Erstes Kapitel

„Und Ihr glaubet, dass dieses Elixier den Flug der Zeit in unseren Zügen unsichtbar machen kann, dass mit vierzig Jahren unsre Augen glänzen, unsre Zähne schimmern, unsre Wangen blühen werden, unser Haar so üppig, unsere Stimme klangvoll sein wird, wie mit zwanzig Jahren?“ So sprach die kleine Prinzessin Amalia, während sie sich mit mir im Schlossparke unter den beschorenen Bäumen erging. Ich sah in ihr rundes, rötlich glänzendes kleines Gesichtchen, mit den runden hervorquellenden Augen, die so erschreckt-naiv in die Welt blickten, während das winzige Persönchen in einem grünlichen Kleide, das mit grell-rosa Buketts übersät war, hüpfenden Ganges über den Weg trippelte und den kleinen chinesischen Fächer bald auf- und bald zuklappte. Dann sagte ich:

„Glaubet mir, Prinzessin, dieser Wundertrank kann nicht bloss den Lauf der Zeit aufhalten, er kann die Zeit wiederbringen, dass die Rosen, die schon zu verschwinden begonnen, wieder auf den Wangen erblühen und das Feuer der Augen, das als schwacher Funke glimmte, wieder in fröhlichen Flammen zu spielen beginnt. Ihr sehet in mir selbst das anschauliche Beispiel dafür.“

Da wir durch eine abgelegene Allee zum See, auf dem Schwäne hinglitten, hinuntergingen, lehnte sich die Prinzessin zärtlich auf meinen Arm und flüsterte noch zärtlicher:

„So dass auch mir, die sich schon bereit macht, auf alles zu verzichten, noch Hoffnung lächeln kann?“

„Prinzessin!“ rief ich aus, „jeder wird bestätigen, dass das Elixier, zu dem Ihr ohne Ursache zu greifen Euch herabliesset, bereits begonnen hat, seine Wirkung auszuüben.“

„Ach, Ambrosius, teurer Meister, sprechet zu mir, als mein Freund und nicht, wie ein Hofmann meines Bruders . . .“ Und die Prinzessin begann sich darüber zu beklagen, dass die Herzogin sie, die unglückliche Amalia, auf alle Art in den Hintergrund dränge, sie verfolge und sie mit ihrem Bruder, dem Herzog, zu veruneinigen trachte, weil sie selbst unter dem Einflusse des alten Rates von Hohenschwitz stehe, der ein schlauer und heimtückischer Höfling sei. Dieser Bericht war mir nicht neu, ebensowenig, wie die leidenschaftlichen Blicke, die Amalia mir schenkte. Ich küsste ehrerbietig ihre Hand, versprach alles aufzubieten, was in meinen Kräften stehen würde, um die Eintracht in der herzoglichen Familie wiederherzustellen, und ohne den Kopf nach dem zweiten Handkusse zu erheben, sagte ich kaum hörbar:

„Wann werden wir uns wiedersehen, göttliche Gönnerin?“

„Mittwoch abend, im kleinen Pavillon,“ antwortete die Prinzessin erfreut und tänzelte, wie eine hinter die Kulissen abgehende Ballerina, in eine Seitenallee. In Gedanken versunken war ich fast bis ans Gitter des Parkes weiter gegangen, als ich weibliche Stimmen vernahm. Mir schien, dass über die herzogliche Familie gesprochen werde, deshalb blieb ich stehen, denn ich wollte mir die Unterhaltung zunutze machen.

„. . . . nein, nein, das weiss man schon, die Mutter der seligen Herzogin, Therese Pauline und deren Mutter, Pauline Therese, und auch ihre Mutter, Ernestine Viktoria, bei allen, allen ist es, wie man sagt, so gewesen: das erste Kind ein Sohn, dann sechs Töchter. Und — denk an mein Wort! auch unsere Herzogin — Gott geb’ ihr eine leichte Geburt — wird als erstes Kind den Thronerben gebären.“

„Gäb’s Gott!“

„Und alle rothaarig, wie die Füchse . . .“

„Nun, dieser kann auch schwarze Haare bekommen.“

„Was willst du damit sagen, Barbara?“

„Hast du das Jugendbildnis des Rates gesehen, das in seinem Speisesaal hängt?“

„Dummheiten! Das geht uns nichts an! Ich glaub’s nimmer!“

„Gewiss, ich sag’s ja auch: meine Sache ist, dass die Kühe gefüttert werden, dass sie rein sind und gemelkt werden, ja, das ist meine Sache, aber was die herrschaftlichen Angelegenheiten anbetrifft, so bewahre mich der Herr davor, nicht wahr?“

Hier trat ich aus der Allee heraus, beantwortete den ehrerbietigen Gruss der beiden Viehmägde und ging langsam meinem Schlossflügel zu, an den Pfützen vom gestrigen Regen herum, in denen der grellrote Widerschein der vom Sonnenuntergang geröteten Wolken glühte.

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