VI. Der Esel.

Weit früher als das Pferd hat sich der Mensch den Esel gezähmt, nicht um sein Fleisch oder seine Milch oder sein Haarkleid zu benutzen, sondern um ihn als Transporttier zu verwenden. Als das Rind schon längst Haustier geworden war und an den Pflug, wie auch an den Wagen gespannt wurde, kam man noch nicht auf den Gedanken, auf ihm Lasten fortzubewegen. Dazu diente im ältesten Ägypten der Esel, der allerdings ausschließlich als Last- und noch nicht als Zugtier benutzt wurde. Außer den Lasten transportierte man auch die unbehilflichen Mitglieder der Familie, wie etwa Weiber und Kinder, auf dem Esel, den der Mann dann führte. Er selbst bestieg ihn nicht, um als Reiter mit größerer Geschwindigkeit das Land zu durchstreifen. Dies geschah erst, als der vornehmere und anspruchsvollere Vetter des Esels, das Pferd, vom Menschen domestiziert wurde und dann freilich seinem bescheidenem Verwandten den Rang ablief und weit ausgedehntere Verbreitung fand. Aber im hamitisch-semitischen Kulturkreis ist der Esel bis heute in hoher Wertschätzung geblieben; nur in Südeuropa, wo er sich ebenfalls stark einbürgerte, sank er zum verachteten und mißhandelten Geschöpf herab, dem man seine sprichwörtliche Starrköpfigkeit als Dummheit auslegt.

Die ältesten Spuren zahmer Esel, die uns bis heute bekannt geworden sind, lassen sich im Niltal nachweisen und reichen dort bis in die urägyptische Zeit, die um die Mitte des vierten Jahrtausends v. Chr. zu setzende Negadaperiode, zurück. So besitzen wir auf einer bereits früher erwähnten Schieferplatte des Museums in Giseh aus der Negadazeit, die de Morgan zuerst veröffentlichte, treffliche Abbildungen des Esels. Er ist dort in einer ganzen Reihe von Tieren mit großen, aufrechtstehenden Ohren neben dem Hausrind von Bantengabstammung und dem Hausschaf von Mähnenschafdescendenz dargestellt in der Form des gewöhnlichen Hausesels mit schwarzem Schulterkreuz, das auf allen Figuren deutlich erkennbar ist. Schon während des Alten Reichs in der ersten Hälfte des dritten vorchristlichen Jahrtausends war die Zucht des Esels in Ägypten eine stark ausgedehnte. Im Grabe des Chafra ank in Giseh aus der 4. Dynastie (2930–2750 v. Chr.), der Zeit der großen Pyramidenerbauer, eines hohen Würdenträgers unter der Regierung des Chefren, berichtet ein Oberschreiber seinem Herrn, er besitze einen Viehstand von nicht weniger als 5023 Stück, darunter 760 Esel. In anderen Gräbern derselben Periode wird, vermutlich mit etwas Übertreibung, gemeldet, daß die Besitzer über mehr als tausend, ja Tausende von Eseln verfügten.

Zur Zeit der ältesten Dynastien wird der Esel häufig auf den Grabwänden dargestellt, da sich das bürgerliche Leben ohne ihn gar nicht vorstellen ließ. Er wurde ausschließlich als Lasttier, daneben etwa noch wie Schafe und Rinder zum Dreschen auf der Tenne, d. h. zum Austreten der Körner der Feldfrüchte mit den Hufen verwendet. Doch diente er daneben bereits als Reittier, doch nicht in der Weise, daß sich die Ägypter auf seinen Rücken setzten, sondern so, daß ein Reitsessel zwischen zwei Eseln befestigt wurde, um darin die über Land reisende vornehme Person aufzunehmen. Erst als zur Zeit des Neuen Reiches (um 1580 v. Chr.) infolge der regen Beziehungen mit den Völkern Vorderasiens das Pferd als wertvolles Kriegsinstrument, das den Schlachtwagen zog, nach dem Nillande kam und hier unter den kriegerischen Pharaonen der 18. und 19. Dynastie in Menge gezüchtet wurde, trat der Esel gegenüber dieser neuen Erwerbung etwas in den Hintergrund, um allerdings später wieder seine Vorherrschaft anzutreten, die er in jenem Lande bis heute zu behaupten vermochte.

Woher bezogen nun die vorpharaonischen Ägypter der Negadaperiode den Hausesel? Zweifellos aus Nubien, wo der ostafrikanische Steppenesel (Asinus taeniopus) von hamitischen Volksstämmen, wahrscheinlich den Vorfahren der heutigen Galla, gezähmt und damit in den Haustierstand übergeführt worden war. Der Steppenesel findet sich heute noch in den Steppen Obernubiens, am häufigsten in den Ebenen von Barka und um den Atbara, den Hauptzufluß des Nils. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich aber bis an die Küste des Roten Meeres. Wie bei allen Steppentieren ist Geselligkeit ein Grundzug seines Wesens. Das ausnehmend scheue und vorsichtige Tier lebt in kleinen Rudeln, wobei eine Herde von 10–15 Stuten von einem Hengst geführt, bewacht und verteidigt wird. Als Mittelglied zwischen seinen streifenlosen, asiatischen Verwandten und den afrikanischen Tigerpferden sind seine Füße leicht — von unten nach oben in abnehmender Stärke — gestreift und zieht sich dem Rücken entlang vom Schwanz bis zur Schulter ein schwarzes Band, das sich hier in zwei gegen die Seitenbuge hin verlaufende Arme teilt. Es ist dies das vorgenannte Rückenkreuz, das sich bei seinen gezähmten Nachkommen noch teilweise erhielt. Außerordentlich stark ausgesprochen war es noch nach der Abbildung bei den Hauseseln der Negadazeit, die also dem Stammvater noch hochgradig ähnlich gesehen haben müssen, ja, kaum von ihm abwichen, was also eine sehr junge Zucht bedeutet. Diese Negadahausesel haben auch die typische Kopfbildung und die aufrechtgestellten, großen Ohren des ostafrikanischen Steppenesels, von dem wildeingefangene Tiere bis auf den heutigen Tag je und je zur Veredlung der Eselzucht in ihrer Heimat verwendet werden. Wie vermutlich schon die alten Ägypter gaben die alten Römer große Summen für diese Veredelung aus, was die Araber jetzt noch tun. Deshalb haben sie auch ein so edles Eselmaterial, demgegenüber unser durch Inzucht und Vernachlässigung herabgekommenes Eselmaterial keinen Vergleich aushält.

