KAPITEL VI. Die Nichtbürger und die reformierte Verfassung

Die Geschichte einer jeden Nation, der italischen aber vor allen, ist ein grosser Synoekismus: schon das aelteste Rom, von dem wir Kunde haben, ist ein dreieiniges, und erst mit der voelligen Erstarrung des Roemerrums endigen die aehnlichen Inkorporationen. Abgesehen von jenem aeltesten Verschmelzungsprozess der Ramner, Titier und Lucerer, von dem fast nur die nackte Tatsache bekannt ist, ist der frueheste derartige Inkorporationsakt derjenige, durch den die Huegelbuergerschaft aufging in dem palatinischen Rom. Die Ordnung der beiden Gemeinden wird, als sie verschmolzen werden sollten, im wesentlichen gleichartig und die durch die Vereinigung gestellte Aufgabe in der Art gedacht werden duerfen, dass man zu waehlen hatte zwischen dem Festhalten der Doppelinstitution oder, unter Aufhebung der einen, der Beziehung der uebrigbleibenden auf die ganze vereinigte Gemeinde. Hinsichtlich der Heiligtuemer und Priesterschaften hielt man im ganzen den ersten Weg ein. Die roemische Gemeinde besass fortan zwei Springer- und zwei Wolfsgilden und wie einen zwiefachen Mars, so auch einen zwiefachen Marspriester, von denen sich spaeterhin der palatinische den Priester des Mars, der collinische den des Quirinus zu nennen pflegte. Es ist glaublich, wenngleich nicht mehr nachzuweisen, dass die gesamten altlatinischen Priesterschaften Roms, der Augurn, Pontifices, Vestalen, Fetialen in gleichartiger Weise aus den kombinierten Priesterkollegien der beiden Gemeinden vom Palatin und vom Quirinal hervorgegangen sind. Ferner trat in der oertlichen Einteilung zu den drei Quartieren der palatinischen Stadt, Subura, Palatin und Vorstadt, die Huegelstadt auf dem Quirinal als viertes hinzu. Wenn dagegen bei dem urspruenglichen Synoekismus die beitretende Gemeinde auch nach der Vereinigung wenigstens als Teil der neuen Buergerschaft gegolten und somit gewissermassen politisch fortbestanden hatte, so ist dies weder in Beziehung auf die Huegelroemer noch ueberhaupt bei einem der spaeteren Annexionsprozesse wieder vorgekommen. Auch nach der Vereinigung zerfiel die roemische Gemeinde in die bisherigen drei Teile zu je zehn Pflegschaften, und die Huegelroemer, moegen sie nun ihrerseits mehrteilig gewesen sein oder nicht, muessen in die bestehenden Teile und Pflegschaften eingeordnet worden sein. Wahrscheinlich ist dies in der Art geschehen, dass jeder Teil und jede Pflegschaft eine Quote der Neubuerger zugewiesen erhielt, in diesen Abteilungen aber die Neu- mit den Altbuergern nicht vollstaendig verschmolzen; vielmehr treten fortan jene Teile doppelgliedrig auf und scheiden sich die Titier, ebenso die Ramner und die Lucerer in sich wieder in erste und zweite (priores, posteriores). Eben damit haengt wahrscheinlich die in den organischen Institutionen der Gemeinde ueberall hervortretende paarweise Anordnung zusammen. So werden die drei Paare der heiligen Jungfrauen ausdruecklich als die Vertreterinnen der drei Teile erster und zweiter Ordnung bezeichnet; auch das in jeder Gasse verehrte Larenpaar ist vermutlich aehnlich aufzufassen. Vor allem erscheint diese Anordnung im Heerwesen: nach der Vereinigung stellt jeder Halbteil der dreiteiligen Gemeinde hundert Berittene, und es steigt dadurch die roemische Buergerreiterei auf sechs Hundertschaften, die Zahl der Reiterfuehrer wahrscheinlich auch von drei auf sechs. Von einer entsprechenden Vermehrung des Fussvolks ist nichts ueberliefert; wohl aber wird man den nachherigen Gebrauch, dass die Legionen regelmaessig je zwei und zwei einberufen wurden, hierauf zurueckfuehren duerfen, und wahrscheinlich ruehrt von dieser Verdoppelung des Aufgebotes ebenfalls her, dass nicht, wie wohl urspruenglich, drei, sondern sechs Abteilungsfuehrer die Legion befehligen. Eine entsprechende Vermehrung der Senatsstellen hat entschieden nicht stattgefunden, sondern die uralte Zahl von dreihundert Ratsherren ist bis in das siebente Jahrhundert hinein die normale geblieben; womit sich sehr wohl vertraegt, dass eine Anzahl der angesehensten Maenner der neu hinzutretenden Gemeinde in den Senat der palatinischen Stadt aufgenommen sein mag. Ebenso verfuhr man mit den Magistraturen: auch der vereinigten Gemeinde stand nur ein Koenig vor, und von seinen hauptsaechlichsten Stellvertretern, namentlich dem Stadtvorsteher, gilt dasselbe. Man sieht, dass die sakralen Institutionen der Huegelstadt fortbestanden und in militaerischer Hinsicht man nicht unterliess, der verdoppelten Buergerschaft die doppelte Mannszahl abzufordern, im uebrigen aber die Einordnung der quirinalischen Stadt in die palatinische eine wahre Unterordnung der ersteren gewesen ist. Wenn wir mit Recht angenommen haben, dass der Gegensatz zwischen den palatinischen Alt- und den quirinalischen Neubuergern zusammenfiel mit dem zwischen den ersten und zweiten Titiern, Ramnern und Lucerern, so sind die Geschlechter der Quirinalstadt die “zweiten” oder die “minderen” gewesen. Indes war der Unterschied sicherlich mehr ein Ehren- als ein Rechtsvorzug. Bei den Abstimmungen im Rat wurden die aus den alten Geschlechtern genommenen Ratsherren vor denen der “minderen” gefragt. In gleicher Weise steht das collinische Quartier im Range zurueck selbst hinter dem vorstaedtischen der palatinischen Stadt, der Priester des quirinalischen Mars hinter dem des palatinischen, die quirinalischen Springer und Woelfe hinter denen vom Palatin. Sonach bezeichnet der Synoekismus, durch den die palatinische Gemeinde die quirinalische in sich aufnahm, eine Mittelstufe zwischen dem aeltesten, durch den die Titier, Ramner und Lucerer miteinander verwuchsen, und allen spaeteren: einen eigenen Teil zwar durfte die zutretende Gemeinde in dem neuen Ganzen nicht mehr bilden, wohl aber noch wenigstens einen Teil in jedem Teile, und ihre sakralen Institutionen liess man nicht bloss bestehen, was auch nachher noch, zum Beispiel nach der Einnahme von Alba, geschah, sondern erhob sie zu Institutionen der vereinigten Gemeinde, was spaeterhin in dieser Weise nicht wieder vorkam.

