KAPITEL III. Die Ausgleichung der Stände und die neue Aristokratie

Die tribunizischen Bewegungen scheinen vorzugsweise aus den sozialen, nicht aus den politischen Missverhaeltnissen hervorgegangen zu sein und es ist guter Grund vorhanden zu der Annahme, dass ein Teil der vermoegenden, in den Senat aufgenommenen Plebejer denselben nicht minder entgegen war als die Patrizier; denn die Privilegien, gegen welche die Bewegung vorzugsweise sich richtete, kamen auch ihnen zugute, und wenn sie auch wieder in anderer Beziehung sich zurueckgesetzt fanden, so mochte es ihnen doch keineswegs an der Zeit scheinen, ihre Ansprueche auf Teilnahme an den Aemtern geltend zu machen, waehrend der ganze Senat in seiner finanziellen Sondermacht bedroht war. So erklaert es sich, dass waehrend der ersten fuenfzig Jahre der Republik kein Schritt geschah, der geradezu auf politische Ausgleichung der Staende hinzielte.

Allein eine Buergschaft der Dauer trug dieses Buendnis der Patrizier und der reichen Plebejer doch keineswegs in sich. Ohne Zweifel hatte ein Teil der vornehmen plebejischen Familien von Haus aus der Bewegungspartei sich angeschlossen, teils aus Billigkeitsgefuehl gegen ihre Standesgenossen, teils infolge des natuerlichen Bundes aller Zurueckgesetzten, teils endlich, weil sie begriffen, dass Konzessionen an die Menge auf die Laenge unvermeidlich waren und dass sie, richtig benutzt, die Beseitigung der Sonderrechte des Patriziats zur Folge haben und damit der plebejischen Aristokratie das entscheidende Gewicht im Staate geben wuerden. Wenn diese Ueberzeugung, wie das nicht fehlen konnte, in weitere Kreise eindrang und die plebejische Aristokratie an der Spitze ihres Standes den Kampf gegen den Geschlechtsadel aufnahm, so hielt sie in dem Tribunat den Buergerkrieg gesetzlich in der Hand und konnte mit dem sozialen Notstand die Schlachten schlagen, um dem Adel die Friedensbedingungen zu diktieren und als Vermittler zwischen beiden Parteien fuer sich den Zutritt zu den Aemtern zu erzwingen.

Ein solcher Wendepunkt in der Stellung der Parteien trat ein nach dem Sturz des Dezemvirats. Es war jetzt vollkommen klar geworden, dass das Volkstribunat sich nicht beseitigen liess; die plebejische Aristokratie konnte nichts Besseres tun, als sich dieses gewaltigen Hebels zu bemaechtigen und sich desselben zur Beseitigung der politischen Zuruecksetzung ihres Standes zu bedienen.

Wie wehrlos der Geschlechtsadel der vereinigten Plebs gegenueberstand, zeigt nichts so augenscheinlich, als dass der Fundamentalsatz der exklusiven Partei, die Ungueltigkeit der Ehe zwischen Adligen und Buergerlichen, kaum vier Jahre nach der Dezemviralrevolution auf den ersten Streich fiel. Im Jahre 309 (445) wurde durch das Canuleische Plebiszit verordnet, dass die Ehe zwischen Adligen und Buergerlichen als eine rechte roemische gelten und die daraus erzeugten Kinder dem Stande des Vaters folgen sollten. Gleichzeitig wurde ferner durchgesetzt, dass statt der Konsuln Kriegstribune - es gab deren damals, vor der Teilung des Heeres in Legionen, sechs, und danach richtete sich auch die Zahl dieser Magistrate - mit konsularischer Gewalt ^1 und konsularischer Amtsdauer von den Zenturien gewaehlt werden sollten. Die naechste Ursache war militaerischer Art, indem die vielfachen Kriege eine groessere Zahl von obersten Feldherren forderten, als die Konsularverfassung sie gewaehrte; aber die Aenderung ist von wesentlicher Bedeutung fuer den Staendekampf geworden, ja vielleicht jener militaerische Zweck fuer diese Einrichtung mehr der Vorwand als der Grund gewesen. Zu Offizierstellen konnte nach altem Recht jeder dienstpflichtige Buerger oder Insasse gelangen, und es ward also damit das hoechste Amt, nachdem es voruebergehend schon im Dezemvirat den Plebejern geoeffnet worden war, jetzt in umfassender Weise saemtlichen freigewordenen Buergern gleichmaessig zugaenglich gemacht. Die Frage liegt nahe, welches Interesse der Adel dabei haben konnte, da er einmal auf den Alleinbesitz des hoechsten Amtes verzichten und in der Sache nachgeben musste, den Plebejern den Titel zu versagen und das Konsulat ihnen in dieser wunderlichen Form zuzugestehen ^2. Einmal aber knuepften sich an die Bekleidung des hoechsten Gemeindeamts mancherlei teils persoenliche, teils erbliche Ehrenrechte: so galt die Ehre des Triumphs als rechtlich bedingt durch die Bekleidung des hoechsten Gemeindeamts und wurde nie einem Offizier gegeben, der nicht dieses selbst verwaltet hatte; so stand es den Nachkommen eines kurulischen Beamten frei, das Bild eines solchen Ahnen im Familiensaal auf- und bei geeigneten Veranlassungen oeffentlich zur Schau zu stellen, waehrend dies fuer andere Vorfahren nicht statthaft war ^3. Es ist ebenso leicht zu erklaeren wie schwer zu rechtfertigen, dass der regierende Herrenstand weit eher das Regiment selbst als die daran geknuepften Ehrenrechte, namentlich die erblichen, sich entwinden liess und darum, als es jenes mit den Plebejern teilen musste, den tatsaechlich hoechsten Gemeindebeamten rechtlich nicht als Inhaber des kurulischen Sessels, sondern als einfachen Stabsoffizier hinstellte, dessen Auszeichnung eine rein persoenliche war. Von groesserer politischer Bedeutung aber als die Versagung des Ahnenrechts und der Ehre des Triumphs war es, dass die Ausschliessung der im Senat sitzenden Plebejer von der Debatte notwendig fuer diejenigen von ihnen fiel, die als designierte oder gewesene Konsuln in die Reihe der vor den uebrigen um ihr Gutachten zu fragenden Senatoren eintraten; insofern war es allerdings fuer den Adel von grosser Wichtigkeit, den Plebejer nur zu einem konsularischen Amt, nicht aber zum Konsulat selbst zuzulassen.

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^1 Die Annahme, dass rechtlich den patrizischen Konsulartribunen das volle, den plebejischen nur das militaerische Imperium zugestanden habe, ruft nicht bloss manche Fragen hervor, auf die es keine Antwort gibt, zum Beispiel, was denn geschah, wenn, wie dies gesetzlich moeglich war, die Wahl auf lauter Plebejer fiel, sondern verstoesst vor allem gegen den Fundamentalsatz des roemischen Staatsrechts, dass das Imperium, das heisst das Recht, dem Buerger im Namen der Gemeinde zu befehlen, qualitativ unteilbar und ueberhaupt keiner anderen als einer raeumlichen Abgrenzung faehig ist. Es gibt einen Stadtrechtsbezirk und einen Kriegsrechtsbezirk, in welchem letzteren die Provokation und andere stadtrechtliche Bestimmungen nicht massgebend sind; es gibt Beamte, wie zum Beispiel die Prokonsuln, welche lediglich in dem letzteren zu funktionieren vermoegen; aber es gibt im strengen Rechtssinn keine Beamten mit bloss jurisdiktionellem wie keine mit bloss militaerischem Imperium. Der Prokonsul ist in seinem Bezirk eben wie der Konsul zugleich Oberfeldherr und Oberrichter und befugt, nicht bloss unter Nichtbuergern und Soldaten, sondern auch unter Buergern den Prozess zu instruieren. Selbst als mit der Einsetzung der Praetur der Begriff der Kompetenz fuer die magistratus maiores aufkommt, hat er mehr tatsaechliche als eigentlich rechtliche Geltung: der staedtische Praetor ist zwar zunaechst Oberrichter, aber er kann auch wenigstens fuer gewisse Faelle die Zenturien berufen und kann ein Heer befehligen; dem Konsul kommt in der Stadt zunaechst die Oberverwaltung und der Oberbefehl zu, aber er fungiert doch auch bei Emanzipation und Adoption als Gerichtsherr - die qualitative Unteilbarkeit des hoechsten Amtes ist also selbst hier noch beiderseits mit grosser Schaerfe festgehalten. Es muss also die militaerische wie die jurisdiktionelle Amtsgewalt oder, um diese, dem roemischen Recht dieser Zeit fremden Abstraktionen beiseite zu lassen, die Amtsgewalt schlechthin den plebejischen Konsulartribunen virtuell so gut wie den patrizischen zugestanden haben. Aber wohl moegen, wie W. A. Becker (Handbuch, Bd. 2, 2, S. 137) meint, aus denselben Gruenden, weshalb spaeterhin neben das gemeinschaftliche Konsulat die - tatsaechlich laengere Zeit den Patriziern vorbehaltene - Praetur gestellt ward, faktisch schon waehrend des Konsulartribunats die plebejischen Glieder des Kollegiums von der Jurisdiktion ferngehalten worden sein und insofern die spaetere Kompetenzteilung zwischen Konsuln und Praetoren mittels des Konsulartribunats sich vorbereitet haben.

^2 Die Verteidigung, dass der Adel an der Ausschliessung der Plebejer aus religioeser Befangenheit festgehalten habe, verkennt den Grundcharakter der roemischen Religion und traegt den modernen Gegensatz zwischen Kirche und Staat in das Altertum hinein. Die Zulassung des Nichtbuergers zu einer buergerlich religioesen Verrichtung musste freilich dem rechtglaeubigen Roemer als suendhaft erscheinen; aber nie hat auch der strengste Orthodoxe bezweifelt, dass durch die lediglich und allein vom Staat abhaengige Zulassung in die buergerliche Gemeinschaft auch die volle religioese Gleichheit herbeigefuehrt werde. All jene Gewissensskrupel, deren Ehrlichkeit an sich nicht beanstandet werden soll, waren abgeschnitten, sowie man den Plebejern in Masse rechtzeitig das Patriziat zugestand. Nur das etwa kann man zur Entschuldigung des Adels geltend machen, dass er, nachdem er bei Abschaffung des Koenigtums den rechten Augenblick hierzu versaeumt hatte, spaeter selber nicht mehr imstande war, das Versaeumte nachzuholen.

^3 Ob innerhalb des Patriziats die Unterscheidung dieser “kurulischen Haeuser” von den uebrigen Familien jemals von ernstlicher politischer Bedeutung gewesen ist, laesst sich weder mit Sicherheit verneinen noch mit Sicherheit bejahen, und ebensowenig wissen wir, ob es in dieser Epoche wirklich noch nicht kurulische Patrizierfamilien in einiger Anzahl gab.

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Indes trotz dieser kraenkenden Zuruecksetzung waren doch die Geschlechterprivilegien, soweit sie politischen Wert hatten, durch die neue Institution gesetzlich beseitigt, und wenn der roemische Adel seines Namens wert gewesen waere, haette er jetzt den Kampf aufgeben muessen. Allein er hat es nicht getan. Wenn auch ein vernuenftiger und gesetzlicher Widerstand fortan unmoeglich war, so bot sich doch noch ein weites Feld fuer die tueckische Opposition der kleinen Mittel, der Schikanen und der Kniffe; und so wenig ehrenhaft und staatsklug dieser Widerstand war, so war er doch in einem gewissen Sinne erfolgreich. Er hat allerdings schliesslich dem gemeinen Mann Konzessionen verschafft, zu welchen die vereinigte roemische Aristokratie nicht leicht gezwungen worden waere; aber er hat es auch vermocht, den Buergerkrieg noch um ein Jahrhundert zu verlaengern und jenen Gesetzen zum Trotz das Regiment noch mehrere Menschenalter hindurch tatsaechlich im Sonderbesitz des Adels zu erhalten.

