KAPITEL XIV. Literatur und Kunst

Die roemische Literatur beruht auf ganz eigentuemlichen, in dieser Art kaum bei einer anderen Nation wiederkehrenden Anregungen. Um sie richtig zu wuerdigen, ist es notwendig, zuvoerderst den Volksunterricht und die Volksbelustigungen dieser Zeit ins Auge zu fassen.

Alle geistige Bildung geht aus von der Sprache; und es gilt dies vor allem fuer Rom. In einer Gemeinde, wo die Rede und die Urkunde so viel bedeutete, wo der Buerger in einem Alter, in welchem man nach heutigen Begriffen noch Knabe ist, bereits ein Vermoegen zu unbeschraenkter Verwaltung ueberkam und in den Fall kommen konnte, vor der versammelten Gemeinde Standreden halten zu muessen, hat man nicht bloss auf den freien und feinen Gebrauch der Muttersprache von jeher grossen Wert gelegt, sondern auch frueh sich bemueht, denselben in den Knabenjahren sich anzueignen. Auch die griechische Sprache war bereits in der hannibalischen Zeit in Italien allgemein verbreitet. In den hoeheren Kreisen war die Kunde der allgemein vermittelnden Sprache der alten Zivilisation laengst haeufig gewesen und jetzt, bei dem durch die veraenderte Weltstellung ungeheuer gesteigerten roemischen Verkehr mit Auslaendern und im Auslande, dem Kaufmann wie dem Staatsmann wo nicht notwendig, doch vermutlich schon sehr wesentlich. Durch die italische Sklaven- und Freigelassenschaft aber, die zu einem sehr grossen Teil aus geborenen Griechen oder Halbgriechen bestand, drang griechische Sprache und griechisches Wissen bis zu einem gewissen Grade ein auch in die unteren Schichten namentlich der hauptstaedtischen Bevoelkerung. Aus den Lustspielen dieser Zeit kann man sich ueberzeugen, dass eben der nicht vornehmen hauptstaedtischen Menge ein Latein mundgerecht war, welches zum rechten Verstaendnis das Griechische so notwendig voraussetzt wie Sternes Englisch und Wielands Deutsch das Franzoesische ^1. Die Maenner der senatorischen Familien aber redeten nicht bloss griechisch vor einem griechischen Publikum, sondern machten auch diese Reden bekannt - so Tiberius Gracchus (Konsul 577, 591 177,163) eine von ihm auf Rhodos gehaltene - und schrieben in der hannibalischen Zeit ihre Chroniken griechisch, von welcher Schriftstellerei spaeter noch zu sprechen sein wird. Einzelne gingen noch weiter. Den Flamininus ehrten die Griechen durch Huldigungen in roemischer Sprache; aber auch er erwiderte das Kompliment: der “grosse Feldherr der Aeneiaden” brachte den griechischen Goettern nach griechischer Sitte mit griechischen Distichen seine Weihgeschenke dar ^2. Einem anderen Senator rueckte Cato es vor, dass er bei griechischen Trinkgelagen griechische Rezitative mit der gehoerigen Modulation vorzutragen sich nicht geschaemt habe.

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^1 Ein bestimmter Kreis griechischer Ausdruecke, wie stratioticus, machaera, nauclerus, trapezita, danista, drapeta, oenopolium, bolus, malacus, morus, graphicus, logus, apologus, techna, schema, gehoert durchaus zum Charakter der Plautinischen Sprache; Uebersetzungen werden selten dazu gefuegt und nur bei Woertern, die ausserhalb des durch jene Anfuehrungen bezeichneten Ideenkreises stehen, wie zum Beispiel es im ‘Wilden’ (1, 1, 60), freilich in einem vielleicht erst spaeter eingefuegten Verse heisst: φρόνησις est sapientia [Edelmut ist Weisheit]. Auch griechische Brocken sind gemein, zum Beispiel in der ‘Casina’ (3, 6, 9):

πράγματά μοι παρέχεις - Dabo μέγα κακόν, ut opinor;

ebenso griechische Wortspiele, zum Beispiel in ‘Die beiden Bacchis’ (240):

opus est chryso Chrysalo;

wie denn auch Ennius die etymologische Bedeutung von Alexandros, Andromache als den Zuschauern bekannt voraussetzt (Varro ling. 7, 82). Am bezeichnendsten sind die halbgriechischen Bildungen wie ferritribax, plagipatida, pugilice oder im ‘Bramarbas’ (213):

euge! euscheme hercle astitit sic dulice et comoedice!

Ei die Tenuere! Holla, seht mir den Farceur da, den Akteur!

^2 Eines dieser im Namen des Flamininus gedichteten Epigramme lautet also: Dioskuren, o hoert, ihr freudigen Tummler der Rosse!

Knaben des Zeus, o hoert, Spartas tyndarische Herrn!

Titus der Aeneiade verehrt euch die herrliche Gabe,

Als Freiheit verliehn er dem hellenischen Stamm.

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Unter dem Einfluss dieser Verhaeltnisse entwickelte sich der roemische Unterricht. Es ist ein Vorurteil, dass in der allgemeinen Verbreitung der elementaren Kenntnisse das Altertum hinter unserer Zeit wesentlich zurueckgestanden habe. Auch unter den niederen Klassen und den Sklaven wurde viel gelesen, geschrieben und gerechnet; bei dem Wirtschaftersklaven zum Beispiel setzt Cato nach Magos Vorgang die Faehigkeit zu lesen und zu schreiben voraus. Der Elementarunterricht sowie der Unterricht im Griechischen muessen lange vor dieser Zeit in sehr ausgedehntem Umfang in Rom erteilt worden sein. Dieser Epoche aber gehoeren die Anfaenge eines Unterrichts an, der statt einer bloss aeusserlichen Abrichtung eine wirkliche Geistesbildung bezweckt. Bisher hatte in Rom die Kenntnis des Griechischen im buergerlichen und geselligen Leben so wenig einen Vorzug gegeben, wie etwa heutzutage in einem Dorfe der deutschen Schweiz die Kenntnis des Franzoesischen ihn gibt; und die aeltesten Schreiber griechischer Chroniken mochten unter den uebrigen Senatoren stehen wie in den holsteinischen Marschen der Bauer, welcher studiert hat und des Abends, wenn er vom Pfluge nach Hause kommt, den Virgilius vom Schranke nimmt. Wer mit seinem Griechisch mehr vorstellen wollte, galt als schlechter Patriot und als Geck; und gewiss konnte noch in Catos Zeit auch wer schlecht oder gar nicht griechisch sprach, ein vornehmer Mann sein und Senator oder Konsul werden. Aber es ward doch schon anders. Der innerliche Zersetzungsprozess der italischen Nationalitaet war bereits, namentlich in der Aristokratie, weit genug gediehen, um das Surrogat der Nationalitaet, die allgemein humane Bildung, auch fuer Italien unvermeidlich zu machen; und auch der Drang nach einer gesteigerten Zivilisation regte bereits sich maechtig. Diesem kam der griechische Sprachunterricht gleichsam von selber entgegen. Von jeher ward dabei die klassische Literatur, namentlich die ‘Ilias’ und mehr noch die ‘Odyssee’ zu Grunde gelegt; die ueberschwenglichen Schaetze hellenischer Kunst und Wissenschaft lagen damit bereits ausgebreitet vor den Augen der Italiker da. Ohne eigentlich aeusserliche Umwandlung des Unterrichts ergab es sich von selbst, dass aus dem empirischen Sprach- ein hoeherer Literaturunterricht wurde, dass die an die Literatur sich knuepfende allgemeine Bildung den Schuelern in gesteigertem Mass ueberliefert, dass die erlangte Kunde von diesen benutzt ward, um einzudringen in die den Geist der Zeit beherrschende griechische Literatur, die Euripideischen Tragoedien und die Lustspiele Menanders.

In aehnlicher Weise gewann auch der lateinische Unterricht ein groesseres Schwergewicht. Man fing an, in der hoeheren Gesellschaft Roms das Beduerfnis zu empfinden, die Muttersprache wo nicht mit der griechischen zu vertauschen, doch wenigstens zu veredeln und dem veraenderten Kulturstand anzuschmiegen; und auch hierfuer sah man in jeder Beziehung sich angewiesen auf die Griechen. Die oekonomische Gliederung der roemischen Wirtschaft legte, wie jedes andere geringe und um Lohn geleistete Geschaeft, so auch den Elementarunterricht in der Muttersprache vorwiegend in die Haende von Sklaven, Freigelassenen oder Fremden, das heisst vorwiegend von Griechen oder Halbgriechen ^3; es hatte dies um so weniger Schwierigkeit, als das lateinische Alphabet dem griechischen fast gleich, die beiden Sprachen nahe und auffaellig verwandt waren. Aber dies war das wenigste; weit tiefer griff die formelle Bedeutung des griechischen Unterrichts in den lateinischen ein. Wer da weiss, wie unsaeglich schwer es ist, fuer die hoehere geistige Bildung der Jugend geeignete Stoffe und geeignete Formen zu finden und wie noch viel schwieriger man von den einmal gefundenen Stoffen und Formen sich losmacht, wird es begreifen, dass man dem Beduerfnis eines gesteigerten lateinischen Unterrichts nicht anders zu genuegen wusste, als indem man diejenige Loesung dieses Problems, welche der griechische Sprach- und Literaturunterricht darstellte, auf den Unterricht im Lateinischen einfach uebertrug - geht doch heutzutage in der Uebertragung der Unterrichtsmethode von den toten auf die lebenden Sprachen ein ganz aehnlicher Prozess unter unseren Augen vor.

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^3 Ein solcher war zum Beispiel der Sklave des aelteren Cato, Chilon, der als Kinderlehrer fuer seinen Herrn Geld erwarb (Plut. Cato mai. 20).

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Aber leider fehlte es zu einer solchen Uebertragung eben am Besten. Lateinisch lesen und schreiben konnte man freilich an den Zwoelf Tafeln lernen; aber eine lateinische Bildung setzte eine Literatur voraus und eine solche war in Rom nicht vorhanden.

Hierzu kam ein Zweites. Die Ausdehnung der roemischen Volkslustbarkeit ist frueher dargestellt worden. Laengst spielte bei denselben die Buehne eine bedeutende Rolle; die Wagenrennen waren wohl bei allen die eigentliche Hauptbelustigung, fanden aber doch durchgaengig nur einmal, am Schlusstage statt, waehrend die ersten Tage wesentlich dem Buehnenspiel anheimfielen. Allein lange Zeit bestanden diese Buehnenvorstellungen hauptsaechlich in Taenzen und Gaukelspiel; die improvisierten Lieder, die bei denselben auch vorgetragen wurden, waren ohne Dialog und ohne Handlung. Jetzt erst sah man fuer sie sich nach einem wirklichen Schauspiel um. Die roemischen Volksfestlichkeiten standen durchaus unter der Herrschaft der Griechen, die ihr Talent des Zeitvertreibs und Tageverderbes von selber den Roemern zu Plaesiermeistern bestellte. Keine Volksbelustigung aber war in Griechenland beliebter und keine mannigfaltiger als das Theater; dasselbe musste bald die Blicke der roemischen Festgeber und ihres Hilfspersonals auf sich ziehen. Wohl lag nun in dem aelteren roemischen Buehnenlied ein dramatischer, der Entwicklung vielleicht faehiger Keim; allein daraus das Drama herauszubilden, forderte vom Dichter wie vom Publikum eine Genialitaet im Geben und Empfangen, wie sie bei den Roemern ueberhaupt nicht und am wenigsten in dieser Zeit zu finden war; und waere sie zu finden gewesen, so wuerde die Hastigkeit der mit dem Amuesement der Menge betrauten Leute schwerlich der edlen Frucht Ruhe und Weile zur Zeitigung gegoennt haben. Auch hier war ein aeusserliches Beduerfnis vorhanden, dem die Nation nicht zu genuegen vermochte; man wuenschte sich ein Theater und es mangelten die Stuecke.

Auf diesen Elementen beruht die roemische Literatur; und ihre Mangelhaftigkeit war damit von vornherein und notwendig gegeben. Alle wirkliche Kunst beruht auf der individuellen Freiheit und dem froehlichen Lebensgenuss, und die Keime zu einer solchen hatten in Italien nicht gefehlt; allein indem die roemische Entwicklung die Freiheit und Froehlichkeit durch das Gemeingefuehl und das Pflichtbewusstsein ersetzte, ward die Kunst von ihr erdrueckt und musste statt sich zu entwickelt. verkuemmern. Der Hoehepunkt der roemischen Entwicklung ist die literaturlose Zeit. Erst als die roemische Nationalitaet sich aufzuloesen und die hellenisch-kosmopolitischen Tendenzen sich geltend zu machen anfingen, stellte im Gefolge derselben die Literatur in Rom sich ein; und darum steht sie von Haus aus und mit zwingender innerlicher Noetigung auf griechischem Boden und in schroffem Gegensatz gegen den spezifisch roemischen Nationalsinn. Vor allem die roemische Poesie ging. zunaechst gar nicht aus dem innerlichen Dichtertriebe hervor, sondern aus den aeusserlichen Anforderungen der Schule, welche lateinische Lehrbuecher, und der Buehne, die lateinische Schauspiele brauchte. Beide Institutionen aber, die Schule wie die Buehne, waren durch und durch antiroemisch und revolutionaer. Der gaffende Theatermuessiggang war dem Philisterernst wie dem Taetigkeitssinn der Roemer alten Schlags ein Greuel; und wenn es der tiefste und grossartigste Gedanke in dem roemischen Gemeinwesen war, dass es innerhalb der roemischen Buergerschaft keinen Herrn und keinen Knecht, keinen Millionaer und keinen Bettler geben, vor allem aber der gleiche Glaube und die gleiche Bildung alle Roemer umfassen sollte, so war die Schule und die notwendig exklusive Schulbildung noch bei weitem gefaehrlicher, ja fuer das Gleichheitsgefuehl geradezu zerstoerend. Schule und Theater wurden die wirksamsten Hebel des neuen Geistes der Zeit und nur um so mehr, weil sie lateinisch redeten. Man konnte vielleicht griechisch sprechen und schreiben, ohne darum aufzuhoeren, ein Roemer zu sein; hier aber gewoehnte man sich, mit roemischen Worten zu reden, waehrend das ganze innere Sein und Leben griechisch ward. Es ist nicht eine der erfreulichsten Tatsachen in diesem glaenzenden Saeculum des roemischen Konservativismus, aber wohl eine der merkwuerdigsten und geschichtlich belehrendsten, wie waehrend desselben in dem gesamten nicht unmittelbar politischen geistigen Gebiet der Hellenismus Wurzel geschlagen und wie der Maître de Plaisir des grossen Publikums und der Kinderlehrer im engen Bunde miteinander eine roemische Literatur erschaffen haben.

Gleich in dem aeltesten roemischen Schriftsteller erscheint die spaetere Entwicklung gleichsam in der Nuss. Der Grieche Andronikos (vor 482 bis nach 547 272-207), spaeter als roemischer Buerger Lucius ^4 Livius Andronicus genannt, kam in fruehem Alter im Jahre 482 (272) unter den anderen tarentinischen Gefangenen nach Rom in den Besitz des Siegers von Sena, Marcus Livius Salinator (Konsul 535, 547 219, 207). Sein Sklavengewerbe war teils die Schauspielerei und Textschreiberei, teils der Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache, welchen er sowohl den Kindern seines Herrn als auch anderen Knaben vermoegender Maenner in und ausser dem Hause erteilte; er zeichnete sich dabei so aus, dass sein Herr ihn freigab, und selbst die Behoerde, die sich seiner nicht selten bedient, zum Beispiel nach der gluecklichen Wendung des Hannibalischen Krieges 547 (207) ihm die Verfertigung des Dankliedes uebertragen hatte, aus Ruecksicht fuer ihn der Poeten- und Schauspielerzunft einen Platz fuer ihren gemeinsamen Gottesdienst im Minervatempel auf dem Aventin einraeumte. Seine Schriftstellerei ging hervor aus seinem zwiefachen Gewerbe. Als Schulmeister uebersetzte er die Odyssee ins Lateinische, um den lateinischen Text ebenso bei seinem lateinischen wie den griechischen bei seinem griechischen Unterricht zu Grunde zu legen; und es hat dieses aelteste roemische Schulbuch seinen Platz im Unterricht durch Jahrhunderte behauptet. Als Schauspieler schrieb er nicht bloss wie jeder andere sich die Texte selbst, sondern er machte sie auch als Buecher bekannt, das heisst, er las sie oeffentlich vor und verbreitete sie durch Abschriften. Was aber noch wichtiger war, er setzte an die Stelle des alten wesentlich lyrischen Buehnengedichts das griechische Drama. Es war im Jahre 514 (240), ein Jahr nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges, dass das erste Schauspiel auf der roemischen Buehne aufgefuehrt ward. Diese Schoepfung eines Epos, einer Tragoedie, einer Komoedie in roemischer Sprache und von einem Mann, der mehr Roemer als Grieche war, war geschichtlich ein Ereignis; von einem kuenstlerischen Wert der Arbeiten kann nicht die Rede sein. Sie verzichten auf jeden Anspruch an Originalitaet; als Uebersetzungen aber betrachtet, sind sie von einer Barbarei, die nur um so empfindlicher ist, als diese Poesie nicht naiv ihre eigene Einfalt vortraegt, sondern die hohe Kunstbildung des Nachbarvolkes schulmeisterhaft nachstammelt. Die starken Abweichungen vom Original sind nicht aus der Freiheit, sondern aus der Roheit der Nachdichtung hervorgegangen; die Behandlung ist bald platt, bald schwuelstig, die Sprache hart und verzwickt ^5. Man glaubt es ohne Muehe, was die alten Kunstrichter versichern, dass, von den Zwangslesern in der Schule abgesehen, keiner die Livischen Gedichte zum zweiten Male in die Hand nahm. Dennoch wurden diese Arbeiten in mehrfacher Hinsicht massgebend fuer die Folgezeit. Sie eroeffneten die roemische Uebersetzungsliteratur und buergerten die griechischen Versmasse in Latium ein. Wenn dies nur hinsichtlich der Dramen geschah und die Livische ‘Odyssee’ vielmehr in dem nationalen saturnischen Masse geschrieben ward, so war der Grund offenbar, dass die Jamben und Trochaeen der Tragoedie und Komoedie weit leichter sich im Lateinischen nachbilden liessen als die epischen Daktylen.

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^4 Die spaetere Regel, dass der Freigelassene notwendig den Vornamen des Patrons fuehrt, gilt fuer das republikanische Rom noch nicht.

^5 In einem der Trauerspiele des Livius hiess es:

quem ego néfrendem álui lácteam immulgéns opem.

Milchfuell’ ein Zahnlosem melkend ihm aufnaehrt’ ich ihn.

Die Homerischen Verse (Od. 12, 16)

Ούδ' άρα Κίρκην

εξ Αίδεω ελθόντες ελήθομεν, αλλά μάλ' 'ωκα

ηλθ' εντυναμένη. άμα δ΄ αμφίπολοι φέρον αυτή

σίτον καί κρέα πολλά καί αίθοπα οίνον ερυθρον.

aber verborgen

Kehrten der Kirke wir nicht vom Hades, sondern gar hurtig

Kam sie gewaertig herbei; es trugen die dienenden Jungfraun

Brot ihr und Fleisch in Fuell’ und den tiefrot funkelnden Wein her.

werden also verdolmetscht:

tópper cíti ad aédis - vénimús Círcae:

simúl dúona córam (?) - pórtant ád návis.

mília ália in ísdem - ínserínúntur.

In Eil’ geschwinde kaemmen - wir zu Kirkes Hause.

Zugleich vor uns die Gueter - bringt man zu den Schiffen

Auch wurden aufgeladen - tausend andere Dinge.

Am merkwuerdigsten ist nicht so sehr die Barbarei als die Gedankenlosigkeit des Uebersetzers, der statt Kirke zum Odysseus vielmehr den Odysseus zur Kirke schickt. Ein zweites, noch laecherlicheres Quiproquo ist die Uebersetzung von αιδοίοιςιν έδωκα (Od. 15, 373) durch lusi (Fest. v. affatim p. 11). Dergleichen ist auch geschichtlich nicht gleichgueltig; man erkennt darin die Stufe der Geistesbildung, auf der diese aeltesten roemischen versezimmernden Schulmeister standen; und nebenbei auch, dass dem Andronikos, wenn er gleich in Tarent geboren war, doch das Griechische nicht eigentlich Muttersprache gewesen sein kann.

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Indes diese Vorstufe der literarischen Entwicklung ward bald ueberschritten. Die Livischen Epen und Dramen galten den Spaeteren, und ohne Zweifel mit gutem Recht, gleich den daedalischen Statuen von bewegungs- und ausdrucksloser Starrheit mehr als Kuriositaeten denn als Kunstwerke. In der folgenden Generation aber baute auf den einmal festgestellten Grundlagen eine lyrische, epische und dramatische Kunst sich auf; und auch geschichtlich ist es von hoher Wichtigkeit, dieser poetischen Entwicklung zu folgen.

Sowohl dem Umfang der Produktion nach wie in der Wirkung auf das Publikum stand an der Spitze der poetischen Entwicklung das Drama. Ein stehendes Theater mit festem Eintrittsgeld gab es im Altertum nicht; in Griechenland wie in Rom trat das Schauspiel nur als Bestandteil der jaehrlich wiederkehrenden oder auch ausserordentlichen buergerlichen Lustbarkeiten auf. Zu den Massregeln, wodurch die Regierung der mit Recht besorglich erscheinenden Ausdehnung der Volksfeste entgegenwirkte oder entgegenzuwirken sich einbildete, gehoerte es mit, dass sie die Errichtung eines steinernen Theatergebaeudes nicht zugab ^6. Statt dessen wurde fuer jedes Fest ein Brettergeruest mit einer Buehne fuer die Akteure (proscaenium, pulpitum) und einem dekorierten Hintergrund (scaena) aufgeschlagen und im Halbzirkel vor derselben der Zuschauerplatz (cavea) abgesteckt, welcher ohne Stufen und Sitze bloss abgeschraegt ward, so dass die Zuschauer, soweit sie nicht Sessel sich mitbringen liessen, kauerten, lagen oder standen ^7. Die Frauen moegen frueh abgesondert und auf die obersten und schlechtesten Plaetze beschraenkt worden sein; sonst waren gesetzlich die Plaetze nicht geschieden, bis man seit dem Jahre 560 (194), wie schon gesagt ward, den Senatoren die untersten und besten Plaetze reservierte.

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^6 Zwar wurde schon 575 (179) ein solches fuer die Apollinarischen Spiele am Flaminischen Rennplatz erbaut (Liv. 40, 51; W. A. Becker, Topographie der Stadt Rom, S. 605), aber wahrscheinlich bald darauf wieder niedergerissen.

^7 Noch 599 (155) gab es Sitzplaetze im Theater nicht (F. W. Ritschl, Parerga zu Plautus und Terentius. Bd. 1. Leipzig 1845, S. XVII, XX, 214; vgl. O. Ribbeck, Die roemische Tragoedie im Zeitalter der Republik. Leipzig 1875, S. 285); wenn dennoch nicht bloss die Verfasser der plautinischen Prologe, sondern schon Plautus selbst mehrfach auf ein sitzendes Publikum hindeutet (Mil. 82; 83; Aul. 4, 9, 6; Truc. a. E.; Epid. a. E.), so muessen wohl die meisten Zuschauer sich Stuehle mitgebracht oder sich auf den Boden gesetzt haben.

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Das Publikum war nichts weniger als vornehm. Allerdings zogen die besseren Staende sich nicht von den allgemeinen Volkslustbarkeiten zurueck; die Vaeter der Stadt scheinen sogar anstandshalber verpflichtet gewesen zu sein, sich bei denselben zu zeigen. Aber wie es im Wesen eines Buergerfestes liegt, wurden zwar Sklaven und wohl auch Auslaender ausgeschlossen, aber jedem Buerger mit Frau und Kindern der Zutritt unentgeltlich verstattet ^8, und es kann darum die Zuschauerschaft nicht viel anders gewesen sein, als wie man sie heutzutage bei oeffentlichen Feuerwerken und Gratisvorstellungen sieht. Natuerlich ging es denn auch nicht allzu ordentlich her: Kinder schrien, Frauen schwatzten und kreischten, hier und da machte eine Dirne Anstalt, sich auf die Buehne zu draengen; die Gerichtsdiener hatten an diesen Festtagen nichts weniger als Feiertag und Gelegenheit genug hier einen Mantel abzupfaenden und da mit der Rute zu wirken.