Diese Verschmelzung zweier im wesentlichen gleichartiger Gemeinwesen war mehr eine quantitative Steigerung als eine innerliche Umgestaltung der bestehenden Gemeinde. Von einem zweiten Inkorporationsprozess, der weit allmaehlicher durchgefuehrt ward und weit tiefere Folgen gehabt hat, reichen die ersten Anfaenge gleichfalls bis in diese Epoche zurueck: es ist dies die Verschmelzung der Buergerschaft und der Insassen. Von jeher standen in der roemischen Gemeinde neben der Buergerschaft die Schutzleute, die “Hoerigen” (clientes), wie man sie nannte, als die Zugewandten der einzelnen Buergerhaeuser, oder die “Menge” (plebes, von pleo, plenus), wie sie negativ hiessen mit Hinblick auf die mangelnden politischen Rechte ^1. Die Elemente zu dieser Mittelstufe zwischen Freien und Unfreien waren, wie gezeigt ward, bereits in dem roemischen Hause vorhanden; aber in der Gemeinde musste diese Klasse aus einem zwiefachen Grunde tatsaechlich und rechtlich zu groesserer Bedeutung erwachsen. Einmal konnte die Gemeinde selbst wie Knechte, so auch halbfreie Hoerige besitzen; besonders mochte nach Ueberwindung einer Stadt und Aufloesung ihres Gemeinwesens es oft der siegenden Gemeinde zweckmaessig erscheinen, die Masse der Buergerschaft nicht foermlich als Sklaven zu verkaufen, sondern ihnen den faktischen Fortbesitz der Freiheit zu gestatten, so dass sie gleichsam als Freigelassene der Gemeinde, sei es zu den Geschlechtern, sei es zu dem Koenig in Klientelverhaeltnis traten. Zweitens aber war durch die Gemeinde und deren Macht ueber die einzelnen Buerger die Moeglichkeit gegeben, auch deren Klienten gegen missbraeuchliche Handhabung des rechtlich fortbestehenden Herrenrechts zu schuetzen. Bereits in unvordenklich frueher Zeit ist in das roemische Landrecht der Grundsatz eingefuehrt worden, von dem die gesamte Rechtsstellung der Insassenschaft ihren Ausgang genommen hat: dass, wenn der Herr bei Gelegenheit eines oeffentlichen Rechtsakts - Testament, Prozess, Schatzung - sein Herrenrecht ausdruecklich oder stillschweigend aufgegeben habe, weder er selbst noch seine Rechtsnachfolger diesen Verzicht gegen die Person des Freigelassenen selbst oder gar seiner Deszendenten jemals wieder sollten willkuerlich rueckgaengig machen koennen. Die Hoerigen und ihre Nachkommen besassen nun zwar weder Buerger- noch Gastrecht; denn zu jenem bedurfte es foermlicher Erteilung von seiten der Gemeinde, dieser aber setzte das Buergerrecht des Gastes in einer mit der roemischen in Vertrag stehenden Gemeinde voraus. Was ihnen zuteil ward, war ein gesetzlich geschuetzter Freiheitsbesitz bei rechtlich fortdauernder Unfreiheit; und darum scheinen laengere Zeit hindurch ihre vermoegensrechtlichen Beziehungen gleich denen der Sklaven als Rechtsverhaeltnisse des Patrons gegolten und dieser prozessualisch sie notwendig vertreten zu haben, womit denn auch zusammenhaengen wird, dass der Patron im Notfall Beisteuern von ihnen einheben und sie vor sich zu krimineller Verantwortung ziehen konnte. Aber allmaehlich entwuchs die Insassenschaft diesen Fesseln; sie fingen an, in eigenem Namen zu erwerben und zu veraeussern und ohne die formelle Vermittlung ihres Patrons von den roemischen Buergergerichten Recht anzusprechen und zu erhalten. In Ehe und Erbrecht ward die Rechtsgleichheit mit den Buergern zwar weit eher den Auslaendern gestattet als diesen keiner Gemeinde angehoerigen, eigentlich unfreien Leuten; aber es konnte denselben doch nicht wohl gewehrt werden, in ihrem eigenen Kreise Ehen einzugehen und die daran sich knuepfenden Rechtsverhaeltnisse der eheherrlichen und vaeterlichen Gewalt, der Agnation und des Geschlechts, der Erbschaft und der Vormundschaft, nach Art der buergerrechtlichen zu gestalten.

