V. Das Schwein.

Ausschließlich zur Gewinnung von Fleisch und Fett hat der Mensch das Wildschwein in den Haustierstand erhoben. Während der wandernde Nomade hierzu in erster Linie das Schaf mit den ihm am Schwanz oder am Steiß angezüchteten Fettmassen benutzte, hielt sich der ansässige Ackerbauer an das von ihm leichter zu haltende Schwein. In den sumpfigen Waldstrecken muß der Mensch gar häufig dem Wildschwein begegnet sein und es, wie uns schon die paläolithischen Darstellungen desselben an den Wänden von Höhlen Nordspaniens und Südfrankreichs beweisen, mit Vorliebe erlegt und gegessen haben. Aber nicht das europäische, sondern das südasiatische Wildschwein ist zuerst in menschliche Pflege genommen und zur Würde eines Haustieres erhoben worden. Dies geschah wohl einfach so, daß eines selbständigen Lebens ohne Muttermilch fähige ältere Frischlinge nach Tötung der Mutter gefangen und in eingehegte Plätze gesperrt wurden, um sie großzuziehen und gelegentlich bei Nahrungsmangel infolge Unergiebigkeit der Jagd zu verspeisen. Südostasien ist der weitaus älteste Herd der Schweinezucht, die jetzt noch dort eine wichtige Rolle spielt. Dort wurde das einheimische Wildschwein in Pflege genommen. Es ist dies das Bindenschwein (Sus vittatus), so genannt, weil es eine von der Wange über den Hals verlaufende weiße Binde aufweist, ein Überbleibsel der aus dunkeln Längsstreifen bestehenden Zeichnung der älteren Schweine, die sich noch im Jugendkleide auch unseres erwachsen nicht mehr gestreiften europäischen Wildschweins zeigt. Dieses Bindenschwein wird jetzt hauptsächlich auf Java, Sumatra und Borneo gefunden, war aber einst höchstwahrscheinlich auch in Hinterindien verbreitet. Von dort kam es gezähmt schon sehr früh nach China, wo es bereits im vierten Jahrtausend v. Chr. in Menge gezüchtet wurde; ebenso nach Indien und Westasien, von wo es bereits zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrtausends nach Ägypten vorgedrungen war. So hat Flinders Petri aus der 1. Dynastie (3400 bis 3200 v. Chr.) eine recht gute Umrißzeichnung des Schweins in Oberägypten gefunden, das offenbar gemästet war und wie die indischen Schweine Stehohren besitzt. Von da an fehlen bildliche Darstellungen des altägyptischen Hausschweins bis zur Zeit des Neuen Reiches (18. und 19. Dynastie, 1580–1205 v. Chr.), so daß man früher glaubte, das Schwein sei erst zur Zeit der 18. Dynastie ins Niltal eingeführt worden. Dies ist aber durchaus falsch. Von der ältesten Königszeit an wurden Schweine in Ägypten gehalten und, wie uns griechische Schriftsteller mitteilen, zum Eintreten der Saat in den frisch gepflügten und geeggten Acker benutzt; doch galten sie dem Ägypter, wohl weil sie gelegentlich auch Aas verzehrten, als unreine Tiere, und so hütete man sich eben, sie an den Wänden der Tempel und Grabkammern abzubilden. So berichtet der zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. lebende Claudius Älianus in seinem griechisch geschriebenen Werk über die Tiere: „Das Schwein ist so gefräßig, daß es weder seine eigenen Jungen, noch menschliche Leichen verschont; deshalb verabscheuen es die Ägypter. Der Ägypter Manetho, ein Mann (Priester) von hoher Weisheit, behauptet auch, daß man aussätzig wird, wenn man Schweinemilch genießt.“ Lange vor ihm schrieb der griechische Geschichtschreiber Herodot, der im 5. Jahrhundert v. Chr. Ägypten selbst bereiste: „Bei den Ägyptern gilt das Schwein für ein unreines Tier. Wird jemand zufällig von einem solchen am Kleide berührt, so geht er gleich an den Fluß und wäscht sich. Unter allen eingeborenen Ägyptern sind die Schweinehirten die einzigen, die in keinen Tempel gehen dürfen; auch kann ein Schweinehirt in Ägypten nur die Tochter eines Schweinehirten heiraten, weil ihm kein anderer seine Tochter gibt. Keiner Gottheit opfern die Ägypter ein Schwein, mit Ausnahme der Mondgöttin und dem Bacchos, und zwar bei Vollmond. Das Schwein, das diesen Gottheiten geopfert wird, wird noch an demselben Tage gegessen. Arme Leute, welche kein wirkliches Schwein haben, backen eins aus Teig und opfern es.“ Herodot sah selbst, wie die Schweine im Nildelta zum Einstampfen der Saat verwendet wurden. Bei einem Tiere, das so verachtet war, daß diejenigen, die sich mit dessen Aufzucht befaßten, nicht einmal einen Tempel betreten durften, um ihn nicht zu verunreinigen, ist es kein Wunder, daß es in der älteren Zeit nicht an heiligen Bauten dargestellt wurde. Erst zur Zeit der 18. Dynastie war man so freidenkend geworden, daß man in Grabdenkmälern jener Zeit in Theben dieses Borstentier wie die übrigen Herdentiere darstellte. Aber auch damals werden nur die Ärmsten in Ägypten das Fleisch dieses verachteten Tieres gegessen haben.