Die Mittel, deren der Adel sich bediente, waren so mannigfach wie die politische Kuemmerlichkeit ueberhaupt. Statt die Frage ueber die Zulassung oder Ausschliessung der Buergerlichen bei den Wahlen ein fuer allemal zu entscheiden, raeumte man, was man einraeumen musste, nur fuer die jedesmal naechsten Wahlen ein; jaehrlich erneuerte sich also der eitle Kampf, ob patrizische Konsuln oder aus beiden Staenden Kriegstribune mit konsularischer Gewalt ernannt werden sollten, und unter den Waffen des Adels erwies sich diese, den Gegner durch Ermuedung und Langweile zu ueberwinden, keineswegs als die unwirksamste.

Man zersplitterte ferner die bis dahin ungeteilte hoechste Geaalt, um die unvermeidliche Niederlage durch Vermehrung der Angriffspunkte in die Laenge zu ziehen. So wurde die der Regel nach jedes vierte Jahr stattfindende Feststellung des Budgets und der Buerger- und Steuerlisten, welche bisher durch die Konsuln bewirkt worden war, schon im Jahre 319 (435) zweien von den Zenturien aus dem Adel auf hoechstens achtzehn Monate ernannten Schaetzern (censores) uebertragen. Das neue Amt ward allmaehlich zum Palladium der Adelspartei, weniger noch wegen seines finanziellen Einflusses als wegen des daran sich knuepfenden Rechts, die erledigten Plaetze im Senat und in der Ritterschaft zu besetzen und bei der Feststellung der Listen von Senat, Ritter- und Buergerschaft einzelne Personen aus denselben zu entfernen; die hohe Bedeutung indes und die moralische Machtfuelle, welche spaeterhin der Zensur beiwohnt, hat sie in dieser Epoche noch keineswegs besessen.

Dagegen die im Jahre 333 (421) hinsichtlich der Quaestur getroffene wichtige Aenderung glich diesen Erfolg der Adelspartei reichlich wieder aus. Die patrizisch-plebejische Quartierversammlung, vielleicht darauf sich stuetzend, dass wenigstens die beiden Kriegszahlmeister faktisch mehr Offiziere waren als Zivilbeamte und insofern der Plebejer so gut wie zum Militaertribunat auch zur Quaestur befaehigt erschien, setzte es durch, dass fuer die Quaestorenwahlen auch plebejische Bewerber zugelassen wurden und erwarb damit zum erstenmal zu dem aktiven Wahlrecht auch das passive fuer eines der ordentlichen Aemter. Mit Recht ward es auf der einen Seite als ein grosser Sieg, auf der anderen als eine schwere Niederlage empfunden, dass fortan zu dem Kriegs- wie zu dem Stadtzahlmeisteramt der Patrizier und der Plebejer aktiv und passiv gleich wahlfaehig waren.

Trotz der hartnaeckigsten Gegenwehr schritt der Adel doch nur von Verlust zu Verlust; die Erbitterung stieg, wie die Macht sank. Er hat es wohl noch versucht, die der Gemeinde vertragsmaessig zugesicherten Rechte geradezu anzutasten; aber es waren diese Versuche weniger berechnete Parteimanoever als Akte einer impotenten Rachsucht. So namentlich der Prozess gegen Maelius, wie unsere allerdings wenig zuverlaessige Ueberlieferung ihn berichtet. Spurius Maelius, ein reicher Plebejer, verkaufte waehrend schwerer Teuerung (315 439) Getreide zu solchen Preisen, dass er den patrizischen Magazinvorsteher (praefectus annonae) Gaius Minucius beschaemte und kraenkte. Dieser beschuldigte ihn des Strebens nach der koeniglichen Gewalt; mit welchem Recht, koennen wir freilich nicht entscheiden, allein es ist kaum glaublich, dass ein Mann, der nicht einmal das Tribunat bekleidet hatte, ernstlich an die Tyrannis gedacht haben sollte. Indes die Behoerden nahmen die Sache ernsthaft, und auf die Menge Roms hat der Zeterruf des Koenigtums stets aehnliche Wirkung geuebt wie der Papstzeter auf die englischen Massen. Titus Quinctius Capitolinus, der zum sechstenmal Konsul war, ernannte den achtzigjaehrigen Lucius Quinctius Cincinnatus zum Diktator ohne Provokation, in offener Auflehnung gegen die beschworenen Gesetze. Maelius, vorgeladen, machte Miene, sich dem Befehl zu entziehen; da erschlug ihn der Reiterfuehrer des Diktators, Gaius Servilius Ahala, mit eigener Hand. Das Haus des Ermordeten ward niedergerissen, das Getreide aus seinen Speichern dem Volke umsonst verteilt, und die seinen Tod zu raechen drohten, heimlich ueber die Seite gebracht. Dieser schaendliche Justizmord, eine Schande mehr noch fuer das leichtglaeubige und blinde Volk als fuer die tueckische Junkerpartei, ging ungestraft hin; aber wenn diese gehofft hatte, damit das Provokationsrecht zu untergraben, so hatte sie umsonst die Gesetze verletzt und umsonst unschuldiges Blut vergossen.

Wirksamer als alle uebrigen Mittel erwiesen sich dem Adel Wahlintrigen und Pfaffentrug. Wie arg jene gewesen sein muessen, zeigt am besten, dass es schon 322 (432) noetig schien, ein eigenes Gesetz gegen Wahlumtriebe zu erlassen, das natuerlich nichts half. Konnte man nicht durch Korruption oder Drohung auf die Stimmberechtigten wirken, so taten die Wahldirektoren das uebrige und liessen zum Beispiel so viele plebejische Kandidaten zu, dass die Stimmen der Opposition sich zersplitterten, oder liessen diejenigen von der Kandidatenliste weg, die die Majoritaet zu waehlen beabsichtigte. Ward trotz alledem eine unbequeme Wahl durchgesetzt, so wurden die Priester befragt, ob bei derselben nicht eine Nichtigkeit in der Voegelschau oder den sonstigen religioesen Zeremonien vorgekommen sei; welche diese alsdann zu entdecken nicht ermangelten. Unbekuemmert um die Folgen und uneingedenk des weisen Beispiels der Ahnen liess man den Satz sich feststellen, dass das Gutachten der priesterlichen Sachverstaendigenkollegien ueber Voegelzeichen, Wunder und aehnliche Dinge den Beamten von Rechts wegen binde, und es in ihre Macht kommen, jeden Staatsakt, sei es die Weihung eines Gotteshauses oder sonst eine Verwaltungshandlung, sei es Gesetz oder Wahl, wegen religioeser Nullitaeten zu kassieren. Auf diesem Wege wurde es moeglich, dass, obwohl die Waehlbarkeit der Plebejer schon im Jahre 333 (421) fuer die Quaestur gesetzlich festgestellt worden war und seitdem rechtlich anerkannt blieb, dennoch erst im Jahre 345 (409) der erste Plebejer zur Quaestur gelangte; aehnlich haben das konsularische Kriegstribunat bis zum Jahre 354 (400) fast ausschliesslich Patrizier bekleidet. Es zeigte sich, dass die gesetzliche Abschaffung der Adelsprivilegien noch keineswegs die plebejische Aristokratie wirklich und tatsaechlich dem Geschlechtsadel gleichgestellt hatte. Mancherlei Ursachen wirkten dabei zusammen: die zaehe Opposition des Adels liess sich weit leichter in einem aufgeregten Moment der Theorie nach ueber den Haufen werfen, als in den jaehrlich wiederkehrenden Wahlen dauernd niederhalten; die Hauptursache aber war die innere Uneinigkeit der Haeupter der plebejischen Aristokratie und der Masse der Bauernschaft. Der Mittelstand, dessen Stimmen in den Komitien entschieden, fand sich nicht berufen, die vornehmen Nichtadligen vorzugsweise auf den Schild zu heben, solange seine eigenen Forderungen von der plebejischen nicht minder wie von der patrizischen Aristokratie zurueckgewiesen wurden.

Die sozialen Fragen hatten waehrend dieser politischen Kaempfe im ganzen geruht oder waren doch mit geringer Energie verhandelt worden. Seitdem die plebejische Aristokratie sich des Tribunats zu ihren Zwecken bemaechtigt hatte, war weder von der Domaenenangelegenheit noch von der Reform des Kreditwesens ernstlich die Rede gewesen; obwohl es weder fehlte an neugewonnenen Laendereien noch an verarmenden oder verarmten Bauern. Einzelne Assignationen, namentlich in neueroberten Grenzgebieten, erfolgten wohl, so des ardeatischen Gebiets 312 (442), des labicanischen 336 (418), des veientischen 361 (393), jedoch mehr aus militaerischen Gruenden, als um dem Bauer zu helfen, und keineswegs in ausreichenden Umfang. Wohl machten einzelne Tribune den Versuch, das Gesetz des Cassius wieder aufzunehmen: so stellten Spurius Maecilius und Spurius Metilius im Jahre 337 (417) den Antrag auf Aufteilung saemtlicher Staatslaendereien - allein sie scheiterten, was charakteristisch fuer die damalige Situation ist, an dem Widerstand ihrer eigenen Kollegen, das heisst der plebejischen Aristokratie. Auch unter den Patriziern versuchten einige, der gemeinen Not zu helfen; allein mit nicht besserem Erfolg als einst Spurius Cassius. Patrizier wie dieser, und wie dieser ausgezeichnet durch Kriegsruhm und persoenliche Tapferkeit, soll Marcus Manlius, der Retter der Burg waehrend der gallischen Belagerung, als Vorkaempfer aufgetreten sein fuer die unterdrueckten Leute, mit denen sowohl die Kriegskameradschaft ihn verband wie der bittere Hass gegen seinen Rivalen, den gefeierten Feldherrn und optimatischen Parteifuehrer Marcus Furius Camillus. Als ein tapferer Offizier ins Schuldgefaengnis abgefuehrt werden sollte, trat Manlius fuer ihn ein und loeste mit seinem Gelde ihn aus; zugleich bot er seine Grundstuecke zum Verkauf aus, laut erklaerend, dass, solange er noch einen Fussbreit Landes besitze, solche Unbill nicht vorkommen solle. Das war mehr als genug, um die ganze Regimentspartei, Patrizier wie Plebejer, gegen den gefaehrlichen Neuerer zu vereinigen. Der Hochverratsprozess, die Anschuldigung der beabsichtigten Erneuerung des Koenigtums, wirkte mit dem tueckischen Zauber stereotyp gewordener Parteiphrasen auf die blinde Menge; sie selbst verurteilte ihn zum Tode, und nichts trug sein Ruhm ihm ein, als dass man das Volk zum Blutgericht an einem Ort versammelte, von wo die Stimmenden den Burgfelsen nicht erblickten, den stummen Mahner an die Rettung des Vaterlandes aus der hoechsten Gefahr durch die Hand desselben Mannes, welchen man jetzt dem Henker ueberlieferte (370 384).

Waehrend also die Reformversuche im Keim erstickt wurden, wurde das Missverstaendnis immer schreiender, indem einerseits infolge der gluecklichen Kriege die Domanialbesitzungen mehr und mehr sich ausdehnten, anderseits in der Bauernschaft die Ueberschuldung und Verarmung immer weiter um sich griff, namentlich infolge des schweren Veientischen Krieges (348-358 406-396) und der Einaescherung der Hauptstadt bei dem gallischen Ueberfall (364 390). Zwar als es indem Veientischen Kriege notwendig wurde, die Dienstzeit der Soldaten zu verlaengern und sie, statt wie bisher hoechstens nur den Sommer, auch den Winter hindurch unter den Waffen zu halten, und als die Bauernschaft, die vollstaendige Zerruettung ihrer oekonomischen Lage voraussehend, im Begriff war, ihre Einwilligung zu der Kriegserklaerung zu verweigern, entschloss sich der Senat zu einer wichtigen Konzession: er uebernahm den Sold, den bisher die Distrikte durch Umlage aufgebracht hatten, auf die Staatskasse, das heisst auf den Ertrag der indirekten Abgaben und der Domaenen (348 406). Nur fuer den Fall, dass die Staatskasse augenblicklich leer sei, wurde des Soldes wegen eine allgemeine Umlage (tributum) ausgeschrieben, die indes als gezwungene Anleihe betrachtet und von der Gemeinde spaeterhin zurueckgezahlt ward. Die Einrichtung war billig und weise; allein da das wesentliche Fundament, eine reelle Verwertung der Domaenen zum Besten der Staatskasse, ihr nicht gegeben ward, so kamen zu der vermehrten Last des Dienstes noch haeufige Umlagen hinzu, die den kleinen Mann darum nicht weniger ruinierten, dass sie offiziell nicht als Steuern, sondern als Vorschuesse betrachtet wurden.