——————————————————————————

^1 Habuit plebem in clientelas principum descriptam (Cic. rep. 2, 2).

——————————————————————————

Teilweise zu aehnlichen Folgen fuehrte die Ausuebung des Gastrechts, insofern auf Grund desselben Auslaender sich auf die Dauer in Rom niederliessen und dort eine Haeuslichkeit begruendeten. In dieser Hinsicht muessen seit uralter Zeit die liberalsten Grundsaetze in Rom bestanden haben. Das roemische Recht weiss weder von Erbgutsqualitaet noch von Geschlossenheit der Liegenschaften und gestattet einesteils jedem dispositionsfaehigen Mann bei seinen Lebzeiten vollkommen unbeschraenkte Verfuegung ueber sein Vermoegen, anderseits, soviel wir wissen, jedem, der ueberhaupt zum Verkehr mit roemischen Buergern befugt war, selbst dem Fremden und dem Klienten, das unbeschraenkte Recht bewegliches und, seitdem Immobilien ueberhaupt im Privateigentum stehen konnten, in gewissen Schranken auch unbewegliches Gut in Rom zu erwerben. Es ist eben Rom eine Handelsstadt gewesen, die, wie sie den Anfang ihrer Bedeutung dem internationalen Verkehr verdankte, so auch das Niederlassungsrecht mit grossartiger Freisinnigkeit jedem Kinde ungleicher Ehe, jedem freigelassenen Knecht, jedem nach Rom unter Aufgebung seines Heimatrechts uebersiedelnden Fremden gewaehrt hat.

Anfaenglich waren also die Buerger in der Tat die Schutzherren, die Nichtbuerger die Geschuetzten; allein wie in allen Gemeinden, die die Ansiedlung freigeben und das Buergerrecht schliessen, ward es auch in Rom bald schwer und wurde immer schwerer, dieses rechtliche Verhaeltnis mit dem faktischen Zustand in Harmonie zu erhalten. Das Aufbluehen des Verkehrs, die durch das latinische Buendnis allen Latinern gewaehrleistete volle privatrechtliche Gleichstellung mit Einschluss selbst der Erwerbung von Grundbesitz, die mit dem Wohlstand steigende Haeufigkeit der Freilassungen mussten schon im Frieden die Zahl der Insassen unverhaeltnismaessig vermehren. Es kam dazu der groessere Teil der Bevoelkerung der mit den Waffen bezwungenen und Rom inkorporierten Nachbarstaedte, welcher, mochte er nun nach Rom uebersiedeln oder in seiner alten, zum Dorf herabgesetzten Heimat verbleiben, in der Regel wohl sein eigenes Buergerrecht mit roemischem Metoekenrecht vertauschte. Dazu lastete der Krieg ausschliesslich auf den Altbuergern und lichtete bestaendig die Reihen der patrizischen Nachkommenschaft, waehrend die Insassen an dem Erfolg der Siege Anteil hatten, ohne mit ihrem Blute dafuer zu bezahlen.

Unter solchen Verhaeltnissen ist es nur befremdlich, dass das roemische Patriziat nicht noch viel schneller zusammenschwand, als es in der Tat der Fall war. Dass er noch laengere Zeit eine zahlreiche Gemeinde blieb, davon ist der Grund schwerlich zu suchen in der Verleihung des roemischen Buergerrechts an einzelne ansehnliche auswaertige Geschlechter, die nach dem Austritt aus ihrer Heimat oder nach der Ueberwindung ihrer Stadt das roemische Buergerrecht empfingen - denn diese Verleihungen scheinen von Anfang an sparsam erfolgt und immer seltener geworden zu sein, je mehr das roemische Buergerrecht im Preise stieg. Von groesserer Bedeutung war vermutlich die Einfuehrung der Zivilehe, wonach das von patrizischen, als Eheleute wenn auch ohne Konfarreation zusammenlebenden Eltern erzeugte Kind volles Buergerrecht erwarb, so gut wie das in konfarreierter Ehe erzeugte; es ist wenigstens wahrscheinlich, dass die schon vor den Zwoelf Tafeln in Rom bestehende, aber doch gewiss nicht urspruengliche Zivilehe eben eingefuehrt ward, um das Zusammenschwinden des Patriziats zu hemmen ^2. Auch die Massregeln, durch welche bereits in aeltester Zeit auf die Erhaltung einer zahlreichen Nachkommenschaft in den einzelnen Haeusern hingewirkt ward, gehoeren in diesen Zusammenhang.