Bild 22. Altägyptische Darstellungen von Schweinen aus der Zeit des Neuen Reichs. 1. Ein Mutterschwein mit Jungen. 2. Ferkel. 3. Eber, a geknotete Peitsche, mit welcher die Schweine auf die Weide getrieben wurden. (Nach Wilkinson.)

Anders als in Ägypten stand es im alten Griechenland und Rom, wo das Wildschwein im Gegensatz zum Niltal, wo es in geschichtlicher Zeit ausgerottet war, häufig vorkam, viel gejagt und sein Fleisch gern gegessen wurde. Dementsprechend war auch das Fleisch des Hausschweines als Speise geschätzt. Schon bei Homer ist vielfach von Herden des zahmen Hausschweins die Rede und war der Stand der Schweinehirten durchaus nicht verachtet, sonst wäre dem Sauhirten des Odysseus auf Ithaka mit Namen Eumaios sicher nicht der Ehrentitel des „Göttlichen“ gegeben worden. Nach dem Urteile der gebildetsten Griechen hatte die Schweinezucht viele Vorteile für sich. So schreibt der berühmte Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr.: „Von allen Tieren gewöhnt sich das Schwein am leichtesten an jedes Futter, wird auch am schnellsten groß und dick. In 60 Tagen kann man es ausmästen. Wer sich mit der Mast beschäftigt, füttert die Schweine die drei ersten Tage mager, dann werden sie bei gutem Futter desto schneller fett, wie meist alle Tiere, die recht ausgehungert sind. Das Fettwerden wird durch Ruhe befördert und geht beim Schwein schneller vor sich, wenn es sich im Schlamm wälzen kann. Dieses Tier kämpft selbst gegen den Wolf.“

Wie bei den Griechen wurde auch bei den Römern eine ausgedehnte Schweinezucht getrieben und dieses Haustier mit Vorliebe als Opfer geschlachtet. Der gelehrte Varro (116–27 v. Chr.) meint sogar — allerdings durchaus falsch — die griechische Bezeichnung hys habe ursprünglich thys gelautet und daher komme das Verbum thýein opfern. Er fährt dann fort: „Schweine scheinen die ersten Opfertiere gewesen zu sein. Beim Anfang der Ernte, beim Schließen von Bündnissen, bei Hochzeiten werden Schweine geopfert.

Der Sage nach hat die Natur das Schwein geschaffen, daß es verschmaust werden soll, auch hat sie ihm, da sie es nicht von vornherein einsalzen wollte, die Seele statt des Salzes gegeben, um sein Fleisch, solange es lebt, vor Fäulnis zu schützen. Die besten Speckseiten und Schinken kommen aus Gallien nach Rom. Cato sagt, daß in Gallien die Schweine so fett werden, daß sie weder stehen noch gehen können und auf Wagen fortgeschafft werden müssen, wenn sie an einen anderen Ort sollen. Der Spanier Attilius, ein durchaus rechtlicher Mann, sagte mir, daß ihm der Senator Volumnius von einem in Lusitanien (Portugal) geschlachteten Schwein ein Stück Fleisch mit zwei Rippen zusandte, das 23 Pfund wog; die Dicke des Specks habe von der Haut bis zu den Knochen 1 Fuß 3 Zoll betragen. Es hat mir auch jemand gesagt, er habe in Arkadien ein Schwein gesehen, das sich vor Fett nicht rühren konnte, und in dessen Speck eine Maus nistete. Das soll auch anderwärts vorgekommen sein.

Für das Schweinevieh paßt eine sumpfige Weide am besten; denn es hat seinen Gefallen an Wasser und Schlamm. Das Hauptfutter besteht aus Eicheln, Bohnen, Gerste und anderem Getreide, davon wird es fett und wohlschmeckend. Im Sommer treibt man es früh auf die Weide, bevor die große Hitze eintritt, mittags bringt man es im Schatten und bei Wasser unter, abends läßt man es abermals weiden. Im Winter treibt man es nicht eher aus, als bis Reif und Eis weggetaut sind. Die ersten Jungen bekommt man von den Sauen, wenn sie zwei, die letzten, wenn sie sieben Jahre alt sind. Man läßt die Ferkel (porculi) zwei Monate bei der Alten und trennt sie dann, zu welcher Zeit sie schon fressen können, von ihr. Die im Winter geborenen sind klein, werden auch schlecht gesäugt, weil die Alte dann wenig Milch hat und die Ferkel ihr aus Hunger die Euter wund beißen. Man gibt der Sau mit ihren Ferkeln einen eigenen Koben. Dieser wird gehörig rein gehalten und öfters nachgesehen, ob die Alte ein Junges totgedrückt hat. Sie bekommt übrigens zweimal jährlich Junge. Um die Milch zu vermehren, muß sie gut gefüttert werden, namentlich mit eingeweichter Gerste. Solange die Jungen saugen, heißen sie lactentes. Die Saugschweinchen sind vom 10. Tage an zu Opfern tauglich und heißen deshalb sacres. Abgesetzte Saugschweine heißen delici oder gewöhnlicher nefrendes, weil sie noch keine Bohnen kauen (frendere) können. Porcus ist ein altgriechisches Wort. Jetzt sagen die Griechen choíros. Die Sau (scrofa oder varro) muß, wenn sie säugt, täglich zweimal getränkt werden. Eigentlich muß sie so viel Junge bekommen, als sie Euterstriche hat. Bekommt sie weniger, so taugt sie nicht zur Zucht; bekommt sie mehr, so weissagt sie dadurch Wunderdinge. Das älteste bekannte Beispiel dieser Art stammt von der Sau des Äneas, welche 30 weiße Ferkel bekam. Die Prophezeiung traf ein, indem 30 Jahre später die Lavinienser die Stadt Alba gründeten. Noch jetzt findet man in Lavinium die Bildnisse der 30 Ferkel in Bronze aufgestellt und die Sau selbst wird, gut eingesalzen, von den Priestern gezeigt.