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^8 Frauen und Kinder scheinen zu allen Zeiten im roemischen Theater zugelassen worden zu sein (Val. Man.. 6, 3, 12; Plut. Quaest. conv. 14; Cic. har. resp. 12, 24; Vitr. 5, 3, 1; Suet. Aug. 44 usw.); aber Sklaven waren von Rechts wegen ausgeschlossen (Cic, har. resp. 12, 26; Ritschl, Parerga, Bd. 1, S. XIX, 223) und dasselbe muss wohl von den Fremden gelten, abgesehen natuerlich von den Gaesten der Gemeinde, die unter oder neben den Senatoren Platz nahmen (Varro 5, 155; Tust. 43, 5, 10; Suet. Aug. 44).

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Durch die Einfuehrung des griechischen Dramas steigerten sich wohl die Anforderungen an das Buehnenpersonal und es scheint an faehigen Leuten kein Oberfluss gewesen zu sein - ein Stueck des Naevius musste einmal in Ermangelung von Schauspielern durch Dilettanten aufgefuehrt werden. Allein. in der Stellung des Kuenstlers aenderte sich dadurch nichts; der Poet oder, wie er in dieser Zeit genannt ward, der “Schreiber”, der Schauspieler und der Komponist gehoerten nach wie vor nicht bloss zu der an sich gering geachteten Klasse der Lohnarbeiter, sondern wurden auch vor wie nach in der oeffentlichen Meinung auf die markierteste Weise zurueckgesetzt und polizeilich misshandelt (l, 475). Natuerlich hielten sich alle reputierlichen Leute von diesem Gewerbe fern - der Direktor der Truppe (dominus gregis, factionis, auch choragus), in der Regel zugleich der Hauptschauspieler, war meist ein Freigelassener, ihre Glieder in der Regel seine Sklaven; die Komponisten, die uns genannt werden, sind saemtlich Unfreie. Der Lohn war nicht bloss gering - ein Buehnendichterhonorar von 8000 Sesterzen (600 Taler) wird kurz nach dem Ende dieser Periode als ein ungewoehnlich hohes bezeichnet -, sondern ward ueberdies von den festgebenden Beamten nur gezahlt, wenn das Stueck nicht durchfiel. Mit der Bezahlung war alles abgetan: von Dichterkonkurrenz und Ehrenpreisen, wie sie in Attika vorkamen, war in Rom noch nicht die Rede - man scheint daselbst in dieser Zeit, wie bei uns, nur geklatscht oder ausgepfiffen, auch an jedem Tage nur ein einziges Stueck zur Auffuehrung gebracht zu haben ^9. Unter solchen Verhaeltnissen, wo die Kunst um Tagelohn ging und es statt der Kuenstlerehre nur eine Kuenstlerschande gab, konnte das neue roemische Nationaltheater weder originell noch ueberhaupt nur kuenstlerisch sich entwickeln; und wenn der edle Wetteifer der edelsten Athener die attische Buehne ins Leben gerufen hatte, so konnte die roemische, im ganzen genommen, nichts werden als eine Sudelkopie davon, bei der man nur sich wundert, dass sie im einzelnen noch so viel Anmut und Witz zu entfalten vermocht hat.

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^9 Aus den plautinischen Prologen (Cas. 17; Amph. 65) darf auf eine Preisverteilung nicht geschlossen werden (Ritschl, Parerga, Bd. 1, S. 229); aber auch Trin. 706 kann sehr wohl dem griechischen Original, nicht dem Uebersetzer angehoeren, und das voellige Stillschweigen der Didaskalien und Prologe sowie der gesamten Ueberlieferung ueber Preisgerichte und Preise ist entscheidend.

Dass an jedem Tage nur ein Stueck gegeben wird, folgt daraus, dass die Zuschauer am Beginn des Stuecks von Hause kommen (Poen. 10) und nach dem Ende nach Hause gehen (Epid. Pseud. Rud. Stich. Truc. a. E.). Man kam, wie dieselben Stellen zeigen, nach dem zweiten Fruehstueck ins Theater und war zur Mittagszeit wieder zu Hause; es waehrte das Schauspiel also nach unserer Rechnung etwa von Mittag bis halb drei Uhr, und so lange mag ein Plautinisches Stueck mit der Musik in den Zwischenakten auch ungefaehr spielen (vgl. Hor. epist. 2, 1. 1891. Wenn Tacitus (arm. 14 20) die Zuschauer “ganze Tage” im Theater zubringen laesst, so sind dies Zustaende einer spaeteren Zeit.

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In der Buehnenwelt ward das Trauerspiel bei weitem durch die Komoedie ueberwogen; die Stirnen der Zuschauer runzelten sich, wenn statt des gehofften Lustspiels ein Trauerspiel begann. So ist es gekommen, dass diese Zeit wohl eigene Komoediendichter, wie Plautus und Caecilius, aufweist, eigene Tragoediendichter aber nicht begegnen, und dass unter den dem Namen nach uns bekannten Dramen dieser Epoche auf ein Trauerspiel drei Lustspiele kommen. Natuerlich griffen die roemischen I.ustspieldichter oder vielmehr Uebersetzer zunaechst nach den Stuecken, welche die hellenische Schaubuehne der Zeit beherrschten; und damit fanden sie sich ausschliesslich ^10 gebannt in den Kreis der neueren attischen Komoedie und zunaechst ihrer namhaftesten Dichter Philemon von Soioi in Kilikien (394? - 492 360 - 262) und Menandros von Athen (412-462 342-292). Dieses Lustspiel ist nicht bloss fuer die roemische Literatur-, sondern selbst fuer die ganze Volksentwicklung so wichtig geworden, dass auch die Geschichte Ursache hat, dabei zu verweilen.

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^10 Die sparsame Benutzung der sogenannten mittleren Komoedie der Attiker kommt geschichtlich nicht in Betracht, da diese nichts war als das minder entwickelte menandrische Lustspiel. Vor. einer Benutzung der aelteren Komoedie mangelt jede Spur. Die roemische Hilarotragoedie, die Gattung des Plautinischen Amphitryon, heisst zwar den roemischen Literarhistorikern die Rhinthonische; aber auch die neueren Attiker dichteten dergleichen Parodien und es ist nicht abzusehen, warum die Roemer fuer ihre Uebersetzungen, statt auf diese naechstliegenden Dichter, vielmehr auf Rinthon und die aelteren zurueckgegriffen haben sollten.

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Die Stuecke sind von ermuedender Einfoermigkeit. Fast ohne Ausnahme drehen sie sich darum, einem jungen Menschen auf Kosten entweder seines Vaters oder auch des Bordellhalters zum Besitze eines Liebchens von unzweifelhafter Anmut und sehr zweifelhafter Sittlichkeit zu verhelfen. Der Weg zum Liebesglueck geht regelmaessig durch irgendeine Geldprellerei, und der verschmitzte Bediente, der die benoetigte Summe und die erforderliche Schwindelei liefert, waehrend der Liebhaber ueber seine Liebes- und Geldnot jammert, ist das eigentliche Triebrad des Stueckes. Es ist kein Mangel an obligaten Betrachtungen ueber Freude und Leid der Liebe, an traenenreichen Abschiedsszenen, an Liebhabern, die vor Herzenspein sich ein Leides anzutun drohen; die Liebe oder vielmehr die Verliebtheit war, wie die alten Kunstrichter sagen, der eigentliche Lebenshauch der Menandrischen Poesie. Den Schluss macht die wenigstens bei Menander unvermeidliche Hochzeit; wobei noch zu mehrerer Erbauung und Befriedigung der Zuschauer die Tugend des Maedchens sich herauszustellen pflegt als wenn nicht ganz, doch so gut wie unbeschaedigt und das Maedchen selbst als die abhanden gekommene Tochter eines reichen Mannes, demnach als eine in jeder Hinsicht gute Partie. Neben diesen liebes- finden sich auch Ruehrstuecke; wie denn zum Beispiel unter den Plautinischen Komoedien der ‘Strick’ sich um Schiffbruch und Asylrecht bewegt, das ‘Dreitalerstueck’ und ‘Die Gefangenen’ gar keine Maedchenintrige enthalten, sondern die edelmuetige Aufopferung des Freundes fuer den Freund, des Sklaven fuer den Herrn schildern. Personen und Situationen wiederholen sich dabei wie auf einer Tapete bis ins einzelne herab, wie man denn gar nicht herauskommt aus den Apartes ungesehener Horcher, aus dem Anpochen an die Haustueren, aus den mit irgendeinem Gewerbe durch die Strassen fegenden Sklaven; die stehenden Masken, deren es eine gewisse feste Zahl, zum Beispiel acht Greisen-, sieben Bedientenmasken gab, aus denen, in der Regel wenigstens, der Dichter nur auszuwaehlen hatte, beguenstigten weiter die schablonenartige Behandlung. Eine solche Komoedie musste wohl das lyrische Element in der aelteren, den Chor, wegwerfen und sich von Haus aus auf Gespraech und hoechstens Rezitation beschraenken - mangelte ihr doch nicht bloss das politische Element, sondern ueberhaupt jede wahre Leidenschaft und jede poetische Hebung. Auf eine grossartige und eigentlich poetische Wirkung legten es die Stuecke auch verstaendigerweise gar nicht an; ihr Reiz bestand zunaechst in der Verstandesbeschaeftigung durch den Stoff sowohl, wobei die neuere Komoedie sich von der aelteren ebenso sehr durch die groessere innerliche Leere wie durch die groessere aeusserliche Verschlungenheit der Fabel unterschied, als besonders durch die Ausfuehrung im Detail, wobei namentlich die fein zugespitzte Konversation der Triumph des Dichters und das Entzuecken des Publikums war. Verwirrungen und Verwechslungen, womit sich ein Hinuebergreifen in den tollen, oft zuegellosen Schwank sehr gut vertraegt - wie denn zum Beispiel die Casina mit dem Abzug der beiden Braeutigame und des als Braut aufgeputzten Soldaten echt falstaffisch schliesst -, Scherze, Schnurren und Raetsel, welche ja auch an der attischen Tafel dieser Zeit in Ermangelung eines wirklichen Gespraechs die stehenden Unterhaltungstoffe hergaben, fuellen zum guten Teil diese Komoedien aus. Die Dichter derselben schrieben nicht wie Eupolis und Aristophanes fuer eine grosse Nation, sondern vielmehr fuer eine gebildete und, wie andere geistreiche und in tatenloser Geistreichigkeit verkommende Zirkel, in Rebusraten und Scharadenspiel aufgehende Gesellschaft. Sie geben darum auch kein Bild ihrer Zeit - von der grossen geschichtlichen und geistigen Bewegung derselben ist in diesen Komoedien nichts zu spueren, und man muss erst daran erinnert werden, dass Philemon und Menander wirklich Zeitgenossen von Alexander und Aristoteles gewesen sind -, aber wohl ein ebenso elegantes wie treues Bild der gebildeten attischen Gesellschaft, aus deren Kreisen die Komoedie auch niemals heraustritt. Noch in dem getruebten lateinischen Abbild, aus dem wir sie hauptsaechlich kennen, ist die Anmut des Originals nicht voellig verwischt und namentlich in den Stuecken, die dem talentvollsten unter diesen Dichtern, dem Menander, nachgebildet sind, das Leben, das der Dichter leben sah und selber lebte, nicht so sehr in seinen Verirrungen und Verzerrungen, als in seiner liebenswuerdigen Alltaeglichkeit artig widergespiegelt. Die freundlichen haeuslichen Verhaeltnisse zwischen Vater und Tochter, Mann und Frau, Herrn und Diener, mit ihren Liebschaften und sonstigen kleinen Krisen sind so allgemeingueltig abkonterfeit, dass sie noch heute ihre Wirkung nicht verfehlen; der Bedientenschmaus zum Beispiel, womit der ‘Stichus’ schliesst, ist in der Beschraenktheit seiner Verhaeltnisse und der Eintracht der beiden Liebhaber und des einen Schaetzchens in seiner Art von unuebertrefflicher Zierlichkeit. Von grosser Wirkung sind die eleganten Grisetten, die gesalbt und geschmueckt, mit modischem Haarputz und im bunten goldgestickten Schleppgewande erscheinen oder besser noch auf der Buehne Toilette machen. In ihrem Gefolge stellen die Gelegenheitsmacherinnen sich ein, bald von der gemeinsten Sorte, wie deren eine im ‘Curculio’ auftritt, bald Duennen gleich Goethes alter Barbara, wie die Scapha in der Wunderkomoedie; auch an hilfreichen Bruedern und Kumpanen ist kein Mangel. Sehr reichlich und mannigfaltig besetzt sind die alten Rollen; es erscheinen umeinander der strenge und geizige, der zaertliche und weichmuetige, der nachsichtige gelegenheitsmachende Papa, der verliebte Greis, der alte bequeme Junggesell, die eifersuechtige bejahrte Hausehre mit ihrer alten, gegen den Herrn mit der Frau haltenden Magd; wogegen die Juenglingsrollen zuruecktreten und weder der erste Liebhaber noch der hie und da begegnende tugendhafte Mustersohn viel bedeuten wollen. Die Bedientenwelt: der verschmitzte Kammerdiener, der strenge Hausmeister, der alte wackere Erzieher, der knoblauchduftende Ackerknecht, das impertinente Juengelchen - leitet schon hinueber zu den sehr zahlreichen Gewerberollen. Eine stehende Figur darunter ist der Spassmacher (parasitus), welcher fuer die Erlaubnis, an der Tafel des Reichen mitzuschmausen, die Gaeste mit Schnurren und Scharaden zu belustigen, auch nach Umstaenden sich die Scherben an den Kopf werfen zu lassen hat - es war dies damals in Athen ein foermliches Gewerbe, und sicher ist es auch keine poetische Fiktion, wenn ein solcher Schmarotzer auftritt, aus seinen Witz- und Anekdotenbuechern sich eigens praeparierend. Beliebte Rollen sind ferner der Koch, der nicht bloss mit unerhoerten Saucen zu renommieren versteht, sondern auch wie ein gelernter Dieb zu stipitzen; der freche, zu jedem Laster sich mit Vergnuegen bekennende Bordellwirt, wovon der Ballio im ‘Luegenbold’ ein Musterexemplar ist; der militaerische Bramarbas, in dem die Landsknechtwirtschaft der Diadochenzeit sehr bestimmt anklingt; der gewerbsmaessige Industrieritter oder der Sykophant, der schuftige Wechsler, der feierlich alberne Arzt, der Priester, Schiffer, Fischer und dergleichen mehr. Dazu kommen endlich die eigentlichen Charakterrollen, wie der Aberglaeubige Menanders, der Geizige in der Plautinischen Topfkomoedie. Die nationalhellenische Poesie hat auch in dieser ihrer letzten Schoepfung ihre unverwuestliche plastische Kraft noch bewaehrt; aber die Seelenmalerei ist hier doch schon mehr aeusserlich kopiert als innerlich nachempfunden und um so mehr, je mehr die Aufgabe sich den wahrhaft poetischen naehert - es ist bezeichnend, dass in den eben angefuehrten Charakterrollen die psychologische Wahrheit grossenteils durch die abstrakte Begriffsentwicklung vertreten wird, der Geizige hier die Nagelschnitze sammelt und die vergossene Traene als verschwendetes Wasser beklagt. Indes dieser Mangel an tiefer Charakteristik und ueberhaupt die ganze poetische und sittliche Hohlheit dieser neueren Komoedie faellt weniger den Lustspieldichtern zur Last als der gesamten Nation. Das spezifische Griechentum war im Verscheiden; Vaterland, Volksglaube, Haeuslichkeit, alles edle Tun und Sinnen war gewichen, Poesie, Historie und Philosophie innerlich erschoepft und dem Athener nichts uebrig geblieben, als die Schule, der Fischmarkt und das Bordell - es ist kein Wunder und kaum ein Tadel, wenn die Poesie, die die menschliche Existenz zu verklaeren bestimmt ist, aus einem solchen Leben nichts weiter machen konnte, als was das Menandrische Lustspiel uns darstellt. Sehr merkwuerdig ist dabei, wie die Poesie dieser Zeit, wo immer sie dem zerruetteten attischen Leben einigermassen den Ruecken zu wenden vermochte, ohne doch in. schulmaessige Nachdichtung zu verfallen, sofort sich am Ideal staerkt und erfrischt. In dem einzigen Ueberrest des parodisch-heroischen Lustspiels dieser Zeit, in Plautus’ ‘Amphitryon’ weht durchaus eine reinere und poetischere Luft als in allen uebrigen Truemmern der gleichzeitigen Schaubuehne; die gutmuetigen, leise ironisch gehaltenen Goetter, die edlen Gestalten aus der Heroenwelt, die possierlich feigen Sklaven machen zueinander den wundervollsten Gegensatz und nach dem drolligen Verlauf der Handlung die Geburt des Goettersohnes unter Donner und Blitz eine beinahe grossartige Schlusswirkung. Diese Aufgabe der Mythenironisierung war aber auch verhaeltnismaessig unschuldig und poetisch, verglichen mit der des gewoehnlichen das attische Leben der Zeit schildernden Lustspiels. Eine besondere Anklage darf vom geschichtlich-sittlichen Standpunkt aus gegen die Poeten keineswegs erhoben und dem einzelnen Dichter kein individueller Vorwurf daraus gemacht werden, dass er im Niveau seiner Epoche steht; die Komoedie war nicht Ursache, sondern Wirkung der in dem Volksleben waltenden Verdorbenheit. Aber wohl ist es, namentlich um den Einfluss dieser Lustspiele auf das roemische Volksleben richtig zu beurteilen, notwendig, auf den Abgrund hinzuweisen, der unter all jener Feinheit und Zierlichkeit sich auftut. Die Flegeleien und Zoten, welche zwar Menander einigermassen vermied, an denen aber bei den anderen Poeten kein Mangel ist, sind das wenigste; weit schlimmer ist die grauenvolle Lebensoede, deren einzige Oasen die Verliebtheit und der Rausch sind, die fuerchterliche Prosa, worin was einigermassen wie Enthusiasmus aussieht allein bei den Gaunern zu finden ist, denen der eigene Schwindel den Kopf verdreht hat und die das Prellergewerbe mit einer gewissen Begeisterung treiben, und vor allem jene unsittliche Sittlichkeit, mit welcher namentlich die menandrischen Stuecke staffiert sind. Das Laster wird abgestraft, die Tugend belohnt und etwaige Peccadillos durch Bekehrung bei oder nach der Hochzeit zugedeckt. Es gibt Stuecke, wie die Plautinische ‘Dreitalerkomoedie’ und mehrere Terenzische, in denen allen Personen bis auf die Sklaven hinab eine Portion Tugendhaftigkeit beigemischt ist; alle wimmeln von ehrlichen Leuten, die fuer sich betruegen lassen, von Maedchentugend womoeglich, von gleich beguenstigten und Kompagnie machenden Liebhabern; moralische Gemeinplaetze und wohl gedrechselte Sittensprueche sind gemein wie die Brombeeren. In einem versoehnenden Finale, wie das in ‘Die beiden Bacchis’ ist, wo die prellenden Soehne und die geprellten Vaeter zu guter Letzt alle miteinander ins Bordell kneipen gehen, steckt eine voellig Kotzebuesche Sittenfaeulnis.

Auf diesen Grundlagen und aus diesen Elementen erwuchs das roemische Lustspiel. Originalitaet ward bei demselben nicht bloss durch aesthetische, sondern wahrscheinlich zunaechst durch polizeiliche Unfreiheit ausgeschlossen. Unter der betraechtlichen Masse der lateinischen Lustspiele dieser Gattung, die uns bekannt sind, findet sich nicht ein einziges, das sich nicht als Nachbildung eines bestimmten griechischen ankuendigte; es gehoert zum vollstaendigen Titel, dass der Name des griechischen Stueckes und Verfassers mit genannt wird, und wenn, wie das wohl vorkam, ueber die “Neuheit” eines Stueckes gestritten ward, so handelte es sich darum, ob dasselbe schon frueher uebersetzt worden sei. Die Komoedie spielt nicht etwa bloss haeufig im Ausland, sondern es ist eine zwingende Notwendigkeit und die ganze Kunstgattung (fabula palliata) danach benannt, dass der Schauplatz ausserhalb Roms, gewoehnlich in Athen ist und dass die handelnden Personen Griechen oder doch Nichtroemer sind. Selbst im einzelnen wird, besonders in denjenigen Dingen, worin auch der ungebildete Roemer den Gegensatz bestimmt empfand, das auslaendische Kostuem streng durchgefuehrt. So wird der Name Roms und der Roemer vermieden und wo ihrer gedacht wird, heissen sie auf gut griechisch “Auslaender” (barbari); ebenso erscheint unter den unzaehlige Male vorkommenden Geld- und Muenzbezeichnungen auch nicht ein einziges Mal die roemische Muenze. Man macht sich von so grossen und so gewandten Talenten, wie Naevius und Plautus waren, eine seltsame Vorstellung, wenn man dergleichen auf ihre freie Wahl zurueckfuehrt; diese krasse und sonderbare Exterritorialitaet der roemischen Komoedie war ohne Zweifel durch ganz andere als aesthetische Ruecksichten bedingt. Die Verlegung solcher gesellschaftlicher Verhaeltnisse, wie sie die neuattische Komoedie durchgaengig zeichnet, nach dem Rom der hannibalischen Epoche wuerde geradezu ein Attentat auf dessen buergerliche Ordnung und Sitte gewesen sein. Da aber die Schauspiele in dieser Zeit regelmaessig von den Aedilen und Praetoren gegeben wurden, die gaenzlich vom Senat abhingen, und selbst die ausserordentlichen Festlichkeiten, zum Beispiel die Leichenspiele, nicht ohne Regierungserlaubnis stattfanden, und da ferner die roemische Polizei ueberall nicht und am wenigsten mit den Komoedianten Umstaende zu machen gewohnt war, so ergibt es sich von selbst, weshalb diese Komoedie, selbst nachdem sie unter die roemischen Volkslustbarkeiten aufgenommen war, doch noch keinen Roemer auf die Buehne bringen durfte und gleichsam in das Ausland verbannt blieb.

Noch viel entschiedener ward den Bearbeitern das Recht, einen Lebenden lobend oder tadelnd zu nennen, sowie jede verfaengliche Anspielung auf die Zeitverhaeltnisse untersagt. In dem ganzen plautinischen und nachplautinischen Komoedienrepertoire ist, soweit wir es kennen, nicht zu einer einzigen Injurienklage Stoff. Ebenso begegnet uns von den bei dem lebhaften Munizipalsinn der Italiker besonders bedenklichen Invektiven gegen Gemeinden - wenn von einigen ganz unschuldigen Scherzen abgesehen wird - kaum eine andere Spur als der bezeichnende Hohn auf die ungluecklichen Capuaner und Atellaner und merkwuerdigerweise verschiedene Spottreden ueber die Hoffart wie ueber das schlechte Latein der Praenestiner ^11. Ueberhaupt findet sich in den Plautinischen Stuecken von Beziehungen auf die Ereignisse und Verhaeltnisse der Gegenwart nichts als Glueckwuensche fuer die Kriegfuehrung ^12 oder zu den friedlichen Zeiten; allgemeine Ausfaelle gegen Korn- und Zinswucher, gegen Verschwendung, gegen Kandidatenbestechung, gegen die allzu haeufigen Triumphe, gegen die gewerbsmaessigen Beitreiber verwirkter Geldbussen, gegen pfaendende Steuerpaechter, gegen die teuren Preise der Oelhaendler, ein einziges Mal - im ‘Curculio’ - eine an die Parabasen der aelteren attischen Komoedie erinnernde, uebrigens wenig verfaengliche laengere Diatribe ueber das Treiben auf dem roemischen Markt. Aber selbst in solchen hoechst polizeilich normal patriotischen Bestrebungen unterbricht sich wohl der Dichter:

Doch bin ich nicht naerrisch, mich zu kuemmern um den Staat,

Da die Obrigkeit da ist, die sich hat zu kuemmern drum?

und im ganzen genommen ist kaum ein politisch zahmeres Lustspiel zu denken, als das roemische des sechsten Jahrhunderts gewesen ist ^13. Eine merkwuerdige Ausnahme macht allein der aelteste namhafte roemische Lustspieldichter Gnaeus Naevius. Wenn er auch nicht gerade roemische Originallustspiele schrieb, so sind doch noch die wenigen Truemmer, die wir von ihm besitzen, voll von Beziehungen auf roemische Zustaende und Personen. Er nahm es unter anderm sich heraus, nicht bloss einen gewissen Maler Theodotos mit Namen zu verhoehnen, sondern selbst an den Sieger von Zama folgende Verse zu richten, deren Aristophanes sich nicht haette schaemen duerfen:

Jenen selbst, der grosse Dinge ruhmvoll oft zu Ende fuehrte,

Dessen Taten lebendig leben, der bei den Voelkern allen allein gilt,

Den hat nach Haus der eigene Vater von dem Liebchen geholt im Hemde.

