Fünfundfunfzigster Brief.

Paris, den 1. September 1848.

Lord Normanby bedauerte gestern Österreichs Ablehnen der Mediation, gab indessen zu, daß sie höflich in den Formen und nur eine vorläufige sei. Sehr müsse man wünschen, daß Österreich nun bald genauer angebe, was es eigentlich in und für Italien zu thun gedenke. Hierauf folgten Erörterungen über die Nothwendigkeit des Friedens, die Gefahr jedes Krieges, die Ungewißheit des Ausganges, die Unsicherheit einer neutralen Stellung Englands. Ich hob hiebei die Interessen und die Stellung Deutschlands im Allgemeinen hervor, ohne über die Gränzen der Vorsicht hinauszugehen. Lord Normanby räumte ein: daß die neuen Ereignisse eine baldige Entscheidung über den deutschen Reichsverweser doppelt nothwendig machten. Auch habe er wiederholt in diesem Sinne zu Hrn. Minister Bastide gesprochen und werde es unverzüglich nochmals thun.

An die Bemerkung: daß die Getreide- und Kartoffelernte in England wahrscheinlich nicht günstig ausfalle, reihte Lord Normanby die Äußerung: man müsse schlechterdings den Frieden mit Dänemark sogleich abschließen und den freien Seehandel herstellen. Er hoffe, daß Frankfurt keine Hindernisse in den Weg legen werde. Ein anderes langes Gespräch hatte ich mit dem österreichischen Geschäftsträger, Hrn. von Thom, welcher mir sagte: er habe über Österreichs Absichten hinsichtlich der Organisation Italiens bereits eine bestimmtere Erklärung abgegeben, welche auf Hrn. Minister Bastide einen günstigen Eindruck gemacht zu haben scheine.

Nach den Äußerungen des Hrn. — wäre Lord Normanby (wenn das Wort mir erlaubt ist) unbequemer für Österreich, als Hr. Minister Bastide. Des Lords langer Aufenthalt in Italien möge ihn günstiger für dieses Land stimmen; es bleibe aber zweifelhaft, ob er ganz im Sinne Lord Palmerston’s und der englischen Regierung verfahre oder ein englisches Ministerium sich halten könne, das den Franzosen den Eingang in Italien verstatte.

Nachmittag 2 Uhr.

Ich komme so eben von Hrn. General Cavaignac, bei welchem mich Hr. Minister Bastide einführte. Jener sprach seine höchste Achtung vor der Person Sr. kaiserl. Hoheit des Erzherzogs Reichsverweser aus, und versicherte wiederholt aufs Nachdrücklichste die Absicht der französischen Regierung, mit Deutschland in Friede und Freundschaft zu leben. Wenn jetzt eine kleine Zögerung beim Anknüpfen officieller Verhältnisse einträte (während die officiösen angebahnt sind), so entstehe sie durchaus nicht wegen irgend einer Abneigung, ja nicht einmal aus Gleichgültigkeit (indifférence), sondern aus den und den Gründen. (Es waren dieselben, welche ich bereits zufolge der Gespräche mit Hrn. Bastide vorgetragen habe.) Er hege gar keinen Zweifel, daß jene Bedenken würden bald gehoben werden, und einstweilen möge man die, für diplomatische Einleitungen u. s. w. fast unentbehrliche, Zeit gönnen. Am Schlusse freute sich Hr. General Cavaignac meine persönliche Bekanntschaft zu machen, und bemerkte, daß ich in der Heimat den guten Ruf eines gemäßigten Mannes habe. Ich bat um Nachsicht sofern ich, als ein Neuling, gegen diplomatische Formen fehlen sollte. — Auch wir, antwortete der General, sind Neulinge; wir wollen gegeneinander abrechnen.

Hrn. Minister Bastide machte ich noch darauf aufmerksam, daß die sehr günstige Stimmung Deutschlands leiden dürfte, wenn die förmliche Anerkennung des Reichsverwesers lange hinausgeschoben werde; — und er fand diesen Umstand wahr und gewichtig.

Hinsichtlich Italiens legte Hr. Bastide nochmals großen Nachdruck auf nationale Einrichtungen. In der auch mir mitgetheilten Note verspricht Österreich diese auf die liberalste Weise. Die (wie Hr. Minister Bastide bemerkte) kriegerische Stimmung des Hrn. — entstand auf die Nachricht eines französischen Seezuges nach Venedig. Wenn Österreich jene nationalen Einrichtungen gewähre, so wolle Frankreich (laut Hrn. Bastide) sehr gern darauf eingehen. Aber ächte Verfassungen lassen sich freilich nicht aus dem Stegreife fertigen.

Die Stärkung Deutschlands durch eine Centralgewalt wird von der hiesigen Regierung gewünscht und gebilligt; eine Centralisirung mit Vernichtung der einzelnen Staaten hält man für ungerecht, unklug und gefährlich.

Abends.

Das Schreiben vom 26. August über die Protestation, welche Frankreich hinsichtlich Dänemarks an Preußen gerichtet hat, empfing ich den 31. und habe Hrn. Minister Bastide den Inhalt vorgetragen. Die Denkschrift konnte ich ihm indessen nicht übergeben, da sie bis jetzt noch nicht bei mir eingegangen ist.

Hr. Bastide erwiderte: er habe auf den gerügten Ausdruck: la violence qui a été faite u. s. w. gar kein Gewicht gelegt, sondern nur dem Könige von Preußen eine Art von Höflichkeit oder Genugthuung sagen wollen. Nachdem glücklicherweise der Waffenstillstand abgeschlossen worden, dürfte sich Zeit zu weiteren Untersuchungen und Erörterungen finden. Er setze keinen Zwiespalt zwischen der Centralgewalt und den einzelnen Staaten voraus, und sei weit entfernt ihn zu wünschen.

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