Die Schweine werden vom Schweinehirten gewöhnt, alles nach dem Klang des Hirtenhorns zu tun. So z. B. stößt er ins Horn, wenn er sie aus den Ställen läßt, wenn er sie im Walde zusammenruft usw. Die Herde alter Schweine kann aus 100 bis 150 Stück, diejenige junger aus doppelt soviel bestehen.“

Der ältere Plinius schreibt: „Wenn Schweine ihre Jungen fressen, so sieht man das nicht als schlimme Vorbedeutung an. Das Ferkel gibt am 5. Tage ein reines Opfer, das Lamm am 8., das Kalb am 30. Das Schwein ist überaus dumm, doch kennt man auch ein Beispiel, daß gestohlene Schweine die Stimme ihres Herrn erkannten, das Schiff, auf das die Räuber sie gebracht, versenkten, indem sie auf der einen Seite das Übergewicht gaben, und dann zurückschwammen; auch lernen die Anführer der Herde den Markt und die Häuser finden. Die Kunst, bei Sauen eine große Leber wie bei Gänsen zu erzeugen, ist eine Erfindung des Marcus Apicius (eines berühmten Feinschmeckers, der auch ein Kochbuch für die feine Küche schrieb) und besteht darin, daß man sie mit trockenen Feigen tüchtig füttert und mästet, ihnen dann Met zu trinken gibt und sie plötzlich tötet. Kern anderes Tier liefert Speisen von verschiedenerem Geschmack für die Küche; denn wenn von anderen Tieren jedes nur einerlei Geschmack hat, so hat das Schwein dagegen fünfzigerlei, weswegen auch durch mancherlei Gesetze den Zensoren einzelne Teile, wie Euter, Kopf usw., bei Gastmählern verboten sind; aber freilich kehrt sich nicht jeder an solche Gesetze.“ Die Feinschmecker Roms begnügten sich aber in der Regel nicht mit dem gewöhnlichen Schweinefleisch, das auch gesalzen und geräuchert wurde, wie dies heute noch geschieht, sondern ließen sich mit Vorliebe solches aus Sardinien kommen, von wo aus große Schweinezüchter (suarii), die zur Kaiserzeit besondere Rechte erlangt hatten, den Markt mit besonders feiner Ware versorgten.

Welcher Tafelluxus im kaiserlichen Rom und im üppigen Alexandreia herrschte, zeigen uns folgende Tatsachen. Petronius meldet: „Die Tafel war gedeckt: ein ganzer gebratener Eber ward aufgetragen. Das Jagdmesser wurde erhoben und in des Ebers Bauch gestoßen, — da flogen zur Belustigung der Gäste aus der Wunde Drosseln hervor.“ Der um 220 n. Chr. in Alexandreia lebende Grieche Athenaios erzählt, wie bei einem Gastmahle eine silberne, reichvergoldete große Schüssel auf die Tafel kam, auf der ein erwachsenes Schwein gebraten auf dem Rücken lag und seine Beine zum Himmel streckte. Als sein Bauch mit einem Schnitte geöffnet ward, fand sichs, daß es mit gebratenen Drosseln, anderen kleinen Vögeln, Austern usw. gefüllt und in die Zwischenräume Eidotter gebracht war.

Ein anderes Mal ward ein Schwein aufgetragen, an dem mit Aufwand großer Kunst die eine Hälfte gebraten, die andere gekocht war. Alle bewunderten dies Gericht. Drob freute sich der Koch, nahm eine stolze Miene an und fragte: Na, wer von euch kann angeben, wie das Tier geschlachtet und wie sein Bauch mit tausend herrlichen Leckerbissen gefüllt ist? Er enthält Drosseln, andere kleine Vögel, gehacktes Schweinefleisch, Eidotter, Hühner, gepfefferte Fleischklößchen usw. Der Schriftsteller Macrobius sagt, daß diese mit kleinen Tieren gefüllten Schweine von den Kennern in Anlehnung an das sagenhafte trojanische Pferd Trojanische genannt wurden.

Der Geschichtschreiber Älius Lampridius berichtet in seiner Biographie des Alexander Severus (222–235 n. Chr.), dieser Kaiser pflegte sich während der Mittagstafel damit zu belustigen, daß er spielende Spanferkel oder kämpfende Rebhühner oder hin und her fliegende Vögel betrachtete. Seine Vogelhäuser enthielten Pfauen, Fasane, Haushühner, Enten, Rebhühner und eine Unzahl Tauben. Als unter seiner Regierung das römische Volk sich über eine Fleischteuerung beklagte, habe er Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß es vorzüglich an Schweine- und Rindfleisch fehlte. Da gab er den Befehl: Niemand dürfe eine säugende Sau, ein saugendes Ferkel, eine alte oder junge Kuh schlachten. Da sei schon in zwei Jahren Fleisch in Menge und wohlfeil zu haben gewesen.

Nicht selten sind uns bildliche Darstellungen des Schweins aus römischer Zeit erhalten geblieben, die, wie beispielsweise das prächtige Basrelief vom großen Staatsaltar auf dem Forum Romanum, eine durch weitgehende Zucht kurzköpfige, sehr mastfähige Rasse mit runden Formen zeigen. Deren Beziehungen zum indischen Hausschwein sollen nach C. Keller recht deutlich ausgeprägt sein. Noch heute ist das asiatische Blut im Hausschwein der römischen Kampagna unverkennbar. Dieselbe Schweinerasse wurde nach Überresten in Herculanum und Pompeji zur Zeit von deren Untergang gehalten; eine in Portici gefundene Bronzestatuette bringt deren Merkmale sehr charakteristisch zum Ausdruck.