Wie in den Worten:

Heute wollen freie Worte reden wir am Freiheitsfest,

so mag er oefter polizeiwidrig angesetzt und bedenkliche Fragen getan haben, wie zum Beispiel:

Wie ward ein so gewaltiger Staat nur so geschwind euch ruiniert?

worauf denn mit einem politischen Suendenregister geantwortet ward, zum Beispiel:

Es taten neue Redner sich, einfaeltige junge Menschen auf.

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^11 Bacch. 24; Trin. 609; Truc. 3, 2, 23. Auch Naevius, der es freilich ueberall nicht so genau nahm, spottet ueber Praenestiner und Lanuviner (com. 21 R.) Eine gewisse Spannung zwischen Praenestinern und Roemern tritt oefter hervor (Liv. 23, 20, 42, 1); und die Exekutionen in der pyrrhischen sowie die Katastrophe der sullanischen Zeit stehen sicher damit im Zusammenhang. Unschuldige Scherze wie Capt. 160; 881 passierten natuerlich die Zensur. Bemerkenswert ist auch das Kompliment fuer Massalia (Cas. 5, 4, 1).

^12 So schliesst der Prolog der Kaestchenkomoedie mit folgenden Worten, die hier stehen moegen als die einzige gleichzeitige Erwaehnung des Hannibalischen Krieges in der auf uns gekommenen Literatur:

Also verhaelt sich dieses. Lebet wohl und siegt

Mit Maennermut, so wie ihr dies bisher getan.

Bewahret eure Verbuendeten alten und neuen Bunds,

Zuleget Zuzug ihnen, eurem rechten Schluss gemaess,

Verderbt die Verhassten, wirket Lorbeer euch und Lob,

Damit besiegt gewaehre der Poener euch die Poen.

Die vierte Zeile (augete auxilia vostris iustis legibus) geht auf die den saeumigen latinischen Kolonien im Jahre 550 (204) auferlegten Nachleistungen (Liv. 29, 15; oben 2, 175).

^13 Man kann darum auch bei Plautus kaum mit der Annahme von Anspielungen auf Zeitereignisse vorsichtig genug sein. Vielen verkehrten Scharfsinn dieser Art hat die neueste Untersuchung beseitigt; aber sollte nicht auch die Beziehung auf die Bacchanalien, welche im Cas. 5, 4, 11 gefunden wird (Ritschl, Parerga, Bd. 1, S. 192), zensurwidrig sein? Man koennte sogar die Sache umkehren und aus den Erwaehnungen des Bacchusfestes in der ‘Casina’ und einigen anderen Stuecken (Amph. 703; Aul. 3, 1, 3; Bacch. 53, 371; Mil. 1016 und besonders Men. 836) den Schluss ziehen, dass dieselben zu einer Zeit geschrieben sind, wo es noch nicht verfaenglich war, von Bacchanalien zu reden.

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Allein die roemische Polizei war nicht gemeint, gleich der attischen die Buehneninvektiven und politischen Diatriben zu privilegieren oder auch nur zu dulden. Naevius ward wegen solcher und aehnlicher Ausfaelle in den Block geschlossen und musste sitzen, bis er in anderen Komoedien oeffentlich Busse und Abbitte getan hatte. Ihn trieben diese Haendel, wie es scheint, aus. der Heimat; seine Nachfolger aber liessen durch sein Beispiel sich warnen - einer derselben deutet sehr verstaendlich an, dass er ganz und gar nicht Lust habe, gleich dem Kollegen Naevius der unfreiwilligen Maulsperre zu unterliegen. So ward es durchgesetzt, was in seiner Art nicht viel weniger einzig ist als die Besiegung Hannibals, dass in einer Epoche der fieberhaftesten Volksaufregung eine volkstuemliche Schaubuehne von der vollstaendigsten politischen Farblosigkeit entstand.

Aber innerhalb dieser von Sitte und Polizei eng und peinlich gezogenen Schranken ging der Poesie der Atem aus. Nicht mit Unrecht mochte Naevius die Lage des Dichters unter dem Szepter der Lagiden und Seleukiden, verglichen mit derjenigen in dem freien Rom, beneidenswert nennen ^14. Der Erfolg im einzelnen ward natuerlich bestimmt durch die Beschaffenheit des eben vorliegenden Originals und das Talent des einzelnen Bearbeiters; doch muss bei aller individuellen Verschiedenheit dies ganze Uebersetzungsrepertoire in gewissen Grundzuegen uebereingestimmt haben, insofern saemtliche Lustspiele denselben Bedingungen der Auffuehrung und demselben Publikum angepasst wurden. Durchgaengig war die Behandlung im ganzen wie im einzelnen im hoechsten Grade frei; und sie musste es wohl sein. Wenn die Originalstuecke vor derselben Gesellschaft spielten, die sie kopierten, und eben hierin ihr hauptsaechlichster Reiz lag, so war das roemische Publikum dieser Zeit von dem attischen so verschieden, dass es jene auslaendische Welt nicht einmal imstande war recht zu verstehen. Von dem haeuslichen Leben der Hellenen fasste der Roemer weder die Anmut und Humanitaet noch die Sentimentalitaet und die uebertuenchte Leere. Die Sklavenwelt war eine voellig andere; der roemische Sklave war ein Stueck Hausrat, der attische ein Bedienter - wo Sklavenehen vorkommen, oder der Herr mit dem Sklaven ein humanes Gespraech fuehrt, erinnern die roemischen Uebersetzer ihr Publikum daran, sich an dergleichen in Athen gewoehnliche Dinge nicht zu stossen ^15; und als man spaeter Lustspiele in roemischem Kostuem zu schreiben anfing, musste die Rolle des pfiffigen Bedienten herausgeworfen werden, weil das roemische Publikum solche, ihre Herren uebersehende und gaengelnde Sklaven nicht vertrug. Eher als die feinen Alltagsfiguren hielten die an sich derber und possenhafter zugeschnittenen Staende- und Charakterbilder die Uebertragung aus; aber auch von diesen musste doch der roemische Bearbeiter manche und wahrscheinlich eben die feinsten und originellsten, wie zum Beispiel die Thais, die Hochzeitskoechin, die Mondbeschwoererin, den Bettelpfaffen Menanders, ganz liegen lassen und sich vorwiegend an diejenigen auslaendischen Gewerbe halten, mit welchen der bereits sehr allgemein in Rom verbreitete griechische Tafelluxus sein Publikum vertraut gemacht hatte. Wenn der Kochkuenstler und der Spassmacher in dem Plautinischen Lustspiel mit so auffallender Vorliebe und Lebendigkeit geschildert sind, so liegt der Schluessel dazu darin, dass griechische Koeche ihre Dienste schon damals auf dem roemischen Markt taeglich ausboten und dass Cato das Verbot, einen Spassmacher zu halten, sogar seinem Wirtschafter in die Instruktion zu setzen noetig fand. In gleicher Weise konnte der Uebersetzer von der eleganten attischen Konversation seiner Originale einen sehr grossen Teil nicht brauchen. Zu der raffinierten Kneip- und Bordellwirtschaft Athens stand der roemische Buerger- und Bauersmann ungefaehr wie der deutsche Kleinstaedter zu den Mysterien des Palais Royal. Die eigentliche Kuechengelehrsamkeit ging nicht in seinen Kopf; die Esspartien blieben freilich auch in der roemischen Nachbildung sehr zahlreich, aber ueberall dominiert ueber die mannigfaltige Baeckerei und die raffinierten Saucen und Fischgerichte der derbe roemische Schweinebraten. Von den Raetselreden und Trinkliedern, von der griechischen Rhetorik und Philosophie, die in den Originalen eine so grosse Rolle spielten, begegnet in der Bearbeitung nur hier und da eine verlorene Spur.

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^14 Etwas anderes kann die merkwuerdige Stelle in dem ‘Maedel von Tarent’ nicht bedeuten:

Was im Theater hier mir gerechten Beifall fand,

Dass das kein Koenig irgend anzufechten wagt -

Wie viel besser als hier der Freie hat’s darin der Knecht!

^15 Wie das moderne Hellas ueber Sklaventum dachte, kann man zum Beispiel bei Euripides (Ion. 854; vgl. Hel. 728) sehen:

Dem Sklaven bringt das eine einzig Schande nur:

Der Name; in allem andern ist nicht schlechter als

Der freie Mann der Sklave, welcher brav sich fuehrt.

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Die Verwuestung, welche die roemischen Bearbeiter durch die Ruecksicht auf ihr Publikum in den Originalen anzurichten genoetigt waren, draengte sie unvermeidlich in eine Weise des Zusammenstreichens und Durcheinanderwerfens hinein, mit der keine kuenstlerische Komposition sich vertrug. Es war gewoehnlich, nicht bloss ganze Rollen des Originals herauszuwerfen, sondern auch dafuer andere aus anderen Lustspielen desselben oder auch eines anderen Dichters wieder einzustuecken; was freilich bei der aeusserlich rationellen Komposition der Originale und ihren stehenden Figuren und Motiven nicht voellig so arg war, wie es scheint. Es gestatteten ferner wenigstens in der aelteren Zeit sich die Dichter hinsichtlich der Komposition die seltsamsten Lizenzen. Die Handlung des sonst so vortrefflichen ‘Stichus’ (aufgefuehrt 554 200) besteht darin, dass zwei Schwestern, welche der Vater veranlassen moechte, sich von ihren abwesenden Ehemaennern zu scheiden, die Penelopen spielen, bis die Maenner mit reichem Kaufmannsgewinn und als Praesent fuer den Schwiegervater mit einem huebschen Maedchen wieder nach Hause kommen. In der ‘Casina’, die bei dem Publikum ganz besonders Glueck machte, kommt die Braut, von der das Stueck heisst und um die es sich dreht, gar nicht zum Vorschein, und die Aufloesung wird ganz naiv als “spaeter drinnen vor sich gehend” vom Epilog erzaehlt. Ueberhaupt wird sehr oft die Verwicklung ueber das Knie gebrochen, ein angesponnener Faden fallengelassen und was dergleichen Zeichen einer unfertigen Kunst mehr sind. Die Ursache hiervon ist wahrscheinlich weit weniger in der Ungeschicklichkeit der roemischen Bearbeiter zu suchen als in der Gleichgueltigkeit des roemischen Publikums gegen die aesthetischen Gesetze. Allmaehlich indes bildete sich der Geschmack. In den spaeteren Stuecken hat Plautus offenbar mehr Sorgfalt auf die Komposition gewendet und ‘Die Gefangenen’ zum Beispiel, der ‘Luegenbold’, ‘Die beiden Bacchis’ sind in ihrer Art meisterhaft gefuehrt; seinem Nachfolger Caecilius, von dem wir keine Stuecke mehr besitzen, wird es nachgeruehmt, dass er sich vorzugsweise durch die kunstmaessigere Behandlung des Sujets auszeichnete.

In der Behandlung des einzelnen fuehren das Bestreben des Poeten, seinen roemischen Zuhoerern die Dinge moeglichst vor die Augen zu bringen, und die Vorschrift der Polizei, die Stuecke auslaendisch zu halten, die wunderlichsten Kontraste herbei. Die roemischen Goetter, die sakralen, militaerischen, juristischen Ausdruecke der Roemer, nehmen sich seltsam aus in der griechischen Welt; bunt durcheinander gehen die roemischen Aedilen und Dreiherren mit den Agoranomen und Demarchen; in Aetolien oder Epidamnos spielende Stuecke schicken den Zuschauer ohne Bedenken nach dem Velabrum und dem Kapitol. Schon eine solche klecksartige Aufsetzung der roemischen Lokaltoene auf den griechischen Grund ist eine Barbarisierung; aber diese in ihrer naiven Art oft sehr spasshaften Interpolationen sind weit ertraeglicher als die durchgaengige Umstimmung der Stuecke ins Rohe, welche bei der keineswegs attischen Bildung des Publikums den Bearbeitern notwendig schien. Freilich mochten schon von den neuattischen Poeten manche in der Ruepelhaftigkeit keiner Nachhilfe beduerfen; Stuecke wie die Plautinische ‘Eselskomoedie’ werden ihre unuebertreffliche Plattheit und Gemeinheit nicht erst dem Uebersetzer verdanken. Aber es walten doch in den roemischen Komoedien die rohen Motive in einer Weise vor, dass die Uebersetzer hierin entweder interpoliert oder mindestens sehr einseitig kompiliert haben muessen. In der unendlichen Pruegelfuelle und der stets ueber dem Ruecken der Sklaven schwebenden Peitsche erkennt man deutlich das catonische Hausregiment, sowie die catonische Opposition gegen die Frauen in dem nimmer endenden Heruntermachen der Weiber. Unter den Spaessen eigener Erfindung, mit welchen die roemischen Bearbeiter die elegante attische Konversation zu wuerzen fuer gut befunden haben, finden sich manche von einer kaum glaublichen Gedankenlosigkeit und Roheit ^16.

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^16 So ist zum Beispiel in das sonst sehr artige Examen, welches in dem Plautinischen ‘Stichus’ der Vater mit seinen Toechtern ueber die Eigenschaften einer guten Ehefrau anstellt, die ungehoerige Frage eingelegt, ob es besser sei, eine Jungfrau oder eine Witwe zu heiraten, bloss um darauf mit einem nicht minder ungehoerigen und im Munde der Sprecherin geradezu unsinnigen Gemeinplatz gegen die Frauen zu antworten. Aber das ist Kleinigkeit gegen den folgenden Fall. In Menanders ‘Halsband’ klagt ein Ehemann dem Freunde seine Not:

A: Ich freite die reiche Erbin Lamia, du weisst

Es doch? - B: Ja freilich. - A: Sie, der dieses Haus gehoert

Und die Felder und alles andre hier umher. Sie duenkt,

Gott weiss es! von allem Ungemach das aergste uns;

Zur Last ist sie all’ und jedem, nicht bloss mir allein,

Dem Sohn auch und gar der Tochter. - B: Allerdings, ich weiss,

So ist es.

In der lateinischen Bearbeitung des Caecilius ist aus diesem, in seiner grossen Einfachheit eleganten Gespraech der folgende Flegeldialog geworden:

B: Deine Frau ist also zaenkisch, nicht? - A: Ei schweig davon! -

B: Wieso? - A: Ich mag nichts davon hoeren. Komm’ ich etwa dir

Nach Haus und setze mich, augenblicks versetzt sie mir

Einen nuechternen Kuss. - B: Ei nun, mit dem Kusse trifft sie’s schon;

Ausspeien sollst du, meint sie, was du auswaerts trankst.

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Was dagegen die metrische Behandlung anlangt, so macht im ganzen der geschmeidige und klingende Vers den Bearbeitern alle Ehre. Wenn die jambischen Trimeter, die in den Originalen vorherrschten und ihrem maessigen Konversationston allein angemessen waren, in der lateinischen Bearbeitung sehr haeufig durch jambische oder trochaeische Tetrameter ersetzt worden sind, so wird auch hiervon die Ursache weniger in der Ungeschicklichkeit der Bearbeiter zu suchen sein, die den Trimeter gar wohl zu handhaben wussten, als in dem ungebildeten Geschmack des roemischen Publikums, dem der praechtige Vollklang der Langverse auch da gefiel, wo er nicht hingehoerte.

Endlich traegt auch die Inszenierung der Stuecke den gleichen Stempel der Gleichgueltigkeit der Direktion wie des Publikums gegen die aesthetischen Anforderungen. Die griechische Schaubuehne, welche schon wegen des Umfangs des Theaters und des Spielens bei Tage auf ein eigentliches Gebaerdenspiel verzichtete, die Frauenrollen mit Maennern besetzte und einer kuenstlichen Verstaerkung der Stimme des Schauspielers notwendig bedurfte, ruhte in szenischer wie in akustischer Hinsicht durchaus auf dem Gebrauch der Gesichts- und Schallmasken. Diese waren auch in Rom wohlbekannt; bei den Dilettantenauffuehrungen erschienen die Spieler ohne Ausnahme maskiert. Dennoch wurden den Schauspielern, welche die griechischen Lustspiele in Rom auffuehren sollten, die dafuer notwendigen, freilich ohne Zweifel viel kuenstlicheren Masken nicht gegeben; was denn, von allem andern abgesehen, in Verbindung mit der mangelhaften akustischen Einrichtung der Buehne ^17 den Schauspieler nicht bloss noetigte seine Stimme ueber die Gebuehr anzustrengen, sondern schon den Livius zu dem hoechst unkuenstlerischen, aber unvermeidlichen Ausweg zwang, die Gesangstuecke durch einen ausserhalb des Spielerpersonals stehenden Saenger vortragen und von dem Schauspieler, in dessen Rolle sie fielen, nur durch stummes Spiel darstellen zu lassen. Ebensowenig fanden die roemischen Festgeber ihre Rechnung dabei, sich fuer Dekorationen und Maschinerie in wesentliche Kosten zu setzen. Auch die attische Buehne stellte regelmaessig eine Strasse mit Haeusern im Hintergrunde vor und hatte keine wandelbaren Dekorationen; allein man besass doch ausser anderem mannigfaltigen Apparat namentlich eine Vorrichtung, um eine kleinere, das Innere eines Hauses vorstellende Buehne auf die Hauptszene hinauszuschieben. Das roemische Theater aber ward damit nicht versehen, und man kann es darum dem Poeten kaum zum Vorwurf machen, wenn alles, sogar das Wochenbett auf der Strasse abgehalten wird.

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^17 Selbst als man steinerne Theater baute, mangelten diesen die Schallgefaesse, wodurch die griechischen Baumeister die Schauspieler unterstuetzten (Vitr. 5, 5, 8).

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So war das roemische Lustspiel des sechsten Jahrhunderts beschaffen. Die Art und Weise, wie man die griechischen Schauspiele nach Rom uebertrug, gewaehrt von dem verschiedenartigen Kulturstand ein geschichtlich unschaetzbares Bild; in aesthetischer wie in sittlicher Hinsicht aber stand das Original nicht hoch und das Nachbild noch tiefer. Die Welt bettelhaften Gesindels, wie sehr auch die roemischen Bearbeiter sie unter der Wohltat des Inventars antraten, erschien doch in Rom verschlagen und fremdartig, die feine Charakteristik gleichsam weggeworfen; die Komoedie stand nicht mehr auf dem Boden der Wirklichkeit, sondern die Personen und Situationen schienen wie ein Kartenspiel, willkuerlich und gleichgueltig gemischt; im Original ein Lebens-, ward sie in der Bearbeitung ein Zerrbild. Bei einer Direktion, die imstande war, einen griechischen Agon mit Floetenspiel, Taenzerchoeren, Tragoeden und Athleten anzukuendigen und schliesslich denselben in eine Pruegelei zu verwandeln, vor einem Publikum, welches, wie noch spaetere Dichter klagen, in Masse aus dem Schauspiel weglief, wenn es Faustkaempfer oder Seiltaenzer oder gar Fechter zu sehen gab, mussten Dichter, wie die roemischen waren, Lohnarbeiter von gesellschaftlich niedriger Stellung, wohl selbst wider die eigene bessere Einsicht und den eigenen besseren Geschmack sich der herrschenden Frivolitaet und Roheit mehr oder minder fuegen. Es ist alles Moegliche, dass nichtsdestoweniger einzelne lebende und frische Talente unter ihnen aufstanden, die das Fremdlaendische und Gemachte in der Poesie wenigstens zurueckzudraengen und in den einmal gewiesenen Bahnen zu erfreulichen und selbst bedeutenden Schoepfungen zu gelangen vermochten. An ihrer Spitze steht Gnaeus Naevius, der erste Roemer, der es verdient, ein Dichter zu heissen und, soweit die ueber ihn erhaltenen Berichte und die geringen Bruchstuecke seiner Werke uns ein Urteil gestatten, allem Anschein nach eines der merkwuerdigsten und bedeutendsten Talente in der roemischen Literatur ueberhaupt. Er war des Andronicus juengerer Zeitgenosse - seine poetische Taetigkeit begann bedeutend vor und endigte wahrscheinlich erst nach dem Hannibalischen Kriege - und im allgemeinen von ihm abhaengig; auch er war, wie das in gemachten Literaturen zu sein pflegt, in allen von seinem Vorgaenger aufgebrachten Kunstgattungen, im Epos, im Trauer- und Lustspiel, zugleich taetig und schloss auch im Metrischen sich eng an ihn an. Nichtsdestoweniger trennt die Dichter wie die Dichtungen eine ungeheure Kluft. Naevius war kein Freigelassener, kein Schulmeister und kein Schauspieler, sondern ein zwar nicht vornehmer, aber unbescholtener Buerger, wahrscheinlich einer der latinischen Gemeinden Kampaniens, und Soldat im Ersten Punischen Kriege ^18. Recht im Gegensatz zu Livius ist Naevius’ Sprache bequem und klar, frei von aller Steifheit und von aller Affektion und scheint selbst im Trauerspiel dem Pathos gleichsam absichtlich aus dem Wege zu gehen; die Verse, trotz des nicht seltenen Hiatus und mancher anderen, spaeterhin beseitigten Lizenzen, fliessen leicht und schoen ^19. Wenn die Quasipoesie des Livius etwa wie bei uns die Gottschedische aus rein aeusserlichen Impulsen hervor- und durchaus am Gaengelbande der Griechen ging, so emanzipierte sein Nachfolger die roemische Poesie und traf mit der wahren Wuenschelrute des Dichters diejenigen Quellen, aus denen allein in Italien eine volkstuemliche Dichtung entspringen konnte: die Nationalgeschichte und die Komik. Die epische Dichtung lieferte nicht mehr bloss dem Schulmeister ein Lesebuch, sondern wandte sich selbstaendig an das hoerende und lesende Publikum. Die Buehnendichtung war bisher, gleich der Kostuemverfertigung, ein Nebengeschaeft des Schauspielers oder eine Handlangerei fuer denselben gewesen; mit Naevius wandte das Verhaeltnis sich um und der Schauspieler ward nun der Diener des Dichters. Durchaus bezeichnet seine poetische Taetigkeit ein volkstuemliches Gepraege. Es tritt am bestimmtesten hervor in seinem ernsten Nationalschauspiel und in seinem Nationalepos, wovon spaeter noch die Rede sein wird; aber auch in den Lustspielen, die unter allen seinen poetischen Leistungen die seinem Talent am meisten zusagenden und erfolgreichsten gewesen zu sein scheinen, haben, wie schon gesagt ward, wahrscheinlich nur aeussere Ruecksichten den Dichter bestimmt, sich so, wie er es tat, den griechischen Originalen anzuschliessen und dennoch ihn nicht gehindert, in frischer Lustigkeit und im vollen Leben in der Gegenwart seine Nachfolger und wahrscheinlich selbst die matten Originale weit hinter sich zurueckzulassen, ja in gewissem Sinne in die Bahnen des Aristophanischen Lustspiels einzulenken. Er hat es wohl empfunden und in seiner Grabschrift auch ausgesprochen, was er seiner Nation gewesen ist:

Wenn Goettern um den Menschen - Totentrauer ziemte,

Den Dichter Naevius klagten - goettliche Camenen;

Dieweil, seit er hinunter - zu den Schatten abschied,

Verschollen ist in Rom der - Ruhm der roemischen Rede.

