Liebezauber.

In meinem Buche »Sitte und Brauch der Südslaven« widmete ich dem Liebezauber einen eigenen Abschnitt. Seitdem habe ich selber auf Reisen viel neues Material aufgebracht und noch mehr von Mitarbeitern erhalten. Stoff liegt für ein Buch vor.1 Solche Zaubereien sind nicht allein für die Erforschung der Volkseele wichtig, es wohnt ihnen auch jener Reiz inne, den Liebe überhaupt ausstrahlt.

Nachfolgende Mitteilungen verdanke ich einer weissfarbigen Zigeunerin in Derventa. Über die serbische Sprache der s. g. weissen Zigeuner veröffentlichte ich einen kleinen Aufsatz im »Ausland« 1886. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass die Sprache der dort ansässig gewordenen Zigeuner nur als eine verdorbene serbische Sprache, nicht aber als eine besondere Mundart aufzufassen sei. Für den Lautphysiologen mag es nicht ohne Wert sein, an derartigen Fällen die Einbusse zu betrachten, die das serbische Wort im Munde des die eigene (indische) Sprache vergessenden Zigeuners erfährt, für uns Volkforscher ist dies hier ohne Belang. Ich halte mich nicht für verpflichtet, die Sprachfehler der Zigeunerin, obgleich ich jene möglichst getreu aufgezeichnet, auch im Druck zu wiederholen, zumal man die gleichen Formeln von Nichtzigeunern sprachlich ganz tadellos zu hören bekommen kann. Was mir die Zigeunerin vorsagte, ist weder sprachlich noch inhaltlich ihr und ihres Volkes besonderes Eigentum. Sprachlich vermittelte sie mir schlecht, inhaltlich vorzüglich die überlieferten Zauberformeln, die sie zu ihrem Lebensunterhalte als Erwerbmittel benötigt, und darum möglichst treu in übernommener Fassung festhält. Das Weib war, als ich ihre Bekanntschaft machte, vielleicht dreissig, vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt, herabgekommen und elend sah sie genug aus. Bekleidet war sie mit einem dunklen Kopftüchlein, einem bis zum Knie herabreichenden schmierigen Hemde und einem wollenen Fürtuch. Während sie sich von Verliebten ihre Unterweisungen bezahlen lässt, weigerte sie sich, von mir ein Geschenk für ihre Angaben anzunehmen, weil sie sich etwas zu gute tat, dass ein Herr mit ihr freundlich sprach und ihre Reden, für die sie sonst Hohn und Spott eingeheimst, gar niederschrieb. Ihre Mittel sind diese:

1. Um Gegenliebe zu erwecken: Der (oder die) Verliebte nehme zwei Stecknadeln, stelle sie in der Abenddämmerung gegen die Zimmerwand und spreche: mrak mrači, nebo zveči, zemlja ječi, streha streči. Nit mrak mrači, nit nebo zveči, nit zemlja ječi, nit streha streči već moj dragi (moja draga) za potokom kreči. On crko, on puko, dok mene ne vidio, bijelu, rumenitu, tanku i visoku. (Die Dunkelheit dunkelt, der Himmel tönt, die Erde ächzt, der Dachstuhl knarrt. Weder dunkelt die Dunkelheit, noch tönt der Himmel, noch ächzt die Erde, noch knarrt der Dachstuhl, sondern mein Liebster (-e -e) krächzt hinterm Bache. Er verrecke, er berste, sofern er mich nicht gesehen, mich weisse, rosige, schlanke und hochgebaute Maid). Hierauf stecke man die Stecknadeln nebeneinander in den Dachvorsprung (streha), wasche sich die Hände und wische sie am Ofen ab.