Vom Niltal her wurden schon sehr früh die Juden und übrigen Semiten Vorderasiens mit dem Hausesel bekannt, der, wie in Ägypten, so auch bei ihnen eine sehr geachtete Stellung einnahm. Er diente auch hier zum Tragen von Lasten aller Art. So sehen wir auf einer der Wandmalereien des Grabes von Num hotep in Beni Hassan unter einem der ersten Könige der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) die Einwanderung eines semitischen Stammes von Hirten in das Land Gosen am Delta. Diese Nomaden werden darauf als Aamu bezeichnet und wandern mit ihren Herden nach Unterägypten ein, als einzige Lasttiere Esel mit großen Ohren mit sich führend, auf denen sie alle ihre Habe und die kleinen, des Gehens unfähigen Kinder aufgeladen haben. Überall im Alten Testament ist an Stelle des Pferdes der Esel der treue Begleiter des Vieh hütenden Nomaden. Von den Zeiten Abrahams an war es der Stolz des Oberhauptes der Familie, zahlreiche Esel neben den Schafen und Rindern zu besitzen, und später, als dies aufkam, alle seine Söhne auf Eseln beritten zu sehen. Nach demselben Grundsatze, an dem heute noch der Japaner speziell in bezug auf das pflügende Rind streng festhält, sollte das Arbeitstier nicht zugleich auch zur Nahrung dienen. Deshalb enthielten sich die Juden ausdrücklich des Fleisches vom Esel, was ursprünglich nicht alle semitischen Stämme getan zu haben scheinen. Ja, wahrscheinlich haben auch die vorpharaonischen Bewohner Ägyptens gelegentlich den zahmen Esel geschlachtet und als willkommene Speise verwendet. Aber die Juden enthielten sich nicht nur des Schlachtens von Eseln, sondern lösten sogar nach dem Gesetz die dem Tode verfallene Erstgeburt desselben wie diejenige des Menschen durch das Opfern eines Schafes ab.

Über Syrien und Kleinasien kam der Hausesel zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends in die Balkanhalbinsel, wo er vermutlich asnas hieß, und von da zuerst zu den Griechen als ónos und später auch als asinus zu den Römern. In der homerischen Zeit, da Viehzucht und Ackerbau vorherrschten, war der Esel noch nicht das gebräuchliche Lasttier, sondern ein durch seine Seltenheit wertvolles Zuchttier, das zur Gewinnung der damals schon geschätzten Maultiere diente. Nur an einer zweifellos später eingeschobenen Stelle der Ilias wird er in einem Gleichnisse erwähnt. In der ältesten, sich an Homer anschließenden griechischen Lyrik wird er als Zuchttier erwähnt, das viel zu kostbar war, um der Feld- und Hausarbeit zu dienen. In einem Fragmente des Lyrikers Archilochos von Paros (um 700 v. Chr.) wird von einem Menschen gesagt, daß ihm das Glied anschwoll, wie das des mit Korn gefütterten Zuchtesels aus Priene (einer Stadt der kleinasiatischen Küste nördlich von Milet). Auch Simonides von Amorgos, der jüngere Zeitgenosse des Archilochos, kennt den Esel nur als Zuchttier und legt in einem Gedicht einigen Weibern dessen Art bei, die träge, gefräßig und geil sei. Erst der Dichter Tyrtaios aus Attika um 684 v. Chr. spricht vom Esel als Lasttier, das die Kornfrucht vom Acker nach Hause tragen müsse.

Im Gegensatz zu dem als Beschäler der Pferdestute gehaltenen Eselhengst war bei den ältesten Griechen das von einem solchen mit einer Pferdestute erzeugte Maultier als hemíonos, d. h. Halbesel, oder oreús, d. h. Bergtier, das eigentliche Arbeitstier, sowohl bei der Feldbestellung als im Geschirr vor dem Wagen und beim Schleppen von Lasten; deshalb wird es gern als vielduldend und mühselig bezeichnet. Schon weil es stärker war als der Esel wurde es diesem vorgezogen, wie Theognis (der um 560 v. Chr. lebende Dichter aus Megara) ausdrücklich bezeugt. Nach Homer stammte das Maultier von den Enetern, einem paphlagonischen Volke aus dem pontischen, d. h. gegen das Schwarze Meere zu gelegenen Kleinasien, her. An einer andern Stelle der Ilias hatten die Bewohner von Mysien dem König Priamos von Ilion Maultiere geschenkt nach dem 24. Buche, Vers 277:

„Schirrten die Maultiere an, starkhufige, kräftig zur Arbeit,

Welche die Myser dem Greise verehrt als edle Geschenke.“

In einem Fragment des jonischen Dichters Anakreon (550–478 v. Chr.) werden die Myser geradezu als Erfinder der Maultierzucht durch Kreuzung von Eselhengsten mit Pferdestuten bezeichnet. Schon im Alten Testament bei Ezechiel (596 v. Chr.) wird die Landschaft Thogarma, d. h. Armenien oder Kappadozien als diejenige bezeichnet, die die besten Maulesel lieferte. Den Israeliten selbst verbot das Gesetz diese Zucht. Noch später hören wir mehrfach, so bei Aristoteles, Plutarch und Plinius, die Maultiere Kappadoziens und Galatiens als besonders edle Zucht rühmen; von den ersteren wird berichtet, sie seien fruchtbar, also unter besonders günstige Naturverhältnisse gestellt.

Merkwürdig ist bei dieser Wertschätzung des Maultiers als Ersatz des Esels, daß, vielleicht durch semitische Anschauungen beeinflußt, seit der mythischen Zeit in Elis im Peloponnes das Verbot bestand, Maultiere im Lande selbst zu erzeugen. So soll der König von Pisa in Elis, Oinomaos, der Sohn des Meergottes Poseidon und Vater der Hippodameia, deren Freier er hinterlistig beim Wettfahren tötete, bis er von Pelops durch List überwunden wurde, einen Fluch über diese Zeugung ausgesprochen haben, und seither brachten die Eleer ihre Stuten außer Landes, um sie dort von Eseln belegen zu lassen, wie uns Herodot und Pausanias gleicherweise bezeugen. Vielleicht, meint V. Hehn, war in diesem elischen Brauch nur die durch Religion festgehaltene Anschauung der ältesten Zeit aufbewahrt, da es in Griechenland keine anderen als vom Orient eingeführte Maultiere gab und das Volksgefühl sich gegen solche widernatürliche Mischung noch sträubte. Auch in Homers Odyssee wird vom Bewohner Ithakas Naëmon gesagt, er besitze in dem weidereichen Elis zwölf Stuten mit den dazu gehörigen Maultierfüllen. Von einem Eselhengste aber ist dort nirgends die Rede. Gemäß der Bedeutung des Wortes oreús, d. h. Bergtier für Maultier, wird in der Ilias an einer Stelle geschildert, wie das Maultier mühsam Balken und Schiffsbauholz aus den Bergen hinabgeschleppt habe, an einer andern, wie die Männer mit Äxten, Seilen und Maultieren in das bewaldete Idagebirge hinaufziehen, um Holz für den Scheiterhaufen von Achills Freund Patroklos zu holen; wie dann nach dem Fällen und Zerkleinern der Bäume die Last den Maultieren aufgebunden wird, die sie dann stampfend in die Ebene hinabtragen.