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^18 Die Personalnotizen ueber Naevius sind arg verwirrt. Da er im Ersten Punischen Kriege focht, kann er nicht nach 495 (259) geboren sein. 519 (235) wurden Schauspiele, wahrscheinlich die ersten, von ihm gegeben (Gell. 12, 21, 45). Dass er schon 550 (204) gestorben sei, wie gewoehnlich angegeben wird, bezweifelte Varro (bei Cic. Brut. 15, 60) gewiss mit Recht; waere es wahr, so muesste er waehrend des Hannibalischen Krieges in Feindesland entwichen sein. Auch die Spottverse auf Scipio koennen nicht vor der Schlacht bei Zama geschrieben sein. Man wird sein Leben zwischen 490 (264) und 560 (194) setzen duerfen, so dass er Zeitgenosse der beiden 543 (211) gefallenen Scipionen (Cic. rep. 4, 10), zehn Jahre juenger als Andronicus und vielleicht zehn Jahre aelter als Plautus war. Seine kampanische Herkunft deutet Gellius, seine latinische Nationalitaet, wenn es dafuer der Beweise beduerfte, er selbst in der Grabschrift an. wenn er nicht roemischer Buerger, sondern etwa Buerger von Cales oder einer anderen latinischen Stadt Kampaniens war, so erklaert es sich leichter, dass ihn die roemische Polizei so ruecksichtslos behandelte. Schauspieler war er auf keinen Fall, da er im Heere diente.

^19 Man vergleiche zum Beispiel mit den livianischen das Bruchstueck aus Naevius’ Trauerspiel ‘Lycurgus’:

Die ihr des koeniglichen Leibes haltet Wacht,

Sogleich zum laubesreichen Platze macht euch auf,

Wo willig ungepflanzt emporsprosst das Gebuesch.

Oder die beruehmten Worte, die in ‘Hektors Abschied’ Hektor zu Priamos sagt:

Lieblich, Vater, klingt von dir mir Lob, dem vielgelobten Mann.

und den reizenden Vers aus dem ‘Maedel von Tarent’:

Alii adnutat, alii adnictat; alium amat, alium tenet.

Zu diesem nickt sie, nach jenem blickt sie; diesen im Herzen, den im Arm.

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Und solcher Maenner- und Dichterstolz ziemte wohl dem Manne, der die Kaempfe gegen Hamilkar und gegen Hannibal teils miterlebte, teils selber mitfocht, und der fuer die tief bewegte und in gewaltigem Freudenjubel gehobene Zeit nicht gerade den poetisch hoechsten, aber wohl einen tuechtigen, gewandten und volkstuemlichen dichterischen Ausdruck fand. Es ist schon erzaehlt worden, in welche Haendel mit den Behoerden er darueber geriet und wie er, vermutlich dadurch von Rom vertrieben, sein Leben in Utica beschloss. Auch hier ging das individuelle Leben ueber dem gemeinen Besten, das Schoene ueber dem Nuetzlichen zugrunde.

In der aeusseren Stellung wie in der Auffassung seines Dichterberufs scheint ihm sein juengerer Zeitgenosse, Titus Maccius Plautus (500? - 570 254-184). weit nachgestanden zu haben. Gebuertig aus dem kleinen, urspruenglich umbrischen, aber damals, vielleicht schon latinisierten Staedtchen Sassina, lebte er in Rom als Schauspieler und, nachdem er den damit gemachten Gewinn in kaufmaennischen Spekulationen wieder eingebuesst hatte, als Theaterdichter von der Bearbeitung griechischer Lustspiele, ohne in einem anderen Fache der Literatur taetig zu sein und wahrscheinlich ohne Anspruch auf eigentliches Schriftstellertum zu machen. Solcher handwerksmaessigen Komoedienbearbeiter scheint es in Rom damals eine ziemliche Zahl gegeben zu haben; allein ihre Namen sind, zumal da sie wohl durchgaengig ihre Stuecke nicht publizierten ^20, so gut wie verschollen, und was von diesem Repertoire sich erhielt, ging spaeterhin auf den Namen des populaersten unter ihnen, des Plautus. Die Literatoren des folgenden Jahrhunderts zaehlten bis hundertunddreissig solcher “plautinischer Stuecke”, von denen indes auf jeden Fall ein grosser Teil nur von Plautus durchgesehen oder ihm ganz fremd war; der Kern derselben ist noch vorhanden. Ein gegruendetes Urteil ueber die poetische Eigentuemlichkeit des Bearbeiters zu faellen, ist dennoch sehr schwer, wo nicht unmoeglich, da die Originale uns nicht erhalten sind. Dass die Bearbeitung ohne Auswahl gute wie schlechte Stuecke uebertrug, dass sie der Polizei wie dem Publikum gegenueber untertaenig und untergeordnet dastand, dass sie gegen die aesthetischen Anforderungen sich ebenso gleichgueltig verhielt wie ihr Publikum und diesem zuliebe die Originale ins Possenhafte und Gemeine umstimmte, sind Vorwuerfe, die mehr gegen die ganze Uebersetzungsfabrik als gegen den einzelnen Bearbeiter sich richten. Dagegen darf als dem Plautus eigentuemlich gelten die meisterliche Behandlung der Sprache und der mannigfachen Rhythmen, ein seltenes Geschick, die Situation buehnengerecht zu gestalten und zu nutzen, der fast immer gewandte und oft vortreffliche Dialog und vor allen Dingen eine derbe und frische Lustigkeit, die in gluecklichen Spaessen, in einem reichen Schimpfwoerterlexikon, in launigen Wortbildungen, in drastischen, oft mimischen Schilderungen und Situationen unwiderstehlich komisch wirkt - Vorzuege, in denen man den gewesenen Schauspieler zu erkennen meint. Ohne Zweifel hat der Bearbeiter auch hierin mehr das Gelungene der Originale festgehalten als selbstaendig geschaffen - was in den Stuecken sicher auf den Uebersetzer zurueckgefuehrt werden kann, ist milde gesagt mittelmaessig; allein es wird dadurch begreiflich, warum Plautus der eigentliche roemische Volkspoet und der rechte Mittelpunkt der roemischen Buehne geworden und geblieben, ja noch nach dem Untergang der roemischen Welt das Theater mehrfach auf ihn zurueckgekommen ist.

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^20 Diese Annahme scheint deshalb notwendig, weil man sonst unmoeglich in der Art, wie die Alten es tun, ueber die Echtheit oder Unechtheit der Plautinischen Stuecke haette schwanken koennen; bei keinem eigentlichen Schriftsteller des roemischen Altertums begegnet eine auch nur annaehernd aehnliche Ungewissheit ueber das literarische Eigentum. Auch in dieser Hinsicht wie in so vielen anderen aeusserlichen Dingen besteht die merkwuerdigste Analogie zwischen Plautus und Shakespeare.

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Noch weit weniger vermoegen wir zu einem eigenen Urteil ueber den dritten und letzten - denn Ennius schrieb wohl Komoedien, aber durchaus ohne Erfolg - namhaften Lustspieldichter dieser Epoche, Statius Caecilius, zu gelangen. Der Lebensstellung und dem Gewerbe nach stand er mit Plautus gleich. Geboren im Keltenland in der Gegend von Mediolanum kam er unter den insubrischen Kriegsgefangenen nach Rom und lebte dort als Sklave, spaeter als Freigelassener von der Bearbeitung griechischer Komoedien fuer das Theater bis zu seinem wahrscheinlich fruehen Tode (586 168). Dass seine Sprache nicht rein war, ist bei seiner Herkunft begreiflich; dagegen bemuehte er sich, wie schon gesagt ward, um strengere Komposition. Bei den Zeitgenossen fanden seine Stuecke nur schwer Eingang, und auch das spaetere Publikum liess gegen Plautus und Terenz den Caecilius fallen; wenn dennoch die Kritiker der eigentlichen Literaturzeit Roms, der varronischen und augustinischen Epoche, unter den roemischen Bearbeitern griechischer Lustspiele dem Caecilius die erste Stelle eingeraeumt haben, so scheint dies darauf zu beruhen, dass die kunstrichterliche Mittelmaessigkeit gern der geistesverwandten poetischen vor dem einseitig Vortrefflichen den Vorzug gibt. Wahrscheinlich hat jene Kunstkritik den Caecilius nur deshalb unter ihre Fluegel genommen, weil et regelrechter als Plautus und kraeftiger als Terenz war; wobei er immer noch recht wohl weit geringer als beide gewesen sein kann.

Wenn also der Literarhistoriker bei aller Anerkennung des sehr achtbaren Talents der roemischen Lustspieldichter doch in ihrem reinen Uebersetzungsrepertoire weder eine kuenstlerisch bedeutende noch eine kuenstlerisch reine Leistung erkennen kann, so muss das geschichtlich-sittliche Urteil ueber dasselbe notwendig noch bei weitem haerter ausfallen. Das griechische Lustspiel, das demselben zu Grunde liegt, war sittlich insofern gleichgueltig, als es eben nur im Niveau der Korruption seines Publikums stand; die roemische Schaubuehne aber war in dieser zwischen der alten Strenge und der neuen Verderbnis schwankenden Epoche die hohe Schule zugleich des Hellenismus und des Lasters. Dieses attisch-roemische Lustspiel mit seiner in der Frechheit wie in der Sentimentalitaet gleich unsittlichen, den Namen der Liebe usurpierenden Leibes- und Seelenprostitution, mit seiner widerlichen und widernatuerlichen Edelmuetigkeit, mit seiner durchgaengigen Verherrlichung des Kneipenlebens, mit seiner Mischung von Bauernroheit und auslaendischem Raffinement, war eine fortlaufende Predigt roemisch-hellenischer Demoralisation und ward auch als solche empfunden. Ein Zeugnis bewahrt der Epilog der Plautinischen ‘Gefangenen’:

Dieses Lustspiel, da ihr schautet, ist anstaendig ganz und gar:

Nicht wird darin ausgegriffen, Liebeshaendel hat es nicht,

Keine Kinderunterschiebung, keine Geldabschwindelung;

Nicht kauft drin der Sohn sein Maedchen ohne des Vaters Willen frei.

Selten nur ersinnt ein Dichter solcherlei Komoedien,

Die die Guten besser machen. Wenn drum euch dies Stueck gefiel,

Wenn wir Spieler euch gefallen, lasst uns dies das Zeichen sein:

Wer auf Anstand haelt, der klatsche nun zum Lohn uns unserm Spiel.

Man sieht hier, wie die Partei der sittlichen Reform ueber das griechische Lustspiel geurteilt hat; und es kann hinzugesetzt werden, dass auch in jenen weissen Raben, den moralischen Lustspielen, die Moralitaet von derjenigen Art ist, die nur dazu taugt, die Unschuld gewisser zu betoeren. Wer kann es bezweifeln, dass diese Schauspiele der Korruption praktischen Vorschub getan haben? Als Koenig Alexander an einem Lustspiel dieser Art, das der Verfasser ihm vorlas, keinen Geschmack fand, entschuldigte sich der Dichter, dass das nicht an ihm sondern an dem Koenige liege; um ein solches Stueck zu geniessen, muesse man gewohnt sein, Kneipgelage abzuhalten und eines Maedchens wegen Schlaege auszuteilen und zu empfangen. Der Mann kannte sein Handwerk; wenn also die roemische Buergerschaft allmaehlich an diesen griechischen Komoedien Geschmack fand, so sieht man, um weichen Preis es geschah. Es gereicht der roemischen Regierung zum Vorwurf, nicht, dass sie fuer diese Poesie so wenig tat, sondern dass sie dieselbe ueberhaupt duldete. Das Laster ist zwar auch ohne Kanzel maechtig; aber damit ist es noch nicht entschuldigt, demselben eine Kanzel zu errichten. Es war mehr eine Ausrede als eine ernstliche Verteidigung, dass man das hellenisierende Lustspiel von der unmittelbaren Beruehrung der Personen und Institutionen Roms fernhielt. Vielmehr haette die Komoedie wahrscheinlich sittlich weniger geschadet, wenn man sie freier haette walten, den Beruf des Poeten sich veredeln und eine einigermassen selbstaendige roemische Poesie sich entwickeln lassen; denn die Poesie ist auch eine sittliche Macht, und wenn sie tiefe Wunden schlaegt, so vermag sie auch viel zu heilen. Wie es war, geschah auch auf diesem Gebiet von der Regierung zu wenig und zu viel; die politische Halbheit und die moralische Heuchelei ihrer Buehnenpolizei hat zu der furchtbar raschen Aufloesung der roemischen Nation das Ihrige beigetragen.

Wenn indes die Regierung dem roemischen Lustspieldichter nicht gestattete, die Zustaende seiner Vaterstadt darzustellen und seine Mitbuerger auf die Buehne zu bringen, so war doch dadurch die Entstehung eines lateinischen Nationallustspiels nicht unbedingt abgeschnitten; denn die roemische Buergerschaft war in dieser Zeit noch nicht mit der latinischen Nation zusammengefallen, und es stand dem Dichter frei, seine Stuecke wie in Athen und Massalia, ebenso auch in den italischen Staedten latinischen Rechts spielen zu lassen. In der Tat entstand auf diesem Wege das lateinische Originallustspiel (fabula togata ^21; der nachweislich aelteste Verfasser solcher Stuecke, Titinius, bluehte wahrscheinlich um das Ende dieser Epoche ^22. Auch diese Komoedie ruhte auf der Grundlage des neuattischen Intrigenstuecks; aber sie war nicht Uebersetzung, sondern Nachdichtung: der Schauplatz des Stuecks war in Italien und die Schauspieler erschienen in dem nationalen Gewande, in der Toga. Hier waltet das latinische Leben und Treiben in eigentuemlicher Frische. Die Stuecke bewegen sich in dem buergerlichen Leben der Mittelstaedte Latiums, wie schon die Titel zeigen: ‘Die Harfenistin oder das Maedchen von Ferentinum’, ‘Die Floetenblaeserin’, ‘Die Juristin’, ‘Die Walker’, und manche einzelne Situationen noch weiter bestaetigen, wie zum Beispiel ein Spiessbuerger sich darin seine Schuhe nach dem Muster der albanischen Koenigssandalen machen laesst. In auffallender Weise treten die maennlichen gegen die Frauenrollen zurueck ^23. Mit echt nationalem Stolze gedenkt der Dichter der grossen Zeit des Pyrrhischen Krieges und sieht herab auf die neulatinischen Nachbarn,

Welche oskisch und volskisch reden, denn Latein verstehn sie nicht.

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^21 Togatus bezeichnet in der juristischen und ueberhaupt in der technischen Sprache den Italiker im Gegensatz nicht bloss zu dem Auslaender, sondern auch zu dem roemischen Buerger. So ist vor allen Dingen formula togatorum (CIL I, 200, von 21; 50) das Verzeichnis derjenigen italischen Militaerpflichtigen, die nicht in den Legionen dienen. Auch die Benennung des Cisalpinischen oder Diesseitigen Galliens als Gallia togata, die zuerst bei Hirtius vorkommt und nicht lange nachher aus dem gemeinen Sprachgebrauch wieder verschwindet, bezeichnet diese Landschaft vermutlich nach ihrer rechtlichen Stellung, insofern in der Epoche vom Jahre 665 (89) bis zum Jahre 705 (49) die grosse Mehrzahl ihrer Gemeinden latinisches Recht besass. Virgil (Aen. 1, 282) scheint ebenfalls bei der gens togata, die er neben den Roemern nennt, an die latinische Nation gedacht zu haben.

Danach wird man auch in der fabula togata dasjenige Lustspiel zu erkennen haben, das in Latium spielte wie die fabula palliata in Griechenland; beiden aber ist die Verlegung des Schauplatzes in das Ausland gemeinsam, und die Stadt und die Buergerschaft Roms auf die Buehne zu bringen, bleibt ueberhaupt dem Lustspieldichter untersagt. Dass in der Tat die togata nur in den Staedten latinischen Rechts spielen durfte, zeigt die Tatsache, dass alle Staedte, in denen unseres Wissens Stuecke des Titinius und Afranius spielen, Setia, Ferentinum, Velitrae, Brundisium nachweislich bis auf den Bundesgenossenkrieg latinisches oder doch bundesgenoessisches Recht gehabt haben. Durch die Erstreckung des Buergerrechts auf ganz Italien ging den Lustspieldichtern diese latinische Inszenierung verloren, da das Cisalpinische Gallien, das rechtlich an die Stelle der latinischen Gemeinden gesetzt ward fuer den hauptstaedtischen Buehnendichter zu fern lag, und es scheint damit auch die fabula togata in der Tat verschwunden zu sein. Indes traten die rechtlich untergegangenen Gemeinden Italiens, wie Capua und Atella, in diese Luecke ein, und insofern ist die fabula Atellana gewissermassen die Fortsetzung der togata.

^22 Ueber Titinius fehlt es an allen literarischen Angaben; ausser dass, nach einem Varronischen Fragment zu schliessen, er aelter als Terenz (558-595 196-159) gewesen zu sein scheint (Ritschl, Parerga, Bd. 1, S. 194) - denn mehr moechte freilich auch aus dieser Stelle nicht entnommen werden koennen und, wenn auch von den beiden hier verglichenen Gruppen die zweite (Trabea, Atilius, Caecilius) im ganzen aelter ist als die erste (Titinius, Terentius, Atta), darum noch nicht gerade der aelteste der juengeren Gruppe juenger zu erachten sein als der juengste der aelteren.

^23 Von den fuenfzehn Titinischen Komoedien, die wir kennen, sind sechs nach Maenner- (baratus?, caecus, fullo nes, Hortensius, Quintus, varus), neun nach Frauenrollen benannt (Gemma, iurisperita, prilia?, privigna, psaltria oder Ferentinatis, Setina, tibicina, Veliterna, Ulubrana ?), von denen zwei, die ‘Juristin’ und die ‘Floetenblaeserin’ offenbar Maennergewerbe parodierten. Auch in den Bruchstuecken waltet die Frauenwelt vor.

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Der hauptstaedtischen Buehne gehoert dieses Lustspiel ebenso an wie das griechische; immer aber mag in demselben etwas von der landschaftlichen Opposition gegen das grossstaedtische Wesen und Unwesen geherrscht haben, wie sie gleichzeitig bei Cato und spaeterhin bei Varro hervortritt. Wie in der deutschen Komoedie, die in ganz aehnlicher Weise von der franzoesischen ausgegangen war wie die roemische von der attischen, sehr bald die franzoesische Lisette durch das Frauenzimmerchen Franziska abgeloest ward, so trat, wenn nicht mit gleicher poetischer Gewalt, doch in derselben Richtung und vielleicht mit aehnlichem Erfolg, in Rom neben das hellenisierende das latinische Nationallustspiel.