———————————————————————————-

^2 Die Bestimmungen der Zwoelf Tafeln ueber den Usus zeigen deutlich, dass dieselben die Zivilehe bereits vorfanden. Ebenso klar geht das hohe Alter der Zivilehe daraus hervor, dass auch sie so gut wie die religioese Ehe die eheherrliche Gewalt notwendig in sich schloss und von der religioesen Ehe hinsichtlich der Gewalterwerbung nur darin abwich, dass die religioese Ehe selbst als eigentuemliche und rechtlich notwendige Erwerbsform der Frau galt, wogegen zu der Zivilehe eine der anderweitigen allgemeinen Formen des Eigentumserwerbs, Uebergabe von seiten der Berechtigten oder auch Verjaehrung, hinzutreten musste, um eine gueltige eheherrliche Gewalt zu begruenden.

———————————————————————————

Nichtsdestoweniger war notwendigerweise die Zahl der Insassen in bestaendigem und keiner Minderung unterliegendem Wachsen begriffen, waehrend die der Buerger sich im besten Fall nicht vermindern mochte; und infolgedessen erhielten die Insassen unmerklich eine andere und freiere Stellung. Die Nichtbuerger waren nicht mehr bloss entlassene Knechte und schutzbeduerftige Fremde; es gehoerten dazu die ehemaligen Buergerschaften der im Krieg unterlegenen latinischen Gemeinden und vor allen Dingen die latinischen Ansiedler, die nicht durch Gunst des Koenigs oder eines anderen Buergers, sondern nach Bundesrecht in Rom lebten. Vermoegensrechtlich unbeschraenkt gewannen sie Geld und Gut in der neuen Heimat und vererbten gleich dem Buerger ihren Hof auf Kinder und Kindeskinder. Auch die drueckende Abhaengigkeit von den einzelnen Buergerhaeusern lockerte sich allmaehlich. Stand der befreite Knecht, der eingewanderte Fremde noch ganz isoliert im Staate, so galt dies schon nicht mehr von seinen Kindern, noch weniger von den Enkeln, und die Beziehungen zu dem Patron traten damit von selbst immer mehr zurueck. War in aelterer Zeit der Klient ausschliesslich fuer den Rechtsschutz angewiesen auf die Vermittlung des Patrons, so musste, je mehr der Staat sich konsolidierte und folgeweise die Bedeutung der Geschlechtsvereine und der Haeuser sank, desto haeufiger auch ohne Vermittlung des Patrons vom Koenig dem einzelnen Klienten Rechtsfolge und Abhilfe der Unbill gewaehrt werden. Eine grosse Zahl der Nichtbuerger, namentlich die Mitglieder der aufgeloesten latinischen Gemeinden, standen ueberhaupt, wie schon gesagt ward, wahrscheinlich von Haus aus nicht in der Klientel der koeniglichen und der sonstigen grossen Geschlechter und gehorchten dem Koenig ungefaehr in gleicher Art wie die Buerger. Dem Koenig, dessen Herrschaft ueber die Buerger denn doch am Ende abhing von dem guten Willen der Gehorchenden, musste es willkommen sein, in diesen wesentlich von ihm abhaengigen Schutzleuten sich eine ihm naeher verpflichtete Genossenschaft zu bilden.

So erwuchs neben der Buergerschaft eine zweite roemische Gemeinde; aus den Klienten ging die Plebs hervor. Dieser Namenwechsel ist charakteristisch; rechtlich ist kein Unterschied zwischen dem Klienten und dem Plebejer, dem Hoerigen und dem Manne aus dem Volk, faktisch aber ein sehr bedeutender, indem jene Bezeichnung das Schutzverhaeltnis zu einem der politisch berechtigten Gemeindeglieder, diese bloss den Mangel der politischen Rechte hervorhebt. Wie das Gefuehl der besonderen Abhaengigkeit zuruecktrat, draengte das der politischen Zuruecksetzung den freien Insassen sich auf; und nur die ueber allen gleichmaessig waltende Herrschaft des Koenigs verhinderte das Ausbrechen des politischen Kampfes zwischen der berechtigten und der rechtlosen Gemeinde.