Dieselbe Wertschätzung des Maultiers wie bei den Griechen finden wir auch bei den Römern. So sagt beispielsweise der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Das Maultier (mulus) ist zur Arbeit ganz ausgezeichnet gut.“ Daneben waren aber auch die Esel in hoher Achtung; denn derselbe Autor sagt an einer anderen Stelle von diesem Tiere: „Der Gewinn, welchen man aus Eseln zieht, übertrifft den der fruchtbarsten Landgüter.“ Des Plinius Zeitgenosse Columella sagt rühmend von ihm: „Der gemeine Esel (asellus) ist mit geringem Futter, wie Blättern, Dornen, Zweigen, Spreu usw. zufrieden, braucht auch nur geringe Pflege, hält Prügel und Mangel aus, wird selten krank und erträgt die Arbeit leicht. Auf dem Lande ist er ganz unentbehrlich, weil er die Mühle treiben und allerlei Gegenstände in die Stadt und von da zurücktragen muß.“

Hundert Jahre vor diesen beiden schreibt der gelehrte Varro: „Was die zahmen Esel betrifft, so werden in Griechenland die arkadischen sehr geschätzt, in Italien dagegen die von Reate, und ich weiß einen Fall, wo ein solcher mit 60000 Sesterzien (= 9000 Mark) bezahlt wurde und in Rom ein Viergespann von Eseln mit 400000 Sesterzien (= 60000 Mark).“ Weiter meint er: „Der Wildesel, der herdenweise in Phrygien und Lykaonien lebt — offenbar ist hier vom später zu besprechenden Onager die Rede, dessen Verbreitungsgebiet sich damals westlich noch bis dort erstreckt zu haben scheint — kann man leicht zähmen, den zahmen Esel aber nicht in einen wilden umschaffen. Man braucht den Wildesel gern zur Zucht. Das Junge des zahmen Esels läßt man im ersten Jahre ganz bei seiner Mutter, im zweiten nur bei Nacht, jedoch so, daß beide angebunden sind; im dritten wird es zu seiner Arbeit dressiert. Die meisten werden gebraucht, um die Mühle zu drehen, oder zum Tragen und Fahren, in leichtem Boden auch zum Pflügen. Kaufleute halten auch ganze Herden, um Öl, Wein, Getreide usw. zu transportieren.“ Jung wurden sie auch verspeist. So schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte, Maecenas, der reiche Freund des Kaisers Augustus, habe die Mode aufgebracht, junge Esel zu essen. Derselbe Autor berichtet: „Die Eselsmilch soll die Haut weiß machen; deshalb führte Poppaea, die Gemahlin Neros, immer 500 milchende Eselinnen mit sich und badete in deren Milch.“

Seit dem Altertum hat sich der Esel als wichtigstes Arbeitstier überall in den Mittelmeerländern unentbehrlich gemacht, ist aber durch schlechte Haltung immer kleiner und unansehnlicher geworden. Dabei hat er eine mattere, aschgraue Farbe und schlaffere Ohren bekommen. Oken sagt von ihm: „Der zahme Esel ist durch die lange Mißhandlung so sehr heruntergekommen, daß er seinen Stammeltern fast gar nicht mehr gleicht. Der Mut hat sich bei ihm in Widerspenstigkeit verwandelt, die Hurtigkeit in Langsamkeit, die Lebhaftigkeit in Trägheit, die Klugheit in Dummheit, die Liebe zur Freiheit in Geduld, der Mut in Ertragung der Prügel.“ Tatsächlich ist an diesem treuen Arbeitstiere des Menschen im Laufe der Jahrhunderte unsäglich viel gesündigt worden, daher sein widerstrebender, eigensinniger Charakter!

Gemäß seiner Herkunft aus einer heißen Steppe fühlt er sich um so wohler, je wärmer und trockener das Land ist. Feuchtigkeit und Kälte verträgt er viel weniger als das hierin weniger empfindliche Pferd. Schon Plinius sagt: „Kälte kann dieses Tier (der Esel) nicht gut vertragen.“ In bezug auf Futter ist er durchaus nicht wählerisch und begnügt sich mit sehr geringen Mengen davon. Brehm sagt von ihm: „Gras und Heu, welches eine wohlerzogene Kuh mit Abscheu verratendem Schnauben liegen läßt und das Pferd unwillig verschmäht, sind ihm noch Leckerbissen: er nimmt selbst mit Disteln, dornigen Sträuchern und Kräutern vorlieb. Bloß in der Wahl des Getränkes ist er sorgsam, denn er rührt kein Wasser an, welches trübe ist; salzig, brackig darf, rein muß es sein. In Wüsten hat man oft sehr große Not mit dem Esel, weil er, alles Durstes ungeachtet, nicht von dem trüben Schlauchwasser trinken will.“

Bild 23. Altdeutscher Mülleresel.
(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)

Die Paarungszeit des Esels fällt in die letzten Frühlings- und ersten Sommermonate. Etwa 11 Monate nach der Paarung wirft die Eselin ein — höchst selten zwei — vollkommen ausgebildetes, sehendes Junges, das sie mit großer Zärtlichkeit ableckt und das ihr sofort zu folgen vermag. Schon eine halbe Stunde nach der Geburt bietet ihm seine Mutter das Euter dar, das ihm die nächste Nahrung spendet. Nach 5–6 Monaten kann das Eselsfüllen entwöhnt werden, folgt aber noch lange seiner Mutter auf allen Wegen nach. Es ist ein überaus munteres, lebhaftes Tier, das die possierlichsten Sprünge ausführt. Schon im zweiten Jahre ist es erwachsen; aber erst im dritten Jahre erreicht es seine volle Kraft, um selbst bei harter Arbeit ein Alter von über 30 Jahren zu erreichen.