Bei den alten Germanen war die Schweinezucht sehr beliebt, da dieses Tier nach dem Pferd den beliebtesten Braten lieferte und deshalb gern geopfert wurde. Unter den Karolingern wurde es viel gehalten. So schärfte Karl der Große seinen Verwaltern ein, diese Tiere in möglichst großer Zahl auf seinen Landgütern zu halten. So finden wir in den Verzeichnissen der Königshöfe eine große Zahl derselben, so in Asnapium 260 große und 100 kleine Schweine, daneben 5 Eber, in Grisenweiler 150 große und 100 kleine Schweine. Sie wurden in die Wälder zur Eichel- und Buchenmast getrieben. Außer eingesalzenem Fleisch, besonders Schinken und Speck, wurden auch Würste beim Schweineschlachten im Frühwinter hergestellt. Schon im 12. Jahrhundert begannen westfälische Schweine und Schinken berühmt zu werden. Noch das ganze Mittelalter hindurch wurden wilde Eber auf zahme Sauen gesetzt, um eine bessere Zucht zu erlangen.

Das älteste Hausschwein der vorgeschichtlichen Völker Süd- und Mitteleuropas war nach den auf uns gekommenen Schädelüberresten nicht ein Abkömmling des gezähmten einheimischen Wildschweins, sondern, wie die genau vorgenommenen vergleichend anatomischen Feststellungen beweisen, ein solcher des südasiatischen Bindenschweins. In den ältesten Pfahlbauten und Landniederlassungen Mitteleuropas der neolithischen Zeit fehlte dieses zahme Hausschwein südasiatischer Herkunft noch durchaus. Es tritt uns erst in einer späteren Zeit der neolithischen Kultur in Überbleibseln entgegen und wurde dann namentlich in der Bronzezeit in steigender Menge gehalten. Es ist dies das Torfschwein (Sus scrofa palustris), von L. Rütimeyer so genannt, weil uns eben seine Reste, wie diejenigen der ältesten Haustiere überhaupt, vorzugsweise in den inzwischen vertorften Seegründen, wo einst die Pfahlbauniederlassungen gestanden hatten, entgegentreten. Es war ein zierlich gebautes Tier von mäßiger Größe, das sich in seinem Schädelbau durchaus von demjenigen des einheimischen Wildschweins entfernt, aber nahe Beziehungen zu dem des südindischen Bindenschweins aufweist. Da man es damals nicht in Stallungen bannte, sondern ähnlich wie das Hausschwein der Malaien der indonesischen Inselwelt ziemlich frei umherlaufen ließ, wich sein Schädel vom Wildschweincharakter nur wenig ab. Daher glaubte Rütimeyer zunächst, daß das Torfschwein ursprünglich wild bei uns gelebt habe. Doch kam er später von dieser Annahme zurück, und heute wissen wir mit Bestimmtheit, daß sein Stammvater das südindische Bindenschwein war. Bei letzterem ist, wie beim Torfschwein, der Schädel verhältnismäßig kurz, breit und hoch, die Tränenbeine sind kurz und hoch, nähern sich also der quadratischen Form; der knöcherne Gaumen scheint nach vorn verbreitert, so daß die vorderen Backenzähne stark auseinandergedrängt werden. Demgegenüber ist der Schädel des europäischen Wildschweins und der erst später von ihm gewonnenen Hausschweine niedrig, schmal und langgestreckt. Die Tränenbeine sind lang und niedrig, also mehr rechteckig, der knöcherne Gaumen ist nach vorn nicht verbreitert, so daß die Backenzähne annähernd parallel zueinander stehen.

Bei allen Schweinen aber ist die Wildform im Bau des Schädels von der Kulturform verschieden. Erstere wühlt im Boden nach eßbaren Knollen und Wurzeln, letztere hat sich dies in der Gefangenschaft fast abgewöhnt; infolgedessen ist ihr Schädel im Profil nicht mehr gerade, sondern zwischen Stirn und Nase eingeknickt. Die fächerförmige Schuppe des Hinterhauptbeins ist nicht mehr wie beim Wildschwein nach hinten gerichtet, sondern steigt mit der Stirn- und Scheitelgegend mehr oder weniger senkrecht empor. Während der jugendliche Wildschweinschädel anfänglich den indifferenten Typus des Säugetierschädels wiederholt, wird er später gestreckt und erhält scharf ausgeprägte Knochenleisten, im Gegensatz zu demjenigen des zahmen Schweins, bei dem die Nackenmuskulatur durch Nichtgebrauch schwächer wird und der Eckzahn an Größe abnimmt.