Der erste Schritt zur Verschmelzung der beiden Volksteile geschah indes schwerlich auf dem Wege der Revolution, den jener Gegensatz vorzuzeichnen schien. Die Verfassungsreform, die ihren Namen traegt vom Koenig Servius Tullius, liegt zwar ihrem geschichtlichen Ursprung nach in demselben Dunkel, wie alle Ereignisse einer Epoche, von der wir, was wir wissen, nicht durch historische Ueberlieferung, sondern nur durch Rueckschluesse aus den spaeteren Institutionen wissen; aber ihr Wesen zeugt dafuer, dass nicht die Plebejer sie gefordert haben koennen, denen die neue Verfassung nur Pflichten, nicht Rechte gab. Sie muss vielmehr entweder der Weisheit eines der roemischen Koenige ihren Ursprung verdanken oder auch dem Draengen der Buergerschaft auf Befreiung von der ausschliesslichen Belastung und auf Zuziehung der Nichtbuerger teils zu der Besteuerung, das heisst zu der Verpflichtung, dem Staat im Notfall vorzuschiessen (dem Tributum), und zu den Fronden, teils zu dem Aufgebot. Beides wird in der Servianischen Verfassung zusammengefasst, ist aber schwerlich gleichzeitig erfolgt. Ausgegangen ist die Heranziehung der Nichtbuerger vermutlich von den oekonomischen Lasten: es wurden diese frueh auch auf die “Begueterten” (locupletes) oder die “stetigen Leute” (adsidui) erstreckt, und nur die gaenzlich Vermoegenslosen, die “Kinderzeuger” (proletarii, capite censi) blieben davon frei. Weiter folgte die politisch wichtigere Heranziehung der Nichtbuerger zu der Wehrpflicht. Diese wurde fortan, statt auf die Buergerschaft als solche, gelegt auf die Grundbesitzer, die tribules, mochten sie Buerger oder bloss Insassen sein; die Heeresfolge wurde aus einer persoenlichen zu einer Reallast. Im einzelnen war die Ordnung folgende. Pflichtig zum Dienst war jeder ansaessige Mann vom achtzehnten bis zum sechzigsten Lebensjahr mit Einschluss der Hauskinder ansaessiger Vaeter, ohne Unterschied der Geburt; so dass selbst der entlassene Knecht zu dienen hatte, wenn er ausnahmsweise zu Grundbesitz gelangt war. Auch die grundbesitzenden Latiner - anderen Auslaendern war der Erwerb roemischen Bodens nicht gestattet - wurden zum Dienst herangezogen, sofern sie, was ohne Zweifel bei den meisten derselben der Fall war, auf roemischem Gebiet ihren Wohnsitz genommen hatten. Nach der Groesse der Grundstuecke wurde die kriegstuechtige Mannschaft eingeteilt in die Volldienstpflichtigen oder die Vollhufener, welche in vollstaendiger Ruestung erscheinen mussten und insofern vorzugsweise das Kriegsheer (classis) bildeten, waehrend von den vier folgenden Reihen der kleineren Grundbesitzer, den Besitzern von Dreivierteln, Haelften, Vierteln und Achteln einer ganzen Bauernstelle, zwar auch die Erfuellung der Dienstpflicht, nicht aber die volle Armierung verlangt ward, und sie also unterhalb des Vollsatzes (infra classem) standen. Nach der damaligen Verteilung des Bodens waren fast die Haelfte der Bauernstellen Vollhufen, waehrend die Dreiviertel-, Halb- und Viertelhufener jede knapp, die Achtelhufener reichlich ein Achtel der Ansaessigen ausmachten; weshalb festgesetzt ward, dass fuer das Fussvolk auf achtzig Vollhufener je zwanzig der drei folgenden und achtundzwanzig der letzten Reihe ausgehoben werden sollten. Aehnlich verfuhr man bei der Reiterei: die Zahl der Abteilungen wurde in dieser verdreifacht, und nur darin wich man hier ab, dass die bereits bestehenden sechs Abteilungen mit den alten Namen (Tities, Ramnes, Luceres primi und secundi) den Patriziern blieben, waehrend die zwoelf neuen hauptsaechlich aus den Nichtbuergern gebildet wurden. Der Grund dieser Abweichung ist wohl darin zu suchen, dass man damals die Fusstruppen fuer jeden Feldzug neu formierte und nach der Heimkehr entliess, dagegen die Reiter mit ihren Rossen aus militaerischen Ruecksichten auch im Frieden zusammengehalten wurden und regelmaessige Uebungen hielten, die als Festlichkeiten der roemischen Ritterschaft bis in die spaeteste Zeit fortbestanden ^3. So liess man denn auch bei dieser Reform den einmal bestehenden Schwadronen ihre hergebrachten Namen. Um auch die Reiterei jedem Buerger zugaenglich zu machen, wurden die unverheirateten Frauen und die unmuendigen Waisen, soweit sie Grundbesitz hatten, angehalten, anstatt des eigenen Dienstes einzelnen Reitern die Pferde - jeder Reiter hatte deren zwei - zu stellen und zu fuettern. Im ganzen kam auf neun Fusssoldaten ein Reiter; doch wurden beim effektiven Dienst die Reiter mehr geschont.

——————————————————————————

^3 Aus demselben Grund wurde bei der Steigerung des Aufgebots nach dem Eintritt der Huegelroemer die Ritterschaft verdoppelt, bei der Fussmannschaft aber statt der einfachen Lese eine Doppellegion einberufen.