Im Volksleben Mitteleuropas spielte der Esel nur als Mülleresel, der die Säcke nach und von der Mühle trug, eine beschränkte Rolle und wurde nie das volkstümliche Haustier wie in Südeuropa oder gar im Orient. Er kam einst im Mittelalter vorzugsweise durch die Mönchsorden nach Deutschland in die Klöster, um hier als Lasttier verwendet zu werden. So erlaubte z. B. Herzog Konrad I. von Urach 1263 den Franziskanern in Freiburg im Breisgau „mit drei Eseln aus dem Herzogenwald Holz zu holen.“ Aus den Klöstern ging er dann später teilweise zu den Laien über. Aber im allgemeinen kam er im Laufe der Zeit als schlecht gefüttertes und fast ungepflegtes Arbeitstier des kleinen, armen Mannes zu einem blöden Jammerwesen herunter und wurde so für den Volksmund zum sprichwörtlichen Vertreter der Dummheit. Nicht viel besser erging es dem Esel in den Mittelmeerländern, obwohl er dort viel zahlreicher gehalten wird und zum geradezu unentbehrlichen Gehilfen des Menschen, speziell des Gartenbauers, wurde. Auch hier ist das Leben des armen „Packesels“ eine Kette von Anstrengungen, Leiden und Entbehrungen gepaart mit zahlreichen Mißhandlungen. Erst im Morgenlande sehen wir aus diesem Proletarier unter den Haustieren des Abendlandes einen mit weit größerer Sorgfalt als bei uns behandelten Diener und Genossen des Menschen werden, der es sogar zu einigem Adel der äußeren Erscheinung, wie des Charakters bringt. Brehm schreibt in seinem bekannten Tierleben: „Der nordische Esel ist, wie allbekannt, ein träger, eigensinniger, oft störrischer Gesell, welcher allgemein, wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt, der südliche Esel dagegen, zumal der ägyptische, ein schönes, lebendiges, außerordentlich fleißiges und ausdauerndes Geschöpf, welches in seinen Leistungen gar nicht weit hinter dem Pferde zurücksteht, ja es in mancher Hinsicht noch übertrifft. Ihn behandelt man auch mit weit größerer Sorgfalt als den unsrigen. In vielen Gegenden des Morgenlandes hält man die besten Rassen so rein wie die des edelsten Pferdes, füttert die Tiere sehr gut, plagt sie in der Jugend nicht so viel und kann deshalb von den erwachsenen Dienste verlangen, welche unser Esel gar nicht zu leisten imstande sein würde. Man hat vollkommen recht, viele Sorgfalt auf die Zucht des Esels zu verwenden; denn er ist dort Haustier im vollsten Sinne des Wortes: er findet sich im Palast des Reichsten wie in der Hütte des Ärmsten und ist der unentbehrlichste Diener, welchen der Südländer kennt. Schon in Griechenland und Spanien trifft man sehr schöne Esel, obgleich sie noch weit hinter den im Morgenlande, zumal in Persien, Turkmenien und Ägypten gebräuchlichen zurückstehen. Der griechische und der spanische Esel kommen einem kleinen Maultier an Größe gleich; ihr Haar ist glatt und weich, die Mähne ziemlich, die Schwanzquaste verhältnismäßig sehr lang; die Ohren sind lang, aber fein gebaut, die Augen glänzend. Große Ausdauer, ein leichter, fördernder Gang und ein sanfter Galopp stempeln diese Esel zu unübertrefflichen Reittieren.“

Noch weit schöner als diese Esel von ostafrikanischer Abstammung sind die arabischen Esel, zumal diejenigen, welche in Jemen gezogen werden. Es gibt zwei Rassen, eine große, mutige, rasche, zum Reiten höchst geeignete, und eine kleine, schwächere, welche gewöhnlich zum Lasttragen benutzt wird. Der große Esel ist wahrscheinlich durch Kreuzung mit dem Onager und seinen Nachkommen veredelt worden. Ganz ähnliche Rassen finden sich in Persien und Ägypten, wo man viel Geld für einen guten Esel ausgibt. Ein allen Anforderungen entsprechender Reitesel steht höher im Preis als ein mittelmäßiges Pferd, und es ist gar nicht selten, daß man bis 1500 Mark unseres Geldes für ihn bezahlt. „Etwas Nutzbareres und Braveres von einer Kreatur als dieser Esel“, sagt Bogumil Goltz, „ist nicht denkbar. Der größte Kerl wirft sich auf ein Exemplar, welches oft nicht größer als ein Kalb von sechs Wochen ist, und setzt es in Galopp. Diese schwach gebauten Tiere gehen einen trefflichen Paß; wo sie aber die Kräfte hernehmen, stundenlang einen ausgewachsenen Menschen selbst bei großer Hitze im Trab und Galopp herumzuschleppen, das scheint mir fast über die Natur hinaus in die Eselsmysterien zu gehen.“ Man verschneidet den Reiteseln das Haar sehr sorgsam und kurz am ganzen Körper, während man es an den Schenkeln in seiner vollen Länge stehen läßt; dort werden dann noch allerlei Figuren und Schnörkel eingeschnitten, und die Tiere erhalten dadurch ein ganz eigentümliches Aussehen.

Weiter nach dem Innern, wo das nützliche Geschöpf ebenfalls als Haustier gehalten wird, sieht man wenige edle Esel, und auch diese werden erst eingeführt.

Die hier erwähnte hochgeschätzte, edlere Eselrasse, welche größer, von schlankerer Gestalt und feineren Gliedmaßen, mit kürzeren Ohren, isabellfarben bis weiß ist und wegen ihrer Gutartigkeit und Lenksamkeit häufig von vornehmen Damen geritten wird, ist tatsächlich kein Abkömmling des afrikanischen Steppenesels, von dem die gewöhnlichen Eselrassen abstammen, sondern des westasiatischen Steppenesels, des Onager der Alten (Asinus onager), der auch in der Bibel mehrfach erwähnt wird. Dieses von Syrien über Arabien, Persien bis Indien verbreitete Tier ist merklich kleiner als der die Steppen Zentralasiens nördlich von Tibet in kleinen, äußerst scheuen Herden bewohnende edelste Wildesel, der Kulan der Kirgisen oder Dschiggetai, d. h. zu deutsch Langohr der Mongolen, der mit dem Schwanz 2,5 m lang wird bei einer Höhe am Widerrist von 1,3–1,5 m, aber doch größer und feingliedriger als der gemeine Esel. Sein Kopf ist verhältnismäßig noch höher und größer als beim Kulan, die dicken Lippen sind bis an den Rand mit steifen, borstigen Haaren dicht bekleidet, die Ohren ziemlich lang, jedoch kürzer als beim Esel. Die vorherrschende Färbung ist ein silberiges Weiß, das auf der Oberseite des Kopfes, an den Seitenflächen des Halses und des Rumpfes, sowie an den Hüften in ein blasses Isabellgelb übergeht. Am Seitenbug zieht sich ein weißer Streifen von Handbreite herab. Ein zweiter Streifen verläuft längs des ganzen Rückens und an der Hinterseite der Schenkel; in seiner Mitte liegt der kaffeebraun gefärbte Riemen. Die Behaarung ist seidenartiger und weicher als beim Pferde, im Sommer äußerst glatt und zart, im Winter wolliger.