Dieses Torfschwein kam zweifellos über Westasien aus seiner südindischen Heimat nach Europa, wenn wir nicht annehmen wollen, daß sich sein Verbreitungsgebiet einst bis nach Westasien erstreckte, wo es dann hätte gezähmt werden können. Genaueres wissen wir über diese Wanderung nicht. Wir wissen nur, daß das Hausschwein im Altertum auch in Mesopotamien gehalten wurde. So ist uns aus der assyrischen Zeit in Kujundschick das Bild eines Mutterschweins mit Ferkeln erhalten geblieben. Im Gegensatz zu Layard, der darin eine Wildsau erblicken zu müssen meinte, glaubt Keller aus dem feinen, verhältnismäßig kurzen Kopf darin einen Abkömmling des südindischen Bindenschweins erkennen zu dürfen. Allerdings hat später der ganze semitische Kulturkreis das Schwein als Haustier abgelehnt, so daß es in der Folge aus Westasien, soweit semitische Stämme zu finden waren, verschwand. Anders bei den Ariern, denen der Schweinebraten, gleichgültig ob vom wilden oder zahmen Schwein, ein Festessen war. So verspeisen die Helden in Wallhall täglich den göttlichen Eber Särimni, der täglich wiederum neu ersteht, um sich von den Asen verspeisen zu lassen. So war es auch schon bei den Mitteleuropäern zu Ende der Stein- und zu Beginn der Bronzezeit. Diese liebten außer dem ihnen noch reichlich zur Verfügung stehenden Wildschweinbraten auch etwa solchen vom Hausschwein, besonders nachdem es von der Eichelmast im Herbste recht fett geworden war, zu verzehren und sich aus dem Überschuß durch Einsalzen und Räuchern Winterproviant zuzulegen. Da nun das halb wild gehaltene Torfschwein nicht selten Gelegenheit bekam, sich mit wilden Ebern zu begatten, so entstand bald eine größere Mischrasse. Schon Plinius meldet in seiner Naturgeschichte: „Das zahme Schwein paart sich sehr leicht mit dem Wildschwein.“ Diese Tatsache war also schon im Altertum, wo sich bei der großen Häufigkeit der Wildsauen viel mehr Gelegenheit zu solchen Beobachtungen bot als heute, allgemein bekannt.

Erst ganz am Schluß der neolithischen Zeit kam in Mitteleuropa ein kräftigeres und größeres Hausschwein auf, das offenbar ein mehr oder weniger reiner Abkömmling des einheimischen Wildschweins war; denn was lag näher, als einmal dieses größere Tier nicht bloß zur Kreuzung mit dem kleineren Torfschwein, sondern zur Reinzucht zu verwenden. Das Wildmaterial lag ja gleichsam vor der Tür und wird oft genug in halberwachsenen Frischlingen der Wildsau lebend in die Niederlassungen der Steinzeitjäger gebracht worden sein. Von der Metallzeit an wurde dann in Mitteleuropa das Torfschwein asiatischer Abstammung immer mehr vom leistungsfähigeren Hausschwein europäischer Zucht aus dem einheimischen Wildschwein verdrängt. Doch war es noch während der helvetisch-römischen Zeit in der Schweiz stark verbreitet. So gehören von den in der Römerkolonie Vindonissa aufgefundenen Resten 28 Knochenstücke ihm an, während das europäische Landschwein nur durch 10 solche vertreten war. Noch am meisten Torfschweinblut weist das alte Bündnerschwein auf. Auch die Hausschweine in den entlegenen Tälern um das Gotthardgebiet herum, im Tessin und oberen Wallis, stehen dem alten Torfschweintypus nahe, während in den südlichen Tälern des Wallis ein schwarzes oder fuchsrotes Schwein gehalten wird, das nach der Kopfform ein unverkennbares Kreuzungsprodukt des Torfschweins mit dem Landschwein von europäischer Abstammung ist.

In den romanischen Ländern südlich der Alpen, vor allem in ganz Italien, Spanien und Portugal, wird das schwach behaarte romanische Schwein von meist dunkler Farbe, mit kurzem Kopf, längerem Rüssel als beim indischen Schwein und geradlinigem, breitem Rücken gezüchtet, das ebenfalls neben asiatischem auch reichlich europäisches Blut enthält. Noch mehr asiatisches als europäisches Blut besitzt das durch seine krause Behaarung ausgezeichnete kraushaarige Schwein von dunkler Farbe mit kurzem Rumpf, kantigem Rücken und etwas spitzem Gesicht, das hauptsächlich über Ungarn und die anstoßenden Balkanländer verbreitet ist.

Je mehr wir nun in Europa nach Norden gehen, um so reiner tritt das europäische Blut auf. Diese Hausschweine europäischer Abstammung besitzen statt des verhältnismäßig breiten, ebenen Rückens einen erhöhten „Karpfenrücken“ infolge des seitlich zusammengedrückten Rumpfes. Statt der breiten Brust besitzen sie eine flachrippige Brust. Statt des in der Nasengegend eingesenkten Kopfes mit kurzem Rüssel haben sie eine gestreckte, oft völlig wildschweinähnliche Schnauze. Die Beine sind verhältnismäßig hoch. Es ist dies das europäische Hausschwein, von dem eine Unterart mit großen, hängenden Ohren und schmälerer Stirn und eine solche mit kurzen aufrecht gestellten Ohren und breiter Stirn unterschieden wird. In Norddeutschland und Dänemark scheint ursprünglich das Torfschwein gefehlt zu haben und nur das europäische Blut gehalten worden zu sein. Die prähistorischen Knochenreste weisen auf eine durch kümmerliche Haltung sehr klein gewordene Rasse hin. Überhaupt hat das Schwein im allgemeinen seit seiner Überführung in den Haustierstand an Größe abgenommen, offenbar deshalb, weil die freie Natur günstigere Entwicklungsbedingungen darbietet als die Knechtschaft unter dem Menschen. Erst die moderne rationelle Tierzucht hat durch Darbietung besserer Lebensbedingungen die Größe wieder zu steigern vermocht.