——————————————————————————-

Die nicht ansaessigen Leute (adcensi, neben dem Verzeichnis der Wehrpflichtigen stehende Leute) hatten zum Heere die Werk- und Spielleute zu stellen sowie eine Anzahl Ersatzmaenner, die unbewaffnet (velati) mit dem Heer zogen und, wenn im Felde Luecken entstanden, mit den Waffen der Kranken und Gefallenen ausgeruestet in die Reihe eingestellt wurden.

Zum Behuf der Aushebung des Fussvolks wurde die Stadt eingeteilt in vier “Teile” (tribus) wodurch die alte Dreiteilung wenigstens in ihrer lokalen Bedeutung beseitigt ward: den palatinischen, der die Anhoehe gleiches Namens nebst der Velia in sich schloss; den der Subura, dem die Strasse dieses Namens, die Carinen und der Caelius angehoerten; den esquilinischen; und den collinischen, den der Quirinal und Viminal, die “Huegel” im Gegensatz der “Berge” des Kapitol und Palatin, bildeten. Von der Bildung dieser Distrikte ist bereits frueher die Rede gewesen und gezeigt, in welcher Weise dieselben aus der alten palatinischen und quirinalischen Doppelstadt hervorgegangen sind. In welcher Weise es herbeigefuehrt worden ist, dass jeder ansaessige Buerger einem dieser Stadtteile angehoerte, laesst sich nicht sagen; aber es war dies der Fall, und dass die vier Distrikte ungefaehr gleiche Mannzahl hatten, ergibt sich aus ihrer gleichmaessigen Anziehung bei der Aushebung. Ueberhaupt hat diese Einteilung, die zunaechst auf den Boden allein und nur folgeweise auf die Besitzer sich bezog, einen ganz aeusserlichen Charakter und namentlich ist ihr niemals eine religioese Bedeutung zugekommen; denn dass in jedem Stadtdistrikt eine gewisse Zahl der raetselhaften Argeerkapellen sich befanden, macht dieselben ebensowenig zu sakralen Bezirken, als es die Gassen dadurch wurden, dass in jeder ein Larenaltar errichtet ward.

Jeder dieser vier Aushebungsdistrikte hatte annaehernd den vierten Teil wie der ganzen Mannschaft, so jeder einzelnen militaerischen Abteilung zu stellen, sodass jede Legion und jede Zenturie gleich viel Konskribierte aus jedem Bezirk zaehlte, um alle Gegensaetze gentilizischer und lokaler Natur in dem einen und gemeinsamen Gemeindeaufgebot aufzuheben und vor allem durch den maechtigen Hebel des nivellierenden Soldatengeistes Insassen und Buerger zu einem Volke zu verschmelzen.

Militaerisch wurde die waffenfaehige Mannschaft geschieden in ein erstes und zweites Aufgebot, von denen jene, die “Juengeren”, vom laufenden achtzehnten bis zum vollendeten sechsundvierzigsten Jahre, vorwiegend zum Felddienst verwandt wurden, waehrend die “Aelteren” die Mauern daheim schirmten. Die militaerische Einheit ward in der Infanterie die jetzt verdoppelte Legion, eine vollstaendig nach alter dorischer Art gereihte und geruestete Phalanx von sechstausend Mann, die sechs Glieder hoch eine Front von tausend Schwergeruesteten bildete; wozu dann noch 2400 “Ungeruestete” (velites, s. 1, 84, A.) kamen. Die vier ersten Glieder der Phalanx, die classis, bildeten die vollgeruesteten Hopliten der Vollhufener, im fuenften und sechsten standen die minder geruesteten Bauern der zweiten und dritten Abteilung; die beiden letzten traten als letzte Glieder zu der Phalanx hinzu oder kaempften daneben als Leichtbewaffnete. Fuer die leichte Ausfuellung zufaelliger Luecken, die der Phalanx so verderblich sind, war gesorgt. Es standen also in derselben 84 Zenturien oder 8400 Mann, davon 6000 Hopliten, 4000 der ersten, je 1000 der beiden folgenden Abteilungen, ferner 2400 Leichte, davon 1000 der vierten, 1200 der fuenften Abteilung; ungefaehr stellte jeder Aushebungsbezirk zu der Phalanx 2100, zu jeder Zenturie 25 Mann. Diese Phalanx war das zum Ausruecken bestimmte Heer, waehrend die gleiche Truppenmacht auf die fuer die Stadtverteidigung zurueckbleibenden Aelteren gerechnet wurde; wodurch also der Normalbestand des Fussvolks auf 16800 Mann kam, 80 Zenturien der ersten, je 20 der drei folgenden, 28 der letzten Abteilung; ungerechnet die beiden Zenturien Ersatzmannschaft sowie die der Werk- und die der Spielleute. Zu allen diesen kam die Reiterei, welche aus 1800 Pferden bestand; dem ausrueckenden Heer ward indes oft nur der dritte Teil der Gesamtzahl beigegeben. Der Normalbestand des roemischen Heeres ersten und zweiten Aufgebots stieg sonach auf nahe an 20000 Mann; welche Zahl dem Effektivbestand der roemischen Waffenfaehigen, wie er war zur Zeit der Einfuehrung dieser neuen Organisation, unzweifelhaft im allgemeinen entsprochen haben wird. Bei steigender Bevoelkerung wurde nicht die Zahl der Zenturien vermehrt, sondern man verstaerkte durch zugegebene Leute die einzelnen Abteilungen, ohne doch die Grundzahl ganz fallen zu lassen; wie denn die roemischen der Zahl nach geschlossenen Korporationen ueberhaupt haeufig durch Aufnahme ueberzaehliger Mitglieder die ihnen gesetzte Schranke umgingen.