Der Onager ist äußerst scheu, vorsichtig und schnellfüßig, so daß ihm in offener Steppe gar nicht beizukommen ist. Er lebt in kleinen, aus Stuten und Füllen beiderlei Geschlechts bestehenden Herden, die von einem Haupthengst geführt werden. Er ist außerordentlich genügsam und kommt höchstens jeden zweiten Tag zur Tränke, weshalb der Anstand auf ihn meist vergeblich ist. Salzhaltige Pflanzen, wie sie die Salzsteppe seiner Heimat in Menge hervorbringt, sind seine angenehmste Nahrung. Salziges Wasser liebt er mehr als süßes, jedoch muß es rein sein; denn trübes trinkt er nie.

Schon im frühen Altertum wurde dieses Wildpferd in Vorderasien gefangen und gezähmt, um dem Menschen dienstbar zu sein. So haben ihn schon die Sumerer in Mesopotamien zum Kriegführen verwendet, lange bevor das Pferd aus Innerasien zu ihnen gelangte. Als aber letzteres im Zweistromland Aufnahme gefunden hatte, verdrängte es für diesen Zweck den älteren Esel. So finden wir unter den Kriegsszenen der Assyrer stets nur das Pferd als Zugtier am zweirädrigen Kriegswagen abgebildet, während der als Lasttier hauptsächlich landwirtschaftlichen Zwecken dienende Esel hier fehlt. Dagegen findet sich das Einfangen des Wildesels gelegentlich auf den Jagddarstellungen. Eine solche besitzen wir beispielsweise auf dem Basrelief einer Marmorplatte aus dem etwa 668 v. Chr. gebauten Palast des Asurbanipal in Kujundschik. Hier hat der assyrische Künstler eine Jagdszene wiedergegeben, die an packender Naturtreue den besten Leistungen der antiken Tierdarstellung an die Seite zu stellen ist. Zwei mit bis zu den Knien reichenden befransten Gewändern bekleidete Männer mit hohen Sandalen und wellig gescheiteltem Haupthaar ohne Bart führen zwischen sich an Stricken einen mit dem Lasso gefangenen jungen Onagerhengst, während darunter zwei wilde Onager in eiligstem Lauf, der eine mit den Hinterbeinen wild um sich schlagend, in entgegengesetzter Richtung davoneilen. Der ganze Körperbau, die Bildung des Kopfes und Halses mit der kurzen Mähne, dann vor allem der an der Spitze mit Haarquaste versehene Eselsschwanz weisen mit Bestimmtheit auf den westasiatischen Onager und nicht auf das Wildpferd, wie Konrad Keller darzutun versucht. Solche Wildlinge wurden wohl auch zur Auffrischung der einheimischen Eselzucht verwendet.

Noch weit später sind je und je wilde Onager in Westasien gefangen worden, müssen also damals in der dortigen Steppe noch in namhaften Herden gelebt haben. So wurden sie auch wiederholt zur Kaiserzeit bei den großen Zirkusspielen in Rom vorgeführt und allerlei Raubtiere auf sie gehetzt. So schreibt Julius Capitolinus in seiner Biographie des Gordian, der 238, 80 Jahre alt, mit seinem Sohne zum Kaiser ausgerufen wurde, sich aber 36 Tage nachher, als letzterer vor Karthago geschlagen ward und fiel, tötete, er habe, als er unter Caracalla und Alexander Severus Konsul war, einmal bei den von ihm gegebenen Jagdspielen im Zirkus Maximus in Rom 30 Wildesel — wohl ein seltsames Schauspiel für die sonst so verwöhnten Römer — auftreten lassen. Noch seltener gab es dort das ebenso flüchtige Tigerpferd Afrikas, das Zebra, von den Römern hippotigris genannt, zu sehen. So berichtet ein anderer römischer Schriftsteller, daß Kaiser Caracalla im Jahre 211 neben Tiger, Elefant und Nashorn auch einen Hippotigris auftreten ließ und eigenhändig tötete.

Schon frühe, wenn auch bedeutend später als der afrikanische Steppenesel, ist dieser südwestasiatische Steppenesel, jung eingefangen und an des Menschen Gegenwart und Pflege gewöhnt, zum Haustiere desselben geworden. Doch wurde er in seiner Heimat nicht so regelmäßig wie der Hausesel bei den Ägyptern und den mit diesem in der Folge beschenkten Völkern gehalten, so daß sich wohl erst spät eine eigentliche Zucht ausbildete. So berichtet der Vater der griechischen Geschichtsschreibung, Herodot, daß die 580 im Heere des Xerxes, bei seinem Zuge gegen Griechenland, befindlichen Inder Streitwagen führten, die teils mit Pferden, teils mit Wildeseln (ónos ágrios, eben dem Onager) bespannt waren. Von eben diesem Onager, der damals noch häufiger als heute angetroffen wurde, berichtet Xenophon vom Jahre 401 v. Chr. von seiner Expedition zugunsten des Cyrus: „Als Cyrus der Jüngere durch Arabien, im Westen des Euphrats, hinzog, kam er durch eine ganz unabsehbare Ebene, woselbst es sehr viele Wildesel gab. Diese liefen viel schneller als Pferde und konnten nur gefangen werden, indem Reiter sich in großen Entfernungen voneinander aufstellten und so im Jagen wechselten. Das Wildpret dieser Tiere glich dem des Hirsches, war aber zarter.“