Unter solchen Umstaenden, wo die plebejische Aristokratie sich durch den Widerstand des Adels und die Gleichgueltigkeit der Gemeinde tatsaechlich von der politischen Gleichberechtigung ausgeschlossen sah und die leidende Bauernschaft der geschlossenen Aristokratie ohnmaechtig gegenueberstand, lag es nahe, beiden zu helfen durch ein Kompromiss. Zu diesem Ende brachten die Volkstribune Gaius Licinius und Lucius Sextius bei der Gemeinde Antraege dahin ein: einerseits mit Beseitigung des Konsulatribunats festzustellen, dass wenigstens der eine Konsul Plebejer sein muesse, und ferner den Plebejern den Zutritt zu dem einen der drei grossen Priesterkollegien, dem auf zehn Mitglieder zu vermehrenden der Orakelbewahrer (duoviri, spaeter decemviri sacris faciundis, 1, 191) zu eroeffnen; anderseits hinsichtlich der Domaenen keinen Buerger auf die Gemeinweide mehr als hundert Rinder und fuenfhundert Schafe auftreiben und keinen von dem zur Okkupation freigegebenen Domanialland mehr als fuenfhundert Iugera (= 494 preussische Morgen) in Besitz nehmen zu lassen, ferner die Gutsbesitzer zu verpflichten, unter ihren Feldarbeitern eine zu der Zahl der Ackersklaven im Verhaeltnis stehende Anzahl freier Arbeiter zu verwenden, endlich den Schuldnern durch Abzug der gezahlten Zinsen vom Kapital und Anordnung von Rueckzahlungsfristen Erleichterung zu verschaffen.

Die Tendenz dieser Verfuegungen liegt auf der Hand. Sie sollten dem Adel den ausschliesslichen Besitz der kurulischen Aemter und der daran geknuepften erblichen Auszeichnungen der Nobilitaet entreissen, was man in bezeichnender Weise nur dadurch erreichen zu koennen meinte, dass man die Adligen von der zweiten Konsulstelle gesetzlich ausschloss. Sie sollten folgeweise die plebejischen Mitglieder des Senats aus der untergeordneten Stellung, in der sie als stumme Beisitzer sich befanden, insofern befreien, als wenigstens diejenigen von ihnen, die das Konsulat bekleidet hatten, damit ein Anrecht erwarben, mit den patrizischen Konsularen vor den uebrigen patrizischen Senatoren ihr Gutachten abzugeben. Sie sollten ferner dem Adel den ausschliesslichen Besitz der geistlichen Wuerden entziehen; wobei man aus naheliegenden Ursachen die altlatinischen Priestertuemer der Augurn und Pontifices den Altroemern liess, aber sie noetigte, das dritte, juengere und einem urspruenglich auslaendischen Kult angehoerige grosse Kollegium mit den Neubuergern zu teilen. Sie sollten endlich den geringen Leuten den Mitgenuss der gemeinen Buergernutzungen, den leidenden Schuldnern Erleichterung, den arbeitslosen Tageloehnern Beschaeftigung verschaffen. Beseitigung der Privilegien, buergerliche Gleichheit, soziale Reform - das waren die drei grossen Ideen, welche dadurch zur Anerkennung kommen sollten. Vergeblich boten die Patrizier gegen diese Gesetzvorschlaege ihre letzten Mittel auf; selbst die Diktatur und der alte Kriegsheld Camillus vermochten nur ihre Durchbringung zu verzoegern, nicht sie abzuwenden. Gern haette auch das Volk die Vorschlaege geteilt; was lag ihm am Konsulat und an dem Orakelbewahreramt, wenn nur die Schuldenlast erleichtert und das Gemeinland frei ward! Aber umsonst war die plebejische Nobilitaet nicht popular; sie fasste die Antraege in einen einzigen Gesetzvorschlag zusammen und nach lang-, angeblich elfjaehrigem Kampfe gab endlich der Senat seine Einwilligung und gingen sie im Jahre 387 (367) durch.

Mit der Wahl des ersten nicht patrizischen Konsuls - sie fiel auf den einen der Urheber dieser Reform, den gewesenen Volkstribunen Lucius Sextius Lateranus - hoerte der Geschlechtsadel tatsaechlich und rechtlich auf, zu den politischen Institutionen Roms zu zaehlen. Wenn nach dem endlichen Durchgang dieser Gesetze der bisherige Vorkaempfer der Geschlechter, Marcus Furius Camillus, am Fusse des Kapitols auf einer ueber der alten Malstatt der Buergerschaft, dem Comitium, erhoehten Flaeche, wo der Senat haeufig zusammenzutreten pflegte, ein Heiligtum der Eintracht stiftete, so gibt man gern dem Glauben sich hin, dass er in dieser vollendeten Tatsache den Abschluss des nur zu lange fortgesponnenen Haders erkannte. Die religioese Weihe der neuen Eintracht der Gemeinde war die letzte oeffentliche Handlung des alten Kriegs- und Staatsmannes und der wuerdige Beschluss seiner langen und ruhmvollen Laufbahn. Er hatte sich auch nicht ganz geirrt; der einsichtigere Teil der Geschlechter gab offenbar seitdem die politischen Sonderrechte verloren und war es zufrieden, das Regiment mit der plebejischen Aristokratie zu teilen. Indes in der Majoritaet der Patrizier verleugnete das unverbesserliche Junkertum sich nicht. Kraft des Privilegiums, welches die Vorfechter der Legitimitaet zu allen Zeiten in Anspruch genommen haben, den Gesetzen nur da zu gehorchen, wo sie mit ihren Parteiinteressen zusammenstimmen, erlaubten sich die roemischen Adligen noch verschiedene Male, in offener Verletzung der vorgetragenen Ordnung, zwei patrizische Konsuln ernennen zu lassen; wie indes, als Antwort auf eine derartige Wahl fuer das Jahr 411 (343), das Jahr darauf die Gemeinde foermlich beschloss, die Besetzung beider Konsulstellen mit Nichtpatriziern zu gestatten, verstand man die darin liegende Drohung und hat es wohl noch gewuenscht, aber nicht wieder gewagt, an die zweite Konsulstelle zu ruehren.

Ebenso schnitt sich der Adel nur in das eigene Fleisch durch den Versuch, den er bei der Durchbringung der Licinischen Gesetze machte, mittels eines politischen Kipp- und Wippsystems wenigstens einige Truemmer der alten Vorrechte fuer sich zu bergen. Unter dem Vorwande, dass das Recht ausschliesslich dem Adel bekannt sei, ward von dem Konsulat, als dies den Plebejern eroeffnet werden musste, die Rechtspflege getrennt und dafuer ein eigener dritter Konsul, oder, wie er gewoehnlich heisst, ein Praetor bestellt. Ebenso kamen die Marktaufsicht und die damit verbundenen Polizeigerichte sowie die Ausrichtung des Stadtfestes an zwei neu ernannte Aedilen, die von ihrer staendigen Gerichtsbarkeit, zum Unterschied von den plebejischen, die Gerichtsstuhl-Aedilen (aediles curules) genannt wurden. Allein die kurulische Aedilitaet ward sofort den Plebejern in der Art zugaenglich, dass adlige und buergerliche Kurulaedilen Jahr um Jahr abwechselten. Im Jahre 398 (356) wurde ferner die Diktatur, wie schon das Jahr vor den Licinischen Gesetzen (386 368), das Reiterfuehreramt, im Jahre 403 (351) die Zensur, im Jahre 417 (337) die Praetur Plebejern uebertragen und um dieselbe Zeit (415 339) der Adel, wie es frueher in Hinsicht des Konsulats geschehen war, auch von der einen Zensorstelle gesetzlich ausgeschlossen. Es aenderte nichts, dass wohl noch einmal ein patrizischer Augur in der Wahl eines plebejischen Diktators (427 327) geheime, ungeweihten Augen verborgene Maengel fand und dass der patrizische Zensor seinem Kollegen bis zum Schlusse dieser Periode (474 280) nicht gestattete, das feierliche Opfer darzubringen, womit die Schatzung schloss; dergleichen Schikanen dienten lediglich dazu, die ueble Laune des Junkertums zu konstatieren. Ebensowenig aenderten etwa die Quengeleien, welche die patrizischen Vorsitzer des Senats nicht verfehlt haben werden, wegen der Teilnahme der Plebejer an der Debatte in demselben zu erheben; vielmehr stellte die Regel sich fest, dass nicht mehr die patrizischen Mitglieder, sondern die zu einem der drei hoechsten ordentlichen Aemter, Konsulat, Praetur und kurulischer Aedilitaet gelangten, in dieser Folge und ohne Unterschied des Standes zur Abgabe ihres Gutachtens aufzufordern seien, waehrend diejenigen Senatoren, die keines dieser Aemter bekleidet hatten, auch jetzt noch bloss an der Abmehrung teilnahmen. Das Recht endlich des Patriziersenats, einen Beschluss der Gemeinde als verfassungswidrig zu verwerfen, das derselbe auszuueben freilich wohl ohnehin selten gewagt haben mochte, ward ihm durch das Publilische Gesetz von 415 (339) und durch das nicht vor der Mitte des fuenften Jahrhunderts erlassene Maenische in der Art entzogen, dass er veranlasst ward, seine etwaigen konstitutionellen Bedenken bereits bei Aufstellung der Kandidatenliste oder Einbringung des Gesetzvorschlags geltend zu machen; was denn praktisch darauf hinauslief, dass er stets im voraus seine Zustimmung aussprach. In dieser Art als rein formales Recht ist die Bestaetigung der Volksschluesse dem Adel bis in die letzte Zeit der Republik geblieben.

Laenger behaupteten begreiflicherweise die Geschlechter ihre religioesen Vorrechte; ja an manche derselben, die ohne politische Bedeutung waren, wie namentlich an ihre ausschliessliche Waehlbarkeit zu den drei hoechsten Flaminaten und dem sacerdotalen Koenigtum sowie in die Genossenschaften der Springer, hat man niemals geruehrt. Dagegen waren die beiden Kollegien der Pontifices und der Augurn, an welche ein bedeutender Einfluss auf die Gerichte und die Komitien sich knuepfte, zu wichtig, als dass diese Sonderbesitz der Patrizier haetten bleiben koennen; das Ogulnische Gesetz vom Jahre 454 (300) eroeffnete denn auch in diese den Plebejern den Eintritt, indem es die Zahl der Pontifices und der Augurn beide von sechs auf neun vermehrte und in beiden Kollegien die Stellen zwischen Patriziern und Plebejern gleichmaessig teilte.

Den letzten Abschluss des zweihundertjaehrigen Haders brachte das durch einen gefaehrlichen Volksaufstand hervorgerufene Gesetz des Diktators Q. Hortensius (465-468 289-286), das anstatt der frueheren bedingten die unbedingte Gleichstellung der Beschluesse der Gesamtgemeinde und derjenigen der Plebs aussprach. So hatten sich die Verhaeltnisse umgewandelt, dass derjenige Teil der Buergerschaft, der einst allein das Stimmrecht besessen hatte, seitdem bei der gewoehnlichen Form der fuer die gesamte Buergerschaft verbindlichen Abstimmungen nicht einmal mehr mitgefragt ward.