2. Das Mädchen rufe abends den Namen des zu bezaubernden Mannes dreimal in den Rauchfang hinauf.

3. Wirksam sei folgender Spruch, so man ihn nachts hersagt, wenn man sich zur Ruhe niederlegt: Ja legoh na devet i devet kreveta pa legoh na devet i devet jastuka, pa se pokrih sa devet i devet jorgana. Pa lego, drago, na devet i devet uši, pa lego, drago, na devet i devet mravi, pa lego, drago na devet i devet buha, pa lego, drago, na devet i devet stinica. Buhe kolju ga, meni ga gone; mravi kolju ga, meni ga gone; uši kolju ga, meni ga gone; stinice kolju ga, meni ga gone. On puko, on crko, dok meni ne došo, dok mene ne vidio tanku, visoku, bijelu i rumenitu! (Ich legte mich auf neun und neun Betten und legte mich auf neun und neun Pölster und deckte mich zu mit neun und neun Decken. Doch mein Liebster soll sich auf neun und neun Läuse legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Ameisen legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Flöhe legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Wanzen legen! Die Flöhe beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Ameisen beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Läuse beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Wanzen beissen ihn, sie treiben ihn zu mir. Er soll bersten, er soll verrecken, sofern er nicht zu mir kommt, sofern er mich nicht schaut, mich schlankes, hohes, weisses und rosiges Mägdelein!)

4. Man nehme die bul trava (papaver rhoeas), breche sie in der Mitte ab, bestreiche das eine Stück mit ungekochtem Honig, das andere mit nicht aufgelassener Butter, lege auf die rechte und linke Seite der Türschwelle je ein Stück hin, und sobald die betreffende geliebte Person dazwischen hindurch gegangen ist, lege man wieder beide Stücke zusammen, grabe sie unter der Dachtraufe ein und spreche dazu niti kapljica brez rupice niti drago bilo bez mene. (Sowenig als ein Regentröpflein ohne Löchlein, so wenig soll mein Liebster ohne mich denkbar sein).

5. Nimm zwei ausgereifte Sonnenblumen, eine mit weissen Samenkörnern, die als weiblich, und eine mit schwarzen Samenkörnern, die als männlich gelten, und entferne aus beiden Blumen die Körner; dann schneide den Blumenboden des weiblichen Teiles ringförmig aus und umwickle ihn mit Goldfäden, den männlichen aber schneide entsprechend flach aus. Den einen Teil bestreiche mit ungekochter Butter, den anderen mit nicht abgekochtem Honig (nevarenim medom); während dieser Verrichtung musst du fortwährend Gebete hersagen. Erblickt das Mädchen den geliebten Mann, so dass er ihr sein Gesicht zuwendet, schaue sie ihn durch den ringförmigen Ausschnitt an und spreche dazu dreimal die Beschwörung: ja tebe ne gledam ...2ti mene gledaš u moje srce i u srčene zile, u rumenine i bijeline. Ja sam tebi zlatna, zlatna i blagna; ti drugi ne vidiš, već ti mene gledaš, drugi nikad ne vidiš osim mene. Ti crko, ti puko, dok mene ne vidiš, tanku, visoku, glasovitu, bijelu i rumenitu! (Ich schaue dich nicht an ... du schaust mich an, schaust mir in mein Herz, in meine Herzfasern hinein, meine roten Wangen, meine weise Haut. Ich bin in deinen Augen goldig, goldig und mit Gütern gesegnet; du siehst andere nicht, sondern schaust nur mich, du siehst nie andere ausser mir. Du sollst verrecken, sollst zerplatzen, wofern du mich nicht erschaust, mich schlankes, hohes, klarstimmiges, weisses und rosiges Mädchen!) Darauf lege sie beide Stücke in ein Tüchlein und trage sie an einer Schnur am Halse; aber es nützt noch mehr, wenn sie die Sachen unter der Achselhöhle mit sich herumträgt.