Dieser westasiatische Hausesel ist gemäß seiner Abstammung vom Onager nicht grau, wie der sich vom afrikanischen Steppenesel ableitende Hausesel, sondern weiß oder isabellfarben und viel größer als jener. Ja, sie geben dem Pferd an Größe nicht viel nach. Am meisten werden sie in Südostarabien gezogen und kommen dann als Maskatesel in den Handel. Man trifft sie außer in Arabien besonders viel in Persien und Mesopotamien als Reittiere verwendet, da sie nicht nur stark gebaut, sondern, im Gegensatz zum störrischen Wesen ihres afrikanischen Vetters, lenksam und dabei ausdauernd sind. In Mesopotamien (Bagdad) kommen sie neben dem gewöhnlichen Lastesel häufig auf den Markt und gelten dort 25 türkische Pfund (= 560 Mark). Die besten Zuchten stammen aus Nedje in Zentralarabien. Als schöne und edle Rassetiere werden sie mit Vorliebe von den vornehmen und reichen Orientalen gehalten, die sich solchen Luxus leisten können. Das gemeine Volk aber begnügt sich mit dem weniger edlen Grautier, dem Abkömmling des afrikanischen Steppenesels, der sich allein als Arbeitstier über größere Gebiete der Erde verbreitet hat. Wie seit dem frühesten Altertum spielt letzterer heute noch in Ägypten als Reit- und Transporttier der Eingeborenen eine wichtige Rolle und gehört überall, besonders in den Städten, zur Staffage des Straßenlebens. Durch ganz Afrika hat er bei den hamo-semitischen Stämmen die größte Verbreitung gefunden, während ihn die Neger ablehnten. Im äußersten Osten, in den Somaliländern, ist er lediglich Lasttier, das den Karawanen folgt. Doch wird er dort nicht gerade zahlreich gehalten, da in den dortigen Steppenländern das Kamel leistungsfähiger ist. Auch in Abessinien wird er in den höheren Lagen ziemlich viel als Lasttier verwendet, aber auch ausgiebig zur Maultierzucht benutzt. Die am weitesten nach Innerafrika vorgeschobenen Hamiten, die Gallas und die Massai, halten zahme Esel in großer Zahl. Es sind kräftige, graue Tiere mit scharfgezeichnetem Schulterkreuz. Vom oberen Niltal hat sich das Tier stark nach den Haussaländern verbreitet, wo es ebenfalls vorzugsweise als Lasttier benutzt wird. Ebenso ist es in Südafrika häufig, da es gegen gewisse hier umgehende Krankheiten, besonders die Tsetse, widerstandsfähiger als das Pferd ist. Die ersten Esel kamen bereits 1689 aus Persien nach dem Kap und wurden in der Folge vorwiegend durch die Buren weiter nördlich bis zum Sambesi verbreitet.

In Arabien, Mesopotamien, Persien und Afghanistan wird neben dem großen, hellen Hausesel von Onagerabstammung sein kleiner, grauer, afrikanischer Verwandter ebenfalls häufig gehalten. Große, auffallend stark gebaute Esel von vorwiegend Onagerblut findet man bei den Turkmenen. In der Mongolei und Mandschurei besteht eine starke Eselzucht, die von ihrem Überschuß vielfach an chinesische Kleinhändler abgibt. Doch ist der Esel in China so unwichtig, daß er nicht einmal nach Japan kam, wo man nur das Pferd verwendet. In Indochina und Indonesien fehlt er ganz. In Ostindien findet man ihn nur selten, z. B. in Cotschin, wo sich Araber aufhalten. Kleinasien dagegen besitzt wie ganz Westasien eine Menge von Eseln, doch überwiegend Grautiere von ziemlich elender Erscheinung, weil sie schlecht gehalten werden. Auch in Griechenland finden wir den Esel häufig, weniger dagegen in den Balkanländern. Bedeutende Eselzuchten weist Süditalien auf. Auf Sizilien und der Insel Pantellaria wird eine stattliche Rasse gehalten, während die Esel Sardiniens sehr klein sind. In Südfrankreich dient der Esel vorzugsweise zur Maultierzucht, die auch in Spanien und Portugal eine sehr wichtige Rolle spielt. Daneben wird aber auch der Esel auf der Iberischen Halbinsel viel verwendet; ja man kann sagen, daß das Grautier neben Ägypten und Westasien hier am häufigsten gezüchtet wird. Von Spanien aus wurde der Esel im 16. Jahrhundert in Amerika eingebürgert, ist aber hier stark vernachlässigt. Seine Hauptbedeutung beruht hier in der Maultierzucht. Der erste Esel, den Garcilasso auf der Hochebene von Peru sah, war dazu bestimmt. In Australien ist seine wirtschaftliche Bedeutung, wie auch in Mitteleuropa, ohne Belang geblieben. Früher wurde er in der Westschweiz häufig gehalten, besonders in den Kantonen Genf und Waadt. Neuerdings ist er wesentlich durch die Bemühungen der Tierschutzvereine in verschiedenen Städten Deutschlands als Zugtier eingebürgert worden. Im Norden besitzt Irland stellenweise, z. B. in Connaught, eine starke Eselzucht. Auch in England, wo er früher nahezu fehlte, wird er jetzt häufig, wenigstens im Süden, als Zugtier von den Kleinhändlern gehalten.

Es ist schon mehrfach von den Kreuzungsprodukten von Esel und Pferd die Rede gewesen, die schon im frühen Altertum in Westasien und den Mittelmeerländern eine wichtige Rolle spielten und heute noch besonders in den romanischen Ländern sehr zahlreich gehalten werden. Dabei unterscheidet man den Maulesel (lat. hinnus) als Produkt der Kreuzung von Pferdehengst mit Eselstute und das Maultier (lat. mulus) als dasjenige von Eselhengst mit Pferdestute. In beiden Fällen schlägt der Bastard mehr nach der Mutter aus. So gleicht der Maulesel mehr dem Esel, sieht aber wegen des relativ schweren Rumpfes in Verbindung mit schwachen Gliedmaßen unschön aus und ist nie zu größerer Bedeutung gelangt. Man findet ihn heute nur sporadisch, so besonders in Abessinien, Nubien, Marokko, auf den Balearen, in Sizilien und Istrien. Dagegen war er im Altertum in manchen Gegenden nicht gar selten zu finden, so in Assyrien, wo er im Dienste der Haus- und Landwirtschaft als Lasttier wie der Esel gebraucht wurde. Zu sehr großer Bedeutung gelangte dagegen das Maultier, das mehr dem Pferde gleicht, viel leistungsfähiger ist, und mit seinen kleinen, zierlicheren Hufen ein weit besserer Bergsteiger ist als das Pferd und deshalb besonders viel als Saumtier gehalten wird. Von ihm werden weit mehr Männchen als Weibchen geboren. Sie sind in der Regel, aber durchaus nicht in allen Fällen unfruchtbar, wie man gemeinhin glaubt, nur ist ihr Geschlechtstrieb bedeutend herabgesetzt. Dabei sollen sie sehr alt werden, viel älter als beide Eltern. Auch im Charakter ist die mütterliche Abstammung maßgebend. So halten sich nach Dobrizhoffer die Maulesel zu den Eseln, die Maultiere jedoch zu den Pferden. Deshalb führt im romanischen Südamerika jede tropa Maultiere ein Pferd, die madrinha, mit der Schelle als Leittier. Nebenbei bemerkt kommt natürlich die Benennung Maulesel und Maultier vom lateinischen mulus.