Der Kampf zwischen den roemischen Geschlechtern und Gemeinen war damit im wesentlichen zu Ende. Wenn der Adel von seinen umfassenden Vorrechten noch den tatsaechlichen Besitz der einen Konsul- und der einen Zensorstelle bewahrte, so war er dagegen vom Tribunat, der plebejischen Aedilitaet, von der zweiten Konsul- und Zensorstelle und von der Teilnahme an den rechtlich den Buergerschaftsabstimmungen gleichstehenden Abstimmungen der Plebs gesetzlich ausgeschlossen; in gerechter Strafe seines verkehrten und eigensinnigen Widerstrebens hatten die ehemaligen patrizischen Vorrechte sich fuer ihn in ebenso viele Zuruecksetzungen verwandelt. Indes der roemische Geschlechtsadel ging natuerlich darum keineswegs unter, weil er zum leeren Namen geworden war. Je weniger der Adel bedeutete und vermochte, desto reiner und ausschliesslicher entwickelte sich der junkerhafte Geist. Die Hoffart der “Ramner” hat das letzte ihrer Standesprivilegien um Jahrhunderte ueberlebt; nachdem man standhaft gerungen hatte, “das Konsulat aus dem plebejischen Kote zu ziehen”, und sich endlich widerwillig von der Unmoeglichkeit dieser Leistung hatte ueberzeugen muessen, trug man wenigstens schroff und verbissen sein Adeltum zur Schau. Man darf, um die Geschichte Roms im fuenften und sechsten Jahrhundert richtig zu verstehen, dies schmollende Junkertum nicht vergessen; es vermochte zwar nichts weiter als sich und andere zu aergern, aber dies hat es denn auch nach Vermoegen getan. Einige Jahre nach dem Ogulnischen Gesetz (458 296) kam ein bezeichnender Auftritt dieser Art vor: eine patrizische Frau, welche an einen vornehmen und zu den hoechsten Wuerden der Gemeinde gelangten Plebejer vermaehlt war, wurde dieser Missheirat wegen von dem adligen Damenkreise ausgestossen und zu der gemeinsamen Keuschheitsfeier nicht zugelassen; was denn zur Folge hatte, dass seitdem in Rom eine besondere adlige und eine besondere buergerliche Keuschheitsgoettin verehrt ward. Ohne Zweifel kam es auf Velleitaeten dieser Art sehr wenig an und hat auch der bessere Teil der Geschlechter sich dieser truebseligen Verdriesslichkeitspolitik durchaus enthalten; aber ein Gefuehl des Missbehagens liess sie doch auf beiden Seiten zurueck, und wenn der Kampf der Gemeinde gegen die Geschlechter an sich eine politische und selbst eine sittliche Notwendigkeit war, so haben dagegen diese lange nachzitternden Schwingungen desselben, sowohl die zwecklosen Nachhutgefechte nach der entschiedenen Schlacht als auch die leeren Rang- und Standeszaenkereien, das oeffentliche und private Leben der roemischen Gemeinde ohne Not durchkreuzt und zerruettet.

Indes nichtsdestoweniger ward der eine Zweck des von den beiden Teilen der Plebs im Jahre 387 (367) geschlossenen Kompromisses, die Beseitigung des Patriziats, im wesentlichen vollstaendig erreicht. Es fragt sich weiter, inwiefern dies auch von den beiden positiven Tendenzen desselben gesagt werden kann und ob die neue Ordnung der Dinge in der Tat der sozialen Not gesteuert und die politische Gleichheit hergestellt hat. Beides hing eng miteinander zusammen; denn wenn die oekonomische Bedraengnis den Mittelstand aufzehrte und die Buergerschaft in eine Minderzahl von Reichen und ein notleidendes Proletariat aufloeste, so war die buergerliche Gleichheit damit zugleich vernichtet und das republikanische Gemeinwesen der Sache nach zerstoert. Die Erhaltung und Mehrung des Mittelstandes, namentlich der Bauernschaft, war darum fuer jeden patriotischen Staatsmann Roms nicht bloss eine wichtige, sondern von allen die wichtigste Aufgabe. Die neu zum Regiment berufenen Plebejer aber waren ueberdies noch, da sie zum guten Teil die gewonnenen Rechte dem notleidenden und von ihnen Hilfe erhoffenden Proletariat verdankten, politisch und sittlich besonders verpflichtet, demselben, soweit es ueberhaupt auf diesem Wege moeglich war, durch Regierungsmassregeln zu helfen.

Betrachten wir zunaechst, inwiefern indem hierher gehoerenden Teil der Gesetzgebung von 387 (367) eine ernstliche Abhilfe enthalten war. Dass die Bestimmung zu Gunsten der freien Tageloehner ihren Zweck: der Gross- und Sklavenwirtschaft zu steuern und den freien Proletariern wenigstens einen Teil der Arbeit zu sichern, unmoeglich erreichen konnte, leuchtet ein; aber hier konnte auch die Gesetzgebung nicht helfen, ohne an den Fundamenten der buergerlichen Ordnung jener Zeit in einer Weise zu ruetteln, die ueber den Horizont derselben weit hinausging. In der Domanialfrage dagegen waere es den Gesetzgebern moeglich gewesen, Wandel zu schaffen; aber was geschah, reichte dazu offenbar nicht aus. Indem die neue Domaenenordnung die Betreibung der gemeinen Weide mit schon sehr ansehnlichen Herden und die Okkupation des nicht zur Weide ausgelegten Domanialbesitzes bis zu einem hoch gegriffenen Maximalsatz gestattete, raeumte sie den Vermoegenden einen bedeutenden und vielleicht schon unverhaeltnismaessigen Voranteil an dem Domaenenertrag ein und verlieh durch die letztere Anordnung dem Domanialbesitz, obgleich er rechtlich zehntpflichtig und beliebig widerruflich blieb, sowie dem Okkupationssystem selbst gewissermassen eine gesetzliche Sanktion. Bedenklicher noch war es, dass die neue Gesetzgebung weder die bestehenden, offenbar ungenuegenden Anstalten zur Eintreibung des Hutgeldes und des Zehnten durch wirksamere Zwangsmassregeln ersetzte, noch eine durchgreifende Revision des Domanialbesitzes vorschrieb, noch eine mit der Ausfuehrung der neuen Gesetze beauftragte Behoerde einsetzte. Die Aufteilung des vorhandenen okkupierten Domaniallandesteils unter die Inhaber bis zu einem billigen Maximalsatz, teils unter die eigentumslosen Plebejer, beiden aber zu vollem Eigentum, die Abschaffung des Okkupationssystems fuer die Zukunft und die Niedersetzung einer zu sofortiger Aufteilung kuenftiger neuer Gebietserwerbungen befugten Behoerde waren durch die Verhaeltnisse so deutlich geboten, dass es gewiss nicht Mangel an Einsicht war, wenn diese durchgreifenden Massregeln unterblieben. Man kann nicht umhin, sich daran zu erinnern, dass die plebejische Aristokratie, also eben ein Teil der hinsichtlich der Domanialnutzungen tatsaechlich privilegierten Klasse es war, welche die neue Ordnung vorgeschlagen hatte, und dass einer ihrer Urheber selbst, Gaius Licinius Stolo, unter den ersten wegen Ueberschreitung des Ackermaximum Verurteilten sich befand; und nicht umhin, sich die Frage vorzulegen, ob die Gesetzgeber ganz ehrlich verfahren und nicht vielmehr der wahrhaft gemeinnuetzigen Loesung der leidigen Domanialfrage absichtlich aus dem Wege gegangen sind. Damit soll indes nicht in Abrede gestellt werden, dass die Bestimmungen der Licinischen Gesetze, wie sie nun waren, dem kleinen Bauern und dem Tageloehner wesentlich nuetzen konnten und genuetzt haben. Es muss ferner anerkannt werden, dass in der naechsten Zeit nach Erlassung des Gesetzes die Behoerden ueber die Maximalsaetze desselben wenigstens vergleichungsweise mit Strenge gewacht und die grossen Herdenbesitzer und die Domanialokkupanten oftmals zu schweren Bussen verurteilt haben.

Auch im Steuer- und Kreditwesen wurde in dieser Epoche mit groesserer Energie als zu irgendeiner Zeit vor- oder nachher darauf hingearbeitet, soweit gesetzliche Massregeln reichten, die Schaeden der Volkswirtschaft zu heilen. Die im Jahre 397 (357) verordnete Abgabe von fuenf vom Hundert des Wertes der freizulassenden Sklaven war, abgesehen davon, dass sie der nicht wuenschenswerten Vermehrung der Freigelassenen einen Hemmschuh anlegte, die erste in der Tat auf die Reichen gelegte roemische Steuer. Ebenso suchte man dem Kreditwesen aufzuhelfen. Die Wuchergesetze, die schon die Zwoelf Tafeln aufgestellt hatten, wurden erneuert und allmaehlich geschaerft, sodass das Zinsmaximum sukzessiv von zehn (eingeschaerft im Jahre 397 357) auf fuenf vom Hundert (407 347) fuer das zwoelfmonatliche Jahr ermaessigt und endlich (412 342) das Zinsnehmen ganz verboten ward. Das letztere toerichte Gesetz blieb formell in Kraft; vollzogen aber ward es natuerlich nicht, sondern der spaeter uebliche Zinsfuss von eins vom Hundert fuer den Monat oder zwoelf vom Hundert fuer das buergerliche Gemeinjahr, der nach den Geldverhaeltnissen des Altertums ungefaehr damals sein mochte, was nach den heutigen der Zinsfuss von fuenf oder sechs vom Hundert ist, wird wohl schon in dieser Zeit sich als das Maximum der angemessenen Zinsen festgestellt haben. Fuer hoehere Betraege wird die Einklagung versagt und vielleicht auch die gerichtliche Rueckforderung gestattet worden sein; ueberdies wurden notorische Wucherer nicht selten vor das Volksgericht gezogen und von den Quartieren bereitwillig zu schweren Bussen verurteilt. Wichtiger noch war die Aenderung des Schuldprozesses durch das Poetelische Gesetz (428 oder 441 326 oder 313); es ward dadurch teils jedem Schuldner, der seine Zahlungsfaehigkeit eidlich erhaertete, gestattet, durch Abtretung seines Vermoegens seine persoenliche Freiheit sich zu retten, teils das bisherige kurze Exekutivverfahren bei der Darlehensschuld abgeschafft und festgestellt, dass kein roemischer Buerger anders als auf den Spruch von Geschworenen hin in die Knechtschaft abgefuehrt werden koenne.

Dass alle diese Mittel die bestehenden oekonomischen Missverhaeltnisse wohl hie und da lindern, aber nicht beseitigen konnten, leuchtet ein; den fortdauernden Notstand zeigt die Niedersetzung einer Bankkommission zur Regulierung der Kreditverhaeltnisse und zur Leistung von Vorschuessen aus der Staatskasse im Jahre 402 (352), die Anordnung gesetzlicher Terminzahlungen im Jahre 407 (347) und vor allen Dingen der gefaehrliche Volksaufstand um das Jahr 467 (287), wo das Volk, nachdem es neue Erleichterungen in der Schuldzahlung nicht hatte erreichen koennen, hinaus auf das Ianiculum zog und erst ein rechtzeitiger Angriff der aeusseren Feinde und die in dem Hortensischen Gesetz enthaltenen Zugestaendnisse der Gemeinde den Frieden wiedergaben. Indes ist es sehr ungerecht, wenn man jenen ernstlichen Versuchen, der Verarmung des Mittelstandes zu steuern, ihre Unzulaenglichkeit entgegenhaelt; die Anwendung partialer und palliativer Mittel gegen radikale Leiden fuer nutzlos zu erklaeren, weil sie nur zum Teil helfen, ist zwar eines der Evangelien, das der Einfalt von der Niedertraechtigkeit nie ohne Erfolg gepredigt wird, aber darum nicht minder unverstaendig. Eher liesse sich umgekehrt fragen, ob nicht die schlechte Demagogie sich damals schon dieser Angelegenheit bemaechtigt gehabt und ob es wirklich so gewaltsamer und gefaehrlicher Mittel bedurft habe, wie zum Beispiel die Kuerzung der gezahlten Zinsen am Kapital ist. Unsere Akten reichen nicht aus, um hier ueber Recht und Unrecht zu entscheiden; allein klar genug erkennen wir, dass der ansaessige Mittelstand immer noch in einer bedrohten und bedenklichen oekonomischen Lage sich befand, dass man von oben herab vielfach, aber natuerlich vergeblich sich bemuehte, ihm durch Prohibitivgesetze und Moratorien zu helfen, dass aber das aristokratische Regiment fortdauernd gegen seine eigenen Glieder zu schwach und zu sehr in egoistischen Standesinteressen befangen war, um durch das einzige wirksame Mittel, das der Regierung zu Gebote stand, durch die voellige und rueckhaltlose Beseitigung des Okkupationssystems der Staatslaendereien, dem Mittelstande aufzuhelfen und vor allen Dingen die Regierung von dem Vorwurf zu befreien, dass sie die gedrueckte Lage der Regierten zu ihrem eigenen Vorteil ausbeute.