Das der südostasiatischen Wildform noch am nächsten stehende, weil immer wieder durch Kreuzung mit jener aufgefrischte asiatische Hausschwein kommt in mehr primitiven, meist sehr mastfähigen Schlägen im ganzen östlichen Asien vor, so von der Mongolei durch ganz China, Annam, Siam und Hinterindien bis zu den Sundainseln und nach Neuguinea einerseits und Indien und Ostafrika andererseits. Es ist das das weitaus wichtigste Zuchtgebiet zahmer Schweine, indem es sowohl bei den mongolischen und malaiischen, wie auch den Papuastämmen das bei weitem wertvollste und oft einzige Haustier neben dem Hunde ist. Sein Fleisch und sein Fett sind für diese Stämme, soweit sie nicht an der Küste leben und viel Seetiere genießen, die wichtigsten animalischen Lebensmittel. Obenan steht das gewaltige China, wo die Schweinezucht gegen 6000 Jahre alt ist. Dabei hat Nordchina eine primitivere, meist schwarzgefärbte Rasse, während Südchina höher gezüchtete Kulturschweine von meist weißer Farbe besitzt. Im Norden ist die Haltung dieses Haustieres eine wenig sorgfältige. Hier leben die Schweine ohne Schutz im Freien und sind selbst in dem recht rauhen Winter aller Unbill der Witterung preisgegeben. Daraus erklärt sich das Vorhandensein auffallend dichter und langer Behaarung als Wärmeschutz der ursprünglich aus einem warmen Klima stammenden Tierart. Die überall auf dem Lande gezüchteten Schweine werden meistens nach den Städten verkauft, wo der Bedarf an Schweinefleisch ein sehr großer ist, indem der wohlhabende Chinese nicht nur kein Opfer ohne dieses begeht, sondern auch bei allen festlichen Gelegenheiten seine Familienglieder und Freunde damit bewirtet.

In der Mandschurei ist die Schweinezucht besonders in der mittleren Provinz Kirin entwickelt. Dieselbe Rasse wird auch in den Amurländern gehalten und geht bis nach Sibirien hinein. Doch tritt in letzterem Lande die Schweinezucht schon aus klimatischen Gründen gegenüber der Schafzucht zurück. Auffallenderweise besitzt Japan sehr wenig Schweine. Die Zucht dieses Haustieres ist in jenem Lande stark vernachlässigt und auf eine einzige Provinz, Kangoschima, beschränkt. Sehr blühend ist sie dagegen in ganz Hinterindien, auf den Philippinen und Sundainseln, wo überall das Schweinefleisch ein wichtiges Nahrungsmittel bildet. In Neuguinea ist das Schwein neben dem Hund das einzige Haustier, das überall in der Umgebung der Dörfer ziemlich frei gehalten wird, so daß es vielfach verwildert ist. Seine Nahrung besteht hier vorwiegend in Taroknollen. Auch Indien hat vorwiegend dunkelgefärbte Schweine, die in Schläge mit kurzen, aufrechtstehenden und in solche mit großen, herabhängenden Ohren zerfallen.

Im ganzen mittleren und westlichen Asien ist, soweit der Islam vordrang, das Schwein als unrein verpönt und deshalb die einst auch hier im Altertum betriebene Schweinezucht verdrängt worden. Hier ist an seiner Stelle überall das Schaf, das von dem Fluche Muhammeds nicht getroffen wurde, der Lieferant von tierischem Fett und Fleisch. Wie die Ostasiaten und Malaien Schweinefleisch zu ihrem Reis essen — nach der nicht unwahrscheinlichen Sage soll Buddha an einer Überladung des Magens mit Schweinebraten seinen Tod geholt haben — so genießen die Westasiaten Hammelfleisch zu ihrem Palaw genannten Reisgericht. Aber das war im Altertum noch nicht so. Um die Zeit der Entstehung des Christentums war das Schwein noch nicht aus Westasien verschwunden. Das beweist die bekannte Legende von den Schweinen der Gaddarener, in die die unreinen Geister fuhren. Immerhin haben die Semiten im allgemeinen, nicht nur die Juden, die solchen Abscheu wie so manches andere aus der Zeit ihrer Gefangenschaft in Ägypten hätten entlehnen können, das Schwein als unrein verpönt. Und diese Ächtung des Schweins hat in der Folge auch die aus dem Orient zu den Griechen und Römern gekommenen Kulte begleitet. So wurden der aus der semitischen Ischtar-Astarte hervorgegangenen Aphrodite auch in Griechenland keine Schweine geopfert, so wenig als der jener entsprechenden Venus in Rom.

Wie sehr die Muhammedaner das Schwein scheuen, geht aus der drolligen Geschichte hervor, die der, um ungefährdet im Orient reisen und selbst die allen Ungläubigen streng verbotenen heiligen Stätten in Mekka und Medina besuchen zu können, zum Islam übergetretene Baseler Burckhardt (Scheik Ibrahim) in seinem Buche: Reisen in Arabien (Weimar 1830) erzählt. In Dschidda, der Hafenstadt Mekkas, war — wohl einem christlichen Schiffer entlaufen — ein Schwein ans Land gekommen und führte in der Nähe des Marktes ein freudenvolles Dasein, weil die Marktleute lieber ihre Waren im Stiche ließen und sie dem Tiere Satans preisgaben, als sich durch die Berührung mit demselben zu verunreinigen. Alle ihre Flüche und Drohungen störten natürlich das biedere Borstentier sehr wenig. Im ganzen Gebiete des Islam dürfen auch die Christen nur ausnahmsweise Schweine halten. So ziehen die Armenier in der Türkei und in Persien gern wildgefangene Frischlinge auf, um sie fett werden zu lassen und dann zu schlachten und zu verspeisen. Nur in den Marställen der Großen wird, um die „böse Luft“, alle Verhexung und etwaige Krankheitserreger in seinen unreinen Leib abzuleiten, gern ein Schwein gehalten, wie noch vor gar nicht langer Zeit bei den Christen für solche Zwecke ein Ziegenbock gehalten wurde. Letzteres ist eine Reminiszenz an den Ziegenbock der Israeliten, der am Versöhnungstage mit allen Sünden des Volkes beladen in die Wüste getrieben und sich selbst überlassen wurde. Daher stammt unsere Bezeichnung Sündenbock.