Wie kam nun der Mensch dazu, eine solche auf den ersten Blick unnatürliche und sonst bei den Haustieren durchaus nicht gebräuchliche Bastardierung zwischen Esel und Pferd vorzunehmen? Darauf läßt sich keine bestimmte Antwort geben. Eduard Hahn hat sie bereits mit dem Eindringen des Pferdes selbst aus Hochasien nach Westen in Verbindung bringen zu dürfen geglaubt. Als das erste Reitervolk aus Innerasien nach den Kulturländern im Süden und Westen vorstieß, werden die Bewohner vor solch ungewohntem Anblick in denselben Schrecken geraten sein wie die alten Griechen, die aus solcher Reminiszenz ihre Sage von den Kentauren schufen, die halb Mensch halb Tier (Pferd) sein sollten. Vielleicht, ja wahrscheinlich, daß dieses Volk statt der wilden, ungestümen Hengste nur die sanfteren Stuten ritt, wie dies die Araber aus altgeheiligter Sitte heute noch tun. Zur Begründung dieser Gewohnheit sagen sie, wenn sie einmal einen nächtlichen Überfall machten und es wäre ein Hengst dabei, so könnte er, wenn er die Anwesenheit der Stuten im Lager röche, wiehern und dadurch die Feinde alarmieren. Dies soll unter allen Umständen vermieden werden! Ritt nun der ungläubige Araber nur Stuten, so ritt schon aus nationalem Gegensatz der gläubige Spanier nur Hengste. Wo Spanier in Südamerika leben, gilt es heute noch für eine Schande, die kaum ein Neger auf sich lädt, eine Stute zu besteigen.

Wie vielleicht jenes alte Reitervolk, das aus Innerasien hervorbrach, ritten nach dem Zeugnisse des Römers Trebellius Pollio die Skythen nur Stuten, indem man vermutlich die überschüssigen Hengste, die nicht zur Zucht gebraucht wurden, als Opfertiere schlachtete.

Fingen nun die betreffenden Westasiaten, die von diesem Reitervolke heimgesucht wurden, die ihrer Reiter entledigten Stuten, so konnte es nicht ausbleiben, daß diese mit dem hier bereits als Haustier gehaltenen Esel zusammengesperrt wurden, wobei sich Gelegenheit zur Bastardierung von selbst ergab. So etwa ist der Ursprung der in Westasien sehr alten Maultierzucht zu erklären.

Als man dann später die Vorteile dieser Bastardierung inne geworden war, pflegte man sie neben der Pferdezucht auszuüben. Nur manche Völker, wie beispielsweise die Juden, lehnten sie als ungehörig ab. So verbot das Gesetz den Juden, wie jede Bastardierung überhaupt, so auch diese. Bei den alten Persern waren die Maultiere ebenso gebräuchliche als beliebte Arbeitstiere wie bei den ältesten Griechen. Wir haben bereits gesehen, welche Verbreitung die Maultiere bereits in homerischer Zeit hatten und wie die Esel damals nur als Beschäler der Pferdestuten, also als Zuchttiere für die Maultiergewinnung benutzt wurden. Nicht anders scheint es bei den Mykenäern und dem ganzen illyrischen Kulturkreis zur Mitte des zweiten vorgeschichtlichen Jahrtausends gewesen zu sein, indem hier nach den Abbildungen das Maultier neben dem Pferd zum Ziehen der zweiräderigen Wagen und daneben auch zum Reiten ohne Schabracke und Sattel oder Bügel benutzt wurde. Im Heere der Perser spielten die Maultiere wie die Esel zur Beförderung der Bagage eine wichtige Rolle. So meldet uns der griechische Geschichtschreiber Herodot: „Als der Perserkönig Darius (im Jahre 513 v. Chr.) über die Donau gegangen war, um gegen die Skythen Krieg zu führen, zeigte sichs bald, daß die feindliche Reiterei der seinigen weit überlegen war. Indessen fand sichs, daß die Perser an den Eseln und Maultieren, welche in ihrem Lager waren, mächtige Bundesgenossen hatten; denn die skythischen Pferde nahmen vor ihnen Reißaus, weil sie dergleichen nie gesehen hatten, und fürchteten sich nicht bloß vor ihrem Anblick, sondern auch vor ihrer Stimme.

Als endlich Darius doch in Not geriet, blieb ihm nichts übrig, als sich zurückzuziehen, und dabei brauchte er folgende List: wie es Nacht war, ließ er die Esel im Lager anbinden und Feuer anmachen. Darauf zog er heimlich mit dem Heer von dannen, während die Skythen sicher glaubten, er wäre noch da; denn sie hörten die Esel laut schreien. Diese Tiere schrieen aber deswegen, weil ihre Herren weggegangen waren.“

Tafel 31.

Für die Maultierzucht verwendeter, sehr schwerer italienischer Eselhengst. Größe 1,54 m Stockmaß, dreijährig.
(Aus Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.)

Großes Arbeitsmaultier, von Karl Hagenbeck aus Nordamerika importiert. Größe 1,80 m Stockmaß.

Tafel 32.

Zebroid von Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.
Vater Zebrahengst, Mutter Pferdestute.

Grevy-Zebras in Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.

Tafel 33.

Zebrastute mit Zebroidenfohlen (Vater Pferd) in Deutsch-Ostafrika.
(Nach einer Photographie der deutschen Kolonialschule in Witzenhausen.)

Ein Paar eingefahrener verschiedenartiger Zebras mit der Familie Hagenbeck im Tierpark in Stellingen.

Tafel 34.

Weidende Zebraherde in der ostafrikanischen Massaisteppe am Fuße des Kilimandscharo.
(Nach unretuschierter Naturaufnahme von Karl G. Schillings aus seinem Buche „Mit Blitzlicht und Büchse“.)