Eine wirksamere Abhilfe, als die Regierung sie gewaehren wollte oder konnte, brachten den Mittelklassen die politischen Erfolge der roemischen Gemeinde und die allmaehlich sich befestigende Herrschaft der Roemer ueber Italien. Die vielen und grossen Kolonien, die zu deren Sicherung gegruendet werden mussten und von denen die Hauptmasse im fuenften Jahrhundert ausgefuehrt wurde, verschafften dem ackerbauenden Proletariat teils eigene Bauernstellen, teils durch den Abfluss auch den Zurueckgebliebenen Erleichterung daheim. Die Zunahme der indirekten und ausserordentlichen Einnahmen, ueberhaupt die glaenzende Lage der roemischen Finanzen fuehrte nur selten noch die Notwendigkeit herbei, von der Bauernschaft in Form der gezwungenen Anleihe Kontribution zu erheben. War auch der ehemalige Kleinbesitz wahrscheinlich unrettbar verloren, so musste der steigende Durchschnittssatz des roemischen Wohlstandes die bisherigen groesseren Grundbesitzer in Bauern verwandeln und auch insofern dem Mittelstand neue Glieder zufuehren. Die Okkupationen der Vornehmen warfen sich vorwiegend auf die grossen neugewonnenen Landstriche; die Reichtuemer, die durch den Krieg und den Verkehr massenhaft nach Rom stroemten, muessen den Zinsfuss herabgedrueckt haben; die steigende Bevoelkerung der Hauptstadt kam dem Ackerbauer in ganz Latium zugute; ein weises Inkorporationssystem vereinigte eine Anzahl angrenzender, frueher untertaeniger Gemeinden mit der roemischen und verstaerkte dadurch namentlich den Mittelstand; endlich brachten die herrlichen Siege und die gewaltigen Erfolge die Faktionen zum Schweigen, und wenn der Notstand der Bauernschaft auch keineswegs beseitigt, noch weniger seine Quellen verstopft wurden, so leidet es doch keinen Zweifel, dass am Schlusse dieser Periode der roemische Mittelstand im ganzen in einer weit minder gedrueckten Lage sich befand als in dem ersten Jahrhundert nach Vertreibung der Koenige.

Endlich, die buergerliche Gleichheit ward durch die Reform vom Jahre 387 (367) und deren weitere folgerichtige Entwicklung in gewissem Sinne allerdings erreicht oder vielmehr wieder hergestellt. Wie einst, als die Patrizier noch in der Tat die Buergerschaft ausmachten, sie untereinander an Rechten und Pflichten unbedingt gleichgestanden hatten, so gab es jetzt wieder in der erweiterten Buergerschaft dem Gesetze gegenueber keinen willkuerlichen Unterschied. Diejenigen Abstufungen freilich, welche die Verschiedenheiten in Alter, Einsicht, Bildung und Vermoegen in der buergerlichen Gesellschaft mit Notwendigkeit hervorrufen, beherrschten natuerlicherweise auch das Gemeindeleben; allein der Geist der Buergerschaft und die Politik der Regierung wirkten gleichmaessig dahin, diese Scheidung moeglichst wenig hervortreten zu lassen. Das ganze roemische Wesen lief darauf hinaus, die Buerger durchschnittlich zu tuechtigen Maennern heranzubilden, geniale Naturen aber nicht emporkommen zu lassen. Der Bildungsstand der Roemer hielt mit der Machtentwicklung ihrer Gemeinde durchaus nicht Schritt und ward instinktmaessig von oben herab mehr zurueckgehalten als gefoerdert. Dass es Reiche und Arme gab, liess sich nicht verhindern; aber wie in einer rechten Bauerngemeinde fuehrte der Bauer wie der Tageloehner selber den Pflug und galt auch fuer den Reichen die gut wirtschaftliche Regel, gleichmaessig sparsam zu leben und vor allem kein totes Kapital bei sich hinzulegen - ausser dem Salzfass und dem Opferschaelchen sah man Silbergeraet in dieser Zeit in keinem roemischen Hause. Es war das nichts Kleines. Man spuert es an den gewaltigen Erfolgen, welche die roemische Gemeinde in dem Jahrhundert vom letzten Veientischen bis auf den Pyrrhischen Krieg nach aussen hin errang, dass hier das Junkertum der Bauernschaft Platz gemacht hatte, dass der Fall des hochadligen Fabiers nicht mehr und nicht weniger von der ganzen Gemeinde betrauert worden waere als der Fall des plebejischen Deciers von Plebejern und Patriziern betrauert ward, dass auch dem reichsten Junker das Konsulat nicht von selber zufiel und ein armer Bauersmann aus der Sabina, Manius Curius, den Koenig Pyrrhos in der Feldschlacht ueberwinden und aus Italien verjagen konnte, ohne darum aufzuhoeren, einfacher sabinischer Stellbesitzer zu sein und sein Brotkorn selber zu bauen.

Indes darf es ueber dieser imponierenden republikanischen Gleichheit nicht uebersehen werden, dass dieselbe zum guten Teil nur formaler Art war und aus derselben eine sehr entschieden ausgepraegte Aristokratie nicht so sehr hervorging als vielmehr darin von vornherein enthalten war. Schon laengst hatten die reichen und angesehenen nichtpatrizischen Familien von der Menge sich ausgeschieden und im Mitgenuss der senatorischen Rechte, in der Verfolgung einer, von der der Menge unterschiedenen und sehr oft ihr entgegenwirkenden Politik sich mit dem Patriziat verbuendet. Die Licinischen Gesetze hoben die gesetzlichen Unterschiede innerhalb der Aristokratie auf und verwandelten die den gemeinen Mann vom Regiment ausschliessende Schranke aus einem unabaenderlichen Rechts- in ein nicht unuebersteigliches, aber doch schwer zu uebersteigendes tatsaechliches Hindernis. Auf dem einen wie dem anderen Wege kam frisches Blut in den roemischen Herrenstand; aber an sich blieb nach wie vor das Regiment aristokratisch und auch in dieser Hinsicht die roemische eine rechte Bauerngemeinde, in welcher der reiche Vollhufener zwar aeusserlich von dem armen Insten sich wenig unterscheidet und auf gleich und gleich mit ihm verkehrt, aber nichtsdestoweniger die Aristokratie so allmaechtig regiert, dass der Unbemittelte weit eher in der Stadt Buergermeister als in seinem Dorfe Schulze wird. Es war wichtig und segensreich, dass nach der neuen Gesetzgebung auch der aermste Buerger das hoechste Gemeindeamt bekleiden durfte; aber darum war es nichtsdestoweniger nicht bloss eine seltene Ausnahme, dass ein Mann aus den unteren Schichten der Bevoelkerung dazu gelangte ^4, sondern es war wenigstens gegen den Schluss dieser Periode wahrscheinlich schon nur moeglich mittels einer Oppositionswahl. Jedem aristokratischen Regiment tritt von selber eine entsprechende Oppositionspartei gegenueber; und da auch die formelle Gleichstellung der Staende die Aristokratie nur modifizierte und der neue Herrenstand das alte Patriziat nicht bloss beerbte, sondern sich auf denselben pfropfte und aufs innigste mit ihm zusammenwuchs, so blieb auch die Opposition bestehen und tat in allen und jeden Stuecken das gleiche. Da die Zuruecksetzung jetzt nicht mehr die Buergerlichen, sondern den gemeinen Mann traf, so trat die neue Opposition von vornherein auf als Vertreterin der geringen Leute und namentlich der kleinen Bauern; und wie die neue Aristokratie sich an das Patriziat anschloss, so schlangen sich die ersten Regungen dieser neuen Opposition mit den letzten Kaempfen gegen die Patrizierprivilegien zusammen. Die ersten Namen in der Reihe dieser neuen roemischen Volksfuehrer sind Manius Curius (Konsul 464, 479, 480, 290 275, 274; Zensor 481 273) und Gaius Fabricius (Konsul 472, 476, 481, 282, 278, 273; Zensor 479 275), beide ahnenlose und nichtwohlhabende Maenner, beide - gegen das aristokratische Prinzip, die Wiederwahl zu dem hoechsten Gemeindeamt zu beschraenken - jeder dreimal durch die Stimmen der Buergerschaft an die Spitze der Gemeinde gerufen, beide als Tribune, Konsuln und Zensoren Gegner der patrizischen Privilegien und Vertreter des kleinen Bauernstandes gegen die aufkeimende Hoffart der vornehmen Haeuser. Die kuenftigen Parteien zeichnen schon sich vor; aber noch schweigt auf beiden Seiten vor dem Interesse des Gemeinwohls das der Partei. Der adlige Appius Claudius und der Bauer Manius Curius, dazu noch heftige persoenliche Gegner, haben durch klugen Rat und kraeftige Tat den Koenig Pyrrhos gemeinsam ueberwunden; und wenn Gaius Fabricius den aristokratisch gesinnten und aristokratisch lebenden Publius Cornelius Rufinus als Zensor deswegen bestrafte, so hielt ihn dies nicht ab, demselben seiner anerkannten Feldherrntuechtigkeit wegen zum zweiten Konsulat zu verhelfen. Der Riss war wohl schon da; aber noch reichten die Gegner sich ueber ihm die Haende.

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^4 Die Armut der Konsulare dieser Epoche, welche in den moralischen Anekdotenbuechern der spaeteren Zeit eine grosse Rolle spielt, beruht grossenteils auf Missverstaendnis teils des alten sparsamen Wirtschaftens, welches sich recht gut mit ansehnlichem Wohlstand vertraegt, teils der alten schoenen Sitte, verdiente Maenner aus dem Ertrag von Pfennigkollekten zu bestatten, was durchaus keine Armenbeerdigung ist. Auch die autoschediastische Beinamenerklaerung, die so viel Plattheiten in die roemische Geschichte gebracht hat, hat hierzu ihren Beitrag geliefert (Serranus).

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Die Beendigung der Kaempfe zwischen Alt- und Neubuergern, die verschiedenartigen und verhaeltnismaessig erfolgreichen Versuche, dem Mittelstande aufzuhelfen, die inmitten der neugewonnenen buergerlichen Gleichheit bereits hervortretenden Anfaenge der Bildung einer neuen aristokratischen und einer neuen demokratischen Partei sind also dargestellt worden. Es bleibt noch uebrig zu schildern, wie unter diesen Veraenderungen das neue Regiment sich konstituierte, und wie nach der politischen Beseitigung der Adelschaft die drei Elemente des republikanischen Gemeinwesens, Buergerschaft, Magistratur und Senat, gegeneinander sich stellten.