Wie das griechische Lustspiel kam auch das griechische Trauerspiel im Laufe dieser Epoche nach Rom. Dasselbe war ein wertvollerer und in gewisser Hinsicht auch ein leichterer Erwerb als die Komoedie. Die Grundlage des Trauerspiels, das griechische, namentlich das Homerische Epos, war den Roemern nicht fremd und bereits mit ihrer eigenen Stammsage verflochten; und ueberhaupt ward der empfaengliche Fremde weit leichter heimisch in der idealen Welt der heroischen Mythen als auf dem Fischmarkt von Athen. Dennoch hat auch das Trauerspiel, nur minder schroff und minder gemein, die antinationale und hellenisierende Weise gefoerdert; wobei es von der entscheidendsten Wichtigkeit war, dass die griechische tragische Buehne dieser Zeit vorwiegend von Euripides (274, 348 480, 406) beherrscht ward. Diesen merkwuerdigen Mann und seine noch viel merkwuerdigere Wirkung auf Mit- und Nachwelt erschoepfend darzustellen, ist dieses Ortes nicht; aber die geistige Bewegung der spaeteren griechischen und der griechisch-roemischen Epoche ward so sehr durch ihn bestimmt, dass es unerlaesslich ist, sein Wesen wenigstens in den Grundzuegen zu skizzieren. Euripides gehoert zu denjenigen Dichtern, welche die Poesie zwar auf eine hoehere Stufe heben, aber in diesem Fortschritt bei weitem mehr das richtige Gefuehl dessen, was sein sollte, als die Macht offenbaren, dies poetisch zu erschaffen. Das tiefe Wort, welches sittlich wie poetisch die Summe aller Tragik zieht, dass Handeln Leiden ist, gilt freilich auch fuer die antike Tragoedie; den handelnden Menschen stellt sie dar, aber eigentliche Individualisierung ist ihr fremd. Die unuebertroffene Grossheit, womit der Kampf des Menschen und des Schicksals bei Aeschylos sich vollzieht, beruht wesentlich darauf, dass jede der ringenden Maechte nur im ganzen aufgefasst wird; das wesenhafte Menschliche ist im ‘Prometheus’ und ‘Agamemnon’ nur leicht angehaucht von dichterischer Individualisierung. Sophokles fasst wohl die Menschennatur in ihrer allgemeinen Bedingtheit, den Koenig, den Greis, die Schwester; aber den Mikrokosmos des Menschen in seiner Allseitigkeit, den Charakter bringt keine einzelne seiner Gestalten zu Anschauung. Es ist hier ein hohes Ziel erreicht, aber nicht das hoechste; die Schilderung des Menschen in seiner Ganzheit und die Verflechtung dieser einzelnen, in sich fertigen Gestalten zu einer hoeheren poetischen Totalitaet ist eine Steigerung und darum sind, gegen Shakespeare gehalten, Aeschylos und Sophokles unvollkommene Entwicklungsstufen. Allein wie Euripides es unternimmt, den Menschen darzustellen wie er ist, liegt darin mehr ein logischer und in gewissem Sinn ein geschichtlicher als ein dichterischer Fortschritt. Er hat die antike Tragoedie zu zerstoeren, nicht die moderne zu erschaffen vermocht. Ueberall blieb er auf halbem Wege stehen. Die Masken, durch welche die Aeusserung des Seelenlebens gleichsam aus dem Besonderen ins Allgemeine uebersetzt wird, sind fuer die typische Tragoedie des Altertums ebenso notwendig wie mit dem Charaktertrauerspiel unvertraeglich; Euripides aber behielt sie bei. Mit bewundernswert feinem Gefuehl hatte die aeltere Tragoedie das dramatische Element, das frei walten zu lassen sie nicht vermochte, niemals rein dargestellt, sondern es stets durch die epischen Stoffe aus der Uebermenschenwelt der Goetter und Heroen und durch die lyrischen Choere gewissermassen gebunden. Man fuehlt es, dass Euripides an diesen Ketten riss: er ging mit seinen Stoffen wenigstens bis in die halb historische Zeit hinab und seine Chorlieder traten so zurueck, dass man bei spaeteren Auffuehrungen sie haeufig und wohl kaum zum Nachteil der Stuecke wegliess - aber doch hat er weder seine Gestalten voellig auf den Boden der Wirklichkeit gestellt noch den Chor ganz beiseite geworfen. Durchaus und nach allen Seiten hin ist er der volle Ausdruck einer Zeit einerseits der grossartigsten geschichtlichen und philosophischen Bewegung, anderseits der Truebung des Urquells aller Poesie, der reinen und schlichten Volkstuemlichkeit. Wenn die ehrfuerchtige Froemmigkeit der aelteren Tragiker deren Stuecke gleichsam mit einem Abglanz des Himmels ueberstroemt, wenn die Abgeschlossenheit des engen Horizontes der aelteren Hellenen auch ueber den Hoerer ihre befriedende Macht uebt, so erscheint die Euripideische Welt in dem fahlen Schimmer der Spekulation so entgoettlicht wie durchgeistigt, und truebe Leidenschaften zucken wie die Blitze durch die grauen Wolken hin. Der alte, tiefe innerliche Schicksalsglaube ist verschwunden; das Fatum regiert als aeusserlich despotische Macht, und knirschend tragen die Knechte ihre Fesseln. Derjenige Unglaube, welcher der verzweifelnde Glaube ist, redet aus diesem Dichter mit daemonischer Gewalt. Notwendigerweise gelangt also der Dichter niemals zu einer ihn selber ueberwaeltigenden plastischen Konzeption und niemals zu einer wahrhaft poetischen Wirkung im ganzen; weshalb er auch sich gegen die Komposition seiner Trauerspiele gewissermassen gleichgueltig verhalten, ja hierin nicht selten geradezu gesudelt und seinen Stuecken weder in einer Handlung noch in einer Persoenlichkeit einen Mittelpunkt gegeben hat - die liederliche Manier, den Knoten durch den Prolog zu schuerzen und durch eine Goettererscheinung oder eine aehnliche Plumpheit zu loesen, hat recht eigentlich Euripides aufgebracht. Alle Wirkung liegt bei ihm im Detail, und mit allerdings grosser Kunst ist hierin von allen Seiten alles aufgeboten, um den unersetzlichen Mangel poetischer Totalitaet zu verdecken. Euripides ist Meister in den sogenannten Effekten, welche in der Regel sinnlich sentimental gefaerbt sind und oft noch durch einen besonderen Hautgout, zum Beispiel durch Verwehung von Liebesstoffen mit Mord oder Inzest, die Sinnlichkeit stacheln. Die Schilderungen der willig sterbenden Polyxena, der vor geheimem Liebesgram vergehenden Phaedra, vor allem die prachtvolle der mystisch verzueckten Bakchen sind in ihrer Art von der groessten Schoenheit; aber sie sind weder kuenstlerisch noch sittlich rein und Aristophanes’ Vorwurf, dass der Dichter keine Penelope zu schildern vermoege, vollkommen begruendet. Verwandter Art ist das Hineinziehen des gemeinen Mitleids in die Euripideische Tragoedie. Wenn seine verkuemmerten Heroen, wie der Menelaos in der ‘Helena’, die Andromache, die Elektra als arme Baeuerin, der kranke und ruinierte Kaufmann Telephos, widerwaertig oder laecherlich und in der Regel beides zugleich sind, so machen dagegen diejenigen Stuecke, die mehr in der Atmosphaere der gemeinen Wirklichkeit sich halten und aus dem Trauerspiel in das ruehrende Familienstueck und beinahe schon in die sentimentale Komoedie uebergehen, wie die ‘Iphigenie in Aulis’, der ‘Ion’, die ‘Alkestis’ vielleicht unter all seinen zahlreichen Werken die erfreulichste Wirkung. Ebenso oft, aber mit geringerem Glueck versucht der Dichter das Verstandesinteresse ins Spiel zu bringen. Dahin gehoert die verwickelte Handlung, welche darauf berechnet ist, nicht wie die aeltere Tragoedie das Gemuet zu bewegen, sondern vielmehr die Neugierde zu spannen; dahin der dialektisch zugespitzte, fuer uns Nichtathener oft geradezu unertraegliche Dialog; dahin die Sentenzen, die wie die Blumen im Ziergarten durch die Euripideischen Stuecke ausgestreut sind; dahin vor allem die Euripideische Psychologie, die keineswegs auf unmittelbar menschlicher Nachempfindung, sondern auf rationeller Erwaegung beruht. Seine Medeia ist insofern allerdings nach dem Leben geschildert, als sie vor ihrer Abfahrt gehoerig mit Reisegeld versehen wird; von dem Seelenkampf zwischen Mutterliebe und Eifersucht wird der unbefangene Leser nicht viel bei Euripides finden. Vor allem aber ist in den Euripideischen Tragoedien die poetische Wirkung ersetzt durch die tendenzioese. Ohne eigentlich unmittelbar in die Tagesfragen einzutreten und durchaus mehr die sozialen als die politischen Fragen ins Auge fassend, trifft doch Euripides in seinen innerlichen Konsequenzen zusammen mit dem gleichzeitigen politischen und philosophischen Radikalismus und ist der erste und oberste Apostel der neuen, die alte attische Volkstuemlichkeit aufloesenden kosmopolitischen Humanitaet. Hierauf beruht wie die Opposition, auf die der ungoettliche und unattische Dichter bei seinen Zeitgenossen stiess, so auch der wunderbare Enthusiasmus, mit welchem die juengere Generation und das Ausland dem Dichter der Ruehrung und der Liebe, der Sentenz und der Tendenz, der Philosophie und der Humanitaet sich hingab. Das griechische Trauerspiel schritt mit Euripides ueber sich selber hinaus und brach also zusammen; aber des weltbuergerlichen Dichters Erfolg ward dadurch nur gefoerdert, da gleichzeitig auch die Nation ueber sich hinausschritt und gleichfalls zusammenbrach. Die Aristophanische Kritik mochte sittlich wie poetisch vollkommen das Richtige treffen; aber die Dichtung wirkt nun einmal geschichtlich nicht in dem Masse ihres absoluten Wertes, sondern in dem Masse, wie sie den Geist der Zeit vorzufuehlen vermag, und in dieser Hinsicht ist Euripides unuebertroffen. So ist es denn gekommen, dass Alexander ihn fleissig las, dass Aristoteles den Begriff des tragischen Dichters im Hinblick auf ihn entwickelte, dass die juengste dichtende wie bildende Kunst in Attika aus ihm gleichsam hervorging, das neuattische Lustspiel nichts tat, als den Euripides ins Komische uebertragen, und die in den spaeteren Vasenbildern uns entgegentretende Malerschule ihre Stoffe nicht mehr den alten Epen, sondern der Euripideischen Tragoedie entnahm, dass endlich, je mehr das alte Hellas dem neuen Hellenismus wich, des Dichters Ruhm und Einfluss mehr und mehr stieg und das Griechentum im Auslande, in Aegypten wie in Rom, unmittelbar oder mittelbar wesentlich durch Euripides bestimmt ward.

Der Euripideische Hellenismus ist durch die verschiedenartigsten Kanaele nach Rom geflossen und mag daselbst wohl rascher und tiefer mittelbar gewirkt haben als geradezu in der Form der Uebersetzung. Die tragische Schaubuehne ist in Rom nicht gerade spaeter eroeffnet worden als die komische; allein sowohl die bei weitem groesseren Kosten der tragischen Inszenierung, worauf doch, wenigstens waehrend des Hannibalischen Krieges, ohne Zweifel Ruecksicht genommen worden ist, als auch die Beschaffenheit des Publikums hielten die Entwicklung der Tragoedie zurueck. In den Plautinischen Lustspielen wird auf Tragoedien nicht gerade oft hingedeutet, und die meisten Anfuehrungen der Art moegen aus den Originalen heruebergenommen sein. Der erste und einzig erfolgreiche Tragoediendichter dieser Zeit war des Naevius und Plautus juengerer Zeitgenosse Quintus Ennius (515-585 239-169), dessen Stuecke schon von den gleichzeitigen Lustspieldichtern parodiert und von den Spaeteren bis in die Kaiserzeit hinein geschaut und deklamiert wurden.

Uns ist die tragische Schaubuehne der Roemer weit weniger bekannt als die komische; im ganzen genommen wiederholen dieselben Erscheinungen, die bei dieser wahrgenommen wurden, sich auch bei jener. Das Repertoire ging gleichfalls wesentlich aus Uebersetzungen griechischer Stuecke hervor. Die Stoffe werden mit Vorliebe der Belagerung von Troja und den unmittelbar damit zusammenhaengenden Sagen entnommen, offenbar weil dieser Mythenkreis allein dem roemischen Publikum durch den Schulunterricht gelaeufig war; daneben ueberwiegen die sinnlich-grausamen Motive, der Mutter- oder Kindermord in den ‘Eumeniden’, im ‘Alkmaeon’, im ‘Kresphontes’, in der ‘Melanippe’, in der ‘Medeia’, die Jungfrauenopfer in der ‘Polyxena’, den ‘Erechthiden’, der ‘Andromeda’, der ‘Iphigeneia’ - man kann nicht umhin, sich dabei zu erinnern, dass das Publikum dieser Tragoedien Fechterspielen zuzuschauen gewohnt war. Frauen- und Geisterrollen scheinen den tiefsten Eindruck gemacht zu haben. Die bemerkenswerteste Abweichung der roemischen Bearbeitung von dem Original betrifft ausser dem Wegfall der Masken den Chor. Der roemischen, zunaechst wohl fuer das komische chorlose Spiel eingerichteten Buehne mangelte der besondere Tanzplatz (orchestra) mit dem Altar in der Mitte, auf dem der griechische Chor sich bewegte, oder vielmehr es diente derselbe bei den Roemern als eine Art Parkett; danach muss wenigstens der kunstvoll gegliederte und mit der Musik und der Deklamation verschlungene Chortanz in Rom weggefallen sein, und wenn der Chor auch blieb, so hatte er doch wenig zu bedeuten. Im einzelnen fehlte es natuerlich an Vertauschungen der Masse, an Verkuerzungen und Verunstaltungen nicht; in der lateinischen Bearbeitung der Euripideischen ‘Iphigeneia’ zum Beispiel ist, sei es nach dem Muster einer anderen Tragoedie, sei es nach eigener Erfindung des Bearbeiters, aus dem Frauen- ein Soldatenchor gemacht. Gute Uebersetzungen in unserem Sinn koennen die lateinischen Tragoedien des sechsten Jahrhunderts freilich nicht genannt werden ^24, doch gab wahrscheinlich ein Trauerspiel des Ennius von dem Euripideischen Original ein weit minder getruebtes Bild als ein Plautinisches Lustspiel von dem des Menander.

Die geschichtliche Stellung und Wirkung des griechischen Trauerspiels in Rom ist derjenigen der griechischen Komoedie vollstaendig gleichartig; und wenn, wie das der Unterschied der Dichtgattungen mit sich bringt, in dem Trauerspiel die hellenistische Richtung geistiger und reinlicher auftritt, so trug dagegen die tragische Buehne dieser Zeit und ihr hauptsaechlicher Vertreter Ennius noch weit entschiedener die antinationale und mit Bewusstsein propagandistische Tendenz zur Schau. Ennius, schwerlich der bedeutendste, aber sicher der einflussreichste Dichter des sechsten Jahrhunderts, war kein geborener Latiner, sondern von Haus aus ein Halbgrieche; messapischer Abkunft und hellenischer Bildung, siedelte er in seinem fuenfunddreissigsten Jahre nach Rom ueber und lebte dort, anfangs als Insasse, seit 570 (184) als Buerger in beschraenkten Verhaeltnissen, teils von dem Unterricht im Lateinischen und Griechischen, teils von dem Ertrag seiner Stuecke, teils von den Verehrungen derjenigen roemischen Grossen, welche, wie Publius Scipio, Titus Flaminius, Marcus Fulvius Nobilior, geneigt waren, den modernen Hellenismus zu foerdern und dem Poeten zu lohnen, der ihr eigenes und ihrer Ahnen Lob sang, und auch wohl einzelne von ihnen, gewissermassen als im voraus fuer die zu verrichtenden Grosstaten bestellter Hofpoet, ins Feldlager begleitete. Das Klientennaturell, das fuer einen solchen Beruf erforderlich war, hat er selbst zierlich geschildert ^25. Von Haus aus und seiner ganzen Lebensstellung nach Kosmopolit, verstand er es, die Nationalitaeten, unter denen er lebte, die griechische, launische, ja sogar die oskische sich anzueignen, ohne doch einer von ihnen sich zu eigen zu geben; und wenn bei den frueheren roemischen Poeten der Hellenismus mehr folgeweise aus ihrer dichterischen Wirksamkeit hervorgegangen als ihr deutliches Ziel gewesen war, und sie darum auch mehr oder minder wenigstens versucht hatten, sich auf einen volkstuemlichen Boden zu stellen, so ist sich Ennius vielmehr seiner revolutionaeren Tendenz mit merkwuerdiger Klarheit bewusst und arbeitet sichtlich darauf hin, die neologisch-hellenische Richtung bei den Italikern energisch zur Geltung zu bringen. Sein brauchbarstes Werkzeug war die Tragoedie. Die Truemmer seiner Trauerspiele zeigen, dass ihm das gesamte tragische Repertoire der Griechen und namentlich auch Aeschylos und Sophokles sehr wohl bekannt waren; um so weniger ist es zufaellig, dass er bei weitem die meisten und darunter alle seiner gefeierten Stuecke dem Euripides nachgebildet hat. Bei der Auswahl und Behandlung bestimmten ihn freilich zum Teil aeussere Ruecksichten; aber nicht dadurch allein kann es veranlasst sein, dass er so entschieden den Euripides im Euripides hervorhob, die Choere noch mehr vernachlaessigte als sein Original, die sinnliche Wirkung noch schaerfer als der Grieche akzentuierte, dass er Stuecke aufgriff wie den ‘Thyestes’ und den aus Aristophanes’ unsterblichem Spott so wohlbekannten ‘Telephos’ und deren Prinzenjammer und Jammerprinzen, ja sogar ein Stueck wie ‘Menalippe die Philosophin’, wo die ganze Handlung sich um die Verkehrtheit der Volksreligion dreht und die Tendenz, dieselbe vom naturphilosophischen Standpunkte aus zu befehden, auf der flachen Hand liegt. Gegen den Wunderglauben fliegen ueberall, zum Teil in nachweislich eingelegten Stellen ^26, die schaerfsten Pfeile, und von Tiraden, wie die folgende ist:

Himmelsgoetter freilich gibt es, sagt’ ich sonst und sag’ ich noch;

Doch sie kuemmern keinesweges, mein’ ich, sich um der Menschen Los,

Sonst ging’s gut den Guten, schlecht den Boesen; doch dem ist nicht so.

wundert man sich fast, dass sie die roemische Buehnenzensur passierten. Dass Ennius in einem eigenen Lehrgedicht dieselbe Irreligiositaet wissenschaftlich predigte, ward schon bemerkt; und offenbar ist es ihm mit dieser Aufklaerung Herzenssache gewesen. Dazu stimmt vollkommen die hier und da hervortretende radikal gefaerbte politische Opposition ^27, die Verherrlichung der griechischen Tafelfreuden, vor allem die Vernichtung des letzten nationalen Elements in der lateinischen Poesie, des saturnischen Masses, und dessen Ersetzung durch den griechischen Hexameter. Dass der “vielgestaltige” Poet alle diese Aufgaben mit gleicher Sauberkeit ausfuehrte, dass er der keineswegs daktylisch angelegten Sprache den Hexameter abrang und ohne den natuerlichen Fluss der Rede zu hemmen sich mit Sicherheit und Freiheit in den ungewohnten Massen und Formen bewegte, zeugt von seinem ungemeinen, in der Tat mehr griechischen als roemischen Formtalent ^28; wo man bei ihm anstoesst, verletzt viel haeufiger griechische Sprachdiftelei ^29 als roemische Roheit. Er war kein grosser Dichter, aber ein anmutiges und heiteres Talent, durchaus eine lebhaft anempfindende poetische Natur, die freilich des poetischen Kothurnes bedurfte, um sich als Dichter zu fuehlen, und der die komische Ader vollstaendig abging. Man begreift den Stolz, womit der hellenisierende Poet auf die rauhen Weisen herabsieht, “in denen die Waldgeister und die Barden ehemals sangen”, und die Begeisterung, womit er die eigene Kunstpoesie feiert:

Heil Dichter Ennius! welcher du den Sterblichen

Das Feuerlied kredenzest aus der tiefen Brust.

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^24 Zur Vergleichung stehe hier der Anfang der Euripideischen und der Ennianischen ‘Medeia’:

Είθ' ώφελ' Αργούς διασπάσθαι σκάφος

Κόλχων ες αίαν κυανέας Συπληγάδας

Μήδ' τέν νάπαισι Πηλίου πεσείν ποτε Utinam ne in nemore Pelio securibus

Τμηθείσα πεύκη, μηδ' ερετμώσαι χέρας Caesa accidisset abiegna ad terram

                                        trabes,

                                        Neve inde navis inchoandae exordium

                                        Coepisset, quae nunc nominatur

                                        nomine

Ανδρών αρίστων, οι τό πάγχρυσον θέρος Argo, quia Argivi in ea dilecti

                                       viri

                                       Vecti petebant pellem inauratam

                                       arietis

Πελία μετήλθον. Ου γάρ άν δέσποιν εμή Colchis, imperio regis Peliae, per

                                       dolum.

Μηδεία πύργους γής έπλευσα Ιωλκίας Nam nunquam era errans mea domo

                                       efferret pedem

Έρωτι θυμόν εκπλαγείσ' Ιάσονος. Medea, animo aegra, amore saevo

saucia.

Nie durch die schwarzen Symplegaden

haette hin

Fliegen gesollt ins Kolcherland der

Argo Schiff,

Noch stuerzen in des Pelion O waer’ im Pelionhaine von den

Waldesschlucht jemals Beilen nie

Gefaellt die Fichte, noch berudern Gehaun zur Erde hingestuerzt

sie die Hand der Tannenstamm

                                       Und haette damit der Angriff

                                       angefangen nie

                                       Zum Beginn des Schiffes, das

                                       man jetzt mit Namen nennt

Der Tapfern, die das goldne Vliess Argo weil drin fuhr Argos

dem Pelias auserlesne Schar,

Von Kolchi nach Gebot des

Koenigs Pelias

Zu holen gingen! Nicht die Herrin Mit List zu holen uebergueldetes

waere mir Widdervliess!

Medeia zu des Iolkerlandes Tuermen Vors Haus dann irr den Fuss mir

dann Herrin setzte nie,

Von Iasons Liebe sinnbetoert Medea, krank im Herzen, wund von

hinweggeschifft. Liebespein.

Die Abweichungen der Uebersetzung vom Original sind belehrend, nicht bloss die Tautologien und Periphrasen, sondern auch die Beseitigung oder Erlaeuterung der weniger bekannten mythologischen Namen: der Symplegaden, des Kolcherlandes, der Argo. Eigentliche Missverstaendnisse des Originals aber sind bei Ennius selten.

^25 Ohne Zweifel mit Recht galt den Alten als Selbstcharakteristik des Dichters die Stelle im siebenten Buch der Chronik, wo der Konsul den Vertrauten zu sich ruft,

mit welchem er gern und

Oftmals Tisch und Gespraech und seiner Geschaefte Eroertrung

Teilte, wenn heim er kam, ermuedet von wichtigen Dingen,

Drob er geratschlagt hatte die groessere Haelfte des Tags durch

Auf dem Markte sowohl wie im ehrwuerdigen Stadtrat;

Welchem das Gross’ und das Klein’ und den Scherz auch er mitteilen

Durft’ und alles zugleich, was gut und was uebel man redet,

Schuetten ihm aus, wenn er mocht’, und anvertrauen ihm sorglos;

Welcher geteilt mit ihm viel Freud’ im Hause und draussen;

Den nie schaendlicher Rat aus Leichtsinn oder aus Bosheit

Uebel zu handeln verlockt; ein Mann, unterrichtet, ergeben,

Angenehm, redegewandt und genuegsam froehlichen Herzens,

Redend zur richtigen Zeit und das Passende, klueglich und kuerzlich,

Im Verkehre bequem und bewandert verschollener Dinge,

Denn ihn lehrten die Jahre die Sitten der Zeit und der Vorzeit,

Von vielfaeltigen Sachen der Goetter und Menschen Gesetz auch,

Und ein Gespraech zu berichten verstand er sowie zu verschweigen.

In der vorletzten Zeile ist wohl zu schreiben multarum rerum leges divumque hominumque.

^26 Vgl. 2, 393. Aus der Definition des Wahrsagers bei Euripides (Iph. Aul. 956), dass er ein Mann sei,

Der wenig Wahres unter vielem Falschen sagt

Im besten Fall; und trifft er’s nicht, es geht ihm hin.

hat der lateinische Uebersetzer folgende Diatribe gegen die Horoskopsteller gemacht:

Sterneguckerzeichen sucht er auf am Himmel, passt, ob wo

Jovis Zieg’ oder Krebs ihm aufgeh’ oder einer Bestie Licht.

Nicht vor seine Fuesse schaut man und durchforscht den Himmelsraum.

^27 Im ‘Telephus’ heisst es:

Palam mutire plebeis piaculum est.

Verbrechen ist gemeinem Mann ein lautes Wort.

^28 Die folgenden, in Form und Inhalt vortrefflichen Worte gehoeren der Bearbeitung des Euripideischen ‘Phoenix’ an:

Doch dem Mann mit Mute maechtig ziemt’s zu wirken in der Welt

Und den Schuldigen zu laden tapfer vor den Richterstuhl.

Das ist Freiheit, wo im Busen rein und fest wem schlaegt das Herz;

Sonst in dunkler Nacht verborgen bleibt die frevelhafte Tat.

In dem wahrscheinlich der Sammlung der vermischten Gedichte einverleibten ‘Scipio’ standen die malerischen Zeilen:

— munduscaeli vastus constitit silentio;

Et Neptunus saevus undis asperis pausam dedit,

Sol equis iter repressit ungulis volantibus,

Constitere amnes perennes, arbores vento vacant.

[Iovis winkt’;] es ging ein Schweigen durch des Himmels weiten Raum.

Rasten hiess die Meereswogen streng die grollenden Neptun,

Seiner Rosse fliegende Hufe hielt zurueck der Sonnengott,

Inne haelt der Fluss im Fluten, im Gezweig nicht weht der Wind.

Die letzte Stelle gibt auch einen Einblick in die Art, wie der Dichter seine Originalpoesien arbeitete: sie ist nichts als eine Ausfuehrung der Worte, die in der urspruenglich wohl Sophokleischen Tragoedie ‘Hektors Loesung’ ein dem Kampfe zwischen Hephaestos und dem Skamander Zuschauender spricht:

Constitit Credo Scamander, arbores vento vacant.

Inne haelt, schau! der Skamander, im Gezweig nicht weht der Wind.

und das Motiv ruehrt schliesslich aus der Ilias (21, 381) her.

^29 So heisst es im ‘Phoenix’:

- - stultust, qui cupita cupiens cupienter cupit.

Toericht, wer Begehrtes begehrend ein Begieriger begehrt,

und es ist dies noch nicht das tollste Radschlagen der Art. Auch akrostichische Spielereien kommen vor (Cic. div. 2, 54, 111).

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Der geistreiche Mann war eben sich bewusst, mit vollen Segeln zu fahren; das griechische Trauerspiel ward und blieb fortan ein Besitztum der launischen Nation.

Einsamere Wege und mit minder guenstigem Winde steuerte ein kuehnerer Schiffer nach einem hoeheren Ziel. Naevius bearbeitete nicht bloss gleich Ennius, wenngleich mit weit geringerem Erfolg, griechische Trauerspiele fuer die roemische Buehne, sondern er versuchte auch ein ernstes Nationalschauspiel (fabula praetextata) selbstaendig zu schaffen. Aeusserliche Hindernisse standen hier nicht im Weg; er brachte Stoffe sowohl aus der roemischen Sage als aus der gleichzeitigen Landesgeschichte auf die Buehne seiner Heimat. Derart sind seine ‘Erziehung des Romulus und Remus’ oder der ‘Wolf’, worin der Koenig Amulius von Alba auftrat, und sein ‘Clastidium’, worin der Sieg des Marcellus ueber die Kelten 532 (222) gefeiert ward. Nach seinem Vorgang hat auch Ennius in der ‘Ambrakia’ die Belagerung der Stadt durch seinen Goenner Nobilior 565 (189; 2, 273) nach eigener Anschauung geschildert. Die Zahl dieser Nationalschauspiele blieb indes gering und die Gattung verschwand rasch wieder vom Theater; die duerftige Sage und die farblose Geschichte Roms vermochten mit dem hellenischen Sagenkreis nicht auf die Dauer zu konkurrieren. Ueber den dichterischen Gehalt der Stuecke haben wir kein Urteil mehr; aber wenn die poetische Intention im ganzen in Anschlag kommen darf, so gibt es in der roemischen Literatur wenige Griffe von solcher Genialitaet, wie die Schoepfung eines roemischen Nationalschauspiels war. Nur die griechischen Tragoedien der aeltesten, den Goettern noch sich naeher fuehlenden Zeit, nur Dichter wie Phrynichos und Aeschylos hatten den Mut gehabt, die von ihnen miterlebten und mitverrichteten Grosstaten neben denen der Sagenzeit auf die Buehne zu bringen; und wenn irgendwo es uns lebendig entgegentritt, was die Punischen Kriege waren und wie sie wirkten; so ist es hier, wo ein Dichter, der wie Aeschylos die Schlachten, die er sang, selber geschlagen, die Koenige und Konsuln Roms auf diejenige Buehne fuehrte, auf der man bis dahin einzig Goetter und Heroen zu sehen gewohnt war.