GRÖSSERES BILD

Wie bei den alten Griechen, so hat auch bei den Römern das Maultier als nützliches Arbeitswesen weite Verbreitung gefunden. Hat doch seine fast aufgehobene Geschlechtlichkeit im Verein mit seinem leistungsfähigen Körper, der die Stärke des Pferdes mit der Zähigkeit, Ausdauer und Genügsamkeit des Esels verbindet, es bis auf den heutigen Tag überall in den von der altrömischen Kultur befruchteten romanischen Ländern zu besonderer Wertschätzung geführt. Schon der ältere Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Das Maultier ist zur Arbeit ganz ausgezeichnet gut, der Maulesel dagegen ist unlenksam und unbändig faul. In der Regel bekommen Maultiere und Maulesel keine Jungen; doch geschieht es allerdings mitunter und dann hat man es immer für ein Zeichen bevorstehenden Unglücks gehalten.“ Dieser Aberglaube ist von den Römern auf die Romanen übergegangen. So berichtet Bollaert, daß eine der besten Silberminen bei Iquique ihren Ertrag einstellte, als ein weißes Maultier ein Junges warf. In ganz Südamerika hat man einen solchen Schrecken vor diesen Maultiergeburten, daß schon in verschiedenen Fällen Mutter und Kind gleich auf einen Scheiterhaufen gebracht und verbrannt worden sein sollen. Wie Älian berichtet, benutzten die Römer, besonders zum Ziehen von Reisewagen, Stuten oder Maultiere. Diese waren dann bei den Vornehmen vielfach kostbar beschlagen und mit bunten Bändern geschmückt. So berichtet Plinius von Kaiser Neros Gemahlin Poppaea, sie habe die Hufe ihrer Maultiere mit Gold beschlagen lassen. Und Sueton schreibt: „Wenn Kaiser Nero eine Reise machte, so hatte er immer wenigstens tausend Staatskarossen bei sich; die Hufe der vorgespannten Maultiere waren mit Silber beschlagen, die Kutscher waren in kanusinische Wolle gekleidet.“ Varro rühmt den Mut dieser Tiere, indem er sagt: „Die Maultiere sind von Natur mutig, und mir ist ein Beispiel bekannt, wo sich ein Wolf an eine Herde von Maultieren schlich, diese ihn aber umringten und mit den Hufen totschlugen.“

Heute noch wird in den Gebirgsländern Südeuropas, besonders in Italien und Spanien, dann in Österreich und der Schweiz — hier besonders im Kanton Wallis —, das Maultier zum Befördern von Lasten als Saumtier, oder an den zweiräderigen Wagen angespannt, dem Pferde vorgezogen. Seine Genügsamkeit, seine große Ausdauer und die selbst auf dem schwierigsten Terrain sichere Gangart — alles Erbstücke vom Esel — in Verbindung mit der durch die vom Pferd ererbte Körpergröße ermöglichten größeren Leistungsfähigkeit beim Lastentragen machen es den Gebirgsbewohnern geradezu unentbehrlich. Deshalb wird es auch zum Befördern der Gebirgsartillerie dem Pferde vorgezogen. Auf eine hohe Stufe ist die Maultierzucht in Südfrankreich gelangt, wo Poitou und Deux Sèvres einen starken Export betreiben. Außer in den romanischen Ländern trifft man diese Zucht nur noch in Irland häufiger. Auf asiatischem Boden hat Persien ausgezeichnete Maultiere; auch Nordchina ist in dieser Richtung hervorragend. In Nordafrika züchten Algerien und Ägypten diesen Bastard in größerer Zahl, am berühmtesten ist aber das gebirgige Abessinien durch seine Maultierzucht. Sie wird dort dadurch erleichtert, daß einmal der dortige Pferdeschlag nicht sehr groß ist und die Abneigung des Pferdes gegen den niedern Verwandten dadurch verringert wird, daß Pferd und Esel von Jugend auf zusammen aufgezogen werden. In der Neuen Welt hat die Maultierzucht namentlich im spanischen Südamerika außerordentliche Verbreitung gefunden. So wurden früher nicht weniger als 80000 Stück jährlich von Argentinien nach Peru exportiert. Auch in Mexiko und den Südstaaten der Union hat die Maultierzucht zunehmende Bedeutung erlangt.

Wie der Wildesel würde auch das Zebra (Equus zebra) ein geeignetes Objekt für die Domestikation von seiten des Menschen sein. Durch die unablässigen Verfolgungen von Seiten des Menschen ist seine Verbreitung eine sehr beschränkte geworden. Früher war es ein gemeines Tier der afrikanischen Steppe, das in Herden bis zu 100 Stück lebte, die einzelnen Arten streng voneinander gesondert, aber sich gern unter Antilopen und Strauße mengend. Da ihr Gesicht, wie bei allen Pferden, weniger gut ausgebildet ist, während ihr Geruch vorzüglich ist, kam ihnen die Symbiose mit den gut sehenden, außerordentlich wachsamen Straußen sehr zugute. Letztere ihrerseits fraßen gern die im Zebradung lebenden großen Mistkäfer. Eine ähnliche Lebensgemeinschaft zu gegenseitiger Förderung besteht in Südamerika zwischen Hirschen und Nandus, im Kaukasus zwischen Steinböcken und Berghühnern.

Die Zebras sind wie die Wildesel typische Steppentiere, die sich aber im Gegensatz zu jenen nie allzuweit vom Wasser entfernen, da es ihnen bei der sehr harten, vielfach salzhaltigen Nahrung ein Bedürfnis ist, täglich zu trinken. Wie alle diese Tiere benutzen sie gewöhnlich die Nacht, um oft über weite Strecken zum Wasser zu gelangen, an dem sie ihren Durst zu stillen vermögen. Früher galt das Zebra für zu wild, um gezähmt werden zu können. Doch ist diese vorgefaßte Meinung durch den praktischen Erfolg widerlegt worden. So gibt es nicht nur in Deutsch-Ostafrika, sondern selbst in London als Zugtiere dressierte Zebras, die ihren Dienst vortrefflich tun. In letzterer Stadt fährt Baron W. von Rothschild im dichtesten Straßengewühl mit vier Zebras so glatt und flott wie mit dem besten Viererzug aus Pferden. Da das Zebra unter der Tsetsekrankheit nicht leidet, ist es dazu berufen, in weiten Gebieten Afrikas als Zugtier das Pferd zu ersetzen, das dort nicht gehalten werden kann, da es regelmäßig daran erliegt. Zum Reiten ist es allerdings zu schwach. Von allen Zebraarten hätte nur das Grevyzebra (Equus grevyi) die erforderliche Größe und Kraft, um ein brauchbares Reittier abzugeben. Da sich die Zebras sehr leicht mit Pferd und Esel kreuzen lassen, scheint eine solche Kreuzung von großer Bedeutung, da die daraus resultierenden Bastarde, die man als Zebroide bezeichnet, sehr leistungsfähig sind und gegenüber dem Maultier unverkennbare Vorzüge aufweisen, so daß sie diesem vielleicht in Bälde den Rang streitig machen werden. Verschiedene Gestüte haben sehr günstige Erfahrungen mit diesen Tieren gemacht, die durch ihre mehr pferdeähnliche Erscheinung in Verbindung mit der Zebrazeichnung recht stattliche Luxustiere sind. Außer Schnelligkeit und Ausdauer wird ihnen große Gelehrigkeit nachgerühmt. An Muskelstärke übertreffen diese Zebroide die Maultiere und lassen die Störrigkeit der letzteren ganz vermissen; außerdem sind sie weniger scheu. Jedenfalls haben diese Tiere eine bedeutende Zukunft, da sie eine besonders gute Rassenmischung darzustellen scheinen.

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