Die Buergerschaft in ihren ordentlichen Versammlungen blieb nach wie vor die hoechste Autoritaet im Gemeinwesen und der legale Souveraen; nur wurde gesetzlich festgestellt, dass, abgesehen von den ein fuer allemal den Zenturien ueberwiesenen Entscheidungen, namentlich den Wahlen der Konsuln und Zensoren, die Abstimmung nach Distrikten ebenso gueltig sein solle wie die nach Zenturien, was fuer die patrizisch-plebejische Versammlung das Valerisch-Horatische Gesetz von 305 (449) einfuehrte und das Publilische von 415 (339) erweiterte, fuer die plebejische Sonderversammlung aber das Hortensische um 467 (287) verordnete. Dass im ganzen dieselben Individuen in beiden Versammlungen stimmberechtigt waren, ist schon hervorgehoben worden, aber auch, dass, abgesehen von dem Ausschluss der Patrizier von der plebejischen Sonderversammlung, auch in der allgemeinen Distriktsversammlung alle Stimmberechtigten durchgaengig sich gleichstanden, in den Zenturiatkomitien aber die Wirksamkeit des Stimmrechts nach dem Vermoegen des Stimmenden sich abstufte, also insofern allerdings die erstere eine nivellierende und demokratische Neuerung war. Von weit groesserer Bedeutung war es, dass gegen das Ende dieser Periode die uralte Bedingung des Stimmrechts, die Ansaessigkeit, zum erstenmal in Frage gestellt zu werden anfing. Appius Claudius, der kuehnste Neuerer, den die roemische Geschichte kennt, legte in seiner Zensur 442 (312), ohne den Senat oder das Volk zu fragen, die Buergerliste so an, dass der nicht grundsaessige Mann in die ihm beliebige Tribus und alsdann nach seinem Vermoegen in die entsprechende Zenturie aufgenommen ward. Allein diese Aenderung griff zu sehr dem Geiste der Zeit vor, um vollstaendig Bestand zu haben. Einer der naechsten Nachfolger des Appius, der beruehmte Besieger der Samniten, Quintus Fabius Rullianus, uebernahm es in seiner Zensur 450 (304) sie zwar nicht ganz zu beseitigen, aber doch in solche Grenzen einzuschliessen, dass den Grundsaessigen und Vermoegenden effektiv die Herrschaft in den Buergerversammlungen blieb. Es wies die nicht grundsaessigen Leute saemtlich in die vier staedtischen Tribus, die jetzt aus den ersten im Range die letzten wurden. Die Landquartiere dagegen, deren Zahl zwischen den Jahren 367 (241) und 513 (387) allmaehlich von siebzehn bis auf einunddreissig stieg, also die von Haus aus bei weitem ueberwiegende und immer mehr das Uebergewicht erhaltende Majoritaet der Stimmabteilungen, wurden den saemtlichen ansaessigen Buergern gesetzlich vorbehalten. In den Zenturien blieb es bei der Gleichstellung der ansaessigen und nichtansaessigen Buerger, wie Appius sie eingefuehrt hatte. Auf diese Weise ward dafuer gesorgt, dass in den Tributkomitien die Ansaessigen ueberwogen, waehrend fuer die Zenturiatkomitien an sich schon die Vermoegenden den Ausschlag gaben. Durch diese weise und gemaessigte Festsetzung eines Mannes, der seiner Kriegstaten wegen wie mehr noch wegen dieser seiner Friedenstat mit Recht den Beinamen des Grossen (Maximus) erhielt, ward einerseits die Wehrpflicht wie billig auch auf die nicht ansaessigen Buerger erstreckt, anderseits dafuer Sorge getragen, dass in der Distriktversammlung ihrem Einfluss, insbesondere dem der meistenteils des Grundbesitzes entbehrenden gewesenen Sklaven, derjenige Riegel vorgeschoben ward, welcher in einem Staat, der Sklaverei zulaesst, ein leider unerlaessliches Beduerfnis ist. Ein eigentuemliches Sittengericht, das allmaehlich an die Schatzung und die Aufnahme der Buergerliste sich anknuepfte, schloss ueberdies aus der Buergerschaft alle notorisch unwuerdigen Individuen aus und wahrte dem Buergertum die sittliche und politische Reinheit.

Die Kompetenz der Komitien zeigt die Tendenz, sich mehr und mehr, aber sehr allmaehlich zu erweitern. Schon die Vermehrung der vom Volk zu waehlenden Magistrate gehoert gewissermassen hierher; bezeichnend ist es besonders, dass seit 392 (362) die Kriegstribune einer Legion, seit 443 (311) je vier in jeder der vier ersten Legionen, nicht mehr vom Feldherrn, sondern von der Buergerschaft ernannt wurden. In die Administration griff waehrend dieser Periode die Buergerschaft im ganzen nicht ein; nur das Recht der Kriegserklaerung wurde von ihr, wie billig, mit Nachdruck festgehalten und namentlich auch fuer den Fall festgestellt, wo ein an Friedens Statt abgeschlossener laengerer Waffenstillstand ablief und zwar nicht rechtlich, aber tatsaechlich ein neuer Krieg begann (327 427). Sonst ward eine Verwaltungsfrage fast nur dann dem Volke vorgelegt, wenn die regierenden Behoerden unter sich in Kollision gerieten und eine derselben die Sache an das Volk brachte - so, als den Fuehrern der gemaessigten Partei unter dem Adel, Lucius Valerius und Marcus Horatius, im Jahre 305 (449) und dem ersten plebejischen Diktator Gaius Marcus Rutilus im Jahre 398 (356) vom Senat die verdienten Triumphe nicht zugestanden wurden; als die Konsuln des Jahres 459 (295) ueber ihre gegenseitige Kompetenz nicht untereinander sich einigen konnten; und als der Senat im Jahre 364 (390) die Auslieferung eines pflichtvergessenen Gesandten an die Gallier beschloss und ein Konsulartribun deswegen an die Gemeinde sich wandte - es war dies der erste Fall, wo ein Senatsbeschluss vom Volke kassiert ward, und schwer hat ihn die Gemeinde gebuesst. Zuweilen gab auch die Regierung in schwierigen Fragen dem Volk die Entscheidung anheim: so zuerst, als Caere, nachdem ihm das Volk den Krieg erklaert hatte, ehe dieser wirklich begann, um Frieden bat (401 353); und spaeter, als der Senat den demuetig von den Samniten erbetenen Frieden ohne weiteres abzuschlagen Bedenken trug (436 318). Erst gegen das Ende dieser Periode finden wir ein bedeutend erweitertes Eingreifen der Distriktversammlung auch in Verwaltungsangelegenheiten, namentlich Befragung derselben bei Friedensschluessen und Buendnissen; es ist wahrscheinlich, dass diese zurueckgeht auf das Hortensische Gesetz von 467 (287).

Indes trotz dieser Erweiterungen der Kompetenz der Buergerversammlungen begann der praktische Einfluss derselben auf die Staatsangelegenheiten vielmehr, namentlich gegen das Ende dieser Epoche, zu schwinden. Vor allem die Ausdehnung der roemischen Grenzen entzog der Urversammlung ihren richtigen Boden. Als Versammlung der Gemeindesaessigen konnte sie frueher recht wohl in genuegender Vollzaehligkeit sich zusammenfinden und recht wohl missen, was sie wollte, auch ohne zu diskutieren; aber die roemische Buergerschaft war jetzt schon weniger Gemeinde als Staat. Dass die zusammen Wohnenden auch miteinander stimmten, brachte allerdings in die roemischen Komitien, wenigstens, wenn nach Quartieren gestimmt ward, einen gewissen inneren Zusammenhang und in die Abstimmung hier und da Energie und Selbstaendigkeit; in der Regel aber waren doch die Komitien in ihrer Zusammensetzung wie in ihrer Entscheidung teils von der Persoenlichkeit des Vorsitzenden und vom Zufall abhaengig, teils den in der Hauptstadt domizilierten Buergern in die Haende gegeben. Es ist daher vollkommen erklaerlich, dass die. Buergerversammlungen, die in den beiden ersten Jahrhunderten. der Republik eine grosse und praktische Wichtigkeit haben, allmaehlich beginnen, ein reines Werkzeug in der Hand des vorsitzenden Beamten zu werden; freilich ein sehr gefaehrliches, da der zum Vorsitz berufenen Beamten so viele waren und jeder Beschluss der Gemeinde galt als der legale Ausdruck des Volkswillens in letzter Instanz. An der Erweiterung aber der verfassungsmaessigen Rechte der Buergerschaft war insofern nicht viel gelegen, als diese weniger als frueher eines eigenen Wollens und Handelns faehig war, und als es eine eigentliche Demagogie in Rom noch nicht gab - haette eine solche damals bestanden, so wuerde sie versucht haben, nicht die Kompetenz der Buergerschaft zu erweitern, sondern die politische Debatte vor der Buergerschaft zu entfesseln, waehrend es doch bei den alten Satzungen, dass nur der Magistrat die Buerger zur Versammlung zu berufen und dass er jede Debatte und jede Amendementsstellung auszuschliessen befugt sei, unveraendert sein Bewenden hatte. Zur Zeit machte sich diese beginnende Zerruettung der Verfassung hauptsaechlich nur insofern geltend, als die Urversammlungen sich wesentlich passiv verhielten und im ganzen in das Regiment weder foerdernd noch stoerend eingriffen.

Was die Beamtengewalt anlangt, so war deren Schmaelerung nicht gerade das Ziel der zwischen Alt- und Neubuergern gefuehrten Kaempfe, wohl aber eine ihrer wichtigsten Folgen. Bei dem Beginn der staendischen Kaempfe, das heisst des Streites um den Besitz der konsularischen Gewalt, war das Konsulat noch die einige und unteilbare wesentliche koenigliche Amtsgewalt gewesen und hatte der Konsul wie ehemals der Koenig noch alle Unterbeamten nach eigener freier Wahl bestellt; an Ende desselben waren die wichtigsten Befugnisse: Gerichtsbarkeit, Strassenpolizei, Senatoren- und Ritterwahl, Schatzung und Kassenverwaltung von dem Konsulat getrennt und an Beamte uebergegangen, die gleich dem Konsul von der Gemeinde ernannt wurden und weit mehr neben als unter ihm standen. Das Konsulat, sonst das einzige ordentliche Gemeindeamt, war jetzt nicht mehr einmal unbedingt das erste: in der neu sich feststellenden Rang- und gewoehnlichen Reihenfolge der Gemeindeaemter stand das Konsulat zwar ueber Praetur, Aedilitaet und Quaestur, aber unter dem Einschaetzungsamt, an das ausser den wichtigsten finanziellen Geschaeften die Feststellung der Buerger-, Ritter- und Senatorenliste und damit eine durchaus willkuerliche sittliche Kontrolle ueber die gesamte Gemeinde und jeden einzelnen, geringsten wie vornehmsten Buerger gekommen war. Der dem urspruenglichen roemischen Staatsrecht mit dem Begriff des Oberamts unvereinbar erscheinende Begriff der begrenzten Beamtengewalt oder der Kompetenz brach allmaehlich sich Bahn und zerfetzte und zerstoerte den aelteren des einen und unteilbaren Imperium. Einen Anfang dazu machte schon die Einsetzung der staendigen Nebenaemter, namentlich der Quaestur; vollstaendig durchgefuehrt ward sie durch die Licinischen Gesetze (387 367), welche von den drei hoechsten Beamten der Gemeinde die ersten beiden fuer Verwaltung und Kriegfuehrung, den dritten fuer die Gerichtsleitung bestimmten. Aber man blieb hierbei nicht stehen. Die Konsuln, obwohl sie rechtlich durchaus und ueberall konkurrierten, teilten doch natuerlich seit aeltester Zeit tatsaechlich die verschiedenen Geschaeftskreise (provinciae) unter sich. Urspruenglich war dies lediglich durch freie Vereinbarung oder in deren Ermangelung durch Losung geschehen; allmaehlich aber griffen die anderen konstitutiven Gewalten im Gemeinwesen in diese faktischen Kompetenzbestimmungen ein. Es ward ueblich, dass der Senat Jahr fuer Jahr die Geschaeftskreise abgrenzte und sie zwar nicht geradezu unter die konkurrierenden Beamten verteilte, aber doch durch Ratschlag und Bitte auch auf die Personenfragen entscheidend einwirkte. Aeussersten Falls erlangte der Senat auch wohl einen Gemeindebeschluss, der die Kompetenzfrage definitiv entschied; doch hat die Regierung diesen bedenklichen Ausweg nur sehr selten angewandt. Ferner wurden die wichtigsten Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Friedensschluesse, den Konsuln entzogen und dieselben genoetigt, hierbei an den Senat zu rekurrieren und nach dessen Instruktion zu verfahren. Fuer den aeussersten Fall endlich konnte der Senat jederzeit die Konsuln vom Amt suspendieren, indem nach einer nie rechtlich festgestellten und nie tatsaechlich verletzten Uebung der Eintritt der Diktatur lediglich von dem Beschluss des Senats abhing und die Bestimmung der zu ernennenden Person, obwohl verfassungsmaessig bei dem ernennenden Konsul, doch der Sache nach in der Regel bei dem Senat stand.