6. Das Mädchen soll dem geliebten Manne von jenem Wasser geben, wovon ein aufgezäumtes Pferd getrunken hat.

7. Das Mädchen nehme schwarze Wickenkörner, die von selber aus der Blüte zu Boden gefallen (kukolj), Sonnenblumensamen und Rheinfarn (vratična trava, tanacetum crispum), vermenge sie mit Mehl, das am Mühlstein kleben geblieben, und rühre mit einer neuen, noch ungebrauchten Spindel ungekochten Honig und nicht aufgelassene Butter darunter, bis ein Teig daraus fertig wird. Aus dem Teig bilde sie einen Ring und lasse ihn an der Sonne trocknen; denn man darf ihn nicht ins Haus hineinbringen. Will sie nun jemandes Liebe erzwingen, so schaue sie ihn durch den Ring an, und sage dabei: ja tebe ne gledam, već ti mene gledaš u moje srce i srčene žile. Ti puko, ti crko, dok mene ne vidiš, dok meni ne dogješ, dok mene ne vidiš bijelu i rumenitu, tanku i visoku! (Ich schaue dich nicht an, du schaust mich an, schaust mir in mein Herz und in meine Herzfasern, sollst zerspringen, sollst verrecken, sofern du mich nicht siehst, sofern du nicht zu mir kommst, sofern du mich nicht siehst, mich weisses und rosiges, schlankes und hohes Mädchen!) Hierauf lege sie den Ring in ein Säckchen und trage es mit sich in der rechten Achselhöhle.

8. Das Mädchen nehme ein Stück Zuckers oder sonst etwas süsses in den Mund und sage dazu: ćufur ćuti, lehom leti; ni ćufur ćuti, ni lehom leti, već moj dragi za mnom leti. On puko, on crko, dok meni ne leti, dok mene ne vidi, bijelu, rumenitu, tanku, visoku! (Die Lachtaube schweigt, sie fliegt durch den Wald; weder schweigt die Lachtaube, noch fliegt sie durch den Wald, sondern mein Geliebter fliegt mir nach. Er zerplatzte, er verrecke, sofern er nicht zu mir fliegt, sofern er mich nicht sieht, mich weisses, rosiges, schlankes und hohes Mädchen!)

9. Das Mädchen schaue durch ein mit ungekochtem Honig und unaufgelassener Butter bestrichenes und mit Fäden behangenes Weberschiffchen (kolocep)3 und sage den Spruch wie unter Nr. 7 angegeben her.

10. Das Mädchen stelle sich mit dem linken Fusse auf eine Fusstapfe oder Spur des geliebten Mannes, drehe sich auf der Ferse um und spreche dazu: ja se ne okrećem na tvojoj stopi, već okrećem tvoju pamet za svojom pameti. Ti puko, ti crko, dok mene ne vidiš! (Ich drehe mich nicht auf deiner Fusspur, sondern ich drehe deinen Sinn nach meinem Sinne zu. Du sollst zerplatzen, sollst verrecken, sofern du mich nicht siehst!) Hierauf nehme sie von der Erde, wo sie sich gedreht hat, vermenge sie mit ungekochtem Honig und unaufgelassener Butter, rühre dies mit einer neuen Spindel zu einem Teig an, mache daraus einen runden Kuchen und lasse ihn an der Sonne trocknen.

11. Will ein Mann ein Mädchen bezaubern, so fülle er einen Gewehrlauf mit Pulver an, löse den Kolben vom Gewehre los, lege den Kolben auf die eine und den Lauf auf die andere Seite und lasse das geliebte Frauenzimmer, ohne dass sie vom Zauber eine Ahnung bekommt, zwischen durchgehen. Sonach stelle er das Gewehr wieder zusammen, schiesse das Pulver ab und spreche dazu die Beschwörung: Kako god ova puška pukne, neka ona za mnom pukne! Srce joj puklo i srčene žile, dok meni nije došla! (So wie dieses Gewehr springt [laut losgeht], so soll sie nach mir springen! Ihr Herz und ihre Herzadern sollen zerspringen, sofern sie nicht zu mir kommt!)

Ein skeptischer Volkforscher könnte auf die Vermutung geraten, die von der Zigeunerin herrührenden Zaubersprüche wären ursprünglich echt zigeunerische Formeln, die nur in slavische Worte umgesetzt seien. Eine Unterstützung fände diese Annahme in der Ähnlichkeit zigeunerischer mit serbischen Zaubereien. Nun aber erstreckt sich eine solche Ähnlichkeit überhaupt auf derartiges Gut gar vieler, wo nicht der meisten Völker dieser Erde. Im übrigen erweist sich eine solche Vermutung ganz unbegründet mit Hinblick auf den Liebezauber, der unter katholischen und altgläubigen Serben in Bosnien üblich ist, deren Slaventum man füglich nach den gewöhnlichen Voraussetzungen kaum in Zweifel ziehen dürfte. Zum Vergleiche will ich einige Liebezaubereien anführen, die ich durch meinen Freund Herrn Dragičević von der altgläubigen Bäuerin Jela Ristina aus dem Dorfe Puškovac am Fusse des Majevicagebirges, eine gute Tagereise von Derventa entfernt, erlangt habe. In diesem Dörfchen wohnen nur Altgläubige. Zwei Stunden davon entfernt liegt das Dörfchen Mačkovac mit einem Kirchlein, das einem Guslarenliede meiner Sammlung zufolge im 13. Jahrhundert von einem serbischen Fürsten aus dem Hause Nemanjći gestiftet worden sein soll. So viel ist gewiss, dass man dort meilenweit im Umkreise auf keinen Katholiken stösst. Hier sind die Altgläubigen ganz unter sich. Nun die Zauberformeln:

12. Wenn ein Bursche ein Mädchen, oder ein Mädchen einen Burschen lieb gewinnt, ohne Gegenliebe zu finden, so nimmt der oder die Verliebte Haken und Öse (bei uns in Österreich sagt man »a Mandl und a Waibl«), steckt sie in den Mund zwischen die Zähne und sucht bei Gelegenheit, etwa beim Polstertanz, einer Art Pfänderspiel, den Gegenstand der Liebe zu küssen. Hierauf nimmt er Haken und Öse heraus, hakt sie ineinander ein, schlägt sie so fest zusammen, dass sie unlöslich erscheinen, und spricht den Bann: Kat se ove dve kopče rastale, onda se i nas dvoje rastalo! (Wenn sich diese zwei Hafteln voneinander trennen, dann sollen auch wir zwei uns trennen!) und wirft zuletzt die Hafteln in fliessendes Wasser.

13. Man suche (und finde) zu Pfingsten ein vierblättriges Kleeblatt (na četiri pera), flechte es in einen Kranz ein, lasse darüber den Zug der Pfingstprozession hinwegschreiten, lege den Kranz hierauf auf oder unter den Tisch, auf den der Priester das Kreuz beim Segen hinstellt, und schaue zum Schluss den Geliebten durch den Kranz an. Er muss dann zur Zauberin in Liebe entbrennen oder er wird verrückt.

14. Will ein Mädchen erfahren, wie ihr Liebster oder derjenige unter ihren Bewerbern heisst, dem sie als Gattin zufallen wird, so erhebt sie sich am Georgtage vor Sonnenaufgang vom Lager, begibt sich zu irgend einem Zaun, hängt sich mit beiden Händen an ihn an und spricht dabei: ja drmam ovim plotom, plot morem, more mojim sugjenim; neka dogje i ime mi kaže! (Ich rüttle diesen Zaun, der Zaun das Meer, das Meer meinen Liebsten; er komme herbei und sage mir seinen Namen an.) Darauf vernimmt sie wohl die Stimme eines Unsichtbaren, z. B. »Ja sam tvoj sugjeni N.« (Ich bin dein dir vom Schicksal bestimmter N.!)

15. Oder sie nimmt für einen Denar Pfefferminze, Feldahornblüten und Gaisklee (dinar para, praklječa i trave zanovjeti), bindet dies alles in ein Tüchlein ein, legt das Tüchlein vor dem Schlafengehen unters Kopfpolster, spricht dreimal: zanovjeti veti, koga ćeš mi reti? (Gaisklee, wen wirst du mir nennen?) und erträumt dadurch ihren Zukünftigen. Die Münzen im Tüchlein sind das Wahrzeichen des Kaufgeldes, und der Feldahorn das der Fahne im Hochzeitzug.

16. Will ein Bursche in sich ein Mädchen verliebt machen, so nimmt er etwas Salz und Brot, geht damit um das Mädchen herum und spricht dazu: Kako ja mogo biti bez soli i hljeba, nako i ova djevojka mogla biti bez mene! (Sowenig als ich ohne Salz und Brot, ebensowenig soll dieses Mädchen ohne mich sein können!)