Welch seltsame Form das Bewußtsein der eigenen Größe annehmen kann, schreibt Ed. Hahn in seinem Buche über die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen (Leipzig 1896), beweist, daß die Venezianer am Ausgang des 15. Jahrhunderts eine ansehnliche Summe dafür ausgaben, daß sie in ihrer Faktorei in Alexandrien ein Schwein halten durften; einmal ärgerten sie damit die Ungläubigen, allerdings für ihr gutes Geld, und dann bewiesen sie den andern Christen ihre ungeheure Überlegenheit durch diesen sonderbaren Vertreter des Löwen von San Marco.

In Ägypten wird heute das Schwein nur von den christlichen Kopten gehalten. In ganz Nordafrika befaßt sich natürlich auch nur das christliche Element mit dessen Zucht. In den oberen Nilländern wurde es von den Negern übernommen; besonders in Sennar halten es die Eingeborenen, um dessen wohlschmeckendes Fleisch zu essen. In Ostafrika fehlt es natürlich im mohammedanischen Somaliland vollständig, dagegen trifft man Schweine indischer Abstammung in Mozambique. Auch auf Madagaskar wurde es offenbar unter dem Einfluß der Araber an der Westküste verdrängt; so züchten es die Sakalaven nicht. Dagegen findet man im Innern der Insel, im Gebiet der Howas, eine kleine, schwarze Rasse. Auf den Maskarenen und auf der Insel Réunion ist die Schweinezucht auf die bergigen Gegenden beschränkt. In ganz Inner- und Westafrika ist das Schwein nur selten anzutreffen, außer in den Küstengegenden von Angola, wo es von den Portugiesen eingeführt wurde. In Natal wurde es 1825 eingebürgert.

In Europa hat das Schwein nur in ganz kleinen Bezirken, wo einst Mohammedaner herrschten, an Wichtigkeit verloren, so in Griechenland. In Italien, Südfrankreich und Nordspanien ist es im Gebiet der Eichen- und Kastanienwälder das wichtigste Nutztier des Menschen; ebenso in Sardinien und Sizilien. Eine erhebliche Schweinezucht weist Mittelitalien auf, dann Spanien in der Estramadura, verschiedene Provinzen Portugals und Südwestfrankreich im Gebiete der Garonne. Die wichtigsten Produktionsländer für Schweine, welche davon stark nach Westeuropa exportieren, sind Serbien und Ungarn. In Süddeutschland findet man die intensivste Zucht in Bayern; dort wird die große wildschweinähnliche, in der vordern Körperhälfte weiße, in der hintern dagegen meist rote Landrasse noch in starker Verbreitung angetroffen. In Deutschland sind die nordischen Marschen relativ arm an Hausschweinen, reicher dagegen Westfalen, Hannover, Braunschweig, Thüringen und Sachsen. Meist sind in Deutschland wie in der Schweiz, in Belgien, Holland und Nordeuropa die einheimischen Rassen durch hochgezüchtete englische Rassen verdrängt worden. Nachdem nämlich schon um 1740 durch die schwedisch-ostindische Gesellschaft Mastschweine besonderer Güte aus Südchina zur Hebung des einheimischen Schweins durch Kreuzung nach Schweden eingeführt worden waren, nahm die englisch-ostindische Gesellschaft zu Beginn des vorigen Jahrhunderts diese Bestrebungen im großen Maßstabe auf. So wurden in England durch Kreuzung mit hochgezüchteten chinesischen Rassen die weltberühmten edlen Schläge gezüchtet, welche später in allen Kulturländern eingeführt wurden und hier nach und nach die weniger leistungsfähigen einheimischen Schläge verdrängten. Damit hat das asiatische Schwein einen vollständigen Sieg über die Hausschweine europäischen Blutes erlangt. Die wichtigsten Schläge desselben werden als Yorkshire, Berkshire, Suffolk und Leicester bezeichnet, lassen aber keine scharfe Grenze zwischen sich ziehen. Der Körperumriß nähert sich bei ihnen einem Rechteck, die Beine sind fein gebaut und kurz. Das Gesicht ist extrem verkürzt und die Gegend zwischen Nase und Stirn stark eingeknickt. Es gibt kurz- und langohrige, kleine und große Schläge. Die Färbung kann schwarz, rotgelb, weiß oder bunt sein. Die größte Schweinezucht weist Yorkshire und Westmoreland auf. Auch Irland besitzt große Zuchten, weniger dagegen Schottland. Außer nach Belgien, das besonders in der Provinz Lüttich englisches Blut züchtet, kam dieses besonders nach Nordamerika, wo seine Zucht heute eine der wichtigsten nationalen Industrien der Vereinigten Staaten bildet. Dort kamen ihm zunächst die zahlreichen Nüsse und Eicheln des Waldes zugute, während jetzt der größte Teil der Schweine des Westens mit Mais gefüttert wird. Welchen Umfang die Schweinezucht in den Staaten der Union angenommen hat, beweist am besten die Tatsache, daß die Zahl der Schweine, die im Jahre 1860 etwa 30 Millionen betrug, sich heute mehr als verdoppelt hat. Nach H. Moos wird die Zucht überall nach demselben Muster betrieben. Es werden vorwiegend schwarze, frühreife Schläge gehalten; unter ihnen ist am verbreitetsten das Poland-Chinaschwein und nachher die Berkshirerasse. Das Zuchtmaterial wird sorgfältig ausgewählt. Meist werden junge Tiere im Alter von 7–10 Monaten im Gewicht von 90–140 kg geschlachtet, nachdem sie außer Mais besonders auch Klee erhielten. Die größten Schlächtereien besitzt Chicago.