Mit dieser neuen Heeresordnung Hand in Hand ging die sorgfaeltigere Beaufsichtigung des Grundbesitzes von seiten des Staats. Es wurde entweder jetzt eingefuehrt oder doch sorgfaeltiger bestimmt, dass ein Erdbuch angelegt werde, in welchem die einzelnen Grundbesitzer ihre Aecker mit dem Zubehoer, den Gerechtigkeiten, den Knechten, den Zug- und Lasttieren verzeichnen lassen sollten. Jede Veraeusserung, die nicht offenkundig und vor Zeugen geschah, wurde fuer nichtig erklaert und eine Revision des Grundbesitzregisters, das zugleich Aushebungsrolle war, in jedem vierten Jahre vorgeschrieben. So sind aus der servianischen Kriegsordnung die Manzipation und der Zensus hervorgegangen.

Augenscheinlich ist diese ganze Institution von Haus aus militaerischer Natur. In dem ganzen weitlaeufigen Schema begegnet auch nicht ein einziger Zug, der auf eine andere als die rein kriegerische Bestimmung der Zenturien hinwiese; und dies allein muss fuer jeden, der in solchen Dingen zu denken gewohnt ist, genuegen, um ihre Verwendung zu politischen Zwecken fuer spaetere Neuerung zu erklaeren. Wenn, wie wahrscheinlich, in aeltester Zeit, wer das sechzigste Jahr ueberschritten hat, von den Zenturien ausgeschlossen ist, so hat dies keinen Sinn, sofern dieselben von Anfang an bestimmt waren, gleich und neben den Kurien die Buergergemeinde zu repraesentieren. Indes wenn auch die Zenturienordnung lediglich eingefuehrt ward, um die Schlagfertigkeit der Buergschaft durch die Beziehung der Insassen zu steigern, und insofern nichts verkehrter ist, als die Servianische Ordnung fuer die Einfuehrung der Timokratie in Rom auszugeben, so wirkte doch folgeweise die neue Wehrpflichtigkeit der Einwohnerschaft auch auf ihre politische Stellung wesentlich zurueck. Wer Soldat werden muss, muss auch Offizier werden koennen, solange der Staat nicht faul ist; ohne Frage konnten in Rom jetzt auch Plebejer zu Centurionen und Kriegstribunen ernannt werden. Wenn ferner auch der bisherigen in den Kurien vertretenen Buergerschaft durch die Zenturieninstitution der Sonderbesitz der politischen Rechte nicht geschmaelert werden sollte, so mussten doch unvermeidlich diejenigen Rechte, welche die bisherige Buergerschaft nicht als Kurienversammlung, sondern als Buergeraufgebot geuebt hatte, uebergehen auf die neuen Buerger- und Insassenzenturien. Die Zenturien also sind es fortan, die der Koenig vor dem Beginn eines Angriffskrieges um ihre Einwilligung zu befragen hat. Es ist wichtig der spaeteren Entwicklung wegen, diese ersten Ansaetze zu einer Beteiligung der Zenturien an den oeffentlichen Angelegenheiten zu bezeichnen; allein zunaechst trat der Erwerb dieser Rechte durch die Zenturien mehr folgeweise ein, als dass er geradezu beabsichtigt worden waere, und nach wie vor der Servianischen Reform galt die Kurienversammlung als die eigentliche Buergergemeinde, deren Huldigung das ganze Volk dem Koenig verpflichtete. Neben diesen neuen grundsaessigen Vollbuergern standen die angesessenen Auslaender aus dem verbuendeten Latium als teilnehmend an den oeffentlichen Lasten, der Steuer und den Fronden (daher municipes); waehrend die ausser den Tribus stehenden, nicht ansaessigen und des Wehr- und Stimmrechts entbehrenden Buerger nur als steuerpflichtig (aerarii) in Betracht kommen.

Hatte man somit bisher nur zwei Klassen der Gemeindeglieder: Buerger und Schutzverwandte unterschieden, so stellten jetzt sich diese drei politischen Klassen fest, die viele Jahrhunderte hindurch das roemische Staatsrecht beherrscht haben.

