V.

Es war eine schwüle Nacht für die Diener, die vor dem Schlafzimmer des Florus schlummerten. Nur Lukas war, stumm und ergeben, bei seinem Herrn geblieben. Lange konnte man nur die Schritte des auf und ab gehenden Ämilius hören. Gegen Morgen umfing die Diener der leise Schlaf vor Sonnenaufgang. Plötzlich wurde die Luft von einem Schrei zerschnitten, der Menschenstimme nicht ähnlich war. Es war, als hätte ein Unirdisches, das Echo weckend, gerufen: „Der Tod!“

Die zögernden Diener, die an die Tür gepocht hatten, wurden vom stummen Knaben ins Gemach hineingelassen, dessen Gesicht vom Schreck bis zur Unkenntlichkeit entstellt war. „Der Tod! Der Tod!“ wiederholte er mit wilder, Worte auszusprechen nicht gewohnter Stimme. Die Diener stürzten sich, ohne über die Laute des Stummen zu staunen, zum Lager, auf dem der Herr mit zurückgefallenem Kopfe und schwarz gewordenem Gesicht bewegungslos dalag. Lukas kehrte zum Lager zurück, als habe er eben erst diesen Platz verlassen, und brach lautlos zusammen.

Mit der Schreckensbotschaft eilte man schnell zum Arzt und zum Schaffner.

Der Stumme hörte nicht auf zu wiederholen: „Der Tod! Der Tod!“ als habe er die Sprache nur für diese Worte allein wiedererhalten.

Florus lag mit zurückgefallenem, schwarz gewordenem Gesicht da, eine Hand hing leblos herunter. Der Arzt hatte den Körper untersucht, den unzweifelhaften Tod festgestellt und wies staunend den Schaffner auf einen schmalen, schwarzen, blutunterlaufenen Striemen, der am Halse des Verstorbenen aufgequollen war und sich durch nichts erklären liess. Der einzige Zeuge von Ämilius Florus’ Tode, der stumme Lukas, sprach, das göttliche Stammeln des wunderbaren Schreckes überwindend, der ihm die Gabe der Rede zurückgegeben:

„Der Tod! Der Tod! Wieder in Banden . . . er geht, geht: wirft sich, wie ermüdet, aufs Lager . . . kein Wort sprach er zu mir; gegen Morgen begann er unruhig zu röcheln; ich stürzte zu ihm, er schlug, röchelnd, die Augen zu mir auf. O Götter! Der Morgen leuchtete rot durchs Fenster. Florus lag, schwarz geworden, regungslos da . . .“

Man hatte Lukas über Trauer und Besorgungen für die Leichenfeier vergessen.

Kaum begann es am nächsten Morgen hell zu werden, so erschien ein barfüssiger, zerlumpter, von niemand gekannter Greis, und bat, Florus zu sehen. Der Schaffner, der glaubte, irgendeine Aufklärung über den Tod seines Herrn zu erhalten, trat zu ihm hinaus. Der Ankömmling schien hartnäckig und schlicht. Ringsum heulten sich scharende Hunde.

„Du wusstest nicht, dass mein Herr, Ämilius Florus, gestorben ist?“

„Nein. Es ist gleichgültig. Ich erfüllte, was man mir befohlen.“

„Wer befahl dir?“

„Malchus.“

„Wer ist es?“

„Jetzt ein Hingegangener.“

„Er ist gestorben?“

„Gestern morgen wurde er gehängt.“

„Kannte er meinen Herrn?“

„Nein. Er entbietet ihm, dem Unbekannten, Gruss und sendet ihm die Todesbotschaft. Bei euch werden Stumme reden.“

„Sie reden schon,“ sagte Lukas, der herangekommen war und die schmutzige Hand des Greises küsste.

„Willst du nicht den Verstorbenen sehen?“

„Wozu? Er hat sich im Gesicht sehr verändert?“

„Sehr.“

„Jenen hat die Schlinge auch verändert. Er hat ein grosses Zeichen am Halse . . .“

„Hast du viel zu sagen?“

„Nein, ich gehe fort.“

„Ich gehe mit dir!“ sagte Lukas freundlich zum Unbekannten.

Die Sonne hatte den Hof schon rosig gefärbt und die gemieteten Klageweiber liessen, ihre abgemagerten Brüste entblössend, durchdringendes Wehgeschrei zum Himmel aufsteigen.

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