17. Oder der verliebte Jüngling löst, um bei einem Mädchen Gegenliebe zu erwecken, von zwei Stangenwagen die Stangen und die Äpfel4 los, legt die eine Stange auf die eine, die andere auf die andere Seite des Weges, wo das Mädchen vorbei muss, und spricht, sobald sie über jene Stelle hinweggeschritten: Kako ovi kantarovi bez ovi jajca mogli vagati, nako i ta djevojka mogla biti bez mene! (So wenig wie diese Wagstangen ohne diese Äpfel wägen, ebensowenig soll auch dieses Mädchen ohne mich sein können!) Die Gewichtstücke halte er stets bei sich.

18. Sehr gebräuchlich sind Liebetränklein und Liebespeisen. Es ist etwas alltägliches, dass man von verliebten Mädchen mancherlei sonst wenig einladende Sachen mit zu essen und zu trinken bekommt, z. B. Menstruationblut und dergleichen. Wer einen gesunden Magen hat, dem schaden auch spanische Fliegen und Schwaben nicht, doch hinterher, wenn man just erfährt, was man zu sich genommen, pflegen sich Gefühle einzustellen, die eben nicht von der Liebe eingegeben sind. Ein unschuldiges und ziemlich gebräuchliches Mittelchen, wenn ein Mädchen einen Jungen in Liebe entbrennen, eigentlich vor Liebe toll machen (obengjijati = Schlaftrunk eingeben) will, ist, dass sie ihm einen schwarzen Kaffee braut, durch einen Fingerring ihn in die Trinkschale eingiesst und durch den Ring etwas gepulverte Nelken und vom Herzchen eines Taubers und einer Taube dazugibt. Dadurch bezaubert sie ihn dermassen, dass er wie von Sinnen ist, wenn er ihre Gegenwart entbehren muss. Tako se vole, moj sokole, do vijeka! (So lieben sie einander, o mein Falke, bis an ihr Lebensende!) — Damit schloss die Bäuerin ihren Bericht.

Wenn alle Leute im Volke so hübsch zu erzählen verstünden, wie die vorigen Erzählerinnen, dann hätten wir Sammler ein gar leichtes Spiel und das Übersetzen wäre auch keine nennenswerte Kunst. Die wenigsten Leute im Volke können aber gut erzählen; nicht einmal ein gegliedertes, logisches Denken oder ein logisches Anordnen der Gedanken ist gewöhnlich bei dem ungebildeten Volke anzutreffen. Bei Sagen und Märchen und verwandten Überlieferungen, die man mehr oder minder genau samt der überlieferten Form festhält, geht das Aufzeichnen noch leicht an, doch soll der Bauer aus seinem eigenen Leben etwas erzählen, ja, da happert’s in der Regel, wie man in Österreich sagt. Genau genommen spricht der südslavische Bauer zwei Sprachen zugleich, eine Wort- und eine Geberdensprache, wobei nicht selten die erstere nur als Hilfmittel der letzteren erscheint. Wir Schriftsteller als Volktumerforscher müssen aber beide Sprachen genau auffassen und sie durch die eine Schrift wiedergeben. Unsere Kunst besteht in diesem Falle darin, nicht mehr und nicht weniger zu sagen, als man uns mitteilt.

Ich will hier noch einmal eine Bäuerin zu Wort kommen lassen. Die Aufzeichnung ist so genau, dass sie gar nicht mehr übertroffen werden kann. Das Weib hat nämlich selber die Niederschrift besorgt und meiner verewigten Mutter für mich übergeben. Die Geschichte ist einfach und herzergreifend. Keine Idylle, wie sie unsere stubenluftschluckenden Dorfgeschichtenverfertiger als Lesefutter für Salondämchen erzeugen, sondern die wahre Geschichte eines verpfuschten Lebens, ein dankbarer Stoff für Meistererzähler von der Art weiland Auerbachs, oder eines Eduard Kulke.