Auch die Lesepoesie beginnt in dieser Epoche in Rom; schon Livius buergerte die Sitte, welche bei den Alten die heutige Publikation vertrat, die Vorlesung neuer Werke durch den Verfasser, auch in Rom wenigstens insofern ein, als er dieselben in seiner Schule vortrug. Da die Dichtkunst hier nicht oder doch nicht geradezu nach Brot ging, ward dieser Zweig derselben nicht so wie die Buehnendichtung von der Ungunst der oeffentlichen Meinung betroffen; gegen das Ende dieser Epoche sind auch schon der eine oder der andere vornehme Roemer in dieser Art als Dichter oeffentlich aufgetreten ^30. Vorwiegend indes ward die rezitative Poesie kultiviert von denselben Dichtern, die mit der szenischen sich abgaben, und ueberhaupt hat jene neben der Buehnendichtung eine untergeordnete Rolle gespielt, wie es denn auch ein eigentliches dichterisches Lesepublikum in dieser Zeit nur noch in sehr beschraenktem Masse in Rom gegeben haben kann. Vor allem schwach vertreten war die lyrische, didaktische, epigrammatische Poesie. Die religioesen Festkantaten, von denen die Jahrbuecher dieser Zeit allerdings bereits den Verfasser namhaft zu machen der Muehe wert halten, sowie die monumentalen Tempel- und Grabinschriften, fuer welche das saturnische Mass das stehende blieb, gehoerten kaum der eigentlichen Literatur an. Soweit ueberhaupt in dieser die kleinere Poesie erscheint, tritt sie in der Regel und schon bei Naevius unter dem Namen der Satura auf - eine Bezeichnung, die urspruenglich dem alten, seit Livius durch das griechische Drama von der Buehne verdraengten handlungslosen Buehnengedicht zukam, nun aber in der rezitativen Poesie einigermassen unseren “vermischten Gedichten” entspricht und gleich diesen nicht eigentlich eine positive Kunstgattung und Kunstweise anzeigt, sondern nur Gedichte nicht epischer und nicht dramatischer Art von beliebigem, meist subjektivem Stoff und beliebiger Form. Ausser Catos spaeter noch zu erwaehnendem ‘Gedicht von den Sitten’, welches vermutlich, anknuepfend an die aelteren Anfaenge volkstuemlich didaktischer Poesie, in saturnischen Versen geschrieben war, gehoeren hierher besonders die kleineren Gedichte des Ennius, welche der auf diesem Gebiet sehr fruchtbare Dichter teils in seiner Saturensammlung, teils abgesondert veroeffentlichte: kuerzere erzaehlende Poesien aus der vaterlaendischen Sagen- oder gleichzeitigen Geschichte, Bearbeitungen des religioesen Romans des Euhemeros, der auf den Namen des Epicharmos laufenden naturphilosophischen Poesien, der Gastronomie des Archestratos von Gela, eines Poeten der hoeheren Kochkunst; ferner einen Dialog zwischen dem Leben und dem Tode, Aesopische Fabeln, eine Sammlung von Sittenspruechen, parodische und epigrammatische Kleinigkeiten - geringe Sachen, aber bezeichnend wie fuer die Mannigfaltigkeit so auch fuer die didaktisch-neologische Tendenz des Dichters, der auf diesem Gebiete, wohin die Zensur nicht reichte, sich offenbar am freiesten gehen liess.

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^30 Ausser Cato werden noch aus dieser Zeit zwei “Konsulare und Poeten” genannt (Suet. vita Ter. 4): Quintus Labeo, Konsul 571 (183), und Marcus Popillius, Konsul 581 (173). Doch bleibt es dahingestellt, ob sie ihre Gedichte auch publizierten. Selbst von Cato duerfte letzteres zweifelhaft sein.

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Groessere dichterische wie geschichtliche Bedeutung nehmen die Versuche in Anspruch, die Landeschronik metrisch zu behandeln. Wieder war es Naevius, der dichterisch formte, was sowohl von der Sagen- als von der gleichzeitigen Geschichte einer zusammenhaengenden Erzaehlung faehig war und namentlich den Ersten Punischen Krieg einfach und klar, so schlecht und recht, wie die Dinge waren, ohne irgend etwas als unpoetisch zu verschmaehen und ohne irgendwie, namentlich in der Schilderung der geschichtlichen Zeit, auf poetische Hebung oder gar Verzierungen auszugehen, durchaus in der gegenwaertigen Zeit berichtend, in dem halb prosaischen saturnischen Nationalversmass heruntererzaehlte ^31. Es gilt von dieser Arbeit wesentlich dasselbe, was von dem Nationalschauspiel desselben Dichters gesagt ward. Die epische Poesie der Griechen bewegt sich wie die tragische voellig und wesentlich in der heroischen Zeit; es war ein durchaus neuer und wenigstens der Anlage nach ein beneidenswert grossartiger Gedanke, mit dem Glanze der Poesie die Gegenwart zu durchleuchten. Mag immerhin in der Ausfuehrung die Naevische Chronik nicht viel mehr gewesen sein als die in mancher Hinsicht verwandten mittelalterlichen Reimchroniken, so hatte doch sicher mit gutem Grund der Dichter sein ganz besonderes Wohlgefallen an diesem seinem Werke. Es war nichts Kleines in einer Zeit, wo es eine historische Literatur ausser den offiziellen Aufzeichnungen noch schlechterdings nicht gab, seinen Landsleuten ueber die Taten der Zeit und der Vorzeit einen zusammenhaengenden Bericht gedichtet und daneben die grossartigsten Momente daraus ihnen dramatisch zur Anschauung gebracht zu haben.

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^31 Den Ton werden folgende Bruchstuecke veranschaulichen. Von der Dido:

Freundlich und kundig fragt sie - welcher Art Aeneas

Von Troia schied.

spaeter:

Die Haende sein zum Himmel - hob empor der Koenig

Amulius, dankt den Goettern -

aus einer Rede, wo die indirekte Fassung bemerkenswert ist:

Doch liessen sie im Stiche - jene tapfren Maenner,

Das wuerde Schmach dem Volk sein - jeglichem Geschlechte.

bezueglich auf die Landung in Malta im Jahre 498 (256):

Nach Meute schifft der Roemer, - ganz und gar die Insel

Brennt ab, verheert, zerstoert er, - macht den Feind zunichte.

endlich von dem Frieden, der den Krieg um Sizilien beendigte:

Bedungen wird es auch durch - Gaben des Lutatius

Zu suehnen; er bedingt noch, - dass sie viel Gefangne

Und aus Sizilien gleichfalls - rueck die Geiseln geben.

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Eben dieselbe Aufgabe wie Naevius stellte sich auch Ennius; aber die Gleichheit des Gegenstandes laesst den politischen und poetischen Gegensatz des nationalen und des antinationalen Dichters nur um so greller hervortreten. Naevius suchte fuer den neuen Stoff eine neue Form; Ennius fuegte oder zwaengte denselben in die Formen des hellenischen Epos. Der Hexameter ersetzt den saturnischen Vers, die aufgeschmueckte, nach plastischer Anschaulichkeit ringende Homeridenmanier die schlichte Geschichtserzaehlung. Wo es irgend angeht, wird geradezu Homer uebertragen, wie zum Beispiel die Bestattung der bei Herakleia Gefallenen nach dem Muster der Bestattung des Patroklos geschildert wird und in der Kappe des mit den Istriern fechtenden Kriegstribuns Marcus Livius Stolo kein anderer steckt als der Homerische Aias - nicht einmal die Homerische Anrufung der Muse wird dem Leser erlassen. Die epische Maschinerie ist vollstaendig im Gange; nach der Schlacht von Cannae zum Beispiel verzeiht Juno in vollem Goetterrat den Roemern und verheisst ihnen Jupiter nach erlangter ehefraeulicher Einwilligung den endlichen Sieg ueber die Karthager. Auch die neologische und hellenistische Tendenz ihres Verfassers verleugnen die ‘Jahrbuecher’ keineswegs. Schon die bloss dekorative Verwendung der Goetterwelt traegt diesen Stempel. In dem merkwuerdigen Traumgesicht, womit das Gedicht sich einfuehrt, wird auf gut pythagoreisch berichtet, dass die jetzt im Quintus Ennius wohnhafte Seele vor diesem in Horneros und noch frueher in einem Pfau sesshaft gewesen sei, und alsdann auf gut naturphilosophisch das Wesen der Dinge und das Verhaeltnis des Koerpers zum Geiste auseinandergesetzt. Selbst die Wahl des Stoffes dient den gleichen Zwecken - haben doch die hellenischen Literaten aller Zeiten eine vorzueglich geeignete Handhabe fuer ihre griechisch-kosmopolitischen Tendenzen eben in der Zurechtmachung der roemischen Geschichte gefunden. Ennius betont es, dass man die Roemer

Griechen ja immer genannt und Graier sie pflege zu heissen.

Der poetische Wert der vielgefeierten Jahrbuecher ist nach den frueheren Bemerkungen ueber die Vorzuege und Maengel des Dichters im allgemeinen leicht abzumessen. Dass durch den Aufschwung, den die grosse Zeit der Punischen Kriege dem italischen Volksgefuehl gab, auch dieser lebhaft mitempfindende Poet sich gehoben fuehlte und er nicht bloss die Homerische Einfachheit oft gluecklich traf, sondern auch noch oefter die roemische Feierlichkeit und Ehrenhaftigkeit aus seinen Zeilen ergreifend widerhallt, ist ebenso natuerlich wie die Mangelhaftigkeit der epischen Komposition, die notwendig sehr lose und gleichgueltig gewesen sein muss, wenn es dem Dichter moeglich war, einem sonst verschollenen Helden und Patron zuliebe ein eigenes Buch nachtraeglich einzufuegen. Im ganzen aber waren die ‘Jahrbuecher’ ohne Frage Ennius’ verfehltestes Werk. Der Plan, eine ‘Ilias’ zu machen, kritisiert sich selbst. Ennius ist es gewesen, welcher mit diesem Gedicht zum erstenmal jenen Wechselbalg von Epos und Geschichte in die Literatur eingefuehrt hat, der von da an bis auf den heutigen Tag als Gespenst, das weder zu leben noch zu sterben vermag, in ihr umgeht. Einen Erfolg aber hat das Gedicht allerdings gehabt. Ennius gab sich mit noch groesserer Unbefangenheit fuer den roemischen Homer als Klopstock fuer den deutschen, und ward von den Zeitgenossen und mehr noch von der Nachwelt dafuer genommen. Die Ehrfurcht vor dem Vater der roemischen Poesie erbte fort von Geschlecht zu Geschlecht: den Ennius, sagt noch der feine Quintilian, wollen wir verehren wie einen altersgrauen heiligen Hain, dessen maechtige tausendjaehrige Eichen mehr ehrwuerdig als schoen sind; und wer darueber sich wundern sollte, der moege an verwandte Erscheinungen, an den Erfolg der Aeneide, der Henriade, der Messiade sich erinnern. Eine maechtige poetische Entwicklung der Nation freilich wuerde jene beinahe komische offizielle Parallelisierung der Homerischen ‘Ilias’ und der Ennianischen ‘Jahrbuecher’ so gut abgeschuettelt haben wie wir die Sappho-Karschin und den Pindar-Willamov; aber eine solche hat in Rom nicht stattgefunden. Bei dem stofflichen Interesse des Gedichts besonders fuer die aristokratischen Kreise und dem grossen Formtalent des Dichters blieben die ‘Jahrbuecher’ das aelteste roemische Originalgedicht, welches den spaeteren gebildeten Generationen lesenswert und lesbar erschien; und so ist es wunderlicherweise gekommen, dass in diesem durchaus antinationalen Epos eines halbgriechischen Literaten die spaetere Zeit das rechte roemische Mustergedicht verehrt hat.

Nicht viel spaeter als die roemische Poesie, aber in sehr verschiedener Weise entstand in Rom eine prosaische Literatur. Es fielen bei dieser sowohl die kuenstlichen Foerderungen hinweg, wodurch die Schule und die Buehne vor der Zeit eine roemische Poesie grosszogen, als auch die kuenstliche Hemmung, worauf namentlich die roemische Komoedie in der strengen und beschraenkten Buehnenzensur traf. Es war ferner diese schriftstellerische Taetigkeit nicht durch den dem “Baenkelsaenger” anhaftenden Makel von vornherein bei der guten Gesellschaft in den Bann getan. Darum ist denn auch die prosaische Schriftstellerei zwar bei weitem weniger ausgedehnt und weniger rege als die gleichzeitige poetische, aber weit naturgemaesser entwickelt; und wenn die Poesie fast voellig in den Haenden der geringen Leute ist und kein einziger vornehmer Roemer unter den gefeierten Dichtern dieser Zeit erscheint, so ist umgekehrt unter den Prosaikern dieser Epoche kaum ein nicht senatorischer Norne und sind es durchaus die Kreise der hoechsten Aristokratie, gewesene Konsuln und Zensoren, die Fabier, die Gracchen, die Scipionen, von denen diese Literatur ausgeht. Dass die konservative und nationale Tendenz sich besser mit dieser Prosaschriftstellerei vertrug als mit der Poesie, liegt in der Sache; doch hat auch hier, und namentlich in dem wichtigsten Zweige dieser Literatur, in der Geschichtschreibung, die hellenistische Richtung auf Stoff und Form maechtig, ja uebermaechtig eingewirkt.

Bis in die Zeit des Hannibalischen Krieges gab es in Rom eine Geschichtschreibung nicht; denn die Anzeichnungen des Stadtbuchs gehoerten zu den Akten, nicht zu der Literatur, und verzichteten von Haus aus auf jede Entwicklung des Zusammenhanges der Dinge. Es ist bezeichnend fuer die Eigentuemlichkeit des roemischen Wesens, dass trotz der weit ueber die Grenzen Italiens ausgedehnten Macht der roemischen Gemeinde und trotz der stetigen Beruehrung der vornehmen roemischen Gesellschaft mit den literarisch so fruchtbaren Griechen dennoch nicht vor der Mitte des sechsten Jahrhunderts das Beduerfnis sich regte, die Taten und Geschicke der roemischen Buergerschaft auf schriftstellerischem Wege zur Kunde der Mit- und Nachwelt zu bringen. Als nun aber dies Beduerfnis endlich empfunden ward, fehlte es fuer die roemische Geschichte an fertigen schriftstellerischem Formen und an einem fertigen Lesepublikum; und grosses Talent und laengere Zeit waren erforderlich, um beide zu erschaffen. Zunaechst wurden daher diese Schwierigkeiten gewissermassen umgangen dadurch, dass man die Landesgeschichte entweder in der Muttersprache, aber in Versen, oder in Prosa, aber griechisch schrieb. Von den metrischen Chroniken des Naevius (geschrieben um 550? 204) und Ennius (geschrieben um 581 173) ist schon die Rede gewesen; sie gehoeren zugleich zu der aeltesten historischen Literatur der Roemer, ja die des Naevius darf als das ueberhaupt aelteste roemische Geschichtswerk angesehen werden. Ungefaehr gleichzeitig entstanden die griechischen Geschichtsbuecher des Quintus Fabius Pictor ^32 (nach 553 201), eines waehrend des Hannibalischen Krieges in Staatsgeschaeften taetigen Mannes aus vornehmem Geschlecht, und des Sohnes des Scipio Africanus, Publius Scipio († um 590 164). Dort also bediente man sich der bis zu einem gewissen Grade bereits entwickelten Dichtkunst und wandte sich an das nicht gaenzlich mangelnde poetische Publikum; hier fand man die fertigen griechischen Formen vor und richtete die Mitteilungen, wie schon das weit hinaus ueber die Grenzen Latiums sich erstreckende stoffliche Interesse derselben es nahelegte, zunaechst an das gebildete Ausland. Den ersten Weg schlugen die plebejischen, den zweiten die vornehmeren Schriftsteller ein; eben wie in der Zeit Friedrichs des Grossen neben der vaterlaendischen Pastoren- und Professorenschriftstellerei eine aristokratische Literatur in franzoesischer Sprache stand und die Gleim und Ramler deutsche Kriegslieder, die Koenige und Feldherren franzoesische Kriegsgeschichten verfassten. Weder die metrischen Chroniken, noch die griechischen roemischer Verfasser waren eine eigentliche lateinische Geschichtschreibung; diese begann erst mit Cato, dessen nicht vor dem Schluss dieser Epoche publizierte ‘Ursprungsgeschichten’ zugleich das aelteste lateinisch geschriebene Geschichts- und das erste bedeutende prosaische Werk der roemischen Literatur sind ^33.

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^32 Die griechische Abfassung dieses aeltesten prosaischen roemischen Geschichtswerkes ist durch Dionys (1, 6) und Cicero (div. 1, 27 , 43) ausser Zweifel gestellt. Ein Problem bleiben die unter demselben Namen von Quintilian und spaeteren Grammatikern angefuehrten lateinischen Annalen, und es wird die Schwierigkeit noch dadurch gesteigert, dass unter demselben Namen auch eine sehr ausfuehrliche Darstellung des pontifizischen Rechts in lateinischer Sprache angefuehrt wird. Indes die letztere Schrift wird von keinem, der die Entwicklung der roemischen Literatur im Zusammenhang verfolgt hat, einem Verfasser aus der Zeit des Hannibalischen Krieges beigelegt werden; und auch lateinische Annalen aus dieser Zeit erscheinen problematisch, obwohl es dahingestellt bleiben muss, ob hier eine Verwechslung mit dem juengeren Annalisten Quintus Fabius Maximus Servilianus (Konsul 612 142) obwaltet, oder ob von den griechischen Annalen des Fabius wie von denen des Acilius und des Albinus eine alte lateinische Bearbeitung existiert, oder ob es zwei Annalisten des Namens Fabius Pictor gegeben hat.

Das dem Lucius Cincius Alimentus, einem Zeitgenossen des Fabius, beigelegte, ebenfalls griechische Geschichtswerk scheint untergeschoben und ein Machwerk aus augustischer Zeit.

^33 Catos gesamte literarische Taetigkeit gehoert erst in sein Greisenalter (Cic. Cat. 11 38; Nep. Cato 3); die Abfassung auch der frueheren Buecher der ‘Ursprungsgeschichten’ faellt nicht vor, aber wahrscheinlich auch nicht lange nach 586 (168) (Plin. nat. 3, 14, 114).

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Alle diese Werke waren freilich nicht im Sinne der Griechen ^34, wohl aber im Gegensatz zu der rein notizenhaften Fassung des Stadtbuchs pragmatische Geschichten von zusammenhaengender Erzaehlung und mehr oder minder geordneter Darstellung. Sie umfassten, soviel wir sehen saemtlich, die Landesgeschichte von der Erbauung Roms bis auf die Zeit des Schreibers, obwohl dem Titel nach das Werk des Naevius nur den ersten Krieg mit Karthago, das Catos nur die Ursprungsgeschichten betraf; danach zerfielen sie von selbst in die drei Abschnitte der Sagenzeit, der Vor- und der Zeitgeschichte. Bei der Sagenzeit war fuer die Entstehungsgeschichte der Stadt Rom, die ueberall mit grosser Ausfuehrlichkeit dargestellt ward, die eigentuemliche Schwierigkeit zu ueberwinden, dass davon, wie frueher ausgefuehrt ward, zwei voellig unvereinbare Fassungen vorlagen: die nationale, welche wenigstens in den Hauptumrissen wahrscheinlich schon im Stadtbuch schriftlich fixiert war, und die griechische des Timaeos, die diesen roemischen Chronikschreibern nicht unbekannt geblieben sein kann. Jene sollte Rom an Alba, diese Rom an Troia anknuepfen; dort ward es also von dem albanischen Koenigssohn Romulus, hier von dem troischen Fuersten Aeneas erbaut. Der gegenwaertigen Epoche, wahrscheinlich entweder dem Naevius oder dem Pictor, gehoert die Verklitterung der beiden Maerchen an. Der albanische Koenigssohn Romulus bleibt der Gruender Roms, aber wird zugleich Aeneas Tochtersohn; Aeneas gruendet Rom nicht, bringt aber dafuer die roemischen Penaten nach Italien und erbaut diesen zum Sitze Lavinium, sein Sohn Ascanius die Mutterstadt von Rom und die alte Metropole Latiums, das Lange Alba. Das alles war recht uebel und ungeschickt erfunden. Dass die urspruenglichen Penaten Roms nicht, wie man bisher geglaubt, in ihrem Tempel am roemischen Markte, sondern in dem zu Lavinium aufbewahrt seien, musste dem Roemer ein Greuel sein, und die griechische Dichtung kam noch schlimmer weg, indem die Goetter erst dem Enkel verliehen, was sie dem Ahn zugeschieden hatten. Indes die Redaktion genuegte ihrem Zweck: ohne geradezu den nationalen Ursprung Roms zu verleugnen, trug sie doch auch der hellenisierenden Tendenz Rechnung und legalisierte einigermassen das in dieser Zeit bereits stark im Schwunge gehende Kokettieren mit dem Aeneadentum; und so wurde dies die stereotype und bald die offizielle Ursprungsgeschichte der maechtigen Gemeinde.

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^34 Offenbar im Gegensatz gegen Fabius hebt Polybios (40, 6, 4) es hervor, dass der Graecomane Albinus sich Muehe gegeben habe, seine Geschichte pragmatisch zu schreiben.

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Von der Ursprungsfabel abgesehen, hatten im uebrigen die griechischen Historiographen sich um die roemische Gemeinde wenig oder gar nicht gekuemmert, so dass die weitere Darstellung der Landesgeschichte vorwiegend aus einheimischen Quellen geflossen sein muss, ohne dass in der uns zugekommenen duerftigen Kunde mit Bestimmtheit auseinander traete, welcherlei Ueberlieferungen ausser dem Stadtbuch den aeltesten Chronisten zu Gebote gestanden und was sie etwa von dem Ihrigen hinzugetan haben. Die aus Herodot eingelegten Anekdoten ^35 sind diesen aeltesten Annalisten wohl noch fremd gewesen und eine unmittelbare Entlehnung griechischen Stoffes in diesem Abschnitt nicht nachweisbar. Um so bemerkenswerter ist die ueberall, selbst bei dem Griechenfeind Cato, mit grosser Bestimmtheit hervortretende Tendenz, nicht bloss Rom an Hellas anzuknuepfen, sondern Italiker und Griechen als ein urspruenglich gleiches Volk darzustellen - hierher gehoeren die aus Griechenland eingewanderten Uritaliker oder Aboriginer sowie die nach Italien wandernden Urgriechen oder Pelasger.

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^35 So ist die Geschichte der Belagerung von Gabii aus Herodotischen Anekdoten von Zopyros und dem Tyrannen Thrasybulos zusammengeschrieben, eine Version der Aussetzungsgeschichte des Romulus, ueber den Leisten der Herodotischen Erzaehlung von Kyros’ Jugend geschlagen.

