VIII.

Als die Harfe, die magischen Formeln beantwortend, erklang und ein undeutlicher Schatten auf dem Vorhang erschien, erkannte Pankratius Phyllis nicht; ihre Augen waren geschlossen, die Wangen blass, die Lippen zusammengepresst, die über der Brust gekreuzten mit Bändern umwundenen Arme steigerten die Ähnlichkeit mit einer Toten. Als sie die Augen aufschlagend, die lose zusammengebundenen Arme erhoben, stehenblieb, wandte sich Pankratius, nachdem er den Magier um Erlaubnis gefragt hatte, auf die Knie sinkend, mit folgenden Worten an sie:

„Bist du der Schatten der Phyllis?“

„Ich bin Phyllis selbst,“ war die Antwort.

„Vergibst du mir?“

„Wir werden alle vom Schicksal geleitet; du konntest nicht anders handeln, als du gehandelt hast.“

„Bist du gern auf die Erde zurückgekehrt?“

„Ich konnte nicht anders, als den Beschwörungen gehorchen.“

„Liebst du mich?“

„Ich liebte dich.“

„Du siehst jetzt meine Liebe, ich habe mich zu fürchterlicher, vielleicht verbrecherischer Tat entschlossen, als ich dich heraufbeschwor. Glaubst du mir, dass ich dich liebe?“

„Die Tote?“

„Ja. Kannst du dich mir nähern? Mir deine Hand reichen? Meine Küsse erwidern? Ich will dich erwärmen und dein Herz wieder schlagen machen!“

„Ich kann mich dir nähern, dir die Hand reichen, deine Küsse erwidern. Ich bin dazu zu dir gekommen.“

Sie trat ihm, der auf sie zugestürzt war, einen Schritt entgegen; er merkte nicht, dass ihre Hände wärmer waren, als seine eigenen, wie ihr Herz an seinem fast erstarrten Herzen schlug, wie ihre Augen glänzten, als sein trübe gewordener Blick sie traf. Phyllis wehrte ihm und sagte:

„Ich bin eifersüchtig.“

„Auf wen?“ flüsterte er, vergehend:

„Auf die lebende Phyllis. Sie liebtest, mich duldest du.“

„Ach, ich weiss nicht, frage nicht, nur du, du allein, dich liebe ich!“

Phyllis sagte nichts mehr, sie erwiderte seine Küsse nicht und zog sich zurück; schliesslich, als er in Verzweiflung sich zu Boden warf und wie ein Knabe weinend, rief: „Du liebst mich nicht!“ kam es langsam von ihren Lippen:

„Du weisst selbst noch nicht was ich getan habe,“ und an ihn herantretend, umarmte sie ihn fest und begann jetzt selbst leidenschaftlich und süss seine Lippen zu küssen. Pankratius war immer zärtlicher geworden und hatte nicht bemerkt, wie das Mädchen immer schwächer wurde, und plötzlich liess er sie mit dem Schreckensruf: „Phyllis, was ist dir?“ aus seinen Armen gleiten und lautlos sank sie ihm zu Füssen. Er staunte nicht, dass ihre Hände kalt waren, dass ihr Herz nicht schlug, aber das Schweigen, das plötzlich den Raum beherrschte, erfüllte ihn mit unerklärlichem Grauen. Er schrie auf, und die eintretenden Sklaven und der Magier erblickten beim Schein der Fackeln das Mädchen in den verwirrten Leichengewändern tot daliegen, die Bänder und der Totenkranz aus dünnen Goldblättchen lagen fortgeworfen auf dem Boden. Pankratius schrie noch einmal laut auf, als er die leblos vor sich sah, die eben noch seine Liebkosungen erwidert hatte, und zur Tür zurückweichend, flüsterte er entsetzt:

„Sehet: die Spuren von drei Wochen Verwesung in ihrem Antlitz! Oh! Oh!“

Der hinzugetretene Magier sagte:

„Die der Magie gewährte Frist ist verflossen und der Tod hat wieder von der zeitweilig dem Leben Zurückgegebenen Besitz ergriffen,“ und er gab den Sklaven das Zeichen den Leichnam der bleichen Phyllis, der Tochter des Palemon, hinauszutragen.

Share on Twitter Share on Facebook