Eines Morgens, während unserer Beschäftigungen, sagte mir Ambrosio ernst und aufrichtig, dass er uns bald verlassen werde und mich mitnehmen könne, dass die beiden Damen jedoch mit der alten Ursula nach Ferrara ziehen sollten. Er, Scalzarocca, selbst werde von einem deutschen Herzog, als astrologischer Rat und Maitre de plaisir an dessen Hof geladen und in den nächsten Tagen träfen die Abgesandten des Herzogs ein, um ihn abzuholen. Hierauf entfernte er sich ins Laboratorium. Da Ursula die Maschine drehte, so benutzte ich die freie Zeit, um einem Duett der Damen, die auf dem Sofa sassen, zuzuhören. Meine Träume von der bevorstehenden Reise, von Elixieren, Horoskopen, von Geld, von in der Ferne winkender Grösse wurden durch einen fürchterlichen Knall unterbrochen, der das ganze Haus erschütterte.
„Was ist das?!“ riefen beide Damen, vom Sofa aufspringend, aus.
„Das war oben!“ entgegnete ich, erbleichend.
„Zu Hilfe! Der Herr, der Herr!“ schrie Ursula, die in der Tür zum Ablegeraum erschien. Ich befahl ihr zu schweigen und eilte die Treppe hinauf an die verschlossene Tür:
„Signor, Signor! Was ist mit Euch geschehen?“ rief ich und trommelte mit den Fäusten an die Tür, hinter der nur ein atemraubender Geruch hervorquoll. Ausserstande, die eisenbeschlagene Tür aufzubrechen, stieg ich auf einen Stuhl und sah durch das Fenster im Rauche, der das ganze Zimmer erfüllte, Signor Ambrosio am Boden ausgestreckt daliegen. Das Fenster einschlagen, durch das ätzender Qualm herausdrang, und ins Zimmer springen, war das Werk eines Augenblicks. Scalzarocca lag mit verbranntem Gesicht, ganz in Rauch gehüllt, neben einer gesprungenen Retorte, er war ohne Zweifel tot. Es wurde an die Tür geklopft und als ich von innen mit dem Schlüssel öffnete und hinaustrat, flüsterte Ursula entsetzt:
„Die Abgesandten des Herzogs!“
Ich war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen, aber plötzlich erfüllte Entschlossenheit meinen Verstand mit kalter Ruhe. Ich verschloss die Tür, befahl Ursula zu schweigen und stieg wichtig und langsam die Treppen zu den rosigen jungen Deutschen hinunter.
„Ihr seid vom Herzog Ernst Johann nach mir gesandt?“ fragte ich ruhig. Die Deutschen verbeugten sich und begannen gleichzeitig:
„Wir haben die Ehre mit . . .?“
„Ja, Ihr sprechet mit dem berühmten Ambrosius, Petrus, Hieronymus Scalzarocca.“
„Aber, ehrenwerter Herr, man sagte uns . . . machte uns auf Eure Jahre aufmerksam . . . .“
„Am Tage der heiligen Jungfrau Praxedis, den einundzwanzigsten Juli, werde ich fünfundvierzig Jahre alt werden,“ sagte ich würdevoll und lächelte träumerisch vor mich hin. Als ich den zweifelnden Blick der Deutschen gewahrte, fügte ich, auf die an der Tür herumstehende Ursula weisend, hinzu: „Diese Frau wird Euch meine Worte bestätigen. Dem Weisen erschliessen sich alle Geheimnisse der Natur, und selbst die Jahre haben, wie Gift und Verleumdung, keine Macht über ihn.“
Die Deutschen hörten mit halboffenem rosigem Munde ehrfurchtsvoll zu, während der ätzende Rauch aus Scalzaroccas Laboratorium in einem feinen Streifen sich an der Oberlage hinzog.