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Die landlaeufige Erzaehlung fuehrte in einem, wenn auch schwach und lose geknuepften Faden, doch einigermassen zusammenhaengend durch die Koenigszeit bis hinab auf die Einsetzung der Republik; hier aber versiegte die Sage ganz, und es war nicht bloss schwierig, sondern wohl geradezu unmoeglich, aus den Beamtenverzeichnissen und den ihnen angehaengten duerftigen Vermerken eine irgendwie zusammenhaengende und lesbare Erzaehlung zu gestalten. Am meisten empfanden dies die Dichter. Naevius scheint deshalb von der Koenigszeit sogleich auf den Krieg um Sizilien uebergegangen zu sein; Ennius, der im dritten seiner achtzehn Buecher noch die Koenigszeit, im sechsten schon den Krieg mit Pyrrhos beschrieb, kann die ersten zwei Jahrhunderte der Republik hoechstens in den allgemeinsten Umrissen behandelt haben. Wie die griechisch schreibenden Annalisten sich geholfen haben, wissen wir nicht. Einen eigentuemlichen Weg schlug Cato ein. Auch er verspuerte keine Lust, wie er selber sagt, “zu berichten, was auf der Tafel im Hause des Oberpriesters steht: wie oft der Weizen teuer gewesen und wann Mond und Sonne sich verfinstert haetten”; und so bestimmte er denn das zweite und dritte Buch seines Geschichtswerkes fuer die Berichte ueber die Entstehung der uebrigen italischen Gemeinden und deren Eintritt in die roemische Eidgenossenschaft. Er machte sich also los aus den Fesseln der Chronik, welche Jahr fuer Jahr nach Voranstellung der jedesmaligen Beamten die Ereignisse berichtet; namentlich hierher wird die Angabe gehoeren, dass Catos Geschichtswerk die Vorgaenge “abschnittsweise” erzaehlte. Diese in einem roemischen Werke auffallende Beruecksichtigung der uebrigen italischen Gemeinden griff teils in die oppositionelle Stellung des Verfassers ein, welcher gegen das hauptstaedtische Treiben sich durchaus auf das munizipale Italien stuetzte, teils gewaehrte sie einen gewissen Ersatz fuer die mangelnde Geschichte Roms von der Vertreibung des Koenigs Tarquinius bis auf den Pyrrhischen Krieg, indem sie deren wesentliches Ergebnis, die Einigung Italiens unter Rom, in ihrer Art gleichfalls darstellte.

Dagegen die Zeitgeschichte wurde wiederum zusammenhaengend und eingehend behandelt: nach eigener Kunde schilderten Naevius den ersten, Fabius den zweiten Krieg mit Karthago; Ennius widmete wenigstens dreizehn von den achtzehn Buechern seiner Chronik der Epoche von Pyrrhos bis auf den Istrischen Krieg; Cato erzaehlte im vierten und fuenften Buche seines Geschichtswerkes die Kriege vom Ersten Punischen bis auf den mit Perseus und in den beiden letzten, wahrscheinlich anders und ausfuehrlicher angelegten die Ereignisse aus den letzten zwanzig Lebensjahren des Verfassers. Fuer den Pyrrhischen Krieg mag Ennius den Timaeos oder andere griechische Quellen benutzt haben; im ganzen aber beruhten die Berichte teils auf eigener Wahrnehmung oder Mitteilungen von Augenzeugen, teils einer auf dem andern.

Gleichzeitig mit der historischen und gewissermassen als ein Anhang dazu begann die Rede- und Briefliteratur, welche ebenfalls Cato eroeffnet - denn aus der frueheren Zeit besass man nichts als einige, meistenteils wohl erst in spaeterer Zeit aus den Familienarchiven an das Licht gezogene Leichenreden, wie zum Beispiel diejenige, die der alte Quintus Fabius, der Gegner Hannibals, als Greis seinem im besten Mannesalter verstorbenen Sohn gehalten hatte. Cato dagegen zeichnete von den unzaehligen Reden, die er waehrend seiner langen und taetigen oeffentlichen Laufbahn gehalten, die geschichtlich wichtigen in seinem Alter auf, gewissermassen als politische Memoiren, und machte sie teils in seinem Geschichtswerk, teils, wie es scheint, als selbstaendige Nachtraege dazu, bekannt. Auch eine Briefsammlung hat es von ihm schon gegeben.

Mit der nichtroemischen Geschichte befasste man sich wohl insoweit, als eine gewisse Kenntnis derselben dem gebildeten Roemer nicht mangeln durfte; schon von dem alten Fabius heisst es, dass ihm nicht bloss die roemischen, sondern auch die auswaertigen Kriege gelaeufig gewesen, und dass Cato den Thukydides und die griechischen Historiker ueberhaupt fleissig las, ist bestimmt bezeugt. Allein wenn man von der Anekdoten- und Spruchsammlung absieht, welche Cato als Fruechte dieser Lektuere fuer sich zusammenstellte, ist von einer schriftstellerischen Taetigkeit auf diesem Gebiet nichts wahrzunehmen.

Dass durch diese beginnende historische Literatur insgesamt eine harmlose Unkritik durchgeht, versteht sich von selbst; weder Schriftsteller noch Leser nahmen an inneren oder aeusseren Widerspruechen leicht Anstoss. Koenig Tarquinius der Zweite, obwohl bei dem Tode seines Vaters schon erwachsen und neununddreissig Jahre nach demselben zur Regierung gelangend, besteigt nichtsdestoweniger noch als Juengling den Thron. Pythagoras, der etwa ein Menschenalter vor Vertreibung der Koenige nach Italien kam, gilt den roemischen Historikern darum nicht minder als Freund des weisen Numa. Die im Jahre 262 (492) der Stadt nach Syrakus geschickten Staatsboten verhandeln dort mit dem aelteren Dionysios, der sechsundachtzig Jahre nachher (348 406) den Thron bestieg. Vornehmlich tritt diese naive Akrisie hervor in der Behandlung der roemischen Chronologie. Da nach der - wahrscheinlich in ihren Grundzuegen schon in der vorigen Epoche festgestellten - roemischen Zeitrechnung die Gruendung Roms 240 Jahre vor die Einweihung des Kapitolinischen Tempels, 360 Jahre vor den gallischen Brand und das letztere, auch in griechischen Geschichtswerken erwaehnte Ereignis nach diesen in das Jahr des athenischen Archonten Pyrgion 388 v. Chr. (Ol. 98, 1) fiel, so stellt sich hiernach die Erbauung Roms auf Ol. 8, 1. Dieses war, nach der damals bereits als kanonisch geltenden Eratosthenischen Zeitrechnung, das Jahr nach Troias Fall 436; nichtsdestoweniger blieb in der gemeinen Erzaehlung der Gruender Roms der Tochtersohn des troischen Aeneas. Cato, der als guter Finanzmann hier nachrechnete, machte freilich in diesem Fall auf den Widerspruch aufmerksam; eine Aushilfe aber scheint auch er nicht vorgeschlagen zu haben - das spaeter zu diesem Zweck eingeschobene Verzeichnis der albanischen Koenige ruehrt sicher nicht von ihm her.

Dieselbe Unkritik, wie sie hier obwaltet, beherrschte bis zu einem gewissen Grade auch die Darstellung der historischen Zeit. Die Berichte trugen sicher ohne Ausnahme diejenige starke Parteifaerbung, wegen welcher der fabische ueber die Anfaenge des zweiten Krieges mit Karthago von Polybios mit der ihm eigenen kuehlen Bitterkeit durchgezogen wird. Das Misstrauen indes ist hier besser am Platz als der Vorwurf. Es ist einigermassen laecherlich, von den roemischen Zeitgenossen Hannibals ein gerechtes Urteil ueber ihre Gegner zu verlangen; eine bewusste Entstellung der Tatsachen aber, soweit der naive Patriotismus nicht von selber eine solche einschliesst, ist den Vaetern der roemischen Geschichte doch nicht nachgewiesen worden.

Auch von wissenschaftlicher Bildung und selbst von dahin einschlagender Schriftstellerei gehoeren die Anfaenge in diese Epoche. Der bisherige Unterricht hatte sich wesentlich auf Lesen und Schreiben und auf die Kenntnis des Landrechts beschraenkt ^36. Allmaehlich aber ging den Roemern in der innigen Beruehrung mit den Griechen der Begriff einer allgemeineren Bildung auf und regte sich das Bestreben, nicht gerade diese griechische Bildung unmittelbar nach Rom zu verpflanzen, aber doch nach ihr die roemische einigermassen zu modifizieren.

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^36 Plautus sagt (Most. 126) von den Eltern, dass sie die Kinder “lesen und die Rechte und Gesetze kennen lehren”; und dasselbe zeigt Plut. Cato mai. 20.

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Vor allen Dingen fing die Kenntnis der Muttersprache an sich zur lateinischen Grammatik auszubilden; die griechische Sprachwissenschaft uebertrug sich auf das verwandte italische Idiom. Die grammatische Taetigkeit begann ungefaehr gleichzeitig mit der roemischen Schriftstellerei. Schon um 520 (234) scheint ein Schreiblehrer Spurius Carvilius das lateinische Alphabet reguliert und dem ausserhalb desselben stehenden Buchstaben g (I, 487) den Platz des entbehrlich gewordenen z gegeben zu haben, welchen derselbe noch in den heutigen okzidentalischen Alphabeten behauptet. An der Feststellung der Rechtschreibung werden die roemischen Schulmeister fortwaehrend gearbeitet haben; und auch die lateinischen Musen haben ihre schulmeisterliche Hippokrene nie verleugnet und zu allen Zeiten neben der Poesie sich der Orthographie beflissen. Namentlich Ennius hat, auch hierin Klopstock gleich, nicht bloss das anklingende Etymologienspiel schon ganz in alexandrinischer Art geuebt ^37, sondern auch fuer die bis dahin uebliche einfache Bezeichnung der Doppelkonsonanten die genauere griechische Doppelschreibung eingefuehrt. Von Naevius und Plautus freilich ist nichts dergleichen bekannt - die volksmaessigen Poeten werden gegen Rechtschreibung und Etymologie auch in Rom sich so gleichgueltig verhalten haben, wie Dichter es pflegen.

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^37 So heisst ihm in den Epicharmischen Gedichten Jupiter davon quod invat, Ceres davon quod gerit fruges.

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Rhetorik und Philosophie blieben den Roemern dieser Zeit noch fern. Die Rede stand bei ihnen zu entschieden im Mittelpunkt des oeffentlichen Lebens, als dass der fremde Schulmeister ihr haette beikommen koennen; der echte Redner Cato goss ueber das alberne Isokrateische “ewig reden lernen und niemals reden koennen” die ganze Schale seines zornigen Spottes aus. Die griechische Philosophie, obwohl sie durch Vermittlung der lehrhaften und vor allem der tragischen Poesie einen gewissen Einfluss auf die Roemer gewann, wurde doch mit einer aus baeurischer Ignoranz und ahnungsvollem Instinkt gemischten Apprehension betrachtet. Cato nannte den Sokrates unverbluemt einen Schwaetzer und einen als Frevler an dem Glauben und den Gesetzen seiner Heimat mit Recht hingerichteten Revolutionaer; und wie selbst die der Philosophie geneigten Roemer von ihr dachten, moegen wohl die Worte des Ennius aussprechen:

Philosophieren will ich, doch kurz und nicht die ganze Philosophie;

Gut ist’s von ihr nippen, aber sich in sie versenken schlimm.

Dennoch duerfen die poetische Sittenlehre und die Anweisung zur Redekunst, die sich unter den Catonischen Schriften befanden, angesehen werden als die roemische Quintessenz oder, wenn man lieber will, das roemische Caput mortuum der griechischen Philosophie und Rhetorik. Die naechsten Quellen Catos waren fuer das Sittengedicht neben der selbstverstaendlichen Anpreisung der einfachen Vaetersitte vermutlich die Pythagoreischen Moralschriften, fuer das Rednerbuch die Thukydideischen und besonders die Demosthenischen Reden, welche alle Cato eifrig studierte. Von dem Geiste dieser Handbuecher kann man ungefaehr sich eine Vorstellung machen nach der goldenen, von den Nachfahren oefter angefuehrten als befolgten Regel fuer den Redner, “an die Sache zu denken und daraus die Worte sich ergeben zu lassen” ^38.

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^38 Rem tene, verba sequentur.

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Aehnliche allgemein propaedeutische Handbuecher verfasste Cato auch fuer die Heilkunst, die Kriegswissenschaft, die Landwirtschaft und die Rechtswissenschaft, welche Disziplinen alle ebenfalls mehr oder minder unter griechischem Einfluss standen. Wenn nicht die Physik und Mathematik, so fanden doch die damit zusammenhaengenden Nuetzlichkeitswissenschaften bis zu einem gewissen Grade Eingang in Rom. Am meisten gilt dies von der Medizin. Nachdem im Jahre 535 (219) der erste griechische Arzt, der Peloponnesier Archagathos in Rom sich niedergelassen und dort durch seine chirurgischen Operationen solches Ansehen erworben hatte, dass ihm von Staats wegen ein Lokal angewiesen und das roemische Buergerrecht geschenkt ward, stroemten seine Kollegen scharenweise nach Italien. Cato freilich machte nicht bloss die fremden Heilkuenstler mit einem Eifer herunter, der einer besseren Sache wuerdig war, sondern versuchte auch, durch sein aus eigener Erfahrung und daneben wohl auch aus der medizinischen Literatur der Griechen zusammengestelltes medizinisches Hilfsbuechlein die gute alte Sitte wieder emporzubringen, wo der Hausvater zugleich der Hausarzt war. Die Aerzte und das Publikum kuemmerten wie billig sich wenig um dieses eigensinnige Gekeife; doch blieb das Gewerbe, eines der eintraeglichsten, die es in Rom gab, Monopol der Auslaender, und Jahrhunderte lang hat es in Rom nur griechische Aerzte gegeben.

Von der barbarischen Gleichgueltigkeit, womit man bisher in Rom die Zeitmessung behandelt hatte, kam man wenigstens einigermassen zurueck. Mit der Aufstellung der ersten Sonnenuhr auf dem roemischen Markt im Jahre 491 (263) fing die griechische Stunde (ώρα, hora) auch bei den Roemern an gebraucht zu werden; freilich begegnete es dabei, dass man in Rom eine fuer das um vier Grade suedlicher liegende Katane gearbeitete Sonnenuhr aufstellte und ein Jahrhundert lang sich danach richtete. Gegen Ende dieser Epoche erscheinen einzelne vornehme Maenner, die sich fuer mathematische Dinge interessierten. Manius Acilius Glabrio (Konsul 563 191) versuchte der Kalenderverwirrung durch ein Gesetz zu steuern, das dem Pontifikalkollegium gestattete, nach Ermessen Schaltmonate einzulegen und wegzulassen; wenn dies seinen Zweck verfehlte, ja uebel aerger machte, so lag die Ursache davon wohl weniger in dem Unverstand als in der Gewissenlosigkeit der roemischen Theologen. Auch der griechisch gebildete Marcus Fulvius Nobilior (Konsul 565 189) gab sich Muehe wenigstens um allgemeine Kundmachung des roemischen Kalenders. Gaius Sulpicius Gallus (Konsul 588 166), der nicht bloss die Mondfinsternis von 586 (168) vorhergesagt, sondern auch ausgerechnet hatte, wie weit es von der Erde bis zum Monde sei und der selbst als astronomischer Schriftsteller aufgetreten zu sein scheint, wurde deshalb von seinen Zeitgenossen als ein Wunder des Fleisses und des Scharfsinnes angestaunt.

Dass fuer die Landwirtschaft und die Kriegskunst zunaechst die ererbte und die eigene Erfahrung massgebend war, versteht sich von selbst und spricht auch in derjenigen der zwei Catonischen Anleitungen zur Landwirtschaft, die auf unsere Zeit gekommen ist, sehr bestimmt sich aus. Dennoch fielen auch auf diesen untergeordneten eben wie in den hoeheren geistigen Gebieten die Resultate der griechischen und der lateinischen, ja selbst der phoenikischen Kultur zusammen und kann schon darum die einschlagende auslaendische Literatur nicht ganz unberuecksichtigt geblieben sein.

Dagegen gilt dasselbe nur in untergeordnetem Grade von der Rechtswissenschaft. Die Taetigkeit der Rechtsgelehrten dieser Zeit ging noch wesentlich auf in der Bescheidung der anfragenden Parteien und in der Belehrung der juengeren Zuhoerer; doch bildete in dieser muendlichen Unterweisung schon sich ein traditioneller Regelstamm und auch schriftstellerische Taetigkeit mangelt nicht ganz. Wichtiger als Catos kuerzer Abriss wurde fuer die Rechtswissenschaft das von Sextus Aelius Paetus, genannt der “Schlaue” (catus), welcher der erste praktische Jurist seiner Zeit war und infolge dieser seiner gemeinnuetzigen Taetigkeit zum Konsulat (556 198) und zur Zensur (560 194) emporstieg, veroeffentlichte sogenannte “dreiteilige Buch”, das heisst eine Arbeit ueber die Zwoelf Tafeln, welche zu jedem Satze derselben eine Erlaeuterung, hauptsaechlich wohl der veralteten und unverstaendlichen Ausdruecke, und das entsprechende Klagformular hinzufuegte. Wenn dabei in jener Glossierung der Einfluss der griechischen grammatischen Studien unleugbar hervortritt, so knuepfte die Klagformulierung vielmehr an die aeltere Sammlung des Appius und die ganze volkstuemliche und prozessualische Rechtsentwicklung an.

Im allgemeinen tritt der Wissenschaftsbestand dieser Epoche mit grosser Bestimmtheit hervor in der Gesamtheit jener von Cato fuer seinen Sohn aufgesetzten Handbuecher, die als eine Art Enzyklopaedie in kurzen Saetzen darlegen sollten, was ein “tuechtiger Mann” (vir bonus) als Redner, Arzt, Landwirt, Kriegsmann und Rechtskundiger sein muesse. Ein Unterschied zwischen propaedeutischen und Fachwissenschaften wurde noch nicht gemacht, sondern was von der Wissenschaft ueberhaupt notwendig und nuetzlich erschien, von jedem rechten Roemer gefordert. Ausgeschlossen ist dabei teils die lateinische Grammatik, die also damals noch nicht diejenige formale Entwicklung gehabt haben kann, welche der eigentliche wissenschaftliche Sprachunterricht voraussetzt, teils die Musik und der ganze Kreis der mathematischen und physischen Wissenschaften. Durchaus sollte in der Wissenschaft das unmittelbar Praktische, aber auch nichts als dies und dieses moeglichst kurz und schlicht zusammengefasst werden. Die griechische Literatur wurde dabei wohl benutzt, aber nur um aus der Masse von Spreu und Wust einzelne brauchbare Erfahrungssaetze zu gewinnen - “die griechischen Buecher muss man einsehen, aber nicht durchstudieren”, lautet einer von Catos Weidspruechen. So entstanden jene haeuslichen Not- und Hilfsbuecher, die freilich mit der griechischen Spitzfindigkeit und Unklarheit auch den griechischen Scharf- und Tiefsinn austrieben, aber eben dadurch fuer die Stellung der Roemer zu den griechischen Wissenschaften fuer alle Zeiten massgebend geworden sind.

So zog denn mit der Weltherrschaft zugleich Poesie und Literatur in Rom ein, oder, mit einem Dichter der ciceronischen Zeit zu reden:

Als wir Hannibal bezwungen, nahte mit beschwingtem Schritt

Der Quiriten hartem Volke sich die Mus’ im Kriegsgewand.

Auch in den sabellisch und etruskisch redenden Landschaften wird es gleichzeitig an geistiger Bewegung nicht gemangelt haben. Wenn Trauerspiele in etruskischer Sprache erwaehnt werden, wenn Tongefaesse mit oskischen Inschriften Bekanntschaft ihrer Verfertiger mit der griechischen Komoedie verraten, so draengt die Frage sich auf, ob nicht gleichzeitig mit Naevius und Cato auch am Arnus und Volturnus eine gleich der roemischen hellenisierende Literatur in der Bildung begriffen gewesen ist. Indes jede Kunde darueber ist verschollen, und die Geschichte kann hier nur die Luecke bezeichnen.

Die roemische Literatur, ueber die allein uns ein Urteil noch verstattet ist, wie problematisch ihr absoluter Wert dem Aesthetiker erscheinen mag, bleibt dennoch fuer denjenigen, der die Geschichte Roms erkennen will, von einzigem Wert als das Spiegelbild des inneren Geisteslebens Italiens in dem waffenklirrenden und zukunftsvollen sechsten Jahrhundert, in welchem die italische Entwicklung abschloss und das Land anfing einzutreten in die allgemeinere der antiken Zivilisation. Auch in ihr herrscht diejenige Zwiespaeltigkeit, die ueberall in dieser Epoche das Gesamtleben der Nation durchdringt und die Uebergangszeit charakterisiert. Ueber die Mangelhaftigkeit der hellenistisch-roemischen Literatur kann kein unbefangenes und durch den ehrwuerdigen Rost zweier Jahrtausende unbeirrtes Auge sich taeuschen. Die roemische Literatur steht neben der griechischen wie die deutsche Orangerie neben dem sizilischen Orangenwald; man kann an beiden sich erfreuen, aber nebeneinander sie auch nur zu denken, geht nicht an. Womoeglich noch entschiedener als von der roemischen Schriftstellerei in der fremden Sprache gilt dies von derjenigen in der Muttersprache der Latiner; zu einem sehr grossen Teil ist dieselbe gar nicht das Werk von Roemern, sondern von Fremdlingen, von Halbgriechen, Kelten, bald auch Afrikanern, die das Latein sich erst aeusserlich angeeignet hatten - unter denen, die in dieser Zeit als Dichter vor das Publikum traten, ist nicht bloss, wie gesagt, nicht ein nachweislich vornehmer Mann, sondern auch keiner, dessen Heimat erweislich das eigentliche Latium waere. Selbst die Benennung des Dichters ist auslaendisch; schon Ennius nennt sich mit Nachdruck einen Poeten ^39. Aber diese Poesie ist nicht bloss auslaendisch, sondern sie ist auch mit allen denjenigen Maengeln behaftet, welche da sich einfinden, wo die Schulmeister schriftstellern und der grosse Haufe das Publikum ausmacht. Es ist gezeigt worden, wie die Komoedie durch die Ruecksicht auf die Menge kuenstlerisch vergroebert wurde, ja in poebelhafte Roheit verfiel; es ist ferner gezeigt worden, dass zwei der einflussreichsten roemischen Schriftsteller zunaechst Schulmeister und erst folgeweise Poeten waren, und dass, waehrend die griechische erst nach dem Abbluehen der volkstuemlichen Literatur erwachsene Philologie nur am toten Koerper experimentierte, in Latium Begruendung der Grammatik und Grundlegung der Literatur, fast wie bei den heutigen Heidenmissionen, von Haus aus Hand in Hand gegangen sind. In der Tat, wenn man diese hellenistische Literatur des sechsten Jahrhunderts unbefangen ins Auge fasst, jene handwerksmaessige, jeder eigenen Produktivitaet bare Poesie, jene durchgaengige Nachahmung eben der flachsten Kunstgattungen des Auslandes, jenes Uebersetzungsrepertoire, jenen Wechselbalg von Epos, so fuehlt man sich versucht sie rein zu den Krankheitssymptomen dieser Epoche zu rechnen.

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^39 Vgl. 2, 445:

Enni poeta salve, qui mortalibus

Versus propinas flammeos medullitus.

Die Bildung des Namens poeta aus dem vulgar-griechischen ποητής statt ποιητής - wie επόησεν den attischen Toepfern gelaeufig war - ist charakteristisch. Uebrigens bezeichnet poeta technisch nur den Verfasser epischer und rezitativer Gedichte, nicht den Buehnendichter, welcher in dieser Zeit vielmehr scriba heisst (Fest. v. scriba, p. 333 M.).