Laenger als in dem Konsulat blieb in der Diktatur die alte Einheit und Rechtsfuelle des Imperium enthalten; obwohl sie natuerlich als ausserordentliche Magistratur der Sache nach von Haus aus eine Spezialkompetenz hatte, gab es doch rechtlich eine solche fuer den Diktator noch weit weniger als fuer den Konsul. Indes auch sie ergriff allmaehlich der neu in das roemische Rechtsleben eintretende Kompetenzbegriff. Zuerst 391 (363) begegnet ein aus theologischem Skrupel ausdruecklich bloss zur Vollziehung einer religioesen Zeremonie ernannter Diktator; und wenn dieser selbst noch, ohne Zweifel formell verfassungsmaessig, die ihm gesetzte Kompetenz als nichtig behandelte und ihr zum Trotz den Heerbefehl uebernahm, so wiederholte bei den spaeteren, gleichartig beschraenkten Ernennungen, die zuerst 403 (351) und seitdem sehr haeufig begegnen, diese Opposition der Magistratur sich nicht, sondern auch die Diktatoren erachteten fortan durch ihre Spezialkompetenzen sich gebunden.

Endlich lagen in dem 412 (342) erlassenen Verbot der Kumulierung ordentlicher kurulischer Aemter und in der gleichzeitigen Vorschrift, dass derselbe Mann dasselbe Amt in der Regel nicht vor Ablauf einer zehnjaehrigen Zwischenzeit solle verwalten koennen, sowie in der spaeteren Bestimmung, dass das tatsaechlich hoechste Amt, die Zensur, ueberhaupt nicht zum zweitenmal bekleidet werden duerfe (489 265), weitere sehr empfindliche Beschraenkungen der Magistratur. Doch war die Regierung noch stark genug, um ihre Werkzeuge nicht zu fuerchten und darum eben die brauchbarsten absichtlich ungenutzt zu lassen; tapfere Offiziere wurden sehr haeufig von jenen Vorschriften entbunden ^5, und es kamen noch Faelle vor, wie der des Quintus Fabius Rullianus, der in achtundzwanzig Jahren fuenfmal Konsul war, und des Marcus Valerius Corvus (384-483 370-271), welcher, nachdem er sechs Konsulate, das erste im dreiundzwanzigsten, das letzte im zweiundsiebzigsten Jahre, verwaltet und drei Menschenalter hindurch der Hort der Landsleute und der Schrecken der Feinde gewesen war, hundertjaehrig zur Grube fuhr.

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^5 Wer die Konsularverzeichnisse vor und nach 412 (342) vergleicht, wird an der Existenz des oben erwaehnten Gesetzes ueber die Wiederwahl zum Konsulat nicht zweifeln; denn so gewoehnlich vor diesem Jahr die Wiederbekleidung des Amtes besonders nach drei bis vier Jahren ist, so haeufig sind nachher die Zwischenraeume von zehn Jahren und darueber. Doch finden sich, namentlich waehrend der schweren Kriegsjahre 434-443 (320-311), Ausnahmen in sehr grosser Zahl. Streng hielt man dagegen an der Unzulaessigkeit der Aemterkumulierung. Es findet sich kein sicheres Beispiel der Verbindung zweier der drei ordentlichen kurulischen (Liv. 39, 39, 4) Aemter (Konsulat, Praetur, kurulische Aedilitaet), wohl aber von anderen Kumulierungen, zum Beispiel der kurulischen Aedilitaet und des Reiterfuehreramts (Liv. 23 24, 30); der Praetur und der Zensur (Fast. Capitol. a 501); der Praetur und der Diktatur (Liv. 8, 12); des Konsulats und der Diktatur (Liv. 8, 12).

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Waehrend also der roemische Beamte immer vollstaendiger und immer bestimmter aus dem unbeschraenkten Herrn in den gebundenen Auftragnehmer und Geschaeftsfuehrer der Gemeinde sich umwandelte, unterlag die alte Gegenmagistratur, das Volkstribunat, gleichzeitig einer gleichartigen mehr innerlichen als aeusserlichen Umgestaltung. Dasselbe diente im Gemeinwesen zu einem doppelten Zweck. Es war von Haus aus bestimmt gewesen, den Geringen und Schwachen. durch eine gewissermassen revolutionaere Hilfsleistung (auxilium) gegen den gewalttaetigen Uebermut der Beamten zu schuetzen; es war spaeterhin gebraucht worden, um die rechtliche Zuruecksetzung der Buergerlichen und die Privilegien des Geschlechtsadels zu beseitigen. Letzteres war erreicht. Der urspruengliche Zweck war nicht bloss an sich mehr ein demokratisches Ideal als eine politische Moeglichkeit, sondern auch der plebejischen Aristokratie, in deren Haenden das Tribunat sich befinden musste und befand, vollkommen ebenso verhasst und mit der neuen, aus der Ausgleichung der Staende hervorgegangenen, womoeglich noch entschiedener als die bisherige aristokratisch gefaerbten, Gemeindeordnung vollkommen ebenso unvertraeglich, wie es dem Geschlechtsadel verhasst und mit der patrizischen Konsularverfassung unvertraeglich gewesen war. Aber anstatt das Tribunat abzuschaffen, zog man vor, es aus einem Ruestzeug der Opposition in ein Regierungsorgan umzuschaffen und zog die Volkstribune, die von Haus aus von aller Teilnahme an der Verwaltung ausgeschlossen und weder Beamte noch Mitglieder des Senats waren, jetzt hinein in den Kreis der regierenden Behoerden. Wenn sie in der Gerichtsbarkeit von Anfang an den Konsuln gleichstanden und schon in den ersten Stadien der staendischen Kaempfe gleich diesen die legislatorische Initiative erwarben, so empfingen sie jetzt auch, wir wissen nicht genau wann, aber vermutlich bei oder bald nach der schliesslichen Ausgleichung der Staende, gleiche Stellung mit den Konsuln gegenueber der tatsaechlich regierenden Behoerde, dem Senate. Bisher hatten sie, auf einer Bank an der Tuer sitzend, der Senatsverhandlung beigewohnt, jetzt erhielten sie gleich und neben den uebrigen Beamten ihren Platz im Senate selbst und das Recht, bei der Verhandlung das Wort zu ergreifen; wenn ihnen das Stimmrecht versagt blieb, so war dies nur eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des roemischen Staatsrechts, dass den Rat nur gab, wer zur Tat nicht berufen war und also saemtlichen funktionierenden Beamten waehrend ihres Amtsjahrs nur Sitz, nicht Stimme im Gemeinderat zukam. Aber es blieb hierbei nicht. Die Tribune empfingen das unterscheidende Vorrecht der hoechsten Magistratur, das sonst von den ordentlichen Beamten nur den Konsuln und Praetoren zustand: das Recht, den Senat zu versammeln, zu befragen und einen Beschluss desselben zu bewirken ^6. Es war das nur in der Ordnung: die Haeupter der plebejischen Aristokratie mussten denen der patrizischen im Senate gleichgestellt werden, seit das Regiment von dem Gesellschaftsadel uebergegangen war auf die vereinigte Aristokratie. Indem dieses urspruenglich von aller Teilnahme an der Staatsverwaltung ausgeschlossene Oppositionskollegium jetzt, namentlich fuer die eigentlich staedtischen Angelegenheiten, eine zweite hoechste Exekutivstelle ward und eines der gewoehnlichsten und brauchbarsten Organe der Regierung, dass heisst des Senats, um die Buergerschaft zu lenken und vor allem um Ausschreitungen der Beamten zu hemmen, wurde es allerdings seinem urspruenglichen Wesen nach absorbiert und politisch vernichtet; indes war dieses Verfahren in der Tat durch die Notwendigkeit geboten. Wie klar auch die Maengel der roemischen Aristokratie zutage liegen und wie entschieden das stetige Wachsen der aristokratischen Uebermacht mit der tatsaechlichen Beseitigung des Tribunats zusammenhaengt, so kann doch nicht verkannt werden, dass auf die Laenge sich nicht mit einer Behoerde regieren liess, welche nicht bloss zwecklos war und fast auf die Hinhaltung des leidenden Proletariats durch truegerische Hilfsvorspiegelung berechnet, sondern zugleich entschieden revolutionaer und im Besitz einer eigentlich anarchischen Befugnis der Hemmung der Beamten-, ja der Staatsgewalt selbst. Aber der Glaube an das Ideale, in dem alle Macht wie alle Ohnmacht der Demokratie begruendet ist, hatte in den Gemuetern der Roemer aufs engste an das Gemeindetribunat sich geheftet, und man braucht nicht erst an Cola Rienzi zu erinnern, um einzusehen, dass dasselbe, wie wesenlos immer der daraus fuer die Menge entspringende Vorteil war, ohne eine furchtbare Staatsumwaelzung nicht beseitigt werden konnte. Darum begnuegte man sich mit echt buergerlicher Staatsklugheit, in den moeglichst wenig in die Augen fallenden Formen die Sache zu vernichten. Der blosse Name dieser ihrem innersten Kern nach revolutionaeren Magistratur blieb immer noch innerhalb des aristokratisch regierten Gemeinwesens gegenwaertig ein Widerspruch und fuer die Zukunft, in den Haenden einer dereinstigen Umsturzpartei, eine schneidende und gefaehrliche Waffe; indes fuer jetzt und noch auf lange hinaus war die Aristokratie so unbedingt maechtig und so vollstaendig im Besitz des Tribunats, dass von einer kollegialischen Opposition der Tribune gegen den Senat schlechterdings keine Spur sich findet und die Regierung der etwa vorkommenden verlorenen oppositionellen Regungen einzelner solcher Beamten immer ohne Muehe und in der Regel durch das Tribunat selbst Herr ward.

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^6 Daher werden die fuer den Senat bestimmten Depeschen adressiert an Konsuln, Praetoren, Volkstribune und Senat (Cic. ad fam. 15, 2 und sonst).

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In der Tat war es der Senat, der die Gemeinde regierte, und fast ohne Widerstand seit der Ausgleichung der Staende. Seine Zusammensetzung selbst war eine andere geworden. Das freie Schalten der Oberbeamten, wie es nach Beseitigung der alten Geschlechtervertretung in dieser Hinsicht stattgefunden hatte, hatte schon mit der Abschaffung der lebenslaenglichen Gemeindevorstandschaft sehr wesentliche Beschraenkungen erfahren.

Ein weiterer Schritt zur Emanzipation des Senats von der Beamtengewalt erfolgte durch den Uebergang der Feststellung dieser Listen von den hoechsten Gemeindebeamten auf eine Unterbehoerde, von den Konsuln auf die Zensoren. Allerdings wurde, sei es gleich damals oder bald nachher, auch das Recht des mit der Anfertigung der Liste beauftragten Beamten, einzelne Senatoren wegen eines ihnen anhaftenden Makels aus derselben wegzulassen und somit aus dem Senat auszuschliessen, wo nicht eingefuehrt, doch wenigstens schaerfer formuliert ^7 und somit jenes eigentuemliche Sittengericht begruendet, auf dem das hohe Ansehen der Zensoren vornehmlich beruht. Allein derartige Ruegen konnten, da zumal beide Zensoren darueber einig sein mussten, wohl dazu dienen, einzelne der Versammlung nicht zur Ehre gereichende oder dem in ihr herrschenden Geist feindliche Persoenlichkeiten zu entfernen, nicht aber sie selbst in Abhaengigkeit von der Magistratur versetzen.