Mehr nach dem Süden zu tritt die Schweinezucht in Amerika in den Hintergrund. Schon in Mexiko ist sie sehr gering und in Südamerika nur in Brasilien da von erheblicher Bedeutung, wo deutsche Ansiedlungen sich befinden. In Argentinien ist sie seit längerer Zeit stark im Niedergang begriffen. Einige Zeit hindurch hatte eine ziemlich rege Ausfuhr von dort nach Brasilien bestanden; sie hörte dann bald auf. Es fehlt eben jenem Gebiet an einem rationellen Betrieb der Schweinezucht, ohne den die Konkurrenz mit Amerika nicht aufzunehmen ist. Übrigens gelangte das Hausschwein spanischer Rasse schon 1493 durch Kolumbus auf die Antillen und verbreitete sich von da mit der spanischen Kolonisation nach dem amerikanischen Festlande, wo es noch heute vielfach angetroffen wird.

Australien, das erst im 18. Jahrhundert das Hausschwein durch die Engländer eingeführt erhielt, besitzt heute sehr gute englische Rassen, vor allem die Berkshires, welche vortrefflich gedeihen und zu einer ausgedehnten Zucht Veranlassung gaben. Da im Lande selbst der Konsum an Schweinefleisch nicht sehr groß ist, werden die Produkte meist zum Export gebracht. Neuseeland besitzt ziemlich starke Zuchten, so daß auch jenes Land schon eine ausgedehnte Ausfuhr von Schweinefleisch nach Europa betreibt.

Der neueste Import aus Japan ist das Maskenschwein, das 1861 durch den Tierhändler Jamrach, den Konkurrenten von Hagenbeck, in zoologischen Gärten Deutschlands eingeführt wurde. Es steht dem chinesischen Hausschwein nahe, besitzt aber auffallend große Ohren und durch starke Verkürzung des Oberkiefers ein faltiges Gesicht, daher sein Name. Es ist aber nicht japanischen, sondern indischen Ursprungs, und zwar eine besondere Art des großohrigen, indischen Schweins.

Da das Hausschwein bei Völkern auf primitiver Kulturstufe ein halbwildes Leben führt, ist es kein Wunder, daß es sich öfter der Aufsicht des Menschen entzieht und völlig verwildert. Solche verwilderte Hausschweine sind in Süd- und Ostasien nichts seltenes und lassen sich auf den verschiedensten Gebieten der Erde, besonders auf Inseln, wo sie keine größeren Feinde haben, nachweisen. Dabei nehmen sie schon nach wenigen Generationen ganz oder teilweise das Aussehen der wilden Stammform an. In Europa kommen verwilderte Hausschweine auf Sardinien und den Kykladen vor; weiter finden sich solche im oberen Nilgebiet, auf den Kanaren, Tristan da Cunha, Réunion und St. Helena. Auf letzterer Insel gab es nach Cavendish schon 1588 welche; Tavernier traf deren noch 1649 an. Neben den vielen verwilderten Ziegen trugen sie wesentlich dazu bei, den jung aufsprossenden Wald zu zerstören. Auf Jamaika, St. Domingo, St. Thomas und anderen westindischen Inseln gibt es solche, wahrscheinlich aus den Resten der spanischen Kolonisation herrührend. Auch in Venezuela, Brasilien, Paraguay und Peru gibt es verwilderte Schweine verschiedener Art, teils schwarze mit stehenden Ohren, teils heller gefärbte mit den Hängeohren ihrer chinesischen Vorfahren. Auf den Bermudas, den Galapagos, den Andamanen, Nikobaren und zahlreichen Inseln Melanesiens, Mikronesiens und Polynesiens sind ebenfalls verwilderte Hausschweine anzutreffen. Auf Neuseeland gibt es solche, die die konkave Form des Gesichts ihrer chinesischen Ahnen beibehielten.

Schwein und Huhn sind die einzigen Tiere, bei denen die Operation der Kastration zur Mast in größerem Umfang auch beim weiblichen Geschlecht vorgenommen wird. Im Altertum begnügte man sich, wie Columella berichtet, in solchen Fällen zur Verhinderung einer Befruchtung die Scheide narbig zu verschließen; erst im Mittelalter wurde die Beseitigung der Eierstöcke vorgenommen. Solche Tiere nannte man dann Nonnen. Ein solcher Schweineschneider in Ungarn war es, der es als erster wagte, bei seiner Tochter, die nicht auf natürlichem Wege niederzukommen vermochte, den Kaiserschnitt durch Eröffnung des Bauches und der Gebärmutter vorzunehmen. Dabei rettete er Mutter und Kind das Leben. Erst hernach haben dann die Ärzte diese Operation vorzunehmen gewagt.

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