Wann und wie diese neue militaerische Organisation der roemischen Gemeinde ins Leben trat, darueber sind nur Vermutungen moeglich. Sie setzt die vier Quartiere voraus, das heisst, die Servianische Mauer musste gezogen sein, bevor die Reform stattfand. Aber auch das Stadtgebiet musste schon seine urspruengliche Grenze betraechtlich ueberschritten haben, wenn es 8000 volle ebensoviel Teilhufener oder Hufenersoehne stellen konnte. Wir kennen zwar den Flaechenraum der vollen roemischen Bauernstelle nicht, allein es wird nicht moeglich sein, sie unter 20 Morgen anzusetzen ^4; rechnen wir als Minimum 10000 Vollhufen, so wuerden diese einen Flaechenraum von 9 deutschen Quadratmeilen Ackerland voraussetzen, wonach, wenn man Weide, Haeuserraum und nicht kulturfaehigen Boden noch so maessig in Ansatz bringt, das Gebiet zu der Zeit, wo diese Reform durchgefuehrt ward, mindestens eine Ausdehnung von 20 Quadratmeilen, wahrscheinlich aber eine noch betraechtlichere, gehabt haben muss. Folgt man der Ueberlieferung, so muesste man gar eine Zahl von 84000 ansaessigen und waffenfaehigen Buergern annehmen; denn so viel soll Servius bei dem ersten Zensus gezaehlt haben. Indes dass diese Zahl fabelhaft ist, zeigt ein Blick auf die Karte; auch ist sie nicht wahrhaft ueberliefert, sondern vermutungsweise berechnet, indem die 16800 Waffenfaehigen des Normalstandes der Infanterie nach einem durchschnittlichen die Familie zu fuenf Koepfen ansetzenden Ueberschlag eine Zahl von 84000 Buergern zu ergeben schienen und diese Zahl mit der der Waffenfaehigen verwechselt ward. Aber auch nach jenen maessigeren Saetzen ist bei einem Gebiet von etwa 16000 Hufen mit einer Bevoelkerung von nahe an 20000 Waffenfaehigen und mindestens der dreifachen Zahl von Frauen, Kindern und Greisen, nicht grundsaessigen Leuten und Knechten notwendig anzunehmen, dass nicht bloss die Gegend zwischen Tiber und Anio gewonnen, sondern auch die albanische Mark erobert war, bevor die Servianische Verfassung festgestellt wurde; womit denn auch die Sage uebereinstimmt. Wie das Verhaeltnis der Patrizier und Plebejer im Heere sich der Zahl nach urspruenglich gestellt hat, ist nicht zu ermitteln.

—————————————————————————————

^4 Schon um 480 erschienen Landlose von sieben Morgen (Val. Max. 3, 3, 5; Colum. 1 praef. 14, 1, 3, 11; Plin. nat. 18,3,18; vierzehn Morgen: Ps. Aur. Vict. 33; Plut. apophth. reg. et imp. p. 235 Duebner, wonach Plut. Crass. 2 zu berichtigen ist) den Empfaengern klein.

Die Vergleichung der deutschen Verhaeltnisse ergibt dasselbe. Jugerum und Morgen, beide urspruenglich mehr Arbeits- als Flaechenmasse, koennen angesehen werden als urspruenglich identisch. Wenn die deutsche Hufe regelmaessig aus 30, nicht selten auch aus 20 oder 40 Morgen bestand, und die Hofstaette haeufig, wenigstens bei den Angelsachsen, ein Zehntel der Hufe betrug, so wird bei Beruecksichtigung der klimatischen Verschiedenheit und des roemischen Heredium von zwei Morgen die Annahme einer roemischen Hufe von 20 Morgen den Verhaeltnissen angemessen erscheinen. Freilich bleibt es zu bedauern, dass die Ueberlieferung uns eben hier im Stich laesst.

———————————————————————————-

Im allgemeinen aber ist es einleuchtend einerseits, dass diese Servianische Institution nicht hervorgegangen ist aus dem Staendekampf, sondern dass sie den Stempel eines reformierenden Gesetzgebers an sich traegt gleich der Verfassung des Lykurgos, des Solon, des Zaleukos, anderseits, dass sie entstanden ist unter griechischem Einfluss. Einzelne Analogien koennen truegen, wie zum Beispiel die schon von den Alten hervorgehobene, dass auch in Korinth die Ritterpferde auf die Witwen und Waisen angewiesen wurden; aber die Entlehnung der Ruestung wie der Gliederstellung von dem griechischen Hoplitensystem ist sicher kein zufaelliges Zusammentreffen. Erwaegen wir nun, dass eben im zweiten Jahrhundert der Stadt die griechischen Staaten in Unteritalien von der reinen Geschlechterverfassung fortschritten zu einer modifizierten, die das Schwergewicht in die Haende der Besitzenden legte ^5, so werden wir hierin den Anstoss erkennen, der in Rom die Servianische Reform hervorrief, eine im wesentlichen auf demselben Grundgedanken beruhende und nur durch die streng monarchische Form des roemischen Staats in etwas abweichende Bahnen gelenkte Verfassungsaenderung.

——————————————————————-

^5 Auch die Analogie zwischen der sogenannten Servianischen Verfassung und der Behandlung der attischen Metoeken verdient hervorgehoben zu werden. Athen hat eben wie Rom verhaeltnismaessig frueh den Insassen die Tore geoeffnet und dann auch dieselben zu den Lasten des Staates mit herangezogen. Je weniger hier ein unmittelbarer Zusammenhang angenommen werden kann, desto bestimmter zeigt es sich, wie dieselben Ursachen - staedtische Zentralisierung und staedtische Entwicklung - ueberall und notwendig die gleichen Folgen herbeifuehren.

Share on Twitter Share on Facebook