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Dennoch wuerde ein solches Urteil, wenn nicht ungerecht, doch nur sehr einseitig gerecht sein. Vor allen Dingen ist wohl zu bedenken, dass diese gemachte Literatur in einer Nation emporkam, die nicht bloss keine volkstuemliche Dichtkunst besass, sondern auch nie mehr zu einer solchen gelangen konnte. In dem Altertum, welchem die moderne Poesie des Individuums fremd ist, faellt die schoepferisch poetische Taetigkeit wesentlich in die unbegreifliche Zeit des Werdebangens und der Werdelust der Nation; unbeschadet der Groesse der griechischen Epiker und Tragiker darf man es aussprechen, dass ihr Dichten wesentlich bestand in der Redaktion der uralten Erzaehlungen von menschlichen Goettern und goettlichen Menschen. Diese Grundlage der antiken Poesie mangelte in Latium gaenzlich; wo die Goetterwelt gestaltlos und die Sage nichtig blieb, konnten auch die goldenen Aepfel der Poesie freiwillig nicht gedeihen. Hierzu kommt ein Zweites und Wichtigeres. Die innerliche geistige Entwicklung wie die aeusserliche staatliche Entfaltung Italiens waren gleichmaessig auf einem Punkte angelangt, wo es nicht laenger moeglich war, die auf dem Ausschluss aller hoeheren und individuellen Geistesbildung beruhende roemische Nationalitaet festzuhalten und den Hellenismus von sich abzuwehren. Zunaechst auf dieser allerdings revolutionaeren und denationalisierenden, aber fuer die notwendige geistige Ausgleichung der Nationen unerlaesslichen Propaganda des Hellenismus in Italien beruht die geschichtliche und selbst die dichterische Berechtigung der roemisch-hellenistischen Literatur. Es ist aus ihrer Werkstatt nicht ein einziges neues und echtes Kunstwerk hervorgegangen, aber sie hat den geistigen Horizont von Hellas ueber Italien erstreckt. Schon rein aeusserlich betrachtet setzt die griechische Poesie bei dem Hoerer eine gewisse Summe positiver Kenntnisse voraus. Die voellige Abgeschlossenheit in sich, die zu den wesentlichsten Eigentuemlichkeiten zum Beispiel des Shakespeareschen Dramas gehoert, ist der antiken Dichtung fremd; wem der griechische Sagenkreis nicht bekannt ist, der wird fuer jede Rhapsodie wie fuer jede Tragoedie den Hintergrund und oft selbst das gemeine Verstaendnis vermissen. Wenn dem roemischen Publikum dieser Zeit, wie das die Plautinischen Lustspiele zeigen, die Homerischen Gedichte und die Heraklessagen einigermassen gelaeufig und von den uebrigen Mythen wenigstens die allgemeingueltigen bekannt waren ^40, so wird diese Kunde neben der Schule zunaechst durch die Buehne ins Publikum gedrungen und damit zum Verstaendnis der hellenischen Dichtung wenigstens ein Anfang gemacht sein. Aber weit tiefer noch wirkte, worauf schon die geistreichsten Literatoren des Altertums mit Recht den Ton gelegt haben, die Einbuergerung griechischer Dichtersprache und griechischer Masse in Latium. Wenn “das besiegte Griechenland den rauhen Sieger durch die Kunst ueberwand”, so geschah dies zunaechst dadurch, dass dem ungefuegen lateinischen Idiom eine gebildete und gehobene Dichtersprache abgewonnen ward, dass anstatt der eintoenigen und gehackten Saturnier der Senar floss und der Hexameter rauschte, dass die gewaltigen Tetrameter, die jubelnden Anapaeste, die kunstvoll verschlungenen lyrischen Rhythmen das lateinische Ohr in der Muttersprache trafen. Die Dichtersprache ist der Schluessel zu der idealen Welt der Poesie, das Dichtmass der Schluessel zu der poetischen Empfindung; wem das beredte Beiwort stumm und das lebendige Gleichnis tot ist, wem die Takte der Daktylen und Jamben nicht innerlich erklingen, fuer den haben Homer und Sophokles umsonst gedichtet. Man sage nicht, dass das poetische und rhythmische Gefuehl sich von selber verstehen. Die idealen Empfindungen sind freilich von der Natur in die Menschenbrust gepflanzt, aber um zu keimen brauchen sie guenstigen Sonnenscheins; und vor allem in der poetisch wenig angeregten latinischen Nation bedurften sie auch aeusserlicher Pflege. Man sage auch nicht, dass bei der weitverbreiteten Kenntnis der griechischen Sprache deren Literatur fuer das empfaengliche roemische Publikum ausgereicht haette. Der geheimnisvolle Zauber, den die Sprache ueber den Menschen ausuebt und von dem Dichtersprache und Rhythmus nur Steigerungen sind, haengt nicht jeder zufaellig angelernten, sondern einzig der Muttersprache an. Von diesem Gesichtspunkt aus wird man die hellenistische Literatur und namentlich die Poesie der Roemer dieser Zeit gerechter beurteilen. Wenn ihr Bestreben darauf hinausging, den Euripideischen Radikalismus nach Rom zu verpflanzen, die Goetter entweder in verstorbene Menschen oder in gedachte Begriffe aufzuloesen, ueberhaupt dem denationalisierten Hellas ein denationalisiertes Latium an die Seite zu setzen und alle rein und scharf entwickelten Volkstuemlichkeiten in den problematischen Begriff der allgemeinen Zivilisation aufzuloesen, so steht diese Tendenz erfreulich oder widerwaertig zu finden in eines jeden Belieben, in niemandes aber, ihre historische Notwendigkeit zu bezweifeln. Von diesem Gesichtspunkte aus laesst selbst die Mangelhaftigkeit der roemischen Poesie zwar nimmermehr sich verleugnen, aber sich erklaeren und damit gewissermassen sich rechtfertigen. Wohl geht durch sie hindurch ein Missverhaeltnis zwischen dem geringfuegigen und oft verhunzten Inhalt und der verhaeltnismaessig vollendeten Form, aber die eigentliche Bedeutung dieser Poesie war auch eben formeller und vor allen Dingen sprachlicher und metrischer Art. Es war nicht schoen, dass die Poesie in Rom vorwiegend in den Haenden von Schulmeistern und Auslaendern und vorwiegend Uebersetzung oder Nachdichtung war; aber wenn die Poesie zunaechst nur eine Bruecke von Latium nach Hellas schlagen sollte, so waren Livius und Ennius allerdings berufen zum poetischen Pontifikat in Rom und die Uebersetzungsliteratur das einfachste Mittel zum Ziele. Es war noch weniger schoen, dass die roemische Poesie sich mit Vorliebe auf die verschliffensten und geringhaltigsten Originale warf; aber in diesem Sinne war es zweckgemaess. Niemand wird die Euripideische Poesie der Homerischen an die Seite stellen wollen; aber geschichtlich betrachtet sind Euripides und Menander voellig ebenso die Bibel des kosmopolitischen Hellenismus wie die ‘Ilias’ und die ‘Odyssee’ diejenige des volkstuemlichen Hellenentums, und insofern hatten die Vertreter dieser Richtung guten Grund, ihr Publikum vor allem in diesen Literaturkreis einzufuehren. Zum Teil mag auch das instinktmaessige Gefuehl der beschraenkten poetischen Kraft die roemischen Bearbeiter bewogen haben, sich vorzugsweise an Euripides und Menander zu halten und den Sophokles und gar den Aristophanes beiseite liegen zu lassen; denn waehrend die Poesie wesentlich national und schwer zu verpflanzen ist, so sind Verstand und Witz, auf denen die Euripideische wie die Menandrische Dichtung beruhte, von Haus aus kosmopolitisch. Immer verdient es noch ruehmliche Anerkennung, dass die roemischen Poeten des sechsten Jahrhunderts nicht an die hellenische Tagesliteratur oder den sogenannten Alexandrinismus sich anschlossen, sondern lediglich in der aelteren klassischen Literatur, wenn auch nicht gerade in deren reichsten und reinsten Bereichen, ihre Muster sich suchten. Ueberhaupt, wie unzaehlige falsche Akkommodationen und kunstwidrige Missgriffe man auch denselben nachweisen mag, es sind eben nur diejenigen Versuendigungen an dem Evangelium, welche das nichts weniger als reinliche Missionsgeschaeft mit zwingender Notwendigkeit begleiten; und sie werden geschichtlich und selbst aesthetisch einigermassen aufgewogen durch den von dem Propagandatum ebenso unzertrennlichen Glaubenseifer. Ueber das Evangelium mag man anders urteilen als Ennius getan; aber wenn es bei dem Glauben nicht so sehr darauf ankommt, was, als wie geglaubt wird, so kann auch den roemischen Dichtern des sechsten Jahrhunderts Anerkennung und Bewunderung nicht versagt werden. Ein frisches und maechtiges Gefuehl fuer die Gewalt der hellenischen Weltliteratur, eine heilige Sehnsucht, den Wunderbaum in das fremde Land zu verpflanzen, durchdrangen die gesamte Poesie des sechsten Jahrhunderts und flossen in eigentuemlicher Weise zusammen mit dem durchaus gehobenen Geiste dieser grossen Zeit. Der spaetere gelaeuterte Hellenismus sah auf die poetischen Leistungen derselben mit einer gewissen Verachtung herab; eher vielleicht haette er zu den Dichtern hinaufsehen moegen, die bei aller Unvollkommenheit doch in einem innerlicheren Verhaeltnis zu der griechischen Poesie standen und der echten Dichtkunst naeher kamen als ihre hoeher gebildeten Nachfahren. In der verwegenen Nacheiferung, in den klingenden Rhythmen, selbst in dem maechtigen Dichterstolz der Poeten dieser Zeit ist mehr als in irgendeiner anderen Epoche der roemischen Literatur eine imponierende Grandiositaet, und auch wer ueber die Schwaechen dieser Poesie sich nicht taeuscht, darf das stolze Wort auf sie anwenden, mit dem sie selber sich gefeiert hat, dass sie den Sterblichen

das Feuerlied kredenzt hat aus der tiefen Brust.

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^40 Aus dem troischen und dem Herakles-Kreise kommen selbst untergeordnete Figuren vor, zum Beispiel Talthybios (Stich. 305), Autolykos (Bacch. 275), Parthaon (Men. 745). In den allgemeinsten Umrissen muessen ferner zum Beispiel die thebanische und die Argonautensage, die Geschichten von Bellerophon (Bacch. 810), Pentheus (Merc. 467), Prokne und Philomele (Rud. 604), Sappho und Phaon (Mil. 1247) bekannt gewesen sein.

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Wie die hellenisch-roemische Literatur dieser Zeit wesentlich tendenzioes ist, so beherrscht die Tendenz auch ihr Widerspiel, die gleichzeitige nationale Schriftstellerei. Wenn jene nichts mehr und nichts weniger wollte, als die latinische Nationalitaet durch Schoepfung einer lateinisch redenden, aber in Form und Geist hellenischen Poesie vernichten, so musste eben der beste und reinste Teil der latinischen Nation mit dem Hellenismus selbst die entsprechende Literatur gleichfalls von sich werfen und in Acht und Bann tun. Man stand zu Catos Zeit in Rom der griechischen Literatur gegenueber ungefaehr wie in der Zeit der Caesaren dem Christentum: Freigelassene und Fremde bildeten den Kern der poetischen wie spaeter den Kern der christlichen Gemeinde; der Adel der Nation und vor allem die Regierung sahen in der Poesie wie im Christentum lediglich feindliche Maechte; ungefaehr aus denselben Ursachen sind Plautus und Ennius von der roemischen Aristokratie zum Gesindel gestellt und die Apostel und Bischoefe von der roemischen Regierung hingerichtet worden. Natuerlich war es auch hier vor allem Cato, der die Heimat gegen die Fremde mit Lebhaftigkeit vertrat. Die griechischen Literaten und Aerzte sind ihm der gefaehrlichste Abschaum des grundverdorbenen Griechenvolks ^41, und mit unaussprechlicher Verachtung werden die roemischen Baenkelsaenger von ihm behandelt. Man hat ihn und seine Gesinnungsgenossen deswegen oft und hart getadelt und allerdings sind die Aeusserungen seines Unwillens nicht selten bezeichnet von der ihm eigenen schroffen Borniertheit; bei genauerer Erwaegung indes wird man nicht bloss im einzelnen ihm wesentlich Recht geben, sondern auch anerkennen muessen, dass die nationale Opposition auf diesem Boden mehr als irgendwo sonst ueber die Unzulaenglichkeit der bloss ablehnenden Verteidigung hinausgegangen ist. Wenn sein juengerer Zeitgenosse Aulus Postumius Albinus, der durch sein widerliches Hellenisieren den Hellenen selbst zum Gespoett ward und der zum Beispiel schon griechische Verse zimmerte - wenn dieser Albinus sich in der Vorrede zu seinem Geschichtswerk wegen des mangelhaften Griechisch damit verteidigte, dass er ein geborener Roemer sei, war da die Frage nicht voellig an ihrem Orte, ob er rechtskraeftig verurteilt worden sei, Dinge zu treiben, .die er nicht verstehe? oder waren etwa die Gewerbe des fabrikmaessigen Komoedienuebersetzers und des um Brot und Protektion singenden Heldendichters vor zweitausend Jahren ehrenhafter, als sie es jetzt sind? oder hatte Cato nicht Ursache, es dem Nobilior vorzuruecken, dass er den Ennius, welcher uebrigens in seinen Versen die roemischen Potentaten ohne Ansehen der Person glorifizierte und auch den Cato selbst mit Lob ueberhaeufte, als den Saenger seiner kuenftigen Grosstaten mit sich nach Ambrakia nahm? oder nicht Ursache die Griechen, die er in Rom und Athen kennenlernte, ein unverbesserlich elendes Gesindel zu schelten? Diese Opposition gegen die Bildung der Zeit und den Tageshellenismus war wohl berechtigt; einer Opposition aber gegen die Bildung und das Hellenentum ueberhaupt hat Cato keineswegs sich schuldig gemacht. Vielmehr ist es das hoechste Lob der Nationalpartei, dass auch sie mit grosser Klarheit die Notwendigkeit begriff, eine lateinische Literatur zu erschaffen und dabei die Anregungen des Hellenismus ins Spiel zu bringen; nur sollte ihrer Absicht nach die lateinische Schriftstellerei nicht nach der griechischen abgeklatscht und der roemischen Volkstuemlichkeit aufgezwaengt, sondern unter griechischer Befruchtung der italischen Nationalitaet gemaess entwickelt werden. Mit einem genialen Instinkt, der weniger von der Einsicht der einzelnen als von dem Schwung der Epoche ueberhaupt zeugt, erkannte man, dass fuer Rom bei dem gaenzlichen Mangel der poetischen Vorschoepfung der einzige Stoff zur Entwicklung eines eigenen geistigen Lebens in der Geschichte lag. Rom war, was Griechenland nicht war, ein Staat; und auf dieser gewaltigen Empfindung beruht sowohl der kuehne Versuch, den Naevius machte, mittels der Geschichte zu einem roemischen Epos und einem roemischen Schauspiel zu gelangen, als auch die Schoepfung der lateinischen Prosa durch Cato. Das Beginnen freilich, die Goetter und Heroen der Sage durch Roms Koenige und Konsuln zu ersetzen, gleicht dem Unterfangen der Giganten, mit aufeinander getuermten Bergen den Himmel zu stuermen; ohne eine Goetterwelt gibt es kein antikes Epos und kein antikes Drama, und die Poesie kennt keine Surrogate. Maessiger und verstaendiger ueberliess Cato die eigentliche Poesie als unrettbar verloren der Gegenpartei, obwohl sein Versuch, nach dem Muster der aelteren roemischen, des appischen Sitten- und des Ackerbaugedichts eine didaktische Poesie in nationalem Versmass zu erschaffen, wenn nicht dem Erfolge, doch der Absicht nach bedeutsam und achtungswert bleibt. Einen guenstigeren Boden gewaehrte ihm die Prosa, und er hat denn auch die ganze ihm eigene Vielseitigkeit und Energie daran gesetzt, eine prosaische Literatur in der Muttersprache zu erschaffen. Es ist dies Bestreben nur um so roemischer und nur um so achtbarer, als er sein Publikum zunaechst im Familienkreise erblickte und als er damit in seiner Zeit ziemlich alleinstand. So entstanden seine ‘Ursprungsgeschichten’, seine aufgezeichneten Staatsreden, seine fachwissenschaftlichen Werke. Allerdings sind sie vom nationalen Geiste getragen und bewegen sich in nationalen Stoffen; allein sie sind nichts weniger als antihellenisch, sondern vielmehr wesentlich, nur freilich in anderer Art als die Schriften der Gegenpartei, unter griechischem Einfluss entstanden. Die Idee und selbst der Titel seines Hauptwerkes ist den griechischen “Gruendungsgeschichten” (κτίσεις) entlehnt. Dasselbe gilt von seiner Redeschriftstellerei - er hat den Isokrates verspottet, aber vom Thukydides und Demosthenes zu lernen versucht. Seine ‘Enzyklopaedie’ ist wesentlich das Resultat seines Studiums der griechischen Literatur. Von allem, was der ruehrige und patriotische Mann angegriffen hat, ist nichts folgenreicher und nichts seinem Vaterlande nuetzlicher gewesen als diese von ihm selbst wohl verhaeltnismaessig gering angeschlagene literarische Taetigkeit. Er fand zahlreiche und wuerdige Nachfolger in der Rede- und der wissenschaftlichen Schriftstellerei; und wenn auf seine originellen, in ihrer Art wohl der griechischen Logographie vergleichbaren ‘Ursprungsgeschichten’ auch kein Herodot und Thukydides gefolgt ist, so ward es doch von ihm und durch ihn festgestellt, dass die literarische Beschaeftigung mit den Nuetzlichkeitswissenschaften wie mit der Geschichte fuer den Roemer nicht bloss ehrenhaft, sondern ehrenvoll sei.

————————————————————————

^41 “Von diesen Griechen”, heisst es bei ihm, “werde ich an seinem Orte sagen, mein Sohn Marcus, was ich zu Athen ueber sie in Erfahrung gebracht habe; und will es beweisen, dass es nuetzlich ist, ihre Schriften einzusehen, nicht sie durchzustudieren. Es ist eine grundverdorbene und unregierliche Rasse - glaube mir, das ist wahr wie ein Orakel; und wenn das Volk seine Bildung herbringt, so wird es alles verderben und ganz besonders, wenn es seine Aerzte hierher schickt. Sie haben sich verschworen, alle Barbaren umzubringen mit Arzeneiung, aber sie lassen sich dafuer noch bezahlen, damit man ihnen vertraue und sie uns leicht zugrunde richten moegen. Auch uns nennen sie Barbaren, ja schimpfen uns mit dem noch gemeineren Namen der Opiker. Auf die Heilkuenstler also lege ich dir Acht und Bann.”

Der eifrige Mann wusste nicht, dass der Name der Opiker, der im Lateinischen eine schmutzige Bedeutung hat, im Griechischen ganz unverfaenglich ist, und dass die Griechen auf die unschuldigste Weise dazu gekommen waren, die Italiker mit demselben zu bezeichnen.

———————————————————————-

Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf den Stand der bauenden und bildenden Kuenste, so macht, was die ersten anlangt, der beginnende Luxus sich weniger in dem oeffentlichen als im Privatbauwesen bemerklich. Erst gegen den Schluss dieser Periode, namentlich mit der Catonischen Zensur (570 184) faengt man in jenem an, neben der gemeinen Notdurft auch die gemeine Bequemlichkeit ins Auge zu fassen, die aus den Wasserleitungen gespeisten Bassins (lacus) mit Stein auszulegen (570 184), Saeulengaenge aufzufuehren (575, 580 179, 174) und vor allem die attischen Gerichts- und Geschaeftshallen, die sogenannten Basiliken nach Rom zu uebertragen. Das erste dieser etwa unseren heutigen Basaren entsprechende Gebaeude, die porcische oder Silberschmiedhalle, wurde von Cato im Jahre 570 (184) neben dem Rathaus errichtet, woran dann rasch andere sich anschlossen, bis allmaehlich an den Langseiten des Marktes die Privatlaeden durch diese glaenzenden saeulengetragenen Hallen ersetzt waren. Tiefer aber griff in das taegliche Leben die Umwandlung des Hausbaues ein, welche spaetestens in diese Epoche gesetzt werden muss: es schieden sich allmaehlich Wohnsaal (atrium), Hof (cavum aedium), Garten und Gartenhallen (peristylium), der Raum zur Aufbewahrung der Papiere (tablinum), Kapelle, Kueche, Schlafzimmer; und in der inneren Einrichtung fing die Saeule an sowohl im Hofe wie im Wohnsaal zur Stuetzung der offenen Decke und auch fuer die Gartenhallen verwandt zu werden - wobei wohl ueberall griechische Muster kopiert oder doch benutzt wurden. Doch blieb das Baumaterial einfach; “unsere Vorfahren”, sagt Varro, “wohnten in Haeusern aus Backsteinen und legten nur, um die Feuchtigkeit abzuwehren, ein maessiges Quaderfundament”.

Von roemischer Plastik begegnet kaum eine andere Spur als etwa die Wachsbossierung der Ahnenbilder. Etwas oefter ist von Malerei und Malern die Rede: Manius Valerius liess den Sieg ueber die Karthager und Hieron, den er im Jahre 491 (263) vor Messana erfochten, auf der Seitenwand des Rathauses abschildern - die ersten historischen Fresken in Rom, denn viele gleichartige folgten und die im Gebiet der bildenden Kunst das sind, was nicht viel spaeter das Nationalepos und das Nationalschauspiel im Gebiet der Poesie wurden. Es werden als Maler genannt, ein gewisser Theodotos, der, wie Naevius spottete,

verschanzt, in Decken sitzend, drinnen im heiligen Raum

die scherzenden Laren malte mit dem Ochsenschwanz.

Marcus Pacuvius von Brundisium, welcher in dem Herkulestempel auf dem Rindermarkt malte - derselbe, der im hoeheren Alter als Bearbeiter griechischer Tragoedien sich einen Namen gemacht hat; der Kleinasiate Marcus Plautius Lyco, dem fuer seine schoenen Malereien im Junotempel zu Ardea diese Gemeinde ihr Buergerrecht verlieh ^42. Aber es tritt doch eben darin sehr deutlich hervor, dass die Kunstuebung in Rom nicht bloss ueberhaupt untergeordnet und mehr Handwerk als Kunst war, sondern dass sie auch, wahrscheinlich noch ausschliesslicher als die Poesie, den Griechen und Halbgriechen anheimfiel.

———————————————————————————

^42 Plautius gehoert in diese oder in den Anfang der folgenden Periode, da die Beischrift bei seinen Bildern (Plin. nat. 35, 10, 115) als hexametrisch nicht fueglich aelter sein kann als Ennius und die Schenkung des ardeatischen Buergerrechts notwendig vor dem Bundesgenossenkrieg stattgefunden haben muss, durch den Ardea seine Selbstaendigkeit verlor.

———————————————————————————-

Dagegen zeigen sich in den vornehmen Kreisen die ersten Spuren des spaeteren dilettantischen und Sammlerinteresses. Man bewunderte schon die Pracht der korinthischen und athenischen Tempel und sah die altmodischen Tonbilder auf den roemischen Tempeldaechern mit Geringschaetzung an; selbst ein Mann wie Lucius Paullus, eher Catos Gesinnungsgenosse als Scipios, betrachtete und beurteilte den Zeus des Pheidias mit Kennerblick. Mit dem Wegfuehren der Kunstschaetze aus den eroberten griechischen Staedten machte in groesserem Massstab den ersten Anfang Marcus Marcellus nach der Einnahme von Syrakus (542 212); und obwohl dies bei den Maennern alter Zucht scharfen Tadel fand und zum Beispiel der alte strenge Quintus Maximus nach der Einnahme von Tarent (545 209) die Bildsaeulen der Tempel nicht anzuruehren, sondern den Tarentinern ihre erzuernten Goetter zu lassen gebot, so wurden doch dergleichen Tempelpluenderungen immer haeufiger. Namentlich durch Titus Flamininus (560 194) und Marcus Fulvius Nobilior (567 187), zwei Hauptvertreter des roemischen Hellenismus, sowie durch Lucius Paullus (587 167) fuellten sich die oeffentlichen Gebaeude Roms mit den Meisterwerken des griechischen Meissels. Auch hier ging den Roemern die Ahnung auf, dass das Kunstinteresse so gut wie das poetische einen wesentlichen Teil der hellenischen Bildung, das heisst der modernen Zivilisation ausmache; allein waehrend die Aneignung der griechischen Poesie ohne eine gewisse poetische Taetigkeit unmoeglich war, schien hier das blosse Beschauen und Herbeischaffen auszureichen, und darum ist eine eigene Literatur in Rom auf kuenstlichem Wege gestaltet, zur Entwicklung einer eigenen Kunst aber nicht einmal ein Versuch gemacht worden.

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