Den Namen der Bäuerin will ich aus Mitleid verschweigen. Im Jahre 1876 war sie als 12jähriges Mädchen mit ihren Eltern aus Bosnien nach Slavonien geflohen. Damals waren, wie bekannt, anarchische Zustände in Herceg-Bosna eingerissen. Niemand war seines Lebens sicher. Unsere bosnische Familie fand in einem slavonischen Dorfe bei Bauerleuten Aufnahme. Die alten Leute starben bald und die Waise blieb bei den Gastfreunden im Hause. Sie besuchte drei Jahre lang die Dorfschule und lernte lesen und schreiben. Mit 18 Jahren heiratete sie einen armen Burschen im Dorfe. Da sie eigentlich niemandes Eigentum war, brauchte man sie niemandem abzukaufen. Sie war also eine gute, jedenfalls eine billige Partie. Weil sie aber niemandem angehörte, durfte es sich ihr zärtlicher Ehegespons erlauben, sie aufs jammervollste zu misshandeln. Sie hat ihn dafür zwar kirre gemacht, wie, mag sie selber erzählen:

Žene su mi kazale pak sam mačiće i ćšeniće5 palila pak sam čovjeku davala od nužde; jer me je na dan pet [puta] tuko; od nužde i nevolje; pušku je na me okrenijo da me ubije. Onda sam morala ići na sud. Dok smo raspravili, jedno sedam do osam puta sam od njega bižala. Dok me žene nisu na to naputile nije ništa bila asna. Onda me više nikada ni dodijo. J još su me to žene napućivale pak is tri mlina puva, omaje i masti onda kolačiće pekla pa sam mu davala jesti, da je mojemu ditetu bolji. Tijo je na dvi poklupke žege pak je tijo popaliti, a drugog je tijo megju svinje baciti, da ga svinje potrgaju. To je bilo uprav na svetog Mikolu6. Kat su mi to žene kazale onda je me bio dobar, al na kratko je živ bio pak je umro. I to ne bi bio radio, al se je sa rogjenom jetrvom držo pak ga je ona na to nagovarala. Onda priko toga svega sam tila sebe i obadvoje dice u Orljavu[da]7 utopim al su me žene odgovarale: nemoj, nego probaj,8 što sam eto i radila. Onda sam i dva miseca i luda bila, što su njegove švaljerke9 napravile. Onda sam odala po vračarama; dok sam opet ozdravila izdala sam sve što sam sirotinje imala. Die Weiber haben (sind) mir gesagt und ich habe (bin) Kätzchen und Hündchen geröstet (gebrannt) und habe (bin) dem Gatten eingegeben vor (von) Not; denn mich hat (ist) er auf den Tag fünf (mal) geschlagen; vor Not und Ungemach. Das Gewehr hat (ist) er auf mich gewendet (gerichtet) damit er mich töte. Dann habe ich (bin) müssen gehen aufs Gericht. Bis wir uns ausgeglichen, einige sieben bis acht mal bin ich von ihm davongelaufen. Bis mich die Weiber nicht haben (sind) auf das (an)gewiesen, nicht ist nichts gewesen (ein) Nutzen. Dann mich mehr niemals nicht (einmal) berührt. Und noch haben (sind) mich dies die Weiber unterrichtet und aus drei Mühlen Staubmehl, Sprühwasser und Fetten, dann kleine Kuchen gebacken und habe (bin) ihm eingegeben [zu] essen, damit [er] sei meinem Kinde besser. Sollen hat [ist] auf zwei Stürze [legen] Glutkohlen und hat (ist) wollen verbrennen, aber den anderen hat (ist) er wollen unter die Schweine werfen, damit ihn die Schweine zerreissen. Dies ist gewesen gerade am heiligen Nikolaus. Als haben [sind] mir dies die Weiber gesagt dann ist [er] mir gewesen gut, doch auf kurze [Zeit] ist [er] lebend gewesen und ist gestorben. Und dies nicht hätte gewesen getan, doch sich hat (ist) mit geborenen Schwägerin gehalten und ihm hat (ist) sie auf dies angeredet. Dann über dieses alles habe (bin) wollen mich (sich) und beide Kinder in der Orljava ersäufen, doch haben (sind) mich die Weiber abgeredet lass, das, sondern versuch, was habe (bin) da siehe auch getan. Dann bin [ich] sogar zwei Monate selbst verrückt gewesen, was haben (sind) seine Buhlinnen gemacht.

Dann bin [ich] gegangen zu Kräutlerinnen; bis ich bin wiederum gesund geworden, ausgegeben habe (bin) ich alles was ich habe (bin) [an] Armut besessen.

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