen, ihn in vier Stücke reissen, jedes Stück nach einer anderen Weltgegend schleudern und hierauf alle Zuchtschweine, Kühe und Pferde aus dem Hause forttragen.« In Dalmatien bis tief noch in Serbien hinein wendet man häufig an zur Bezeichnung einer Zaubererin den Ausdruck maćionica, eines Zauberers: maćionik, einer Zauberei: maćija. Man erkennt auf den ersten Blick das italienische magia, die Magie. Zlokobnica (etwa: böse Begegnerin) heisst jedes alte Weib, dem man in aller Frühe, wenn man das Haus verlässt, begegnet, ehe man einen anderen Menschen noch gesehen. Eine klassische Stelle5, die hier im Wortlaute angeführt zu werden verdient, gibt eine nähere Beschreibung der Hauptmerkmale, an denen man eine vještica, maćionica und zlokobnica ohne weiteres voneinander unterscheiden kann: »Slušao sam od starih adžija i kadija, da svaka vlahinja kad pregje 40 godina preda se nečastivome te postane vještica ili dajbudi zlokobnica ili maćionica. Prava vještica ima krst pod nos6, svaka zlokobnica po nekolko brčnih dlaka7, a maćionica namrskana čela i krvave pečate po obrazu.« (Ich habe von alten Hodžen und Kadis öfters gehört, dass sich jede Walachin, sobald sie das 40. Lebensjahr überschritten, dem Gottseibeiuns (nečastivomu) überliefert und eine Hexe (vještica), oder zum mindesten eine zlokobnica oder maćionica wird. Eine echte Hexe trägt ein Kreuzzeichen unter der Nase, jede zlokobnica hat einige Barthaare und eine maćionica hat die Stirne voll finsterer Falten und Blutflecken im Gesichte.)

Die vještica hat auch den Namen »mora« (die Mar oder Trut), je nachdem sie als solche auftritt.8

Für Zaubern ist der Ausdruck čarati am gebräuchlichsten.9

Snkrt. kar machen, tun; lit. kėrėti, kirti (zaubern); ahd. karawan, ags. gearvjan. čarati für hexen und zaubern (incantare, ueneficium facere) kommt schon in den ältesten südslav. Wörterbüchern vor. Im Volksprichwort: čarala baba da ne bude mraza a s jutra snijeg do koljena. (Das alte Mütterchen hexte, damit kein Frost eintrete, in der Früh aber lag der Schnee knietief.) Načarati verzaubern; začarati jemand durch Zauberei verblenden. čâr, incantatio; čara strigamento, Zauberei; pl. čari, Zaubermittel; čarnik Zauberer, čarnica Zaubererin; čarovnik magus; čarobija magia; čaralija, čarolija Zauberei als Begriff, čarka Zauberei in einem besonderen Falle, der vorliegt, etwa Verzauberung (čaratan und čarataonik Zauberer, čaratanija Hexerei, sind Lehnworte aus dem Italienischen ciarlatano, frz. charlatan). Nicht minder häufig gebraucht man für zaubern činiti. Der Grundbegriff ist derselbe wie in čarati, der des Tuns, Machens, Snskst. či, sammeln. Opčiniti, počiniti, učiniti bezaubern; učiniti se sich in etwas verzaubern, verwandeln; začiniti incantare; čîn, počin, Zauberei, Verzauberung, pl. čini. Tun, machen bedeutete ursprünglich auch vračati (vrgl. griech. Γεργ) hexen, wahrsagen, heilen, vračiti, medicari, izvračiti herstellen, gesund machen; vrač Wahrsager, Hexenmeister; noch vor hundert und fünfzig Jahren allgemein in der Bedeutung medicus; die Neuslovenen gebrauchen noch gegenwärtig für Arzt den Ausdruck vračar; vračlja, mulier, quae sanat, im Wtb. bei Stulić; vračilja sanatrix i. W. bei Habdelič; vračitelj medicus bei Belost. vračnik medicus. Stul. vračara, vračarica, Wahrsagerin; eine Frau, die Krankheiten zu heilen versteht. Vračba, vračtvo medicina, Heilmittel; adj. vračan; vračljiv medicabilis; nevračljiv immedicabilis. Von derselben Wurzel auch vrag der Teufel, eigentlich der Arbeitende (vrgl. d. Werk). Die Vorstellung von einem Höllenteufel kam den Südslaven, sowie den Slaven überhaupt erst durch die christliche Lehre; vražati so viel als čarati, ueneficia adhibere, magicam artem exercere, vražalac, vražalica, vraževnik Zauberer, fascinator; vragoduh malo genio agitatus; vragometan a daemone obsessus.

Für Zaubern gibt es eine ganze Reihe von Ausdrücken; am gebräuchlichsten ist bajati (Sskst. bha sprechen, griech. φα, vrgl. φάναι lat. fama); izbajati durch Zauberei bewirken; obajati behexen; zabajati incantare; bajiti einen Kranken pflegen; bajac, bajač Zauberer, incantator; basma, Zauberspruch. Daneben basna Zauberspruch, Fabel, bajka fabella; bahati colere artem magicam; bahalica maga; bahoriti fascinum depellere; bahoriti se sich heilen, curieren; bahor, bahorac, bahorica, bahornik, bahornica Beschwörer und Beschwörerin; bahorija, bahorstvo Beschwörung.

Für Amulet ist der echtslavische Ausdruck zapis, das Verschriebene. Skst. pis ritzen, kratzen; hamalija, das gleichfalls Amulet bedeutet und weit gewöhnlicher als das W. zapis gebraucht wird, ist ein Lehnwort aus dem Italienischen ammaliamento, lat. amuletum, frz. amulette. Alle in der Sprache vorkommenden Ausdrücke für Zaubern ergeben, dass ursprünglich diesen Bezeichnungen an und für sich durchaus keine schlimme, sondern vielmehr eine gute Bedeutung zukam. Die Wandlung erfolgte erst durch den Einfluss des Abendlandes.

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