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^7 Diese Befugnis sowie die aehnlichen hinsichtlich der Ritter- und der Buergerliste waren wohl nicht foermlich und gesetzlich den Zensoren beigelegt, lagen aber tatsaechlich von jeher in ihrer Kompetenz. Das Buergerrecht vergibt die Gemeinde, nicht der Zensor aber wem dieser in dem Verzeichnis der Stimmberechtigten keine oder eine schlechtere Stelle anweist, der verliert das Buergerrecht nicht, kann aber die buergerlichen Befugnisse nicht oder nur an dem geringeren Platz ausueben bis zur Anfertigung einer neuen Liste. Ebenso verhaelt es sich mit dem Senat: wen der Zensor in seiner Liste auslaesst, der scheidet aus demselben, solange die betreffende Liste gueltig bleibt - es kommt vor, dass der vorsitzende Beamte sie verwirft und die aeltere Liste wieder in Kraft setzt. Offenbar kam also in dieser Hinsicht es nicht so sehr darauf an, was den Zensoren gesetzlich freistand, sondern was bei denjenigen Beamten, welche nach ihren Listen zu laden hatten, ihre Autoritaet vermochte. Daher begreift man, wie diese Befugnis allmaehlich stieg und wie mit der steigenden Konsolidierung der Nobilitaet dergleichen Streichungen gleichsam die Form richterlicher Entscheidungen annahmen und gleichsam als solche respektiert wurden. Hinsichtlich der Feststellung der Senatsliste hat freilich auch ohne Zweifel die Bestimmung des Ovinischen Plebiszits wesentlich mitgewirkt, dass die Zensoren “aus allen Rangklassen die Besten” in den Senat nehmen sollten.

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Entscheidend aber beschraenkte das Ovinische Gesetz, welches etwa um die Mitte dieser Periode, wahrscheinlich bald nach den Licinischen Gesetzen durchgegangen ist, das Recht der Beamten, den Senat nach ihrem Ermessen zu konstituieren, indem es demjenigen, der kurulischer Aedil, Praetor oder Konsul gewesen war, sofort vorlaeufig Sitz und Stimme im Senat verlieh und die naechst eintretenden Zensoren verpflichtete, diese Expektanten entweder foermlich in die Senatorenliste einzuzeichnen oder doch nur aus denjenigen Gruenden, welche auch zur Ausstossung des wirklichen Senators genuegten, von der Liste auszuschliessen. Freilich reichte die Zahl dieser gewesenen Magistrate bei weitem nicht aus, um den Senat auf der normalen Zahl von dreihundert zu halten; und unter dieselbe durfte man, besonders da die Senatoren- zugleich Geschworenenliste war, ihn nicht herabgehen lassen. So blieb dem zensorischen Wahlrecht immer noch ein bedeutender Spielraum; indes nahmen diese, nicht durch die Bekleidung eines Amtes, sondern durch die zensorische Wahl erkiesten Senatoren - haeufig diejenigen Buerger, die ein nicht kurulisches Gemeindeamt verwaltet oder durch persoenliche Tapferkeit sich hervorgetan, einen Feind im Gefecht getoetet oder einem Buerger das Leben gerettet hatten - zwar an der Abstimmung, aber nicht an der Debatte teil. Der Kern des Senats und derjenige Teil desselben, in dem Regierung und Verwaltung sich konzentriert, ruhte also nach dem Ovinischen Gesetz im wesentlichen nicht mehr auf der Willkuer eines Beamten, sondern mittelbar auf der Wahl durch das Volk; und die roemische Gemeinde war auf diesem Wege zwar nicht zu der grossen Institution der Neuzeit, dem repraesentativen Volksregimente, aber wohl dieser Institution nahe gekommen, waehrend die Gesamtheit der nicht debattierenden Senatoren gewaehrte, was bei regierenden Kollegien so notwendig wie schwierig herzustellen ist, eine kompakte Masse urteilsfaehiger und urteilsberechtiger, aber schweigender Mitglieder.

Die Kompetenz des Senats wurde formell kaum veraendert. Der Senat huetete sich wohl, durch unpopulaere Verfassungsaenderungen oder offenbare Verfassungsverletzungen der Opposition und der Ambition Handhaben darzubieten; er liess es sogar geschehen, wenn er es auch nicht foerderte, dass die Buergerschaftskompetenz im demokratischen Sinne ausgedehnt ward. Aber wenn die Buergerschaft den Schein, so erwarb der Senat das Wesen der Macht: einen bestimmenden Einfluss auf die Gesetzgebung und die Beamtenwahlen und das gesamte Gemeinderegiment.

Jeder neue Gesetzvorschlag ward zunaechst im Senat vorberaten, und kaum wagte es je ein Beamter, ohne oder wider das Gutachten des Senats einen Antrag an die Gemeinde zu stellen; geschah es dennoch, so hatte der Senat durch die Beamteninterzession und die priesterliche Kassation eine lange Reihe von Mitteln in der Hand, um jeden unbequemen Antrag im Keime zu ersticken oder nachtraeglich zu beseitigen; und im aeussersten Fall hatte er als oberste Verwaltungsbehoerde mit der Ausfuehrung auch die Nichtausfuehrung der Gemeindebeschluesse in der Hand. Es nahm der Senat ferner unter stillschweigender Zustimmung der Gemeinde das Recht in Anspruch, in dringenden Faellen unter Vorbehalt der Ratifikation durch Buergerschaftsbeschluss, von den Gesetzen zu entbinden - ein Vorbehalt, der von Haus aus nicht viel bedeutete und allmaehlich so vollstaendig zur Formalitaet ward, dass man in spaeterer Zeit sich nicht einmal mehr die Muehe gab, den ratifizierenden Gemeindebeschluss zu beantragen.

Was die Wahlen anlangt, so gingen sie, soweit sie den Beamten zustanden und von politischer Wichtigkeit waren, tatsaechlich ueber auf den Senat; auf diesem Wege erwarb derselbe, wie schon gesagt ward, das Recht, den Diktator zu bestellen. Groessere Ruecksicht masste allerdings auf die Gemeinde genommen werden: es konnte ihr das Recht nicht entzogen werden, die Gemeindeaemter zu vergeben; doch ward, wie gleichfalls schon bemerkt wurde, sorgfaeltig darueber gewacht, dass diese Beamtenwahl nicht etwa in die Vergebung bestimmter Kompetenzen, namentlich nicht der Oberfeldherrnstellen in bevorstehenden Kriegen, uebergehe. Ueberdies brachte teils der neu eingefuehrte Kompetenzbegriff, teils das dem Senat tatsaechlich zugestandene Recht, von den Gesetzen zu entbinden, einen wichtigen Teil der Aemterbesetzung in die Haende des Senats. Von dem Einfluss, den der Senat auf die Feststellung der Geschaeftskreise namentlich der Konsuln ausuebte, ist schon die Rede gewesen. Von dem Dispensationsrecht war eine der wichtigsten Anwendungen die Entbindung des Beamten von der gesetzlichen Befristung seines Amtes, welche zwar, als den Grundgesetzen der Gemeinde zuwider, nach roemischen Staatsrecht in dem eigentlichen Stadtbezirk nicht vorkommen durfte, aber ausserhalb desselben wenigstens insoweit galt, als der Konsul und Praetor, dem die Frist verlaengert war, nach Ablauf derselben fortfuhr, “an Konsul” oder “Praetor Statt” (pro consule, pro praetore) zu fungieren. Natuerlich stand dies wichtige, dem Ernennungsrecht wesentlich gleichstehende Recht der Fristerstreckung gesetzlich allein der Gemeinde zu und ward anfaenglich auch faktisch von ihr gehandhabt; aber doch wurde schon 447 (307) und seitdem regelmaessig den Oberfeldherren das Kommando durch blossen Senatsbeschluss verlaengert. Dazu kam endlich der uebermaechtige und klug vereinigte Einfluss der Aristokratie auf die Wahlen, welcher dieselben nicht immer, aber in der Regel auf die der Regierung genehmen Kandidaten lenkte.

Was schliesslich die Verwaltung anlangt, so hing Krieg, Frieden und Buendnis, Kolonialgruendung, Ackerassignation, Bauwesen, ueberhaupt jede Angelegenheit von dauernder und durchgreifender Wichtigkeit, und namentlich das gesamte Finanzwesen lediglich ab von dem Senat. Er war es, der Jahr fuer Jahr den Beamten in der Feststellung ihrer Geschaeftskreise und in der Limitierung der einem jeden zur Verfuegung zu stellenden Truppen und Gelder die allgemeine Instruktion gab, und an ihn ward von allen Seiten in allen wichtigen Faellen rekurriert: keinem Beamten, mit Ausnahme des Konsuls, und keinem Privaten durften die Vorsteher der Staatskasse Zahlung anders leisten als nach vorgaengigem Senatsbeschluss. Nur in die Besorgung der laufenden Angelegenheiten und in die richterliche und militaerische Spezialverwaltung mischte das hoechste Regierungskollegium sich nicht ein; es war zu viel politischer Sinn und Takt in der roemischen Aristokratie, um die Leitung des Gemeinwesens in eine Bevormundung des einzelnen Beamten und das Werkzeug in eine Maschine verwandeln zu wollen.

Dass dies neue Regiment des Senats bei aller Schonung der bestehenden Formen eine vollstaendige Umwaelzung des alten Gemeinwesens in sich schloss, leuchtet ein; dass die freie Taetigkeit der Buergerschaft stockte und erstarrte und die Beamten zu Sitzungspraesidenten und ausfuehrenden Kommissarien herabsanken, dass ein durchaus nur beratendes Kollegium die Erbschaft beider verfassungsmaessiger Gewalten tat und, wenn auch in den bescheidensten Formen, die Zentralregierung der Gemeinde ward, war revolutionaer und usurpatorisch. Indes wenn jede Revolution und jede Usurpation durch die ausschliessliche Faehigkeit zum Regimente vor dem Richterstuhl der Geschichte gerechtfertigt erscheint, so muss auch ihr strenges Urteil es anerkennen, dass diese Koerperschaft ihre grosse Aufgabe zeitig begriffen und wuerdig erfuellt hat. Berufen nicht durch den eitlen Zufall der Geburt, sondern wesentlich durch die freie Wahl der Nation; bestaetigt von vier zu vier Jahren durch das strenge Sittengericht der wuerdigsten Maenner; auf Lebenszeit im Amte und nicht abhaengig von dem Ablauf des Mandats oder von der schwankenden Meinung des Volkes; in sich einig und geschlossen seit der Ausgleichung der Staende; alles in sich schliessend, was das Volk besass von politischer Intelligenz und praktischer Staatskunde; unumschraenkt verfuegend in allen finanziellen Fragen und in der Leitung der auswaertigen Politik; die Exekutive vollkommen beherrschend durch deren kurze Dauer und durch die dem Senat nach der Beseitigung des staendischen Haders dienstbar gewordene tribunizische Interzession, war der roemische Senat der edelste Ausdruck der Nation und in Konsequenz und Staatsklugheit, in Einigkeit und Vaterlandsliebe, in Machtfuelle und sicherem Mut die erste politische Koerperschaft aller Zeiten - auch jetzt noch “eine Versammlung von Koenigen”, die es verstand, mit republikanischer Hingebung despotische Energie zu verbinden. Nie ist ein Staat nach aussen fester und wuerdiger vertreten worden als Rom in seiner guten Zeit durch seinen Senat. In der inneren Verwaltung ist es allerdings nicht zu verkennen, dass die im Senat vorzugsweise vertretene Geld- und Grundaristokratie in den ihre Sonderinteressen betreffenden Angelegenheiten parteiisch verfuhr und dass die Klugheit und die Energie der Koerperschaft hier haeufig von ihr nicht zum Heil des Staates gebraucht worden sind. Indes der grosse, in schweren Kaempfen festgestellte Grundsatz, dass jeder roemische Buerger gleich vor dem Gesetz sei in Rechten und Pflichten, und die daraus sich ergebende Eroeffnung der politischen Laufbahn, das heisst des Eintritts in den Senat fuer jedermann, erhielten neben dem Glanz der militaerischen und politischen Erfolge die staatliche und nationale Eintracht und nahmen dem Unterschied der Staende jene Erbitterung und Gehaessigkeit, die den Kampf der Patrizier und Plebejer bezeichnen; und da die glueckliche Wendung der aeusseren Politik es mit sich brachte, dass laenger als ein Jahrhundert die Reichen Spielraum fuer sich fanden, ohne den Mittelstand unterdruecken zu muessen, so hat das roemische Volk in seinem Senat laengere Zeit, als es einem Volke verstattet zu sein pflegt, das grossartigste aller Menschenwerke durchzufuehren vermocht, eine weise und glueckliche Selbstregierung.

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